Gutachten im familiengerichtlichen Verfahren

 

 

Kapitel 1

 

 

Vorbemerkung

 

 

 

Für den Inhalt dieser Seite gilt das Urheberrecht. Zitierungen sind entsprechend Urheberrechtsgesetz § 51 mit Hinweis auf den Autor und die Fundstelle gestattet. Jede Verwendung außerhalb der Grenzen des Urheberrechts bedarf der vorherigen Zustimmung des Autors.

Sollte sich eine der hier namentlich genannten Fachkräfte ungerecht oder in unzulässiger Weise behandelt fühlen, so kann sich diese zur Klärung ihrer Einwände direkt an mich wenden. Der direkte Weg erspart der betreffenden Fachkraft möglicherweise Anwalts- und Gerichtskosten in erheblicher Höhe, so wie sie etwa der Diplom-Psychologe Klaus Schneider im Rechtsstreit mit Peter Thiel vor dem Landgericht Berlin hinnehmen musste.

Zur Frage der Zitierfähigkeit familiengerichtlich eingeholter Gutachten - Urteil des Landgerichtes Berlin vom 07.11.2006 - 16 O 940/05 - Landgericht Berlin - Rechtsstreit Diplom-Psychologe Klaus Schneider gegen Peter Thiel - Veröffentlicht auch in: "Zeitschrift für das gesamte Familienrecht", 16/2007, 15.08.2007, S. 1324-1325

Auf Grund der an einigen Amts- und Landgerichten, so z.B. beim Landgericht Frankenthal und beim Landgericht Hamburg, möglicherweise in Einzelfällen ausgeübten richterlichen Zensur und Beschneidung der Informations- und Meinungsfreiheit zugunsten sich hier kritisiert sehender Fachkräfte, erkläre ich vorsorglich, dass es sich auf meiner Internetseite - wenn nicht eindeutig von mir als Tatsache vorgetragen - immer um meine persönliche, verfassungsrechtlich geschützte Meinung handelt, die als solche naturgemäß weder wahr noch falsch sein kann. Mithin wird von mir auch ausdrücklich erklärt, dass es sich bei meiner Meinung, dass an einigen Amts- und Landgerichten, so z.B. beim Landgericht Frankenthal und beim Landgericht Hamburg, Zensur ausgeübt wird und die Informations- und Meinungsfreiheit zugunsten sich hier kritisiert sehender Fachkräfte beschnitten wird, um meine persönliche Meinung, nicht aber um eine Tatsachenbehauptung handelt.

 

Peter Thiel

Systemischer Berater, Systemischer Therapeut / Familientherapeut (DGSF), Systemischer Kinder- und Jugendlichentherapeut (DGSF), Verfahrenspfleger (SPFW Brandenburg) und Umgangspfleger 

24.02.2024

 

 

 

Sie finden hier den Aufsatz "Gutachten im familiengerichtlichen Verfahren" von Peter Thiel.

Die einzelnen Kapitel können Sie durch Anklicken des jeweiligen Links aufrufen. 

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

1. Vorbemerkung

2. Allgemeines

3. Kosten

4. Beweisbeschluss

5. Auswahl und Ernennung eines Gutachters (Sachverständigen)

6. Kompetenzen und Professionalität eines Gutachters

7. Einzelfragen

8. Tatsachenfeststellung

9. Sprache

10. Beantwortung der Beweisfrage

11. Auseinandersetzung mit der Arbeit des Gutachters

12. Gutachten im familiengerichtlichen Verfahren: Beratung - Coaching - Begleitung - Analyse - Expertise

 

 

 

 

 

Schlüsselwörter

Autoritätsbeweis, Beweisfrage, Diagnostik, Erstgutachter, Expertise, Exploration, familienpsychologisches Gutachten, Gutachten, Gutachter, Interaktionsbeobachtung, lösungsorientiertes Gutachten, Obergutachten, Obergutachter, Privatexpertise, Privatgutachten, Sachverständigenbeweis, Sachverständiger, Sachverständigengutachten, Zweitgutachter

 

 

 

 

Kapitel 1



 

 

Gleichnis des Buddhas vom reißenden Fluss

Eines Tages stand ich an einem tiefen und schnell dahinfließenden Fluss, in dessen Wasser Frauen, Männer und Kinder in Todesangst trieben und verzweifelt versuchten, sich an den im Fluss treibenden Baumstämmen festzuhalten. Die Menschen riefen um Hilfe, in der Hoffnung, dass da einer käme, sie aus dem Fluss an das rettende Ufer zu bringen.

Ich band mir ein Seil um die Hüften, band es mit dem anderen Ende um einen am Ufer stehenden Baum, stürzte mich in die Fluten und versuchte zu retten, wer immer auch seine Hand nach Hilfe ausstreckte. 

So verging die Zeit, Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr.

Viele, denen es nicht gelang, die rettende Hand zu ergreifen, trieben vorüber, dorthin wo sich der Strom ins offene Meer ergießt. Ich habe sie nie wieder gesehen.

Eines Tages dachte ich, woher nur die vielen Menschen kommen, die da so hilflos und voller Angst im Wasser treiben?

Ich machte mich auf den Weg flussaufwärts, bis ich an eine Stadt kam, wo ein Hochwasser die Brücke, die beide Teile der Stadt quer über den Fluss verband, hinweg gerissen hatte. An den Trümmern der Brücke standen Mütter und Väter mit ihren Kindern, die in den anderen Teil der Stadt auf der andere Seite des Flusses gelangen wollten. Die Eltern stritten lautstark und unerbittlich, wer denn als erster mit den Kindern den Fluss durchqueren dürfe, um an das andere Ufer zu gelangen.

Daneben auf einer Tribüne standen Rechtsanwälte, Sozialpädagogen und Psychologen, Gutachter, Verfahrensbeistände, Familienrichter und Richter des Bundesverfassungsgerichtes, die über das Kindeswohl und den Kindeswillen diskutierten und in schneller Folge Münzen warfen, um nach juristischen und psychologischen Kriterien und nach den Gesetzen des Zufalls zu bestimmen, welcher Elternteil mit dem Kind den Fluss durchqueren darf und welcher dies allein muss. So wurde es dann auch gemacht.

Der Fluss jedoch war tief und floss schnell dahin, die Strömung war stärker als der Wunsch der Menschen, an das andere Ufer zu gelangen. Und so trieben Mütter, Vater und ihre Kinder in dem Fluss in dem es keine Halten gab, flussabwärts, dorthin, wo sich der Strom schließlich ins offene Meer ergießt. Ich habe sie nie wieder gesehen.

Nun wusste ich, woher die Menschen kommen, die Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat in Todesangst im Fluss trieben und verzweifelt versuchten, sich an den im Fluss treibenden Baumstämmen festzuhalten, während flussaufwärts auf einer Tribüne Rechtsanwälte, Sozialpädagogen und Psychologen, Gutachter, Verfahrensbeistände, Familienrichter und Richter des Bundesverfassungsgerichtes über das Kindeswohl und den Kindeswillen diskutierten und Münzen warfen, um nach juristischen und psychologischen Kriterien und nach den Gesetzen des Zufalls zu bestimmen, welcher Elternteil mit dem Kind den reißenden Fluss durchqueren darf und welcher dies allein muss.

Da dachte ich, es wäre doch menschlicher und aussichtsreicher, oben am Fluss, die vom Hochwasser weggerissene Brücke neu aufzubauen, so dass die Menschen wieder von dem einen Ufer des Flusses an das andere gelangen könnten, genügend Helfer würden sich sicher finden. So ging ich zu der Tribüne auf der Rechtsanwälte, Sozialpädagogen und Psychologen, Gutachter, Verfahrensbeistände, Familienrichter und Richter des Bundesverfassungsgerichtes über das Kindeswohl und den Kindeswillen diskutierten und Münzen warfen, um nach juristischen und psychologischen Kriterien und nach den Gesetzen des Zufalls zu bestimmen, welcher Elternteil mit dem Kind den reißenden Fluss durchqueren darf und welcher dies allein muss. 

Ich fragte, wer denn mit anpacken würde, eine neue Brücke zu bauen, da trat kurz Stille ein. Ein Richter vom Bundesverfassungsgericht antwortete: Wir haben dafür keine Zeit, denn wir müssen über das Kindeswohl und den Kindeswillen diskutierten und Münzen werfen, um nach juristischen und psychologischen Kriterien und nach den Gesetzen des Zufalls bestimmen, welcher Elternteil mit dem Kind den reißenden Fluss durchqueren darf und welcher dies allein muss. So sind wir also sehr beschäftigt und können uns nicht um das Bauen von Brücken kümmern.

So wusste ich denn, so lange diese auf der Tribüne stehen, werden Mütter und Väter und ihre Kinder in dem Fluss, in dem es keine Halten gibt, verzweifelt um ihr Leben kämpfend, flussabwärts treiben, dorthin, wo sich der Strom schließlich ins offene Meer ergießt. 

Peter Thiel, Mai 2010

 

 

 

 

 

Die hier von Ihnen aufgerufene Internetseite www.system-familie.de versteht sich nicht nur als Präsentation eines im Schnittbereich von Psychologie, Beratung und Therapie sowie Kindschafts- und Familienrecht tätigern Experten, sondern ist im besten Sinne ein Fachmedium, das die Medienlandschaft auf eine spezielle und unverzichtbare Art und Weise bereichert. 

Die hier vorliegende Darstellung zum Thema "Gutachten im familiengerichtlichen Verfahren" dient der wissenschaftlichen Auseinandersetzung und der fachpolitischen Diskussion, der Aufklärung und Information für interessierte Leserinnen und Leser, Laien und Professionelle, am familiengerichtlichen Verfahren Beteiligte, sowie der Veränderung, Verbesserung und Qualitätssicherung der Tätigkeit von Gutachtern im familiengerichtlichen Verfahren. Dies scheint dringend nötig, wenn man nicht möchte, dass weiterhin Jahr für Jahr in Deutschland Hunderte von Eltern und ihre Kinder, nicht zuletzt auch auf Grund unzureichender oder schlechter Arbeit beteiligter Fachkräfte, wie z.B. von Gutachtern, einen Beziehungsabbruch erleiden oder Väter und Mütter in dem verfassungsrechtlichen Pflichtrecht auf Erziehung und Pflege ihrer Kinder in unangemessener Weise eingeschränkt oder ausgegrenzt werden.

Dass nicht nur auf dem Bau gepfuscht wird, ist eigentlich eine Binsenwahrheit, allerdings vermutet man die Pfuscherei erst einmal ausgerechnet nicht dort, wo Justitia sitzt, denn diese stellt die Gerechtigkeit schlechthin dar, wer käme da schon auf die Idee, dass sich hinter ihrem Rücken bisweilen allerlei zwielichtiges Volk tummelt.

 

 

In meiner Arbeit bleibt es nicht aus, dass ich gelegentlich Rückmeldungen von Gutachtern und Richtern bekomme. Diese reichen von sachlicher Kritik bis hin zu Schmähungen meiner Person mit Bezeichnungen wie "der Vogel" (Amtsrichter H. am Amtsgericht D. bezüglich meiner Expertise zum Gutachten von Frau M.) und der Aufforderung von Gutachtern ihren Namen auf dieser Internetseite zu löschen. Nun heiße ich gottlob nicht Vogel, sonst würde eine als Schmähung gemeinte Anrede sogar zutreffen. 

Im Interesse der Entwicklung ausreichender fachlicher Standards im Bereich der Tätigkeit von Gutachtern und des Rechtes von Betroffenen Kritik zu fachlich problematischer Arbeitsweisen von Gutachtern, auch öffentlich kund zu tun, bleibt zu wünschen, dass das Recht auf öffentlich geäußerte fachliche Kritik sich gegen das vermeintliche Recht von Gutachtern auf ungestörte Ruhe und Weiter-so-Mentalität behaupten wird. Die fetten Jahre sind vorbei heißt ein empfehlenswerter Film, die Botschaft ist, so scheint es, noch nicht überall angekommen.

 

Während andernorts die Arbeit von Fachkräften einer kritischen Würdigung unterzogen werden darf, ja sogar Fortbildungen zum Thema Fehlverhalten und Übergriffe von Fachkräften angeboten werden:

 

 

Pädagogisches Fehlverhalten und Übergriff an Kindern und Jugendlichen in der Jugendhilfe

Auf Grund des hohen Beratungsbedarfs bietet der AFET eine Fortbildungsreihe an.

Konzipiert sind drei Fortbildungsblöcke mit folgenden inhaltlichen Schwerpunkten, die an drei verschiedenen Orten in der Republik durchgeführt werden. Jeder Block behandelt an drei Terminen die jeweils identischen Themenschwerpunkte: Termin 1: Vermittlung rechtlicher Standards und Aspekte; Termin 2: Anforderungen an sozialpädagogische Fachkräfte in der direkten Arbeit mit dem Klientel; Termin 3: Verantwortung von Leitung.

Diese Fortbildung richtet sich an Leitungskräfte freier und öffentlicher Jugendhilfeträger. Sie wird sich u.a. mit folgenden Themen beschäftigen, die eng an der pädagogischen Praxis und am beruflichen Alltag der TeilnehmerInnen orientiert sind. Ziel der Weiterbildung ist es, die Kompetenz von Leitungskräften im Umgang mit Fehlverhalten zu stärken, die Bedeutung des eigenen beruflichen Selbstverständnisses in einem System von Abhängigkeitsverhältnissen zu klären und effektive Handlungsstrategien für den eigenen Arbeitsbereich zu entwickeln.

Berlin-Termine: 24. / 25 08.2006; 28. - 30.09.2006; 09. - 11.11.2006.

Weitere Infos und die Details zur Anmeldung erhalten in der Geschäftsstelle des AFET und auf der Homepage.

 

 

wurstelt man im Bereich der Gutachter auf dem bundesrepublikanischen Stand der fünfziger Jahre herum, als das Wort Demokratie noch als ein Mitbringsel der Alliierten galt und in der ehemaligen Bundesrepublik viele einflussreiche gesellschaftliche Positionen bis hin in den Bundestag von ehemaligen Mitläufern und Unterstützern des nationalsozialistischen Terrorregimes durchsetzt waren. Die alten Nazis sind inzwischen wohl schon alle gestorben, doch deren Ungeist scheint noch immer durch die Lande zu wehen.

 

Doch es geht auch anders, das zeigt eine ganze Reihe von Literatur zum Thema:

 

vergleiche hierzu:

Siegfried Bäuerle / Hans-Martin Pawlowski (Hrsg.): "Rechtsschutz gegen staatliche Erziehungsfehler: Das Vormundschaftsgericht als Erzieher"; 1. Aufl. - Baden-Baden : Nomos Verl-Ges., 1996

Gunther Klosinski: "Beihilfe zum `Kindesweh` - vom Machtmißbrauch durch juristische Berater und Helfer bei Kampfentscheidungen", In: "Täter und Opfer: aktuelle Probleme der Behandlung und Begutachtung in der gerichtlichen Kinder- und Jugendpsychiatrie", Verlag Huber, 1995, S. 163-168 

Bernhard Mäulen: "Narzisstisch gestörte Ärzte. Tyrann und Mimose: Halbgott in Weiß.", In: "Fortschritte der Medizin", 10/2003

Laurence J. Peter; Raymond Hull: "Das Peter-Prinzip oder die Hierarchie der Unfähigen - nebst einer Fortsetzung - Schlimmer geht`s immer. Das Peter-Prinzip im Lichte neuerer Forschung"; Rowohlt 1970

Wolfgang Schmidbauer: "Wenn Helfer Fehler machen."; Reinbek 1997

"Sexueller Übergriffe in Psychotherapie, Psychiatrie und psychologischer Beratung", Broschüre herausgegeben vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen, Männer und Jugend, Herbst 2004

Sonntag, E., et. al. (Hg.): "Übergriffe und Machtmißbrauch in psychosozialen Arbeitsfelder", Tübingen, dgvt Verlag, 1995

 

 

 

Im folgenden wird überwiegend die männliche konnotierte Schreibweise, z.B. "der Gutachter" verwendet. Gemeint sind Frauen und Männer gleichermaßen. Die im familiengerichtlichen Verfahren beteiligen Personen, wie z.B. Mutter, Vater, Kind, Großeltern werden im folgenden als Beteiligte oder Betroffene bezeichnet. Die Bezeichnungen Gutachter oder Sachverständiger werden in der Praxis oft synonym gebraucht. In der Zivilprozessordnung wird der Begriff des Sachverständigen benutzt. Dies Begriffswahl ist nicht ganz unproblematisch, da manche der als Sachverständige bezeichneten Personen sich leider nicht durch ausreichenden Sachverstand auszuzeichnen scheinen. Von daher ist die Bezeichnung Gutachter oft angemessener. So kann es durchaus schlechte und gute Gutachter geben, doch ein schlechter Sachverständiger ist sprachlich eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, da ihm das Prädikat "schlecht" ja gerade den qualitativ notwendigen Sachverstand abspricht.

Die an der Begutachtung mehr oder weniger freiwillig Teilnehmenden, eine Pflicht zur Teilnahme an einer Begutachtung besteht auf Grund des Selbstbestimmungsrechtes nicht, benennen wir in der Folge mit überwiegend mit dem Begriff "Klient" oder auch "Betroffener". Diese Bezeichnungen erscheinen nicht sonderlich günstig, allerdings erscheinen andere Bezeichnungen wie "Teilnehmer" oder gar "Proband" noch problematischer. 

 

 

Die hier vorliegende wissenschaftliche Auseinandersetzung wird ständig weiterentwickelt. Sie können diese Seiten daher bei Interesse zu einem späteren Zeitpunkt erneut aufrufen und sich über den aktuellen Stand informieren.

Damit Sie sich auch einen Eindruck von der Qualität meiner Arbeit machen können, sind auf dieser Internetseite ausgewählte Stellungnahmen in anonymisierter Fassung eingestellt. Da ich in meinen Stellungnahmen Zitate aus mir vorliegenden Gutachten verwende, bin ich auf Grund des Urheberrechtes § 63 verpflichtet, die Namen des jeweiligen Autoren (Gutachters) zu benennen.

 

Urheberrecht

§ 63 Quellenangabe

(Wenn ein Werk oder ein Teil eines Werkes in den Fällen des § 45 Abs. 1, der §§ 45a bis 48, 50, 51, 58 und 59 vervielfältigt wird, ist stets die Quelle deutlich anzugeben. ...

 

 

 

 

 

Kritik unerwünscht

Ähnlich wie in der DDR, so auch in der Bundesrepublik Deutschland, der Überbringer der schlechten Nachricht wird geköpft. Diese Tendenz ist Systemen immanent, die für sich den Anspruch auf Fehlerlosigkeit und den alleinigen Besitz der Wahrheit reklamieren, dies trifft tendenziell auch auf die bundesdeutsche Justiz zu, mag da unser aller Bundespräsident Joachim Gauck noch so sehr eine andere Fata Morgana an die Leinwand werfen.

Man hat sich angewöhnt im Gleichklang zu klatschen, wer dissoniert, wird exkommuniziert.

Das Phänomen der Gleichschaltung durch die Menschen selbst, hat schon Bertolt Brecht in seinem "Kälbermarsch" beschrieben. Stanislaw Lem beschreibt dieses Phänomen - noch zu realsozialistischen Zeiten in Polen geschrieben - in einem Kapitel seines Buches "Robotermärchen".

Das Phänomen der Gleichschaltung ist aber gesellschaftsübergreifend, da es offenbar ein grundlegendes menschliches Phänomen der Selbstorganisation ist. Während es in der DDR mehr "die Partei" war, die sich um tendenzielle Gleichschaltung ihrer Bürgerinnen und Bürger kümmerte, sind es in der BRD die Menschen selber, die ihre Gleichschaltung organisieren, ohne dass dies von den herrschenden Eliten - die ihrerseits auch unter unangenehmen Zwängen leben - direkt angeordnet wäre.

von Schlippe beschreibt dieses Phänomen in Anlehnung an Kriz:

 

"Ein beliebtes Beispiel wird etwa von Jürgen Kriz gern zitiert, der diesen Ansatz für psychische und soziale Phänomene ausdifferenziert hat (Kriz, 1999, 2004, 2010): Wenn nach einem Konzert geklatscht wird, entstehen manchmal von selbst (selbstorganisiert) Klatschrhythmen, in die das ganze Auditorium einfällt. Entstanden sind diese Rhythmen aus dem Zusammenwirken zufälliger Einzellaute. Jeder klatscht zunächst, wie er es gerade möchte, doch wenn sich das Muster einmal gebildet hat, sind die Freiheitsgrade, sich anders zu verhalten, eingeschränkt: alle klatschen im gleichen Rhythmus. Aus dem Klatschen der einzelnen (Elemente) ist ein Muster (Ordner) entstanden, das anschließend auf das Klatschen zurückwirkt (sie »versklavt«, also ihnen eine Ordnung aufzwingt, die erst durch sie entstanden ist)." 


Arist von Schlippe: "Systemisches Denken und Handeln im Wandel. Impulse für systembezogenes Handeln in Beratung und Therapie"; In: Kontext 46,1; 2015; S. 6-26 - https://www.dgsf.org/service/wissensportal/systemisches-denken-und-handeln-im-wandel-2015

 


Das Phänomen, dass Schlippe hier beschreibt, berührt die existenztielle Frage nach dem Verhältnis von Individuum und Masse. Ist die Masse einmal dort, dann hat das Individuum einen schweren Stand, wenn es sich anders verhält. In Diktaturen führt es regelmäßig zur psychischen und physischen Vernichtung des Andersdenkenden und Andershandelnden. In Demokratien wird unangepasstes Verhalten auch bestraft, durch Abwertung, Stigmatisierung, Behinderung beruflicher Entwicklung, etc. pp. Gegen den sprichwörtlichen Strom schwimmen, machen die wenigsten, entweder sind sie ver-rückt oder ausgesprochen starke Charaktere.  

So wie das System der DDR, so - tendenziell - auch das geschlossene System der Gerichtsbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland mit seiner unausgesprochenen Behauptung, im System der Gerichtsbarkeit von erster Instanz, Beschwerdeinstanz und Bundesgerichtsbarkeit in jedem Fall die Wahrheit herausfinden und feststellen zu können.

Kritiker sind dabei nicht erwünscht, da das System ansonsten um seinen Unfehlbarkeitsanspruch fürchten muss.

So kommt es, dass es auch heute nur wenige öffentlich auftretende seriöse Kritiker der Gerichtsbarkeit gibt, denn dieses ist für die eigene Person nur selten förderlich, da sich der Kritiker einem riesig und monolithisch erscheinenden Machtblock namens Justiz - inklusive beißwütiger Rechtsanwälte, die vermeintliche Persönlichkeitsrechte von kritisierten Fachkräften, insbesondere Gutachter vorschieben, um Zensur auszuüben - gegenüber sieht. Seriöse und kompetente Kritiker müssen daher über einen soliden physischen und psychischen Unterbau verfügen, da sie sonst fürchten müssen im ungleichen Kampf David gegen Goliath auf der Strecke zu bleiben.

 

 

Vergleiche hierzu:

Rolf Bossi: "Halbgötter in Schwarz. Deutschlands Justiz am Pranger", Frankfurt/Main, 2005

Rolf Lamprecht: Die Lebenslüge der Juristen. Warum Recht nicht gerecht ist.; Deutsche Verlags-Anstalt, München 2008

Rolf Lamprecht: "Die Richterperson als Rechtsquelle. Biographische Eckdaten und subjektive Impulse: Von der Subjektivität der Rechtsfindung und der Angst der Richter sich selbst als Rechtsquelle zu entlarven.", In: "Betrifft: Justiz", März 2005, S. 14-20

Rolf Lamprecht: "Vom Mythos der Unabhängigkeit, über das Dasein und Sosein der deutschen Richter", 1995

J. Laurence Peter; Raymond Hull: "Das Peter-Prinzip oder die Hierarchie der Unfähigen nebst einer Fortsetzung von Laurence J. Peter - Schlimmer gehts immer. Das Peter-Prinzip im Lichte neuerer Forschung"; Verlag Volk und Welt, Lizenzausgabe 1989

Theo Rasehorn: "Kooptation - Zum Selbstverständnis des BGH-Präsidialrats", In: "Betrifft JUSTIZ", Juni 2001, S. 71-72

Egon Schneider: "Die Gerichte und die Abwehrmechanismen", In: "Anwaltsblatt", 6/2004, S. 333-338

 

 

 

Beispiel

 

"Auffällig ist bei der vom Vater eingereichten Stellungnahme eines Herrn Peter Thiel, das einerseits weder die Eltern noch das Kind angehört oder exploriert worden sind, andererseits sich Herr Thiel sich zur Annahme eines `tiefenpsychologisch als regressiver Akt` zu verstehenden Rückzuges der Mutter zu ihren Eltern veranlasst sieht, eine Annahme die nur als spekulativ zu bezeichnen ist."

Oberlandesgericht Bamberg - 7 UF 43/09; Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Bamberg Bernreuther, Richter am Oberlandesgericht Bamberg Dr. Meyer, Richter am Oberlandesgericht Bamberg Fuchs; Beschluss vom 25.05.2009, S. 8 betreff Beschwerde zum Beschluss des Amtsgerichtes Würzburg - 1 F 730/08 - vom 09.02.2009

 

 

Nun hätten die drei Richter auch so schreiben können:

 

Auffällig ist bei der vom Vater eingereichten Stellungnahme von Herrn Peter Thiel, ... 

 

Diese Formulierung hätte freilich weniger distanziert und abwertend gewirkt und wurde wohl deswegen mit Absicht auch nicht gewählt.

Die Kritik der drei Richter des 7. Zivilsenates des Oberlandesgericht Bamberg an der Stellungnahme von Peter Thiel geht freilich ins Leere, da Herr Thiel weder den Anspruch hatte, von Berlin in den Amtsgerichtsbezirk Würzburg zu fahren, um dort als Obergutachter aufzutreten, noch die Möglichkeit besaß, die Mutter persönlich kennen zulernen, da die von Herrn Thiel erstellte Stellungnahme vom Vater in Auftrag gegeben wurde und nicht zu erwarten war, dass sich die Mutter daran beteiligen wollte. 

Herr Thiel hatte auch nicht den Anspruch, die Wirklichkeit darzustellen, "wie sie wirklich ist", sondern im Auftrag des Vaters eine Stellungnahme zu dem Gutachten der Diplom-Psychologin Rita Hasan vom 07.01.2009 zu erstellen. Ein Gutachten ist aber - egal wie nachhaltig der Gutachter auch den Standpunkt vertreten mag, er wäre objektiv - immer auch Wirklichkeitskonstruktion, in so fern also auch immer spekulativ.

 

vergleiche hierzu:

Paul Watzlawick: "Die erfundene Wirklichkeit. Wie wir wissen, was wir zu wissen glauben. Beiträge zum Konstruktivismus", Piper Verlag, München, 1985

 

 

Der Vorwurf der Spekulation der drei Richter des 7. Zivilsenates des Oberlandesgericht Bamberg gegen Herrn Thiel ist daher mehr als merkwürdig, zudem Herr Thiel in seiner Expertise weder verkündet hat, er würde hier eine Wahrheit verkünden, noch eine Annahme, also eine unbewiesene Behauptung vorgetragen hat, sondern eine tiefenpsychologische Deutung vorgenommen hat:

 

Die Mutter ist im Juni 2008 von ...             in das 177 Kilometer entfernte ...       gezogen, wo sie seither im Haus ihrer Eltern lebt. Der Rück- und Umzug der Mutter in das Haus ihrer Eltern und wohl auch in das Haus ihrer eigenen Kindheit kann tiefenpsychologisch als regressiver Akt verstanden werden, mit dem die Mutter das Scheitern ihrer Paarbeziehung mit Herrn ...    durch das Eintauchen in die Rolle der von ihren Eltern nicht abgenabelten Tochter zu kompensieren sucht. Hier läge auch eine Gefahr für die Entwicklung von A, denn bei einem solchen als Regression der Mutter zu verstehenden Rückzug zu den eigenen Eltern nimmt die Frau und Mutter wieder die Rolle des Kindes und der Tochter der eigenen Eltern an, die entwicklungspsychologisch längst obsolet ist. Zentrale Identifikationsfiguren für A wären unter einer solchen systemischen Perspektive von nun an primär nicht ihre Mutter, sondern die Großeltern mütterlicherseits. Dass eine solche Konstellation für die Entwicklung von A nicht von Vorteil wäre, liegt auf der Hand. Im übrigen attestiert auch die Gutachterin der Mutter eine „regressive Position“ (Gutachten S. 45) 

 

 

Eine Deutung ist aber keine Behauptung über die Wahrheit, sondern die Interpretation eines bestimmten Geschehens, der möglicherweise Wahrheitscharakter zu kommt. So wird in der tiefenpsychologischen oder psychoanalytischen Therapie die Deutung als zentrale Methode eingesetzt, um den Patienten / Klienten bei der Selbstreflexion und Selbsterkenntnis zu unterstützen. Keiner käme auf den Gedanken deshalb die tiefenpsychologischen oder psychoanalytischen Therapie zu verbieten.

Auch in den projektiven diagnostischen Verfahren, wie etwa dem Scenotest, bedient man sich der um Deutung. Gutachter setzen diesen Test gerne ein, wobei sie sich im Gegensatz zu Herrn Thiel nicht scheuen, die von ihnen entwickelten Deutungen den Familiengerichten dann als Wirklichkeit zu verkaufen. Die Familienrichter nehmen es aber dankbar an und man hat wohl noch nie davon gehört, dass dies der 7. Zivilsenates des Oberlandesgericht Bamberg schon mal bemängelt hätte.

 

Scenotest nach Staabs

Der Scenotest enthält unter tiefenpsychologischen Aspekten ausgewähltes Spielmaterial (biegbare Puppenfiguren für Eltern, Großeltern, Kinder etc., farbigen Bausteinen und weiterem Zubehör wie Tiere und Pflanzen), welches das Kind anregen soll, sich mit seinen Gefühlen und Konflikten auseinanderzusetzen. Aus dem Test sollen sich u.a. Einstellungen des Kindes zu seiner Umwelt und seinen Beziehungspersonen erkennen lassen. Das Spielmaterial besteht aus acht Erwachsenen- und acht Kinderpuppen mit unterschiedlicher Kleidung und unterschiedlichem Gesichtsausdruck sowie aus Bausteinen, Tieren, Blumen, Bäumen und alltäglichen Gebrauchsgegenständen. Die Puppen haften mit Magneten auf der Spielfläche und lassen sich so zu "Szenen" arrangieren. Sie werden mit der Instruktion, eine "Szene" aufzubauen, auch älteren Kindern und Jugendlichen vorgegeben. Emotional blockierte Kinder verweigern oft hartnäckig die menschlichen Puppen und spielen ausschließlich mit den übrigen Gegenständen.

Gütekriterien nach BRICKENKAMP (1997, 964, 981): Objektivität: teilweise, Reliabilität: teilweise, Validität: teilweise, Normierung: nein

 

 

Allein, es kommt also nicht darauf an, was man sagt, sondern wer es sagt.

Die Welt ist ein Narrenhaus, das Renommee macht alles, meint Albert Einstein und wir nehmen es ihm ab, auf Grund seines großen Namens. Den Nazis freilich war Einstein so suspekt, dass sie auch seinen großen Namen nicht zum Anlass nahmen, ihn von ihrem Hass zu verschonen.

 

Arbeitet man als Gutachter für das Familiengericht, kann man wie im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern den gutgläubigen und für gutachterlichen Unsinn empfänglichen Familienrichtern den größten Unsinn als Wahrheit verkaufen, auch wenn Heinz von Foerster sagt:

 

Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners.

Quelle: Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners war das Motto eines Gespräches zwischen Heinz von Foerster und Bernhard Pörksen und ist der Titel des Buches Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners - Gespräche für Skeptiker, Heinz von Foerster und Bernhard Pörksen, Carl-Auer-Systeme Verlag

 

 

Wer im Rythmus der Masse mitklatscht, schafft es bei einiger Anstrengung bis zum Abteilungsleiter oder Blockwart, wer sich an die Spitze der Masse setzt kann es bis zum Parteivorsitzenden oder Ministerposten schaffen. Kommt man dagegen als Kritiker von außen, schließt sich die familiengerichtliche Wagenburg und man wird leicht der Spekulation oder gar Häresie beschuldigt. Das war schon zu Martin Luthers Zeiten so, irgendwie scheint die Zeit sich im Kreis zu drehen.

 

 

 

 

Ein Gutachten ist k/eine wissenschaftliche Leistung

Viele Gutachter nehmen - so wie die Förderation der Deutschen Psychologenvereinigungen - für sich in Anspruch, dass ihre Arbeitsweise wissenschaftlich geprägt, wenn nicht sogar bestimmt, wäre. Nur muss man fragen, welche Wissenschaftlichkeit sie meinen. Erbsen zählen, so wie es manche Gutachter mit pedantischer Sorgfalt tun oder zwanghaft das Wohnzimmermobiliar der Klienten aufzulisten, ist keine Wissenschaftlichkeit, sondern zeugt schlichtweg von einem gestörten Charakter des Gutachters und unfähigen oder korrupten Familienrichtern, die solche Menschen auch noch mit Begutachtungen beauftragen.

 

In den sogenannten "Richtlinien für die Erstellung psychologischer Gutachten" (1995) heißt es: 

 

"Ein solches Psychologisches Gutachten ist eine wissenschaftliche Leistung, die darin besteht, aufgrund wissenschaftlich anerkannter Methoden und Kriterien nach feststehenden Regeln der Gewinnung und Interpretation von Daten zu konkreten Fragestellungen Aussagen zu machen."

"Richtlinien für die Erstellung psychologischer Gutachten"; Förderation Deutscher Psychologenvereinigungen. - Bonn: Deutscher Psychologen Verlag, S. 8

 

Nun ist die Förderation Deutscher Psychologenvereinigungen nicht der Papst in Rom, von dem noch immer das Dogma der Unfehlbarkeit ausgeht. Die Förderation Deutscher Psychologenvereinigungen ist eine Lobbyorganisation und da gehört Klappern und Aufblasen nun mal zum Geschäft.

Woanders regieren andere Päpste und die haben ihre eigenen Richtlinien entwickelt.

So schreibt etwa der ungekrönte Häuptling aller GWG-Gutachter Joseph Salzgeber in Erwiderung auf eine Kritik an einem seiner Gutachten:

 

"Der Vorwurf, dass sich das vorliegende Gutachten nicht zu einer wissenschaftlichen Arbeit entwickelt hat, geht völlig fehl, da ein psychologisches Gutachten nie eine wissenschaftliche Arbeit sein kann."

Joseph Salzgeber, S. 18

 

Da kann man nun rätseln, wer klüger und wer dümmer ist, die Förderation Deutscher Psychologenvereinigungen oder Herr Salzgeber, schwanger oder nicht schwanger, eins von beiden - oder keins von beiden - ist nur möglich.

 

Die vom Amtsgericht Haldensleben - 16 F 786/18 - Richter Mersch als Gutachterin beauftragte Diplom-Psychologin Peggy Margarethe Priese behauptet im Gegensatz zu Herrn Salzgeber:  

 

„Da ein psychologisches Sachverständigengutachten eine wissenschaftliche Arbeit ist, …, wurden die Fragen des Auftraggebers in Psychologische Fragen umgewandelt.“ (Gutachten S. 7)

 

Nun, sollte man vielleicht würfeln oder das Orakel befragen, wer recht hat, Salzgeber oder Frau Priese. Vielleicht ist das aber auch völlig schnuppe, da Familiengerichte keine Doktorrandenprüfkommissionen sind und sich um die Frage wissenschaftlich oder nicht wissenschaftlich in aller Regel einen feuchten Kehricht schweren.

 

 

 

 

 

 

 

Meine Suppe ess ich nicht

Die hier vorliegende fachlich-kritische Auseinandersetzung mit der Arbeit von Gutachtern in familiengerichtlichen Verfahren wird von den hier kritisch benannten Gutachtern verständlicherweise oft nicht gerne gesehen. Und so es denn geht, wagt sich der eine oder andere kritisierte Gutachter, so etwa Dr. Klaus Schneider vom sogenannten Institut für Gericht und Familie oder der Diplom-Psychologe Wasch.....-Pet... aus seiner Deckung hervor und versucht mit rechtlichen Mitteln dem Kritiker einen Maulkorb umzulegen. Dies gelingt auch bisweilen mit der Hilfe des einen oder anderen Richters, so etwa der Richterin Partikel am Amtsgericht Charlottenburg, dem für die Zensur zuständigen Senat am Landgericht Hamburg oder auch der für die Zensur zuständigen 6. Zivilkammer am Landgericht Frankenthal unter dem großen und weisen Vorsitzenden Richter am Landgericht Frankenthal Nixdorf, der großen und weisen Richterin Malchus und der großen und weisen Richterin Groh, die sich zum Thema Informationsfreiheit mit ihrem Beschluss vom 24.02.2004 in das Schwarzbuch der Justizgeschichte eingeschrieben haben.

Dies ist bedauerlich, da sich die betreffenden Gutachter so selbst um die Chance bringen, ihre Arbeit zu qualifizieren und zukünftig fachliche Fehler nach Möglichkeit zu vermeiden, andererseits aber auch zu verstehen, da die Aussichten von den Gerichten als Gutachter bestellt zu werden, um so mehr schwinden, um so mehr an der Fachlichkeit des Gutachters begründete Zweifel offenbar werden. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit auch unter Diplom-Psychologen kann man sich so als Gutachter schon mal recht schnell auf der Wartebank im Jobcenter wiederfinden, womöglich auch noch neben einem Elternteil sitzend, den man vor einem Jahr als erziehungsunfähig deklariert hat.

Damit es zu einem solchen Supergau gar nicht erst so weit kommt, müssen Gutachter so gut es eben geht, den Mantel der Verschwiegenheit über ihre Arbeit ausbreiten. Dazu gehört dann auch, kritische Stimmen möglichst mundtot zu machen und da es in der heutigen Zeit kein Ministerium für Staatssicherheit gibt, bei dem man seine Denunziationen gegen unliebsame Kritiker einreichen könnte, so muss man es halt bei sogenannten ordentlichen Gerichten, wie z.B. dem Berliner Amtsgericht Charlottenburg oder dem Landgericht Berlin versuchen. Hier reicht die einfache Denunziation allerdings nicht aus, man muss sich noch eine rechtliche Krücke zurechtbasteln, um seinen Bedürfnis auf ungestörtes Weiter so, juristisch durchzusetzen.

 

So läuft folgerichtig eine, von dem sich in seinem Recht verletzt meinenden bisweilen als Gutachter tätig gewesene Diplom-Psychologe Was...-Pet..., eingereichte Klage gegen Peter Thiel, den Autor des hier vorliegenden Aufsatzes. Dies zeigt, dass die hier vorliegende wissenschaftliche Darstellung und Auseinandersetzung zum Thema "Gutachten im familiengerichtlichen Verfahren" erfreulicherweise von diesem, aber auch von anderen sich betroffen fühlenden Gutachtern, für so wichtig gehalten wird, dass der betreffende Gutachter weder namentlich genannt werden will, noch zulassen will, dass sich in der Öffentlichkeit mit seiner Arbeit kritisch auseinandergesetzt werden kann. 

Der Diplom-Psychologe Wasch...-Pet... macht in seiner Klage vom 02.02.2005 geltend, dass sein Urheberrecht vom Autor dieses Aufsatzes verletzt worden wäre. Herr Was...-Pet... begründet dies u.a. so:

 

"Der Kläger kann als Urheber des Gutachtens bestimmen, ob und wie sein Werk zu veröffentlichen ist."

 

 

Mit dieser Formulierung setzt der Gutachter voraus, dass es sich bei seinem Gutachten um ein (wissenschaftliches?) Werk handeln würde, das dem Urheberrechtschutz unterliegt. Ein (wissenschaftliches) Werk kann es aber schon deshalb nicht sein, weil es ein (wissenschaftliches) Werk nicht an sich gibt, sondern ein wissenschaftliches Werk erst in der öffentlichen Auseinandersetzung mit Fachwelt zu einem solchen wird. Wäre dem nicht so, könnte jeder Scharlatan behaupten, er hätte ein (wissenschaftliches) Werk geschrieben. 

 

"Wissenschaftliches Werk" ist hier ziemlich hochgestochen. Auch deshalb, weil der Gutachter sein "Werk" nicht der Kritik der Fachwelt, dem Experiment, der Praxis aussetzt, wie das in der Wissenschaft geschieht. Auch die spezielle Relativitätstheorie des Genies Einstein wurde wurde nicht von heute auf morgen anerkannt, die Allgemeine Relativitätstheorie noch weniger. Die Quantentheorie oder zumindest Konsequenzen daraus wurden auch nicht sofort absolut anerkannt.

 

 

Möglicherweise ist das Gutachten aber wenigstens eine wissenschaftliche Leistung. 

 

In den "Richtlinien für die Erstellung psychologischer Gutachten"; Förderation Deutscher Psychologenvereinigungen. - Bonn: Deutscher Psychologen Verlag, 1995 heißt es:

 

"Zunächst sei festgelegt, daß im folgenden von psychologischen Gutachten nur gesprochen wird, wenn es um personenbezogene Fragestellungen geht. Ein solches psychologisches Gutachten ist eine wissenschaftliche Leistung, die darin besteht, aufgrund wissenschaftlich anerkannter Methoden und Kriterien nach feststehenden Regeln der Gewinnung und Interpretation von  Daten zu konkreten Fragestellungen Aussagen zu machen" (S. 8)

 

 

Wir wollen hier nicht darüber diskutieren, inwieweit der in den "Richtlinien" vertretenen Meinung, ein Gutachten wäre immer eine wissenschaftliche Leistung gefolgt werden kann. Bei vielen Gutachten wird man das wohl zu Recht bestreiten können.

Davon unabhängig ist es jedoch so, dass eine "wissenschaftliche Leistung" nicht automatisch auch ein "Werk" ist und daher auch kein Automatismus hinsichtlich des Urheberrechtsschutz einsetzt. So hat Albert Einstein die berühmt gewordene Formel "Energie = Masse mal Quadrat der Lichtgeschwindigkeit" aufgestellt. Diese Formel, eine wissenschaftliche Leistung, unterliegt aber nicht dem Urheberrechtsschutz. Sehr zum Nachteil von Albert Einstein und seinen Erben, die sonst zu Milliardären geworden wären. Gleichwohl hat Albert Einstein auch wissenschaftlich publiziert, diese wissenschaftlichen Werke würden auch dem Urheberrechtsschutz unterliegen, wenn nicht die Schutzfrist schon abgelaufen wäre. Allerdings würden die Erben von Einstein auch bei noch andauernder Gültigkeit des Urheberrechtsschutzes wohl nicht sehr reich werden, denn originale Veröffentlichungen von Einstein dürften für die breite Leserschaft auf Grund der abstrakten theoretischen Darstellung kaum lesbar sein, so dass die Lektüre im Original nur wenige Fachleute auf sich nehmen würden.  

 

Im übrigen dürfte es so sein, dass das Ansinnen von Gutachtern mit Mitteln des Urheberechtes einen Mantel des Geheimnisses über ihre Tätigkeit zu breiten, auch einen Rechtsmissbrauch darstellt.  Denn das Urheberrecht ist ja nicht dazu geschaffen worden, um eine auch öffentlich erfolgende und gesellschaftlich interessierende Auseinandersetzung mit den wie auch immer qualitativ einschätzenden Ergebnissen gutachterlicher Tätigkeit zu verhindern. Schon von daher dürfte zu erwarten sein, dass Gerichte Ansinnen von Gutachtern entgegentreten, eine öffentliche fachliche Diskussion ihrer Arbeit mit Mitteln des Urheberrechtes zu unterbinden.

Von einigen Gutachtern wird nun eingewendet, sie müssten sich mit den Mitteln des Urheberechtes gegen eine Verwendung von Zitaten aus ihren Gutachten in im Internet eingestellten kritischen Stellungnahmen schützen, da sie ja auf Grund des für sie geltenden Datenschutzes weder eine Gegendarstellung, wie sie z.B. in einer Zeitung zu veröffentlichen ist, vornehmen können, noch das ganze Gutachten anonymisiert der öffentlichen Diskussion zur Verfügung stellen könnten, um so zu zeigen, dass Teile der kritischen Stellungnahme nicht zutreffend oder sogar falsch sind. Diese Argumentation des zum Datenschutz verpflichteten Gutachters ist sicher zutreffend, er hat jedoch jederzeit die Möglichkeit auf dem Weg der Privatklage gegen angeblich unzulässige oder wahrheitswidrige Darstellungen in einer ihn kritisierenden Stellungnahme vorzugehen. Die persönlichen Rechte eines Gutachters gegen unzulässige Kritik sind also jederzeit geschützt. Es besteht daher überhaupt keine seriöse Grundlage das Urheberecht rechtsmissbräuchlich, da nicht zu diesem Zweck geschaffen, zu benutzen, um unliebsame Kritik auszuschalten.

 

 

 

 

 

So wie es in den Wald hineinruft, so schallt es mitunter heraus

Bezüglich einer Klage des als Gutachter tätig gewesenen Diplom-Psychologen Dr. Klaus Schneider - bei der es darum ging, Peter Thiel, dem Autor dieser Internetseite zu untersagen, aus schriftlichen Gutachten des Klägers Dr. Klaus Schneider auf der Internetseite www.system-familie.de zu zitieren, hat die 16. Zivilkammer des Landgerichts Berlin in ihrer öffentlichen Sitzung vom 07.11.2006 erkannt und verkündet:

 

 

 

Landgericht Berlin

 

Im Namen des Volkes

 

Urteil

 

 

Geschäftsnummer: 16 0 940/05

 

verkündet am:

07.11.2006

Baate

Justizsekretärin

 

 

In dem Rechtsstreit

des Herrn Dipl.-Psych. Klaus Schneider,

... , ... Berlin,

 

Klägers,

 

- Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Ralf Freiberg,

Kurfürstendamm 212, 10719 Berlin -

 

 

gegen

den Herrn Peter Thiel, ... , ... Berlin,

 

Beklagten,

 

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Hölz, Maschke & Solf,

Marienburger Straße 3, 10405 Berlin -

 

 

 

hat die Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin in Berlin-Mitte, Littenstraße 12-17, 10179 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 07.11.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Scholz, den Richter am Landgericht Vogel und die Richterin am Landgericht Klinger für Recht erkannt:

 

 

 

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

 

Tatbestand

Der Kläger erstellt als Diplom-Soziologe, klinischer Psychologe, Psychotherapeut und Fachpsychologe für Rechtspsychologie im Auftrag der Familiengerichte Tempelhof-Kreuzberg und Weißensee Gutachten in Familien- und vormundschaftsrechtlichen Angelegenheiten. Der Beklagte stellt sich in seinem unter www.system-familie.de abrufbaren Internetauftritt als Verfahrens- und Umgangspfleger vor. Er setzt sich dort kritisch und zum Teil unter Verwendung wörtlicher Zitate mit den Gutachten des Klägers auseinander. Wegen der Einzelheiten des Internetauftrittes wird auf die Anlage I zur Klageschrift Bezug genommen, wegen der gerügten Verletzungshandlungen auf die Ausführungen auf Seite 5 bis 7 der Klageschrift. Der Kläger nimmt den Beklagten deswegen auf Unterlassung und Zahlung immateriellen Schadenersatzes in Anspruch. 

 

Er meint, die wörtlichen Zitate verletzten sein Erstveröffentlichungsrecht aus § 12 UrhG. Zugleich bestehe ein Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1 und 2 BGB in Verbindung mit §§ 185, 186, 203 Abs. 1 Nr. 4 StGB. Der Beklagte setze sich in seinem Internetauftritt in ehrverletzender Weise mit den nicht veröffentlichen Sachverständigengutachten auseinander, wobei er geheime Gutachterunterlagen unbefugt im Internet veröffentliche. Dadurch verletze er zugleich das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers und des begutachteten Kindes.

Der Schmerzensgeldanspruch sei aus den selben Überlegungen begründet, weil das Verhalten des Beklagten seinen, des Klägers guten Ruf bei Gerichten und Parteien gefährde. Durch die Veröffentlichung im Internet könne jedermann, insbesondere eine potentielle Prozesspartei die abträglichen Äußerungen über den Kläger lesen.

Die Fassung des Unterlassungsantrages trage seinem umfassenden Anspruch Rechnung, dem Beklagten zu verbieten, aus Gutachten zu zitieren, die er, der Kläger, nicht für eine Veröffentlichung freigegeben habe. 

 

 

Der Kläger beantragt,

 

1. dem Beklagten wird unter Androhung für den Fall der Zuwiderhandlung von Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft untersagt, Inhalte gerichtlicher Gutachten und Stellungnahmen des Klägers anderen Personen zugänglich zu machen oder zu verbreiten, insbesondere über Internet zu verbreiten;

hilfsweise,

Inhalte gerichtlicher Gutachten und Stellungnahmen des Klägers öffentlich zugänglich zu machen,

 

2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger EUR 3.000,- nebst 5 % Zinsen über dem Basis-Zinssatz seit dem 01.11.2005 zu zahlen.

 

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Er behauptet, die Gutachten des Klägers zeigten nicht die für den Schutz des Urheberrechts erforderliche Schöpfungshöhe. Der Kläger bediene sich einer standardisierten Fachsprache, die keinen Raum für eigenschöpferische Formulierungen lasse.

Der Beklagte meint, die Einführung der gutachterlichen Stellungnahmen in die gerichtlichen Verfahren beinhalte eine Veröffentlichung, weil das familiengerichtliche Verfahren wie alle anderen staatlichen Verfahren auch öffentlich geführt werde. Lediglich die Verhandlung sei nicht öffentlich. Außerdem diene der in § 170 GVG normierte Ausschluss der Öffentlichkeit nur dem Schutz der Verfahrensbeteiligten, nicht aber den urheberrechtlichen Interessen des Sachverständigen.

Das vom Kläger beanspruchte Erstveröffentlichungsrecht müsse im Rahmen der Güterabwägung hinter dem von ihm, dem Beklagten wahrgenommenen Grundrecht auf Meinungs- und Informationsfreiheit zurücktreten. Es bestehe ein nachdrückliches Interesse der Öffentlichkeit an einer Auseinandersetzung mit der Tätigkeit von psychologischen Gutachtern in familiengerichtlichen Verfahren. 

 

Wegen des übrigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

Die Klage war mit den gestellten Anträgen insgesamt abzuweisen, weil das Vorbringen des Klägers die Anträge nicht rechtfertigt.

 

Der Unterlassungsantrag zu 1 ist hinreichend bestimmt und damit zulässig. Der Kläger möchte dem Beklagten generell untersagen, Inhalte der von ihm erstellten Gutachten der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Das Begehren des Klägers ist damit klar umrissen.

Der zulässige Antrag erweist sich jedoch mangels einer Anspruchsgrundlage als unbegründet. Ein Anspruch in dem beschriebenen Umfang ergibt sich nicht aus §§ 97, 12 UrhG. § 12 UrhG gewährt dem Verfasser eines geschützten Sprachwerks das Recht, darüber zu bestimmen, ob und wie sein Werk zu veröffentlichen ist. Zwar mag zu Gunsten des Klägers unterstellt werden, dass die nicht zu den Akten gereichten Gutachten nach den Grundsätzen der kleinen Münze in Gedankenführung und sprachlichem Ausdruck das Ergebnis individueller schöpferischer Tätigkeit darstellen, so dass ihnen der Schutz des Urheberrechts zuzubilligen ist. Ebenso ist dem Kläger darin beizupflichten, dass die Bekanntgabe der Gutachten in den unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindenden familiengerichtlichen Verfahren keine Veröffentlichung im Sinne des § 6 UrhG darstellt, weil sie sich an einen von vornherein abgegrenzten Personenkreis wendet (Dreier-Schulze, UrhG, Rdn. 7 zu § 6). § 12 UrhG schützt den Kläger jedoch nur vor der unberechtigten Veröffentlichung seines (individuellen) Werkes und der Mitteilung seines schutzfähigen Inhalts oder für sich schutzfähiger Bestandteile des Inhalts. Die Norm gibt ihm hingegen kein Instrument an die Hand, Dritten auch die Wiedergabe reiner Tatsachen zu untersagen, auf die sich das schutzfähige Werk stützt. Verfasst z.B. ein Autor einen Roman über einen wahren Mordfall, so kann er Dritten nicht die Mitteilung verbieten, dass eine Straftat in dieser Form stattgefunden hat und der Autor darüber geschrieben hat. Das erklärte Rechtsschutzziel des Klägers beschränkt sich nicht darauf, dem Beklagten die Bekanntgabe der konkreten Gestaltung der Gutachten zu untersagen, sondern er möchte ihm darüber hinausgehend verbieten lassen, den Inhalt insgesamt zu verbreiten oder hilfsweise öffentlich zugänglich zu machen. Der Inhalt der Gutachten umfasst jedoch mehr als nur die unter den Schutz des Urhebergesetzes gestellte Gedankenführung und sprachliche Gestaltung. Er schließt insbesondere die der Arbeit zu Grunde liegenden Tatsachen ein, wie z.B. die reine Mitteilung, dass die Eltern über das Sorgerecht streiten sowie die Mitteilung, dass der Kläger eine bestimmte Empfehlung für die zu treffende Sorgerechtsentscheidung abgegeben hat. Derartige Mitteilungen reiner Tatsachen unterfallen nicht dem Schutz des Urhebergesetzes. Der Kläger kann den Beklagten auf der Grundlage des § 12 UrhG nicht verbieten, sich kritisch mit der fachlichen Einschätzung des Klägers zu bestimmten Konfliktkonstellationen auseinanderzusetzen.

 

Ein soweit gehender Anspruch folgt auch nicht aus §§ 823 Abs. 1 und 2,1004 BGB. Soweit der Kläger den Unterlassungsanspruch auf eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des betroffenen Kindes stützt, fehlt es ihm an der notwendigen Klagebefugnis; denn als Gutachter nimmt er nicht die Position eines Sachwalters der Rechte des Kindes ein. Die Verfolgung von Rechtsverletzungen bleibt den Sorgeberechtigten vorbehalten.

Soweit der Kläger durch den Internetauftritt des Beklagten sein eigenes allgemeines Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt sieht, kann die Kammer nach den zu den Akten gereichten Ausdrucken eine schuldhafte Rechtsverletzung nicht generell auszuschließen. Das durch den Antrag vorgegebene Rechtsschutzziel erweist sich jedoch auch hier als zu weitgehend. Der Kläger hätte diejenigen Textstellen, durch die er sein absolut geschütztes Recht verletzt sieht und deren Verbreitung er dem Beklagten daher untersagen möchte, konkret bezeichnen und in den Antrag aufnehmen müssen. Statt dessen verlangt er vom Beklagten, den Inhalt der von Ihm, dem Beklagten erstellten Gutachten insgesamt nicht mehr zu verbreiten. Das korrespondiert schon im Ansatz nicht mit der als rechtsverletzend gerügten Handlung. Das allgemeine Persönlichkeitsrechts des Klägers wird nicht durch die sporadischern Zitate aus seinen Gutachten, sondern durch die dazu gegebenen Kommentare des Beklagten verletzt. Die genaue Bezeichnung der beanstandeten Äußerungen erweist sich schon deshalb als unentbehrlich. Sie ist darüber hinaus zur Bestimmung des Schutzbereiches des Artikels 5 des Grundgesetzes erforderlich; denn das Grundrecht auf Meinungsfreiheit erlaubt grundsätzlich auch eine schaffe und pointierte Auseinandersetzung mit den Ansichten, Verhaltensweisen und Äußerungen Dritter. Die Grenze ist erst mit der so genannten Schmähkritik überschritten, bei der das sachliche Anliegen zurücktritt und die persönliche Herabsetzung und Kränkung des Gegners im Vordergrund steht. Diese Voraussetzung mag zwar in Bezug auf einzelne Textpassagen des Internetauftritts des Beklagten vorliegen, sie gilt jedoch nicht für sämtliche Zitate aus den Gutachten des Klägers. 

 

Der Einräumung der beantragten Erklärungsfrist zur Antragstellung bedurfte es nicht, weil die Kammer bereits zuvor zweimal auf Bedenken gegen die Antragstellung hingewiesen hatte. Die damit verbundene Abweichung von ihrer Rechtsprechung aus dem Berufungsverfahren 16 S 10/05, in dem sie einen gleich lautenden Unterlassungsantrag unbeanstandet ließ, erfordert die Gewährung einer weiteren Gelegenheit zur Stellungnahme ebenfalls nicht, weil das Gericht im Rahmen des Parteivorbringens in seiner Entscheidungsfindung und damit auch in der Änderung seiner Rechtsansichten frei ist. Eine Überraschungsentscheidung liegt angesichts des mit der Terminsladung ergangenen Hinweises nicht vor. 

 

Die auf die Zahlung eines Schmerzensgeldes gerichtete Klage erweist sich ebenfalls als unbegründet. Der BGH gewährt in ständiger Rechtsprechung einen aus § 823 BGB in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 und Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz abgeleiteten Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens im Fall eines schwerwiegenden Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, der nicht auf andere Art und Weise befriedigend ausgeglichen werden kann (Palandt - Sprau, 63. Auflage, Rdn. 124 m. w. N. der Rechtsprechung). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Bekanntgabe der Inhalte der Gutachten verletzt keine Rechtsposition des Klägers, weil der Beklagte in seinem Internetauftritt nicht behauptet oder den Eindruck erweckt, dass gerade der Kläger ihm unter Verletzung seiner Verschwiegenheitspflicht die Gutachten zur Kenntnis gegeben hat. 

 

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO. 

 

Der Inhalt der nicht nachgelassenen Schriftsätze des Klägers vom 7. und 8. November 2006 geben zu einem Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung keine Veranlassung.

 

 

Dr. Scholz                                                        Vogel                                                       Klinger

 

 

 

 

 

 

So wie es in den Wald hineinruft, so schallt es mitunter heraus. Ein Bumerang ist zwar ein nützliches Jagdgerät der Aborigines, doch wer als Gutachter ungeschult damit wirft, muss sich nicht wundern, wenn der Bumerang schließlich im hohen Bogen zurückkehrend einen selber trifft. Zumal wenn man sich als Gutachter einen Gegner aussucht hat, von dem man hätte wissen können, dass dieser nicht im Sandskasten spielt, sondern ein erfahrener Marathonläufer ist, der weiß wie man mit Ausdauer, Kampf und Taktik als erster ans Ziel kommt. 

 

 

Bumerang:

gewinkeltes oder leicht gebogenes Wurfholz der Eingeborenen Australiens. Der Bumerang ist von plankonvexen oder asymmetrisch bikonvexen Querschnitt, wobei die Ebene der beiden Arme leicht gegeneinander verdreht sind; dadurch ist es möglich, dass der Bumerang zum Werfer zurückkehrt.

 

 

 

Herr Dr. Klaus Schneider hat klugerweise darauf verzichtet, gegen den Beschluss des Landgerichtes in die Beschwerde zu gehen. Zugunsten der Meinungs- und Informationsfreiheit in unserem Land wäre zu wünschen, dass sich auch Gutachter zukünftig daran gewöhnen, dass Ihre Arbeit nicht außerhalb der öffentlichen Diskussion verläuft, sondern sie sich wie auch jeder andere beruflich Tätige gegebenenfalls mit öffentlich geäußerter Kritik auseinandersetzen muss.

In Deutschland steht es noch nicht einmal Bundestagsabgeordneten und Regierungsmitgliedern zu, sich von einem Gericht von öffentlicher Kritik und fachlicher Debatte freistellen zu lassen. Wieso das bei Gutachtern anders sein soll, erscheint nicht einsichtig.

Wer die aktuelle und öffentliche Debatte (2005) um die Gehälter von Managern und Führungskräften großer Konzerne verfolgt, wird zu dem Schluss kommen, dass es in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts auch Gutachtern nicht anstehen kann, in das Privileg von Mitgliedern einer geheimen Loge zu kommen. 

Wer dennoch als Gutachter eine Freistellung von auch öffentlich geäußerter Kritik erreichen möchte, sollte sich vielleicht besser um eine Tätigkeit als Gutachter in Nordkorea oder anderen autoritär geführten Diktaturen bemühen oder sich um Wiedereinführung realsozialistischer DDR-Verhältnisse bemühen. 

Über den eventuellen Fortgang des Rechtstreites, den Ort und Termine stattfindender Gerichtsverhandlungen werden wir hier rechtzeitig informieren, so dass für Interessenten ein laufender Überblick und auch die Teilnahme als Besucher an der öffentlichen Gerichtsverhandlung gesichert ist.

Für den Fall, dass der klagende Gutachter mit seiner Rechtsauffassung beim Beschwerdegericht Erfolg haben sollte, würde von mir Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. 

 

 

Wie die Sache auch immer ausgehen mag, die fünfziger Jahre der Bundesrepublik und die DDR-Geheimniskrämerei liegen hoffentlich endgültig hinter uns - auch wenn man bei der von mir erlebten Unterdrückung der Informationsfreiheit am Landgericht Hamburg, dem Landgericht Frankenthal und dem Amtsgericht Charlottenburg glauben könnte, die Zensurbeamten aus dem ZK der SED hätten dort politisches Asyl gefunden (selbst diese Meinungsäußerung kann in der Bundesrepublik mit den Mitteln des Strafrechtes unterdrückt werden) - so werden Gutachter sich daran gewöhnen müssen, dass man in der Öffentlichkeit über ihre Arbeit informiert und diskutiert und dies sich nicht, so wie in der Vergangenheit mit Hilfe eine willfährigen Justiz unterdrücken lässt.

 

 

 

 

Danksagung

Der hier vorliegende Aufsatz über das Thema Gutachten im familiengerichtlichen Verfahren, wäre nicht in dieser Qualität gelungen, wenn sich nicht Menschen wie die Diplom-Psychologin Christa-Beate Kämpfer-Rzadtki, die Diplom-Psychologin Inge Mayer-Bouxin und der Diplom-Psychologe Ulrich Waschke-Peter in überaus eifriger Weise darum bemüht hätten, Herrn Peter Thiel an seiner investigativen Tätigkeit zu hindern und damit einen Vorhang des Geheimnisses über ihr eigenes Tun zu ziehen. 

Eine besondere Danksagung geht an dieser Stelle an die überaus eifrige Diplom-Psychologin Inge Mayer-Bouxin aus Mainz, die als nach eigenen Angaben nicht nur in schon über 600 Fällen Gutachten für verschiedene Gerichte erstellt hat (viele Eltern sind ihr sicherlich zu tiefen Dank für ihre als Gutachterin gemachten Vorschläge für verschiedenste Familiengerichte verpflichtet, die in nicht wenigen Fällen zu einem Sorgerechtsentzug bei den betroffenen Eltern geführt haben dürfen. Danke, dass den Eltern - ob sie wollten oder nicht - diese grundgesetzlich nach Artikel 6 auferlegte Bürde abgenommen wurde), sondern die darüber hinaus auch noch durch wertvollste Anregungen und in sicher nur als heraushebenswert zu nennender Weise zu einer Qualifizierung der hier vorliegenden kritischen Ausführungen zum Thema Gutachter und Gutachten beigetragen hat. Für die nächsten 600 Gutachten sei Frau Mayer-Bouxin weiterhin, so wie bisher offenbar gottlob geschehen, viel Glück gewünscht - und wie die Seeleute so schön sagen "Alle Zeit eine Handbreit Wasser unterm Kiel"

Dank geht aber auch an den als Gutachter übereifrig tätigen Diplom-Psychologen Ulrich Waschke-Peter, der das Licht der Öffentlichkeit zu scheuen scheint, grad wie der Waschbär das Waschen mit Seife, aber im tiefsten noch nicht offenliegenden Grunde und bei optimistischer Prognose ganz sicher das Zeug zu einem wirklich guten Menschen hat, in seiner Güte dann sicher nur zu vergleichen mit Mutter Theresa aus Kalkutta,  dem Papst in Rom oder Horst Schlämmer - http://www.horstschlaemmer.tv - und den man daher  jedem notleidenden und bedürftigen Menschen nur wärmsten empfehlen kann und der - nach eigenen Angaben - seit ... arbeitet und im ... bearbeitet. Nähere Ausführen ersparen wir uns hier, denn das könnte nicht nur die vermeintlichen Urheberrechte des Herrn Waschke-Peter verletzen, worauf dieser Herr sehr penibel achtet, sondern auch sein Bedürfnis von der Öffentlichkeit möglichst unbemerkt, sein von christlicher Nächstenliebe und Altruismus ohne Ende geprägtes Werk zum Wohle der Menschheit und der Bewohner anderer Galaxien zu tun.

Vergleiche hierzu auch die auf Grund eines von Herrn Waschke-Peter angestrengten Verfahrens und nachfolgenden Urteils vom 20.06.2005 der Richterin Partikel vom Amtsgericht Charlottenburg vom 21.03.2011 überarbeitete und den rückwärtsweisenden Zensurvorgaben von Richterin Partikel - Amtsgericht Charlottenburg - angepasste und anonymisierte Stellungnahme vom 02.09.2004.

 

Der Autor des hier vorliegenden Aufsatz verdankt Herrn Waschke-Peter wertvollste Anregungen, die dazu führten, sich noch intensiver als vorher mit den Themen Urheberrecht und Medienrecht, und grundgesetzlich geschützten Verfassungsrechten wie der Freiheit der Wissenschaft, der Informationsfreiheit und der Meinungsfreiheit auseinander zu setzen. Wir alle wissen ja, wie wichtig es ist, dass die Informationsfreiheit in unserem Land nicht überhand nimmt, sonst könnten die Menschen noch auf den Gedanken kommen, es ginge in unserem Land um sie und das Grundgesetz wäre ernst gemeint und nicht lediglich Druckerschwärze auf weißem Papier. Damit solcherart libertäres und subversives Gedankengut jedoch nicht überhand nimmt, muss man den Befürwortern ausufernder Gedanken von Informationsfreiheit schon mal zeigen, wo der Hammer hängt. Dabei muss auch verschiedenen Richtern, so z.B. Richterin P. am Amtsgericht Charlottenburg  sehr gedankt werden, die im Notfall klar machen, dass es eine Informationsfreiheit nur zu den Konditionen gibt, die sie selbst für richtig halten. Früher in der DDR musste diese mühselige und verantwortungsvolle Arbeit von den Parteileitungen der SED, im Einzelfall wie z.B. im Fall Robert Havemann sogar vom Genossen Erich Honecker selbst angeleitet und vollzogen werden. Gottlob ist diese Zeit vorbei. Wir leben jetzt im Rechtsstaat und da werden diese für den vormundschaftlichen Staat nach wie vor wichtigen Aufgaben auch schon mal von den Gerichten besorgt, ohne dass es einer Anleitung durch die Partei bedarf.

Man muss Herrn Waschke-Peter sehr danken, dass er sich des Themas der Beschränkung der Informationsfreiheit in der heutigen zügellosen Zeit, in der alle möglichen Leute, einschließlich des Autors dieser Internetseite, ganz ungeniert im Internet ihre Meinung verbreiten wollen, ganz eigennützig angenommen hat. Denn wer wollte schon, dass die Menschen sich ungefiltert über die Tätigkeit des Herrn Waschke-Peter informieren dürfen, das könnte womöglich dazu führen, dass die Beliebtheit des Herrn Waschke-Peter auf den niedrigsten Pegelstand seit Einführung der Dürre in der Bibel - "eine große Dürre wird kommen" - absinkt und das kann ja schließlich niemand wollen, der Herrn Waschke-Peter für eine der großen Lichtgestalten des 21. Jahrhunderts hält.

Dass sich schon der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit der Arbeit von Herrn Waschke-Peter beschäftigen durfte, wollen wir hier nur nebenbei erwähnen. 

 

Urteile

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Vierte Sektion

Nichtamtliche Übersetzung

Quelle: Bundesministerium der Justiz, Berlin

26/02/02 - Fall KUTZNER gegen DEUTSCHLAND (Beschwerde Nr. 46544/99)

Straßburg, 26. Februar 2002

Dieses Urteil wird unter den in Artikel 44 Absatz 2 der Konvention aufgeführten Bedingungen endgültig. Es unterliegt noch der Schlussredaktion.

In der Rechtssache Kutzner . /. Deutschland

ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Vierte Sektion) als Kammer durch die folgenden Richter:

Herrn A. PASTOR RIDRUEJO, Präsident,

Herrn G. RESS,

Herrn C. CAFLISCH,

Herrn J. MAKARCZYK,

Herrn I. CABRAL BARRETO,

Frau N. VAJIC,

Herrn M. PELLONPÄÄ,

sowie den Kanzler, Herrn V. BERGER,

nach Beratung in nicht öffentlicher Sitzung am 10. Juli 2001 und 30. Januar 2002 am letztgenannten Datum zu folgendem Urteil gelangt:

VERFAHREN

1. Dem Fall liegt eine gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Beschwerde (Nr. 46544/99) zugrunde, mit der die beiden deutschen Staatsangehörigen Herr Ingo Kutzner und Frau Annette Kutzner („die Beschwerdeführer“) die Europäische Kommission für Menschenrechte („die Kommission“) aufgrund des früheren Artikels 25 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten („die Konvention“) am 5. Juli 1998 befasst hatten.

...

16. Am 18. September 1996 bestellte das Vormundschaftsgericht Bersenbrück den Psychologen Waschke-Peter als Sachverständigen, der sein Gutachten am 20. November 1996 vorlegte.

...

 

http://members.fortunecity.de/reno7/Kutzner.htm

 

 

Herr Waschke-Peter, das muss man hier einfach mal sagen, scheint überhaupt einer der größten Denker unseres Jahrhunderts zu sein. 

Seine Denkkraft ist offenbar von einer solchen Leuchtkraft, dass er an dem von seiner Berliner Praxis 360 Kilometer entfernten Amtsgericht Bad Oeynhausen als Gutachter beauftragt wird. Mit Tempo 120 ist man mit dem Auto ja in drei Stunden von Berlin in Bad Oeynhausen, zurück den selben Weg sind das dann 6 Stunden. Sechs Stunden a 85,00 €, macht 510 €, die ein finanztüchtiger Gutacher allein für seine Fahrzeit erhält. Unterwegs kann man noch Klassikradio hören und sich dabei eine goldene Nase verdienen. Aber die Richter am Amtsgericht Bad Oeynhausen, die für solche Heldentaten verantwortlich zeichnen müssen das ja auch nicht aus der eigenen Tasche bezahlen, dafür gibt es ja die dummen deutschen Steuerzahler/innen, die nicht wissen wohin mit ihrem Geld.

 

 

 

Ich hoffe mit der hier vorliegenden Arbeit dem Informationsbedürfnis von Betroffenen aber auch von Fachkräften, die sich um eine Verbesserung und Qualifizierung ihrer Arbeit bemühen, entsprechen zu können.

Für Rückfragen, Informationen und Anregungen stehe ich Ihnen gerne per Post, Telefon oder Mail zur Verfügung.

Bei Interesse können Sie mich als Institution oder als Privatperson für die Übernahme eines Gutachterauftrages oder die Tätigkeit als Privatsachverständiger ansprechen.

 

Informationen dazu finden Sie hier.

 

 

Ein Diskussionsforum zum Thema Gutachten und Gutachter finden Sie unter:

"Institut Gütekriterien wissenschaftlicher Gutachten" - www.gwg-gutachten.de

(nicht zu verwechseln mit der sogenannten "Gesellschaft für wissenschaftliche Gerichts- und Rechtspsychologie München" von Joseph Salzgeber)

 

 

 

 

 

 

Außer Spesen, nichts gewesen

 

 

Auf einen chinesischen Theewurzellöwen

 

Die Schlechten fürchten deine Klaue

Die Guten freuen sich deiner Grazie

 

Derlei

Hörte ich gern

Von meinem Vers

 

Bertolt Brecht

 

 

 

Außer Spesen, nichts gewesen, diesen Eindruck hat man nicht nur bei der Frage, ob überhaupt ein Gutachter hätte eingesetzt werden sollen, sondern auch dann, wenn man als kompetente Fachkraft Gutachten zur kritischen Durchsicht erhält.  

Mitunter kann man aber auch zu der Auffassung kommen, dass die gerichtliche Bestellung eines traditionell selektionsorientierten Gutachters die Krise der Trennungsfamilie noch weiter verstärkt, bzw. eskalierend wirkt), also mehr schadet als nützt. Das Problem ist nicht neu, aus der Geschichte sind Parallelen bekannt. so z.B. zu der Problematik des sogenannten Kindbettfiebers und der gegen erbitterte Widerstände der etablierten Ärzteschaft schließlich durchgesetzten Erkenntnis von Ignaz Semmelweis, dass das Kindbettfieber ausgerechnet von denjenigen Menschen verursacht war, die vorgaben, um das Wohl der werdenden Mütter und ihrer Kinder besorgt zu sein - den Ärzten.

 

 

Ignaz Philipp Semmelweis (* 1. Juli 1818 in Ofen bei Buda, heute Budapest, † 13. August 1865 in Döbling bei Wien), österreichischer Arzt.

Semmelweis, später Retter der Mütter genannt, war Assistenzarzt in der Klinik für Geburtshilfe in Wien. Es war bekannt, dass in der Abteilung, in der Ärzte und Medizinstudenten arbeiteten, die Sterblichkeitsrate durch Kindbettfieber wesentlich höher war als in der zweiten Abteilung, in der Hebammenschülerinnen ausgebildet wurden. Semmelweis wollte den Grund dafür finden und untersuchte die Mütter noch gründlicher. Doch gerade dadurch stiegen die Todesfälle in seiner Abteilung noch weiter an, so dass werdende Mütter sich dagegen wehrten, in seine Abteilung verlegt zu werden.

Erst als der mit ihm befreundete Gerichtsmediziner Jakob Kolletschka (1803 - 1847) während einer Leichensektion von einem Studenten mit dem Skalpell verletzt wurde und wenige Tage später an einer Blutvergiftung verstarb, einer Krankheit mit ähnlichem Verlauf wie dem des Kindbettfiebers, glaubte Semmelweis die Ursache der Erkrankung benennen zu können: Die Medizinstudenten waren in der Anatomie tätig und hatten dort Leichen seziert. Mit ungewaschenen und nicht desinfizierten Händen untersuchten sie die Frauen dazwischen während der Entbindung und übertrugen dabei Spuren von Leichenmaterial. Die eigentliche Ursache der Infektionen - die Übertragung von auf den Händen normalerweise massenhaft vorhandenen Bakterien - war damals noch nicht bekannt.

Semmelweis wies seine Studenten daher an, sich nach Leichensektionen die Hände mit Chlorkalk zu desinfizieren, eine wirkungsvolle Maßnahme, die die Sterblichkeitsrate von 12,3% auf 2-3% senkte. Als trotzdem noch einmal 12 Wöchnerinnen auf einen Schlag am Kindbettfieber erkrankten, als dessen Ursache das infizierte, jauchige Uteruskarzinom einer Mitpatientin vermutet wurde, erkannte er, dass die Ansteckung nicht nur von Leichen sondern auch von lebenden Personen ausgehen kann. So verschärfte er die Vorschriften dahingehend, dass die Hände vor jeder Untersuchung desinfiziert werden mussten. Dadurch gelang es ihm, 1848 die Sterblichkeitsrate auf 1,3% zu senken, ein Wert, der sogar geringfügig unter dem der zweiten Krankenhausabteilung lag.

Trotz dieses Erfolgs wurden seine Arbeiten lange Zeit nicht anerkannt. Seine Studenten hielten Sauberkeit schlicht für unnötig und Ärzte wollten nicht wahrhaben, dass sie selbst jene Krankheit verursachten, die sie heilen wollten. Durch eine Intrige seines Chefs, der sich übergangen fühlte, wurde Semmelweis diskreditiert und musste 1849 die Klinik verlassen.

Ab 1855 war Semmelweis Professor für Geburtshilfe an der Universität in Pest (heute Budapest). Seine Ergebnisse und Erfahrungen fasste er in dem Buch Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers zusammen, das 1861 erschien. Doch nur wenige Ärzte standen auf seiner Seite.

Semmelweis erkrankte an einer endogenen Psychose und wurde im Juli 1865 in die Irrenanstalt Döbling bei Wien eingeliefert. Am 13. August starb er an einer Blutvergiftung durch eine kleine Verletzung, die er sich bei der Arbeit kurz vor seiner Einlieferung zugezogen hatte.

Nach seinem Tod wird das vom schottischen Chirurgen Joseph Lister (1827-1912) im Jahr 1867 vorgeführte Besprühen des Operationsfeldes mit desinfizierendem Karbol in die Chirurgie eingeführt und damit ein steiler Abfall der Mortalität im Operationssaal erreicht. Im Zuge dieses Fortschrittes setzt sich auch die Hygiene im Kindbett durch und die wissenschaftliche Welt wird der Bedeutung von Ignaz Semmelweis' Erkenntnissen gewahr.

 

Biographien über Semmelweis sind von L. F. Destouches (tr. 1937) und J. Rich (1961) erschienen.

 

http://de.wikipedia.org/wiki/Kindbettfieber

 

 

 

 

Vermutlich wird man um das Jahr 2020 rückblickend gesamtgesellschaftlich fragen, wie es früher dazu kommen konnte, dass Familienrichter jahrzehntelang unreflektiert selektionsorientierte Gutachter eingesetzt haben und einsetzen konnten. Aus der Sicht des Jahres 2020 wird es völlig absurd erscheinen, warum es im Jahr 2005 immer noch statthaft war, Trennungsfamilien durch die Einsetzung selektionsorientierter Gutachter zusätzlich zu schädigen, als wenn diese Familien durch ihren internen Familienkrieg nicht schon weiß Gott genug traumatisiert gewesen wären.

Jopt spricht zu recht von einem Paradigmenwechsel, den es für die im Trennungsgeschehen involvierten Fachkräfte zu vollziehen gilt. Wer diesen geistigen und praktisch verpasst, muss sich vorwerfen lassen, an der Schädigung des Kindeswohls und des Elternwohls trotz anderer Alternative beteiligt gewesen zu sein.

 

vergleiche hierzu:

Jopt, Uwe; Zütphen, Julia: "Psychologische Begutachtung aus familiengerichtlicher Sicht: B. Lösungsorientierter Ansatz"; In: "Zentralblatt für Jugendrecht", 10/2004, S. 374

 

 

 

 

 

Das Unbehagen in der Kultur

"Das Unbehagen in der Kultur" heißt ein 1930 veröffentlichter Beitrag des Begründers der Psychoanalyse Siegmund Freud, in der dieser die Religion als "psychischen Infantilismus" bezeichnete, der die Menschen davon abhält, erwachsen und vernünftig zu werden. Die Religion biete Trost für Notlagen, die man besser aktiv und rational bearbeiten sollte, um das Menschenmögliche für deren Beseitigung zu tun (vergleiche hierzu: Rattner, Josef: "Klassiker der Tiefenpsychologie", 1997, S. 22). Freud konnte sich zu diesem Zeitpunkt sicher nicht vorstellen, welche Terrorwelle nur drei Jahre später in Deutschland begann, die schließlich im Völkermord und im 2. Weltkrieg endete. Das ganze getragen von ganz normalen deutschen Frauen und Männern und deren Eliten, zu denen nicht unwesentlich auch die Ärzteschaft und angrenzende Berufsrichtungen gehörten.

   

"Das erste große Projekt, das Mitscherlichs Rolle in der deutschen Gesellschaft und speziell gegenüber der Ärzteschaft prägte, war keine provokative Analyse, sondern nichts weiter als die nüchterne Dokumentation des amerikanischen Prozesses in Nürnberg 1946 gegen die Ärzteverbrechen unter Hitler. Mitscherlich war von den westdeutschen Ärztekammern mit der Beobachtung dieses Prozesses beauftragt worden. Seine spätere Veröffentlichung enthielt nichts anderes als die genauen Gerichtsprotokolle über die schrecklichen Taten. Das waren zunächst die oft tödlich verlaufenen Experimente an KZ-Häftlingen, Unterdruck- und Unterkühlungsversuche, künstliche Fleckfieber-Infektionen, Meerwassertrinken usw.

Dann ging es um die systematischen Tötungen missgebildeter und geistig schwer behinderter sowie völlig gesunder jüdischer Kinder in Anstalten. Die sogenannte Euthanasie-Aktion, der 100 000 psychisch Kranke zum Opfer fielen, wurde präzise behandelt. Die Schuldsprüche des Gerichts lauteten auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Eigenartigerweise tauchten zunächst nur wenige Exemplare der Dokumentation auf. Erst nach Jahren erregte das daraus hervorgegangene Buch `Medizin ohne Menschlichkeit` ein breiteres Publikum. Aus der Fachwelt ergoss sich eine Flut von rufmörderischen Beschimpfungen über Mitscherlich und seinen Ko-Autor Fred Mielke. Mitscherlich notierte: `Die Anschuldigungen gegen uns nahmen schließlich ein groteskes Ausmaß an, und man konnte glauben, wir hätten das alles, was hier verzeichnet ist, erfunden, um unseren ärztlichen Stand zu erniedrigen.` Dabei taten Mitscherlich und sein Ko-Autor alles, um sich nicht selbstgerecht über das Übel zu erheben. Großen Wert legte Mitscherlich darauf, dass es nicht allein um 350 verbrecherische Ärzte ging, sondern um den `Apparat`, der diese Unmenschlichkeit möglich machte. Wörtlich schrieb er: `Was aber ist der Apparat? Solange wir nicht diese Frage aufrichtig beantworten, und das kann nur heißen, solange wir uns nicht vergegenwärtigen, wie weit wir selbst `Apparat`, waren, haben wir nichts, überhaupt nichts getan, um den Toten dieser furchtbaren Zeit jenen Respekt und jene Aufmerksamkeit zu erweisen, die allein die Brutalität, mit der sie überwältigt wurden, für die Zukunft entkräften kann. Und das ist doch das einzige Zeichen des Dankes, den wir abstatten können, durch eine Erkenntnis, die uns alle einbezieht: Zu verstehen und vorzubeugen.`

Dieses Bekenntnis beruhigte die Kritiker aber nicht. Denn man konnte und wollte Mitscherlich nicht verzeihen, dass er sich weigerte, über die Sache Gras wachsen zu lassen, dass er vielmehr die Ärzteschaft indirekt aufforderte, sich mit der Vergangenheit offen auseinanderzusetzen. Immerhin hatten alle deutschen Lehrstuhlinhaber und Direktoren psychiatrischer Universitätskliniken widerspruchslos die Massentötung der psychisch Kranken akzeptiert, als sie offiziell von diesem Plan unterrichtet worden waren. Und die Mehrzahl dieser Professoren blieb nach dem Kriege unbehelligt im Amt. Man musste den Eindruck gewinnen, dass es auch der breiten Öffentlichkeit eher peinlich war, das Ansehen des geheiligten Ärztestandes herabzusetzen. Darüber hinaus gab es reichlich Anzeichen dafür, dass die Pseudomoral der sogenannten Erbhygiene ihre Spuren hinterlassen hatte. Die Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus und dem Holocaust hat zwar verspätet, dennoch intensiv stattgefunden, während der Krieg gegen die psychisch Kranken trotz der Aufklärungsarbeit von Mitscherlich und einigen anderen vorläufig im Dunkeln des Vergessens verschwand. Erst 1996 und 2002 hat unsere Ärzteorganisation »Ärzte für Frieden und soziale Verantwortung« IPPNW auf zwei internationalen Kongressen unter dem Titel »Medizin und Gewissen« das Thema noch einmal ausführlich behandelt.

Besonderen Unwillen hat Mitscherlich übrigens mit seiner These hinterlassen, die Menschenversuche der SS-Ärzte seien keine einmaligen Entgleisungen gewesen, sondern müssten als logische Entwicklung einer Medizin betrachtet werden, die immer mehr den Menschen als Partner aus den Augen verliere und ihn zu einer naturwissenschaftlichen Sache degradieren. Das war natürlich eine ungeheure Provokation in einer Zeit, da die naturwissenschaftliche Objektivierung des Menschen vollständig in den Fortschrittsbegriff der Medizin eingegangen ist. so entsteht der Anschein, die kriminellen Medizin-Experimente der Nazis seien etwa nur der Endpunkt einer Entwicklung, dem die Medizin näher rücke. Aber das ist ein heikles Diskussionsthema, das über Mitscherlich weit hinausführen würde. Ich schreibe gerade darüber.

Stattdessen möchte ich mich nun dem Problem zuwenden, das Alexander und Margarete Mitscherlich über Jahrzehnte zentral beschäftigt hat. Das ist die Frage nach den psychologischen Abwehrmechanismen, deren sich die deutsche Bevölkerung zur Abschwächung oder Verfälschung der Erinnerung an die Hitlerzeit bedient hat. Hier steht das von beiden geschriebene Buch »Die Unfähigkeit zu trauern« im Mittelpunkt. ..."

 

Horst-Eberhard Richter: "Alexander Mitscherlich und die Deutschen", In: "psychosozial", 2005, Heft III, S. 95/96

 

 

 

"Der Wahnsinn der Normalität. Realismus als Krankheit: eine grundlegende Theorie zur menschlichen Destruktivität", so ist einer der Bücher des Psychoanalytikers Arno Gruen betitelt. Wenn wir nicht so viel Sorge hätten, von übereifrigen, das Internet mit Argusaugen überwachenden Gutachtern wegen Rufschädigung verklagt zu werden, so könnten wir hier auch als Überschrift formulieren: "Der Wahnsinn der Normalität. Realismus als Krankheit: eine grundlegende Theorie zur Tätigkeit von Gutachtern im familiengerichtlichen Verfahren". Doch wir wollen es uns lieber nicht mit den selbsternannten Zensoren unter den Gutachtern verscherzen, denn diese vertragen - narzisstisch wie sie nun mal oft sind - keine Kritik und so lassen wir es - beim Barte des Propheten - derart zu provozieren. Pionierehrenwort, wie man in der DDR sagte, wenn man es eigentlich anders meinte.

 

 

Über "Das Unbehagen im familiengerichtlichen Verfahren" und im speziellen zum Thema Gutachter zu schreiben ist ein sicher ebenso lohnenswertes wie relativ unerfreuliches Unterfangen. Aber mittlerweile kommen auch etablierte Gutachter nicht mehr umhin, darüber zu sprechen und so muss man sich nicht wundern, dass die dreitägige von der Sektion Rechtspsychologie im BDP e.V. vom 06.-08.03.2008 in Berlin stattfindende Tagung "Rechtspsychologie zwischen Justiz, Politik und Medien", mit einem Eingangsvortrag von Professor Max Steller mit bezeichnenden Titel "Notwendigkeit der Verbesserung der Qualität sachverständiger Tätigkeit" eröffnet wird. Man mag dies systemisch erweitern in den Titel "Notwendigkeit der Verbesserung der Qualität familiengerichtlich tätiger Fachkräfte. Wozu brauchen wir sachverständige Tätigkeit und wenn ja welche?".

Dass Gutachter jahrzehntelang weitgehend ungestört vor sich hin wursteln konnten und dabei im Laufe der Jahre einige Zehntausend Trennungsfamilien zerwurstet haben, statt diesen zu helfen, eine schwere familiäre Krise zu meistern und einen guten Neuanfang zu  finden, mag ein Tagungsthema für die "5. oder 6. Tage der Rechtspsychologie" sein.

Die Sektion Rechtspsychologie im BDP e.V. wäre nicht die Sektion Rechtspsychologie im BDP e.V., wenn sie sich nicht auch darüber Gedanken machen würde, wie man im Informationszeitalter mit der Tatsache umgeht, dass die Tätigkeit von Gutachtern sich nicht mehr wie früher im Stil des DDR-Politbüros abwickeln lässt, bei der keiner außerhalb des engsten Führungszirkels wusste, was gespielt wurde und Kritik bestenfalls systemintern geäußert werden durfte und bei öffentlich geäußerter Kritik Exkommunion oder Sorgerechtsentzug vollzogen wurde. 

So widmet sich denn der allseits bekannte Professor emeritus Dr. Harry Dettenborn, nicht zu verwechseln mit dem ihm nahestehenden Dr. Rainer Balloff, in einem Vortrag am 07.03.2008 dem Thema "Familienrechtsbegutachtung und Internet". IGF Kollege Dr. Klaus Schneider kann da womöglich auf Grund eigener Betroffenheit einiges zu dem Vortrag beisteuern. Man darf auf Herrn Dettenborn und seinen Vortrag und die darin wiedergespiegelte Haltung zur Informationsfreiheit gespannt sein - wir werden sicher zu gegebener Zeit berichten.

 

  

Wer sich fachlich-kritisch mit dem Thema Gutachter auseinandersetzt, läuft schnell Gefahr gleich dem Sisyphus der griechischen Mythologie einen Felsblock den steilen Berg hinaufzuwälzen und zusehen zu müssen, wie dieser kurz vor dem Gipfel wieder ins Tal zurückrollt. Oder anders gesagt, die kritische Auseinandersetzung mit der Tätigkeit von Gutachtern "höret nimmer auf". Die Ereignisse im nationalsozialistischen Deutschland haben gezeigt, dass es eines ganz alltäglich erscheinenden Verhaltens, "ganz normaler" und durchschnittlicher Menschen bedarf, damit die Todesmaschinerie korrekt laufen kann. Bei der Deutschen Reichsbahn war man in typisch deutscher Weise sogar so korrekt, den nach Auschwitz deportierten und dort ermordeten jüdischen Kindern nur Kinderfahrkarten zum halben Preis zu berechnen, die sie oder ihre Eltern noch nicht einmal bezahlen mussten. Die Deutschen sind eben ein durch und durch kinderfreundliches Volk - bis in den Völkermord hinein. Die Fahrkarten in den Tod wurden ordnungsgemäß in Reichsmark der Deutschen Reichsbahn bezahlt - vom deutschen Staat in Gestalt der für den Genozid zuständigen Behörden (vgl. Filmdokumentation zum 60. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz). Von ihrem "Glück" einer Fahrt zum halben Preis in den Tod haben die betroffenen jüdischen Kinder wohl bis in ihren frühen Tod hinein nichts erfahren. 

Wohl kaum ein Reichbahner wird wohl in Ausübung seiner Tätigkeit oder wie die Deutschen lieber sagen, seiner Pflicht (Dienst ist Dienst), je einen Juden grob angefasst, misshandelt oder gar getötet haben. Dafür war er ja gar nicht zuständig, nein der Reichsbahner sorgte auf seinem ihm zugewiesenen Posten, dem Stellwerk, dem Rangierbahnhof, als Lokführer oder als Bahnwärter ja nur dafür, dass die Züge pünktlich abfuhren und pünktlich dort ankamen, wohin man sie höheren Ortes geordert hatte. 

Man hat nie davon gehört, dass auch nur ein Reichsbahner nach dem Krieg dafür belangt wurde, dass er mit seiner Arbeit dafür gesorgt hätte, dass die Todeszüge ordnungsgemäß ihren Zielbahnhof erreichten. Immerhin, den Produzenten und Lieferanten der in Auschwitz in Betrieb befindlichen Krematorien, ein in Erfurt beheimateter gewisser Herr Topf (Firma Topf & Söhne), ereilte nach Kriegsende durch Suizid ein sicherlich nicht unverdientes Schicksal. Er hatte, dumm für ihn, seinen Namenzug auf den Krematoriumsöfen (deutsche Wertarbeit) eingravieren lassen, daher war es später nicht allzu schwer ihn ausfindig zu machen. 

 

Doch vor der Abfahrt in den Tod galt es mitunter erst einmal in aller deutschen Akkuratesse herauszufinden, welcher Mensch denn nun getötet werden sollte und welcher nicht. So z.B. bei der Frage, welcher Mensch denn nun genügend arische Anteile hätte und welcher nicht. Für die Entscheidung solcher Fragen war zum Beispiel die "Rassenhygienische Forschungsstelle" zuständig. Die Deutschen waren ja schon immer der "wissenschaftlichen Forschung" zugetan, wenn es darum ging, die eigenen sadistischen Neigungen und zwanghaften Beschmutzungsphantasien unter einem seriös anmutenden Mantel zu verbergen.

 

"Die weitgereisten Sintifamilien Freiwald und Krause ließen sich am Beginn der Nazizeit in Berlin nieder. Sie galten als Wolgadeutsche, waren Musiker und Arbeiter, ordentliche Leute selbst in den Augen der Polizei, die nicht eben gut auf `Zigeuner` zu sprechen war. Manche wohnten in Prenzlauer Berg, andere in den Lauben von Berlin-Karlshorst, vor allem in der Kolonie Wiesengrund. ... Im September und Oktober 1941 ´sichteten` die `rassenbiologisch geschulten Mitarbeiter` der `Rassenhygienenischen Forschungsstelle` auch diese Familien. Durch ´gutachterliche Äußerungen` stuften sie jeden einzelnen als `Zigeunermischling (+)` ein. Die so Stigmatisierten und Ausgesonderten unterlagen allen Erlassen, Verfügungen, Schnellbriefen, die das Reichssicherheitshauptamt gegen `Zigeuner` und Zigeunermischlinge` richtete, auch allen Schikanen, vom Verbot Gaststätten zu betreten und Straßenbahn zu fahren, bis zum Verbot, Kanarienvögel zu halten. ... Anfang März 1943 mußten die Sinit die Todesfahrt in das KZ Auschwitz-Birkenau antreten, wo ein `Zigeunerlager` eingerichtet worden war. ... In der Nacht vom 2. zum 3. August 1944 rieb die Lager-SS alle Häftlinge des ´Zigeunerlagers` im KZ Auschwitz-Birkenau in die Gaskammern."

aus:  Reimar Gilsenbach: "Wie Alfred Lora den Wiesengrund überlebte. Aus der Geschichte einer deutschen Sintifamilie.", In: "Das Magazin"; Juli 1989, S. 54

 

 

Wen die vorgenannten Ausführungen an die ethische Haltung heutiger selektionsorientiert arbeitender Gutachter und ihre Ableugnung persönlicher Verantwortung für die Entwicklung tragischer Lebensschicksale von Eltern und ihren Kindern erinnern mag, hat vielleicht ein nicht ganz unberechtigtes Gefühl. Gottlob leben wir heute nicht mehr an der Rampe von Auschwitz, so dass die Selektionsbedürfnisse von Gutachtern für die Opfer in der Regel nur im Sorgerechtsentzug nach §1671 BGB und nicht in einer Gaskammer endet.

Der eine oder andere Leser wird hier vielleicht meinen, der Vergleich von Nazigutachtern und selektionsorientierten Gutachter der heutigen Zeit wäre doch etwas dick aufgetragen, hat sicher in so weit recht, dass es im familiengerichtlichen Verfahren in der Regel nicht um Leben und Tod geht. Dies ändert aber nichts daran, dass es im familiengerichtlichen Verfahren häufig um sehr bedeutsame, mitunter auch persönlich existentiell bedeutsame Fragen von Betroffenen geht, bei denen sich eine seelenlose, selektiv orientierte Arbeit inkompetenter Fachkräfte, die sich als Rädchen im Getriebe familiengerichtlicher Elternselektion verstehen, eigentlich verbietet. In der familiengerichtlichen Praxis scheint das trotz vieler hoffnungsvoller Ansätze, so z.B. dem Cochemer Modell, noch nicht überall angekommen zu sein, zu einflussreich scheinen noch diejenigen zu sein, die das alte inhumane Modell der Elternselektion präferieren. So lange das noch so ist, ist es sicher sinnvoll und ehrenwert, den hier präsentierten Aufsatz zum Thema Gutachter und ihre Tätigkeit im familiengerichtlichen Verfahren weiter zu pflegen und fortzuschreiben, auch wenn das denjenigen Gutachtern, die wie der Teufel das Weihwasser, das Licht der Öffentlichkeit scheuen und auf keinen Fall Außenstehende einen unzensierten Blick auf ihre Tätigkeit gestatten möchten und dies daher mit aller ihnen noch zur Verfugung stehenden Kraft und Einflussnahme zu verhindern suchen.

 

 

 

 

Gutachter

Schon im 19. Jahrhundert wurden Gutachten in Auftrag gegeben, mitunter wohl zu dem Zweck, missliebige Personen aus dem Verkehr zu ziehen.

 

Johann Lutz, ab 1866 Ritter von Lutz, seit 1883 Freiherr von Lutz, (* 4. Dezember 1826 in Münnerstadt; † 3. September 1890 in Niederpöcking) war ein bayerischer Politiker.

...

1867 wurde er Justiz-, 1869 Kultusminister und betrieb als solcher den bayerischen Kulturkampf, um die Suprematie des Staates gegenüber der Kirche durchzusetzen. Nach dem von Bismarck 1880 erzwungenen Rücktritt des Ministerratsvorsitzenden Pfretzschner übernahm Lutz dessen Position, die er bis zu seinem Tode behielt. Sein Nachfolger als Ministerpräsident wurde Friedrich Krafft von Crailsheim.

Lutz war maßgeblich am Sturz König Ludwigs II. beteiligt. Er beauftragte im März 1886 Obermedizinalrat Bernhard von Gudden, Spezialist für Gehirnanatomie, ein Gutachten über Ludwigs Geisteszustand zu erstellen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_von_Lutz

 

 

 

Ludwig II. wurde am 8. Juni 1886 auf Betreiben der Regierung durch die Ärzte Bernhard von Gudden, Friedrich Wilhelm Hagen, Hubert von Grashey und Max Hubrich in einem Gutachten aufgrund von Zeugenaussagen und ohne persönliche Untersuchung des Patienten für „seelengestört“ und „unheilbar“ erklärt.[22] Ludwigs langjähriger Leibarzt Max Joseph Schleiß von Löwenfeld, der den König bereits als Kind gekannt hatte, wurde nicht gehört.

Anhand der von Ludwig vorgenommenen Amtshandlungen wie zuletzt der Einrichtung eines neuen Bezirksamtes in Ludwigshafen (Urkunde vom 3. Juni 1886, von ihm in Hohenschwangau unterzeichnet) ist allerdings keine eindeutige Unzurechnungsfähigkeit zu erkennen.

...

Nach neuen Erkenntnissen war das psychiatrische Gutachten unhaltbar: Heinz Häfner von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Gründer und langjähriger Leiter des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim, hat das „Geheime Hausarchiv“ der königlichen Familie Bayerns einsehen dürfen und auch Material aus bisher unveröffentlichten Quellen, Landtagsstenogrammen und Archiven zusammengetragen und damit den „Fall Ludwig“ noch einmal aufgerollt. Die Diagnose Guddens lautete auf Paranoia und Geistesschwäche. „‚Diese Schlußfolgerung ist heute nicht mehr zu halten‘, so Häfner. Nach dem Quellenstudium sei zweifelsfrei zu belegen, daß bei Ludwig II. keine Zeichen von Geistesschwäche und einer paranoiden Psychose vorlagen“, schreibt die Ärzte Zeitung.[26] Häfner kommt in seiner Studie über Ludwig weiterhin zum Schluss, dass die inneren Konflikte Ludwigs, etwa eine schon früh zu beobachtende Sozialphobie in Verbindung mit Scham- und Schuldgefühlen wegen seiner homosexuellen Neigungen, zur Entwicklung einer „nicht substanzgebundenen Sucht“ führten, wie sie etwa auch bei Glücksspielern vorliegt. Das Mittel der Sucht Ludwigs wurden seine Bauvorhaben. Der ständig wachsende Schuldenberg brachte ihn in zusätzliche äußere Schwierigkeiten. Diese, so Häfner, beeinträchtigten seine Handlungs- und Regierungsfähigkeit in durchaus erheblichem Maße. Wie auch z. B. bei Spielsüchtigen sei bei Ludwig ein zunehmender Realitätsverlust zu beobachten. Dagegen sei der König zu keinem Zeitpunkt geisteskrank, paranoid oder schizophren nach modernen Kriterien gewesen.[27] 

https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_II._(Bayern)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Akademische Psychologie - taube Frucht an totem Baum

 

„Die Gestaltpsychologen haben sogar, mit löblichen Eifer für die Objektivität, allen Umgang mit dem Leidenschaftlichen und Spannenden vermieden, manchmal unter komischen Beteuerungen der eigenen Reinheit; sie haben die Lösung wirklich drängender menschlicher Probleme nicht erforscht. Sie scheinen tatsächlich oft zu sagen, alles im Gesamtfeld sei wesentlich, außer den menschlich spannenden Faktoren; die seinen `subjektiv` und irrelevant! Andererseits bringt aber eben nur das Spannende eine kräftige Struktur hervor. ... Das Endergebnis ist natürlich, dass die Gestaltpsychologie selbst für die Entwicklung der Psychologie, der Psychoanalyse und ihrer Seitenzweige irrelevant und von ihr isoliert geblieben ist, denn diese konnten den drängenden Anforderungen der Therapie, Pädagogik, Politik, Kriminologie und so weiter nicht ausweichen.“

Frederick S. Perls; Ralph F. Hefferline; Paul Goodman: Gestalttherapie Grundlagen. dtv, 1979,, S. 21/22

 

 

Was Perls, der Begründer der Gestalttherapie schon 1951 im Hinblick auf die Gestaltpsychologen sagte, kann man fast unverändert auch über 50 Jahre später über die akademische Psychologie feststellen. Ein Ausfluss akademisch geprägter Psychologie zeigt sich z. B. im statusdiagnostischen Ansatz mit der dazugehörigen hypertrophierten Anwendung sogenannter psychodiagnostischer Test durch den familiengerichtlich ernannten Gutachter. Dies ist in erster Linie weniger den Familienrichtern anzulasten, die von Statusdiagnostik und den in der Regel zweifelhaften Testverfahren oft keine genaue Kenntnis haben, sondern ist wohl hauptsächlich Ergebnis fruchtloser akademischen Lehre an den Universitäten und Hochschulen, die Jahr für Jahr Menschen mit dem Abschluss eines Diplom-Psychologen in die rauhe Lebenswirklichkeit entlassen, die sich trotz andauernder Anstrengungen von Universitätsprofessoren nicht an akademische Leitsätze anpassen will. Mit dem Ergebnis, dass den frisch diplomierten Psychologen für die Meisterung wirklich relevanten Aufgaben in der Regel die erforderliche Kompetenz fehlt. 

Doch die vielen Tausend jahrelang durch die Mühlen akademisch reiner Lehre gedrehten Diplom-Psychologen suchen wie auch andere Menschen nach einem Sinn in ihrem Tun. Eine schon etwas resignative Sinngebung heißt daher, es kann nicht alles falsch und umsonst gewesen sein, was ich studiert habe. Das Kriterium für falsch und umsonst ist hier die Praxis. Kann ich mein Wissen in der Praxis anwenden oder nicht? Der frisch gebackene Diplom-Psychologe hofft anfangs noch eine der inzwischen raren Stellen im akademischen Bereich zu ergattern. Glücklicherweise für den Steuerzahler und unglücklicherweise für den Diplom-Psychologen ist die Chance eine der gut besoldeten akademischen Stellen zu erhaschen recht gering. Und so beginnt der Diplom-Psychologe erst einmal ein unfreiwilliges Praktikum in Sachen Arbeitslosigkeit. Nach monatelanger Arbeitslosigkeit kommt er auf die Idee, sein Glück als freiberuflich arbeitender Berater zu suchen und muss aber schnell feststellen, dass er mit seine akademisch geprägte Kompetenzen auf dem freien Beratermarkt kaum einen Wert besitzt. Die Menschen, die in schwierigen Lebenssituationen nach Beratung suchen, haben schlicht kein Interesse daran von Psychologen diagnostiziert, d. h in Schubladen sortiert zu werden. Von dem zwanghaften Schubladendenken rührt übrigens auch der zu Recht schlechte Ruf, den Psychologen bei normalen Menschen haben.

Nun sucht unser arbeitsloser Diplom-Psychologe weiter. Staatliche Einrichtungen in denen noch akademisches Brauchtum gepflegt wird, haben mittlerweile alle Einstellungsstop verordnet bekommen oder werden sogar abgewickelt, was man im Hinblick auf die tauben Früchte, die in ihrem Garten wachsen, nicht kritisieren mag. 

So ist eines der wenigen Refugien, in denen sich der akademisch geprägte Psychologe noch nach Herzenslust und weitestgehend ungestört austoben darf, eine Tätigkeit als Gutachter in familiengerichtlichen Verfahren. Hier bin ich Diplom-Psychologe, hier darf ich sein, mag er frei nach Goethe rufen. Und da dem Familienrichter kreative Menschen suspekt vorkommen mögen, so haben sich hier schnell zwei Menschen mit komplementären Bedürfnissen nach Selbstbestätigung gefunden, mit der Folge, dass unser Diplom-Psychologe nun endlich beginnen kann, sein universitäres Wissen und die "Erschaffung der Wirklichkeit" am Menschen zu erproben.

 

 

 

 

 

Des Kaisers neue Kleider

Des Kaisers neue Kleider", das Märchen von Hans Christian Andersen über Scharlatane, einen leichtgläubigen, eitlen und suggestiblen Kaiser und einem seiner eigenen Wahrnehmung nicht vertrauenden Volk, man will es spätestens dann jedem Familienrichter zur Pflichtlektüre empfehlen, wenn man sich die Mühe gemacht hat, einiges von dem zu lesen, was mitunter als Gutachten an Familiengerichte verkauft wird.

 

Hans Christian Andersen

Des Kaisers neue Kleider

Vor vielen Jahren lebte ein Kaiser, der so ungeheuer viel auf neue Kleider hielt, daß er all sein Geld dafür ausgab, um recht geputzt zu sein. Er kümmerte sich nicht um seine Soldaten, kümmerte sich nicht um Theater und liebte es nicht, in den Wald zu fahren, außer um seine neuen Kleider zu zeigen. Er hatte einen Rock für jede Stunde des Tages, und ebenso wie man von einem König sagte, er ist im Rat, so sagte man hier immer: "Der Kaiser ist in der Garderobe!"

In der großen Stadt, in der er wohnte, ging es sehr munter her. An jedem Tag kamen viele Fremde an, und eines Tages kamen auch zwei Betrüger, die gaben sich für Weber aus und sagten, daß sie das schönste Zeug, was man sich denken könne, zu weben verstanden. Die Farben und das Muster seien nicht allein ungewöhnlich schön, sondern die Kleider, die von dem Zeuge genäht würden, sollten die wunderbare Eigenschaft besitzen, daß sie für jeden Menschen unsichtbar seien, der nicht für sein Amt tauge oder der unverzeihlich dumm sei.

,Das wären ja prächtige Kleider', dachte der Kaiser; wenn ich solche hätte, könnte ich ja dahinterkommen, welche Männer in meinem Reiche zu dem Amte, das sie haben, nicht taugen, ich könnte die Klugen von den Dummen unterscheiden! Ja, das Zeug muß sogleich für mich gewebt werden!' Er gab den beiden Betrügern viel Handgeld, damit sie ihre Arbeit beginnen sollten.

Sie stellten auch zwei Webstühle auf, taten, als ob sie arbeiteten, aber sie hatten nicht das geringste auf dem Stuhle. Trotzdem verlangten sie die feinste Seide und das prächtigste Gold, das steckten sie aber in ihre eigene Tasche und arbeiteten an den leeren Stühlen bis spät in die Nacht hinein.

,Nun möchte ich doch wissen, wie weit sie mit dem Zeuge sind!' dachte der Kaiser, aber es war ihm beklommen zumute, wenn er daran dachte, daß keiner, der dumm sei oder schlecht zu seinem Amte tauge, es sehen könne. Er glaubte zwar, daß er für sich selbst nichts zu fürchten brauche, aber er wollte doch erst einen andern senden, um zu sehen, wie es damit stehe. Alle Menschen in der ganzen Stadt wußten, welche besondere Kraft das Zeug habe, und alle waren begierig zu sehen, wie schlecht oder dumm ihr Nachbar sei.

,Ich will meinen alten, ehrlichen Minister zu den Webern senden', dachte der Kaiser, er kann am besten beurteilen, wie der Stoff sich ausnimmt, denn er hat Verstand, und keiner versieht sein Amt besser als er!'

Nun ging der alte, gute Minister in den Saal hinein, wo die zwei Betrüger saßen und an den leeren Webstühlen arbeiteten. ,Gott behüte uns!' dachte der alte Minister und riß die Augen auf. ,Ich kann ja nichts erblicken!' Aber das sagte er nicht.

Beide Betrüger baten ihn näher zu treten und fragten, ob es nicht ein hübsches Muster und schöne Farben seien. Dann zeigten sie auf den leeren Stuhl, und der arme, alte Minister fuhr fort, die Augen aufzureißen, aber er konnte nichts sehen, denn es war nichts da. ,Herr Gott', dachte er, sollte ich dumm sein? Das habe ich nie geglaubt, und das darf kein Mensch wissen! Sollte ich nicht zu meinem Amte taugen? Nein, es geht nicht an, daß ich erzähle, ich könne das Zeug nicht sehen!'

"Nun, Sie sagen nichts dazu?" fragte der eine von den Webern.

"Oh, es ist niedlich, ganz allerliebst!" antwortete der alte Minister und sah durch seine Brille. "Dieses Muster und diese Farben! - Ja, ich werde dem Kaiser sagen, daß es mir sehr gefällt!"

"Nun, das freut uns!" sagten beide Weber, und darauf benannten sie die Farben mit Namen und erklärten das seltsame Muster. Der alte Minister merkte gut auf, damit er dasselbe sagen könne, wenn er zum Kaiser zurückkomme, und das tat er auch.

Nun verlangten die Betrüger mehr Geld, mehr Seide und mehr Gold zum Weben. Sie steckten alles in ihre eigenen Taschen, auf den Webstuhl kam kein Faden, aber sie fuhren fort, wie bisher an den leeren Stühlen zu arbeiten.

Der Kaiser sandte bald wieder einen anderen tüchtigen Staatsmann hin, um zu sehen, wie es mit dem Weben stehe und ob das Zeug bald fertig sei; es ging ihm aber gerade wie dem ersten, er guckte und guckte; weil aber außer dem Webstuhl nichts da war, so konnte er nichts sehen.

"Ist das nicht ein ganz besonders prächtiges und hübsches Stück Zeug?" fragten die beiden Betrüger und zeigten und erklärten das prächtige Muster, das gar nicht da war.

,Dumm bin ich nicht', dachte der Mann; es ist also mein gutes Amt, zu dem ich nicht tauge! Das wäre seltsam genug, aber das muß man sich nicht merken lassen!' Daher lobte er das Zeug, das er nicht sah, und versicherte ihnen seine Freude über die schönen Farben und das herrliche Muster. "Ja, es ist ganz allerliebst!" sagte er zum Kaiser.

Alle Menschen in der Stadt sprachen von dem prächtigen Zeuge. Nun wollte der Kaiser es selbst sehen, während es noch auf dem Webstuhl sei. Mit einer ganzen Schar auserwählter Männer, unter denen auch die beiden ehrlichen Staatsmänner waren, die schon früher dagewesen, ging er zu den beiden listigen Betrügern hin, die nun aus allen Kräften webten, aber ohne Faser oder Faden.

"Ja, ist das nicht prächtig?" sagten die beiden ehrlichen Staatsmänner. "Wollen Eure Majestät sehen, welches Muster, welche Farben?" und dann zeigten sie auf den leeren Webstuhl, denn sie glaubten, daß die andern das Zeug wohl sehen könnten.

,Was!' dachte der Kaiser; ich sehe gar nichts! Das ist ja erschrecklich! Bin ich dumm? Tauge ich nicht dazu, Kaiser zu sein? Das wäre das Schrecklichste, was mir begegnen könnte.' "Oh, es ist sehr hübsch", sagte er; "es hat meinen allerhöchsten Beifall!" und er nickte zufrieden und betrachtete den leeren Webstuhl; er wollte nicht sagen, daß er nichts sehen könne. Das ganze Gefolge, was er mit sich hatte, sah und sah, aber es bekam nicht mehr heraus als alle die andern, aber sie sagten gleich wie der Kaiser: "Oh, das ist hübsch!' und sie rieten ihm, diese neuen prächtigen Kleider das erste Mal bei dem großen Feste, das bevorstand, zu tragen.

"Es ist herrlich, niedlich, ausgezeichnet!" ging es von Mund zu Mund, und man schien allerseits innig erfreut darüber. Der Kaiser verlieh jedem der Betrüger ein Ritterkreuz, um es in das Knopfloch zu hängen, und den Titel Hofweber.

Die ganze Nacht vor dem Morgen, an dem das Fest stattfinden sollte, waren die Betrüger auf und hatten sechzehn Lichte angezündet, damit man sie auch recht gut bei ihrer Arbeit beobachten konnte. Die Leute konnten sehen, daß sie stark beschäftigt waren, des Kaisers neue Kleider fertigzumachen. Sie taten, als ob sie das Zeug aus dem Webstuhl nähmen, sie schnitten in die Luft mit großen Scheren, sie nähten mit Nähnadeln ohne Faden und sagten zuletzt: "Sieh, nun sind die Kleider fertig!"

Der Kaiser mit seinen vornehmsten Beamten kam selbst, und beide Betrüger hoben den einen Arm in die Höhe, gerade, als ob sie etwas hielten, und sagten: "Seht, hier sind die Beinkleider, hier ist das Kleid, hier ist der Mantel!" und so weiter. "Es ist so leicht wie Spinnwebe; man sollte glauben, man habe nichts auf dem Körper, aber das ist gerade die Schönheit dabei!"

"Ja!" sagten alle Beamten, aber sie konnten nichts sehen, denn es war nichts da.

"Belieben Eure Kaiserliche Majestät Ihre Kleider abzulegen", sagten die Betrüger, "so wollen wir Ihnen die neuen hier vor dem großen Spiegel anziehen!"

Der Kaiser legte seine Kleider ab, und die Betrüger stellten sich, als ob sie ihm ein jedes Stück der neuen Kleider anzogen, die fertig genäht sein sollten, und der Kaiser wendete und drehte sich vor dem Spiegel.

"Ei, wie gut sie kleiden, wie herrlich sie sitzen!" sagten alle. "Welches Muster, welche Farben! Das ist ein kostbarer Anzug!" -

"Draußen stehen sie mit dem Thronhimmel, der über Eurer Majestät getragen werden soll!" meldete der Oberzeremonienmeister.

"Seht, ich bin ja fertig!" sagte der Kaiser. "Sitzt es nicht gut?" und dann wendete er sich nochmals zu dem Spiegel; denn es sollte scheinen, als ob er seine Kleider recht betrachte.

Die Kammerherren, die das Recht hatten, die Schleppe zu tragen, griffen mit den Händen gegen den Fußboden, als ob sie die Schleppe aufhöben, sie gingen und taten, als hielten sie etwas in der Luft; sie wagten es nicht, es sich merken zu lassen, daß sie nichts sehen konnten.

So ging der Kaiser unter dem prächtigen Thronhimmel, und alle Menschen auf der Straße und in den Fenstern sprachen: "Wie sind des Kaisers neue Kleider unvergleichlich! Welche Schleppe er am Kleide hat! Wie schön sie sitzt!" Keiner wollte es sich merken lassen, daß er nichts sah; denn dann hätte er ja nicht zu seinem Amte getaugt oder wäre sehr dumm gewesen. Keine Kleider des Kaisers hatten solches Glück gemacht wie diese.

"Aber er hat ja gar nichts an!" sagte endlich ein kleines Kind. "Hört die Stimme der Unschuld!" sagte der Vater; und der eine zischelte dem andern zu, was das Kind gesagt hatte.

"Aber er hat ja gar nichts an!" rief zuletzt das ganze Volk. Das ergriff den Kaiser, denn das Volk schien ihm recht zu haben, aber er dachte bei sich: ,Nun muß ich aushalten.' Und die Kammerherren gingen und trugen die Schleppe, die gar nicht da war.

http://gutenberg.spiegel.de/andersen/maerchen/kaisersn.htm

 

 

 

Die Dummheit höret nimmer auf und die Leichgläubigkeit vieler Menschen auch nicht. Man will offenbar auch betrogen werden, egal ob nun in Südkorea oder anderswo:

 

 

SKANDAL UM HWANG

Die Selbstzerstörung des Klon-Helden

Von Markus Becker

Hwang Woo Suk war der Stolz Südkoreas und einer der berühmtesten Stammzellforscher weltweit. Jetzt hat er die Manipulation seiner Forschungsberichte eingestanden. Internationale Wissenschaftler sind entsetzt. In seiner Heimat ist von nationaler Schande die Rede.

Er wurde als Nationalheld verehrt, Briefmarken trugen sein Antlitz, er war offiziell "oberster Forscher" Südkoreas und einer der berühmtesten Stammzellforscher weltweit: Hwang Woo Suk hatte mit einer Serie spektakulärer Studien für Aufsehen gesorgt. Scheinbar mühelos hatte er menschliche Embryos geklont, für Patienten maßgeschneiderte Stammzellen produziert und einen Hund kopiert - allesamt Meisterstücke, an denen seine internationalen Konkurrenten trotz jahrelanger Bemühungen gescheitert waren.

Das zumindest glaubte man bis vor einigen Tagen. Jetzt aber steht fest, dass Hwang entscheidende Teile eines seiner Forschungsberichte gefälscht hat. Damit steht die Gen- und Stammzellforschung vor dem größten Skandal ihrer noch jungen Geschichte. Nach schweren Vorwürfen einiger Ex-Mitarbeiter Hwangs hat die Seoul National University, wo Hwang beschäftigt ist, eine Untersuchungskommission eingerichtet. Sie hat die Arbeit des Stars unter die Lupe genommen und jetzt niederschmetternde Ergebnisse präsentiert. Mindestens neun der elf maßgeschneiderten Stammzellenlinien, die Hwang im Mai im renommierten Fachblatt "Science" präsentiert hatte, seien gefälscht, erklärte der Ausschuss. Es handele sich nicht um versehentliche Fehler, sondern um gezielte Manipulationen. Und es sei unmöglich, dass Hwang nichts davon gewusst habe.

Damit bestätigten die Prüfer die Angaben eines Kollegen von Hwang, Roh Sung Il, der Mitautor des "Science"-Forschungsberichts war. Außerdem stellte die Kommission fest, dass Hwang für seine Arbeit wohl deutlich mehr als die angegebenen 185 menschlichen Eizellen verwendet hatte.

Entschuldigung für "Schock und Enttäuschung"

Hwang hat die Fälschungen mittlerweile zugegeben und seinen Lehrstuhl an der Universität abgegeben. "Ich entschuldige mich, dass ich einen so großen Schock und Enttäuschung verursacht habe", sagte er in einer kurzen Ansprache, die im Fernsehen übertragen wurde. Er bleibe aber dabei, dass seine Technik, für Patienten maßgeschneiderte embryonale Stammzellen zu gewinnen, funktioniere. "Das werden Sie sehen", sagte er.

Wissenschaftler, die sich vor der Bestätigung der Vorwürfe mit Äußerungen zurückgehalten hatten, reagierten fassungslos. "Das ist eine Katastrophe für Südkorea", sagte Hans Schöler, Direktor am Max-Planck-Institut für Molekulare Biomedizin in Münster. Hwangs Arbeit habe vielen Südkoreanern das Gefühl gegeben, mit den Amerikanern nicht nur mithalten zu können, sondern weltweit an der Spitze der Wissenschaft zu stehen.

 

Hwang habe in seinem Heimatland im Zentrum eines Personenkults gestanden, der für Europäer nur schwer nachvollziehbar sei. "Jetzt stellt sich heraus, dass man dort auf einen Betrüger gesetzt hat", sagte Schöler im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Ein Professor der Seoul National University sprach von einem "Tag der nationalen Schande".

Die südkoreanische Regierung erklärte, sie sei sehr unglücklich über die Entwicklung und werde eigene Ermittlungen aufnehmen. Choi Seong Sik, stellvertretender Minister für Wissenschaft und Technologie, hält es für unmöglich, die an Hwang gezahlten umgerechnet rund 34 Millionen Euro an Zuschüssen zurückzubekommen. Man werde jedoch die Finanzierung anderer Projekte prüfen und Hwang die Auszeichnung als "Top-Wissenschaftler" entziehen, die er als erster Forscher überhaupt erhalten hatte. Komplett zurückziehen aus der Stammzellenforschung will sich Seoul aber nicht.

Internationale Folgen möglich

Der Skandal um Hwang dürfte weit über die Grenzen Südkoreas hinaus Folgen haben. Schon ist unter Wissenschaftlern von schwerem Schaden für die gesamte Forschungsrichtung die Rede. "Wer die Stammzellforschung schon immer kritisiert hat, wird sich bestätigt fühlen", sagte Schöler. "Länder, die bisher der Forschung gegenüber positiv eingestellt waren, könnten ihre politische Position nun überdenken."

Der Fachwelt ist derweil eine verlockende Zukunftsaussicht abhanden gekommen. "Die Hoffnung, Krankheitsmodelle in der Kulturschale zu testen, ist jetzt nichtig", sagte Schöler. Hwang hatte im Mai berichtet, er habe das Erbgut von elf kranken Menschen mit überraschend wenig Aufwand in den entkernten Eizellen junger Frauen zu neuem Leben erweckt. Aus den Embryonen habe er elf Stammzelllinien gewonnen.

Mediziner waren elektrisiert. Plötzlich besaßen sie die Aussicht, Parkinson- oder Herzpatienten mit genetisch maßgeschneiderten Versionen der wandlungsfähigen Zellen behandeln zu können. Die stets zu befürchtende körperliche Abstoßungsreaktion wäre in diesem Fall wohl weggefallen.

Hwangs Forschung unter Generalverdacht

Mittlerweile droht der gesamten Arbeit Hwangs eine eingehende Prüfung. So hatte der Forscher im August im Fachblatt "Nature" berichtet, er habe einen Hund geklont. Der Untersuchungsausschuss der Seouler Universität überprüft nun auch dies. Blutproben von "Snuppy", einem Afghanischen Windhund, seien bereits zwecks Erbgut-Analyse an ein Labor geschickt worden, hieß es. Auch die "Nature"-Redaktion kündigte eine Überprüfung der Hunde-Studie an.

Das Klonen von Hunden galt vor Hwangs angeblichem Coup als äußerst schwierig. Nun ziehen Forscher die Echtheit der Studie in Zweifel. "Viele Wissenschaftler waren sehr beeindruckt vom Klonen eines Hundes", sagte der renommierte Fachmann Alan Trounson von der australischen Monash University. "Aber jetzt glaube ich kaum noch, dass dies ein geklonter Hund ist."

Der Skandal dürfte das Ende von Hwangs wissenschaftlicher Karriere bedeuten. Im vergangenen Monat war er bereits als Direktor des Forschungszentrums World Stem Cell Hub zurückgetreten. Er hatte eingeräumt, Eizellen seiner Mitarbeiterinnen für seine Arbeit verwendet zu haben, nachdem er dies zuvor geleugnet hatte. 20 weitere Frauen hatten für Eizellspenden jeweils rund 1200 Euro bekommen. Beides gilt als ethisch nicht vertretbar. Gerald Schatten, Hwangs engster Mitarbeiter in den USA, hatte sich deshalb als Erster öffentlich von seinem früheren Partner distanziert.

Rätselraten über Motive

Was bleibt, ist die Frage nach dem Wie und Warum. Wie konnte ein Forscher ein so renommiertes Magazin wie "Science" täuschen, das alle Artikel vor der Veröffentlichung von Experten prüfen lässt? "Wenn man es geschickt anstellt, genügt ein wahrer Kern, um mit einer Studie durchzukommen", erklärt der deutsche Forscher Schöler. "Wissenschaft beruht zunächst einmal auf Vertrauen." Der wahre Kern habe möglicherweise darin bestanden, dass Hwang tatsächlich eine oder zwei Stammzelllinien mit seinem im Mai vorgestellten Verfahren gewonnen habe - und dann die restlichen Linien erfunden habe.

Über die Motive Hwangs kann man zunächst nur spekulieren. Manche Experten führen sein Verhalten auf die südkoreanische Kultur zurück, die auf maximalem Erfolg in kürzester Zeit ausgerichtet sei. "Der Fall Hwang ist ein gutes Beispiel dafür, dass in der koreanischen Gesellschaft Reste der früheren Erfahrung des schnellen Wachstums existieren", sagte Park Gil Sung, Soziologie-Professor an der Korea University. "Das Verlangen nach schnellen Ergebnissen ist ein Problem unseres sozialen Systems."

Hwang hat sich aus einfachsten Verhältnissen zum Star der Wissenschaft hochgearbeitet und wurde im Februar 2004 über Nacht berühmt, als er den weltweit ersten geklonten menschlichen Embryo präsentierte. Damit schien er perfekt in das koreanische Bild von Fleiß und Erfolg zu passen.

Ulrike Beisiegel, Sprecherin des Ombudsgremiums der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), sieht noch eine weitere Ursache hinter dem Skandal: den erbitterten Kampf um Renommee und Forschungsgelder. "Die Forscher lassen sich viel zu stark unter wirtschaftlichen Druck setzen", sagte Beisiegel. "Die Fälschungen müssen zum Nachdenken über das Gutachterwesen in der Wissenschaft führen".

Beisiegel kritisierte auch die betroffenen Fachjournale. "Das Rennen um die schnelle erste Veröffentlichung zu einem wichtigen Thema, wie es 'Science' und 'Nature' austragen, widerspricht der Wissenschaft." Man solle überlegen, "ob Resultate wirklich mit dieser Geschwindigkeit veröffentlicht werden müssen". Hintergrund dieses Wettrennens der Journale sei der Kampf ums Geld: "Wer häufiger die besseren Arbeiten hat, wird häufiger gekauft und häufiger gelesen. Das ist der Markt."

23. Dezember 2005 

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,392166,00.html

 

 

 

Die beste Garantie Betrug zu fördern ist der Ausschluss von Öffentlichkeit, egal ob nun in der verblichenen DDR mit ihrem damaligen Oberbetrüger Günter Mittag (Ich glaube nur der Statistik, die ich selber gefälscht habe) oder bei Gutachtern heutiger Gartenzwergprovenienz, am besten natürlich über die Krücke des Urheberechts und mit dem wohlwollend gewährten gerichtlichem Flankenschutz gut abgesichert und abgepolstert. Hwang Woo Suk hätte wohl seine helle Freude an der deutschen Geheimniskrämerei.

 

Maßschneider scheint es nicht nur in Südkorea zu geben, auch Deutschland ist von ihnen offenbar nicht verschont. So kann man bei einigen Gutachtern den Eindruck bekommen, sie wollten ursprünglich den Beruf eines Maßschneider ergreifen oder vielleicht auch eines Schriftstellers wie Karl May, haben dies aber irgendwann aufgegeben, als sie merkten, dass sie sich mit der Schere immer in die eigene Hand geschnitten haben oder ihre literarischen Ergüsse niemand lesen wollte. Nun verkaufen sie ihre "maßgeschneiderte" Diagnostik versprechenden literarischen Konvolute an Familiengerichte (mitunter sogar an Fachzeitschriften) in der Hoffnung, dass wenigstens die Richter und die Verfahrensbeteiligten ihre Darlegungen lesen mögen. Der Richter liest sich wohl gewöhnlich nur die Zusammenfassung durch - und das ist auch gut so, könnte man meinen, denn für mehr fehlt ihm meist schlichtweg die Zeit oder wenn das Gutachten miserabel geschrieben ist, was nicht selten der Fall ist, schläft er bei der Lektüre auch noch dauernd ein. Wenn der Richter aber klug ist, macht er wenigsten eine Geschäftsidee daraus und verkauft diese Gutachten nach vorheriger Anonymisierung als wirkungsvolles Schlafmittel an die nächstliegende Apotheke. Wenigstens die Eltern lesen alles und versuchen das Gutachten zu verstehen, selbst dann wenn es gar nicht zu verstehen ist. Und wenn sie sich schlecht behandelt fühlen, machen sie sich auch noch die Mühe, den Gutachter widerlegen zu wollen, gerade so, als ob man einen Schriftsteller davon überzeugen könnte, dass er unrecht habe, wo er doch weiß, dass die Geschichte von ihm erfunden wurde. 

Andere Gutachter versuchen es gar nicht erst mit Maßschneiderei, sondern verkaufen wie im Kaufhaus ihre Gutachten gleich von der Stange. Das geht auch sehr viel schneller als die leidige Maßschneiderei aus Würzburg und mit Gutachten von der Stange schafft es mancher Gutachter die Familiengerichte in halb Deutschland mit seinen geistigen Ergüssen zu versorgen. 

 

Der als Gutachter tätig gewesene Diplom-Psychologe Thomas Busse, der in Deutschland unter den verschiedensten Anschriften residiert, fährt - so weit vom Autor dieser Internetseite zu sehen - im Rahmen seiner Arbeit immer die gleiche "Testbatterie" auf, die er schon in seinem 1999 publizierten Aufsatz unter das staunende oder auch gelangweilte Fachpublikum gebracht hat.

 

Thomas Busse: "Kindliche Verhaltensauffälligkeiten im elterlichen Konfliktfeld", In: "Zentralblatt für Jugendrecht", 1/1999, S. 1-8

 

 

Zu dieser Testbatterie gehört auch der sogenannte "Sterne-Wellen-Test (SWT) nach Ave-Lallemant" zu dem Herr Busse vorträgt:

 

"Der SWT gehört zu den grafischen Ausdrucks- und Projektionstests. Als solcher stützt er sich auf die Verfahren, die von der Ausdruckswissenschaft und Charakterologie einerseits, der Tiefenpsychologie andererseits entwickelt worden sind. In dieser Hinsicht ist er ein in vielen Jahren erprobtes Persönlichkeitsdiagnostikum."

Diplom-Psychologe Thomas Busse, Gutachten vom 16.01.2005 für Amtsgericht Celle, S. 16

 

 

Doch wenn man sich Gutachten von Herrn Busse durchliest, so fragt man sich als fachkundiger Experte, was der Test im Hinblick auf die gerichtlich interessierenden Fragen überhaupt gebracht haben soll. Vielleicht nichts konkretes, doch den Richter wird es vielleicht irgendwie imponieren.

Sätze wie: 

 

"Während der Gespräche mit der Probandin zeigte sich eine emotional schwingungsfähige affektiv reagible Persönlichkeit mit deutlichen Simulations- und Dissimulationstendenzen, bei grundsätzlich hinreichender Introspektionsfähigkeit."

Diplom-Psychologe Thomas Busse, Gutachten vom 26.07.2003 für Amtsgericht Göppingen, S. 21

 

 

dürfen offenbar in keinem Gutachten von Herrn Busse fehlen, ebenso die Bezeichnung der Eltern als "Probanden" und die eigene gewichtig daherkommende Titulierung als "Untersucher".

 

 

 

 

 

 

Aufklärung tut Not 

 

PETER SCHÖNHÖFERS BEREITSCHAFT ZUM KAMPF

Der Feind ruft. Es sind zu viele gefährliche Pillen auf dem Markt, und Peter Schönhöfer will sie finden. Der Herausgeber des "arznei telegramms" ist ein erklärter Gegner der Pharmabranche. Er kämpft nicht gegen ein anonymes System - seine Anklage ist konkret und wissenschaftlich fundiert

http://www.taz.de/pt/2006/07/07/a0170.1/text

 

 

Der Unnachgiebige

AUS BERLIN UND BREMEN

ULRIKE WINKELMANN

Peter Schönhöfer hat gerade die jüngste Ausgabe des arznei telegramms fertig gestellt und ist sichtlich bester Laune. Er trägt eine Weste mit vielen Taschen über dem karierten Hemd, das sich über dem kugeligen Bauch spannt. Der gestutzte Vollbart ist schon Jahrzehnte grau, inzwischen strahlend weiß, die Haare ebenso, nur schütterer.

Mit siebzig Jahren ist Schönhöfer zwar längst vom Klinikum Bremen-Mitte nach Hause geschickt worden, wo er von 1985 bis 2000 das Institut für Klinische Pharmakologie aufgebaut und geleitet hat. Aber er ist noch lange nicht im Ruhestand. Der Feind ruft. Es sind zu viele zu schlechte, zu teure, zu gefährliche Pillen auf dem Markt.

Wer Schönhöfer beim arznei telegramm, einer Zentrale der Pharmakritik in Deutschland, besuchen will, läuft erst einmal an Gräbern vorbei. Schönhöfer und die Herausgeber der werbe- und schmucklosen Pillenzeitung sitzen in einem sanierten Wasserturm von 1919 mitten auf dem Friedhof Steglitz, südwestliches Berlin. Wer will, nimmt die Einsamkeit des backsteinernen Turms und die mahnende Beschaulichkeit des Friedhofs als Zeichen für die Unabhängigkeit des Blatts und seiner Macher. Aber besser nicht als Zeichen für ihre Abgeschiedenheit. Das arznei telegramm wird von Ärzten, manchen Apothekern, vielen Wissenschaftlern gelesen. Durch die schmalen Kanäle zwischen Fach- und breiter Öffentlichkeit rinnt manche Warnung auch in die Tagespresse. Spätestens dort wird sie für die Industrie sehr gefährlich. Die Auseinandersetzung mit der Pharmaindustrie beschreibt Schönhöfer so: "Die betreiben Masseneinsatz. Es ist Trommelfeuer beim Scheibenschießen. Eines Tages bewegt man sich zu langsam. Dann braucht man Menschen mit breitem Rücken, die was abfangen."

Schönhöfer hat auch schon einiges ein- und abgefangen, wurde aber niemals niedergestreckt. Er ist entsprechend selbstbewusst. Auf die Frage, warum sich schon so lange nur so wenige Menschen mit diesem gewissen breiten Rücken finden, sagt er: "Es verfügt nicht jeder über die notwendige Konfliktbereitschaft."

Auf niemandes Abtreten wartet die Arzneimittelbranche so dringend wie auf das Schönhöfers. Der nutzt von jeher alle verfügbaren wissenschaftlichen und öffentlichen Bühnen - jüngst etwa Transparency International -, um seine Botschaft zu verbreiten: Medikamente sind nicht gut, nur weil sie neu sind. Erst einmal sind sie unsicher, weil nicht erprobt. Die Pharmaindustrie entwickelt keine Medikamente, um Kranken zu helfen. Sondern sie sucht und schafft Märkte für hochpreisige Produkte. Das ist etwas anderes.

So ganz allgemein mag sich das jeder vorstellen. Aber nur sehr, sehr wenige Menschen können das auch beweisen. Denn die Medizinindustrie stellt mit ihren Produkten auch die dazugehörigen Studien her, denen zufolge die neue Pille natürlich unverzichtbar ist. Um sich diesem Informations- und Interessenfluss entgegenstellen, muss man es selbst besser wissen.

Einer mit Witterung

Schönhöfer, sagt ein konkurrierender Experte der Branche, ist eine "seltene Verbindung von enormer Kompetenz, Erfahrung und Furchtlosigkeit". Der weltweite Arzneimittelkonsum liefere einen "Strom von Signalen". Irgendwo darin schwimmen zwei oder mehr Meldungen über rätselhafte Nebenwirkungen - eine Studie hier, eine Patientenbefragung dort. Doch um die Verbindung einzuschätzen, die Fälle zu analysieren: Dieses Mittel ist vermutlich schädlich, tödlich gar - dazu brauche es eine "unvergleichliche Spürnase", sagt der Arzneimittelkenner.

Schönhöfer hat zum Beispiel vor den Cox-2-Hemmern gewarnt, aufwändigen Rheumaschmerzmitteln, als noch lange nicht bekannt war, dass Vioxx und wahrscheinlich auch verwandte Produkte tausende Menschen umgebracht haben. Der Hersteller Merck hat in seinen Studien sogar Tote unterschlagen, damit Vioxx überhaupt zugelassen wurde.

Schönhöfer bleibt aber nicht bei einzelnen Arzneien stehen. Bei jedem Pharmaskandal erklärt er auch noch dem letzten Fernsehreporter, der jüngsten Pressepraktikantin: Die Pharmabranche gibt mehr Geld für Marketing als für Forschung aus - und produziert nurmehr minimale Variationen der bestverkäuflichen "Blockbuster". Die Ärzteschaft wird von den wohl über 18.000 Pharmareferenten der Republik beschwatzt und teils auch bestochen. Hochschulmediziner lassen sich für vorteilhafte Vorträge bezahlen - "Mietmäuler", sagt Schönhöfer. Keine guten Worte hat er für aktuelle Gesundheitspolitik und die SPD-Ministerin Ulla Schmidt. Die Eckpunkte zur Reform? "Ein Kotau vor der Industrie", sagt er: "In einem Satz steht etwas Vernünftiges, im zweiten Satz heben sie es wieder auf." Schmidt sei maßgeblich dafür verantwortlich: "Die Frau ist falsch." Ulla Schmidt "hat ihre Inhalte ad libitum gedreht. Der Machterhalt ist ihre Schlüsselverhaltensweise."

Dabei ist Schönhöfer keiner, der von Macht nichts verstünde. Nach Medizin- und Chemiestudium und Doktortitel ging er selbst in die Politik. Weil sie die "Alternative zur Adenauerzeit" war, trat Schönhöfer 1963 der SPD bei. Er wurde Lokalpolitiker in seiner Heimatstadt Wuppertal, Johannes Rau war SPD-Fraktionsvorsitzender im Rathaus. Kommunalpolitik, sagt Schönhöfer, war kein Klein-Klein um klappernde Kanaldeckel. Mit Leuten wie Rau war sie etwas Größeres.

Als 30-Jähriger entschied Schönhöfer sich trotzdem - "gemeinsam mit meiner Frau" - gegen eine Kandidatur für den Landtag von Nordrhein-Westfalen: "So überzeugend ist die Politik nicht." Keine falsche Bescheidenheit: "Ich hätte auch in der Politik Karriere gemacht. Ich war bereit, dafür zu kämpfen." Sein nun geschultes Talent, schwierige Sachverhalte auf einen polemischen Punkt zu bringen, behielt er ja. Er forschte zwei Jahre an den National Institutes of Health bei Washington, habilitierte in Bonn, ging 1979 zum Bundesgesundheitsamt in Berlin. Hier schuf er sich seinen Ruf als "roter Arzneimittelkommissar".

Zu diesem Zeitpunkt hatte die Republik endlich die Konsequenz aus ihrem größten Arzneimittelskandal gezogen: Contergan. Tausende schwer behinderte Kinder waren zwischen 1958 und 1961 geboren worden, nachdem ihre Mütter in der Schwangerschaft das Beruhigungsmittel von Grünenthal genommen hatten. Alle wussten es nun: Die Pillen sind nicht sicher - und niemand prüft sie. 1978 trat das Arzneimittelgesetz in Kraft, wonach erstmals überhaupt Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Arzneimitteln nachgewiesen werden mussten. Das war, sagt Schönhöfer, "ein enormer Eingriff."

Abwehrkampf der Branche

Endlos schien der Kampf für das Arzneimittelgesetz. Immer neue Politiker wurden beschworen, vom Nutzen ihres Einsatzes überzeugt, gegen die Fürsprecher der Industrie in Ministerien und Parlament in Stellung gebracht. So wurde eine ganze Gruppe von politiknahen, kritischen Pharmakologen geformt. Sie haben für ihren Einfluss auch einen gewissen Preis gezahlt.

Denn die deutsche Pharmabranche, damals weltweit führend, war Widerspruch nicht gewohnt. Teure Gerichtsprozesse sollten Widersacher kaltstellen. Bis heute hat Schönhöfer davon keinen verloren. Hinzu kam seither das im Gesundheitssektor beliebte Instrumentarium, die private und wirtschaftliche Existenz von Gegnern zu bedrohen: Anonyme Steueranzeigen, Dokumentendiebstahl, Überwachung durch Privatdetektive - ist der Gegner erpressbar? Nichts von alldem ist natürlich je irgendwem nachzuweisen.

Selbst Schönhöfers Tochter folgten die Detektive in den 80er-Jahren zur Schule. Als zwischenzeitlicher Bremer Gesundheits-Senatsdirektor sorgte er jedoch über politische Kanäle dafür, dass seine Familie in Ruhe gelassen wurde. "Bremen ist eine kleine Stadt", sagt er und zwinkert.

Bei Schönhöfer zu Hause in Bremen liegt der Kater auf dem besten Sessel am Fenster, und draußen vor der Terrasse versuchen die Enten schon wieder, den Molchteich zu erobern. Nichts da. "Enten haben hier nichts zu suchen!", teilt Schönhöfer ihnen mit, kommt etwas atemlos wieder herein und wirft sich im schmal geschnittenen Wohnzimmer in die Sitzgruppe - skandinavischer 70er-Jahre-Teak-Schick, verteilt im Raum kleine Kunstwerke der Tochter, die heute Psychologin ist.

Nie hat Schönhöfer einen Lehrstuhl bekommen, nachdem sein Chef Karl Überla ihn aus dem Bundesgesundheitsamt gedrängt hatte. Überla, Leiter des Amtes, nutzte 1982 die Gunst der Stunde nach dem Wechsel von der sozial-liberalen zur schwarzgelben Koalition. An Überla, sagt Schönhöfer "habe ich zum ersten Mal erlebt, was Korruption in einer Behörde bedeutet."

Bereit zum Konflikt

Überla hat jahrzehntelang für die Pharma- wie für der Tabakindustrie genehme Meinungen vertreten - bis heute hält der ebenfalls 70-Jährige Vorträge zur überschätzten Gefahr des Passivrauchens. In seine Ära fiel auch der Bluterskandal: Das Bundesgesundheitsamt versagte in den 80er-Jahren grotesk darin, Bluter vor HIV- und Hepatitis-infizierten Blutkonserven zu schützen. Letztlich führte dieses Desaster zur Auflösung des Amts 1994. Auch die Nachfolgebehörden, sagt Schönhöfer, haben nie wieder - schon wieder dieses Wort - die "Konfliktbereitschaft" des Vor-Überla-Gesundheitsamts bewiesen. Der Staat blieb gegenüber der Industrie zahnlos.

Überla ist nur der erste der vielen Namen auf Schönhöfers langer Liste von Personen, die das Gesundheitswesen korrumpieren. Seine Gegner haben ein Gesicht, er kennt sie, er führt keinen abstrakten Kampf gegen ein anonymes System, seine Anklage ist so konkret wie moralisch. Viele renommierte Arzneimittelkenner sagen über Schönhöfer so etwas wie "er überzeichnet". Oder auch: "Er explodiert manchmal etwas gezielt." Dieselben Leute sagen aber auch: Er hat Recht - wenn auch etwas lauter als wir. "Im Umgang mit der Pharmaindustrie verliert der Mensch jegliche Blauäugigkeit", heißt es dann. Oder: "Stellt man sich gegen ein bestimmtes Produkt, wird man umgebracht" - wissenschaftlich.

Inzwischen ist die Industrie nicht mehr ganz so klagefreudig wie früher. Möglicherweise hat sie das nicht mehr nötig. Es gibt an den Universitäten praktisch keine unabhängige Forschung mehr. Ist ein Pillenkritiker dennoch zu Titel und Einfluss gelangt, fährt ein Apparat an "Gegenexperten" auf, seinen Ruf zu schädigen. Ohne dass es eine offene wissenschaftliche Auseinandersetzung gäbe, behängt ihn dann die Presse mit dem verunsichernden, vernichtenden Adjektiv "umstritten".

"Abteilung Wadenbeißer", sagt Schönhöfer geringschätzig. Er ahnt, dass die Bedingungen an den Universitäten heute nicht mehr so sind, dass eine ganze Schulklasse von Pharmakologen wie in den 70er-Jahren losziehen könnte, der Politik ein Gesetz zur Pharmakontrolle abzuringen.

Er selbst ist nicht mehr angreifbar.

taz vom 7.7.2006, S. 5, 357 Z. (Portrait), ULRIKE WINKELMANN

 

 

 

 

Was für die Arzneimittelbranche gilt, lässt sich auch auf die Branche der Gutachter übertragen. Die Geschäftsumsätze bewegen sich hier zwar nicht im Milliardenbereich, aber der eine oder andere Gutachter erzielt mit seiner spekulativen Selektionsarbeit doch ganz erhebliche Einnahmen. Im Dunkeln ist gut munkeln. Daher lässt sich der gewöhnliche Gutachter nicht gerne in die Karten gucken, denn es wäre ihm nicht nur peinlich, sondern für ihn auch geschäftsschädigend, wenn er bei den vielen üblichen kleinen und großen Taschenspielertricks erwischt und angezählt werden würde.

 

"Der Bochumer Psychologe Friedrich Arntzen, 74 unterhält einen Gewerbebetrieb, dem er den anspruchsvollen Namen `Institut für Gerichtspsychologie` gegeben hat. Im Briefkopf des Unternehmens bezeichnet er sich als ´Dr. Phil. (Psychol.)` - einen Titel mit solchem Zusatz kennt keine deutsche Universität.

Doch den Familiengerichten, die Gutachten zu strittigen Sorgerechtsfällen vergaben, ist der Name des Instituts geläufig. Arntzen selber rühmt sich, seine Firme habe bislang etwa 8000 familienpsychologische Expertisen abgegeben, 11 von 19 Oberlandesgerichten ließen sich von ihm beraten. er beschäftigt 41 freiberufliche Psychologinnen, seine `selbstständige Einrichtung` liefert etwa ein Drittel aller Sorgerechtsgutachten - eine Rarität in der deutschen Rechtspflege."

Die Sachverständigen, beklagt Jopt, seien finanziell und sachlich vom Institut abhängig. Arntzen wickle `selbst die Honorarabrechnungen mit der Gerichtskasse` ab. Dazu der Institutsleiter: Er kassiere `weniger als 20 Prozent`."

aus: "Der Spiegel", 1988, Heft 42, S. 74-79

  

 

Wenn man den Spiegelartikel von 1988 liest, kann man meinen, dass sich die Rechtspraxis an deutschen Gerichten nicht wesentlich verändert hat, wenn man z.B. die Bestellungspraxis einiger beauftragender Familienrichter an die sogenannte GWG in München (mit ihren regionalen Ablegern, so z.B. mit der sogenannten "GWG Hessen) beleuchtet.

  

"Sie galten als die "größten Missbrauchsprozesse der deutschen Rechtsgeschichte", die drei Verfahren vor dem Landgericht Mainz, in denen von 1994 bis 1997 ein angebliches Massenverbrechen in Worms verhandelt wurde - 25 Erwachsene sollten sich an 16 Kindern vergriffen haben: Worms I, Worms II, Worms III. Die Urteile bedeuteten für die zunächst in Siegesgewissheit taumelnde Staatsanwaltschaft eine der bittersten Niederlagen, die eine Anklagebehörde je hinzunehmen hatte. Die Mainzer Ankläger erlitten einen totalen Zusammenbruch auf der Walstatt, von dem sie sich jahrelang nicht erholten: Alle Angeklagten wurden freigesprochen.

...

Auslöser der Prozesse war ein erbitterter Familienstreit um das Sorgerecht für zwei Kinder, deren Eltern sich hatten scheiden lassen. Man kämpfte mit allen Mitteln gegeneinander, schließlich auch mit der Wunderwaffe: dem Vorwurf sexuellen Kindesmissbrauchs.

Im SPIEGEL (7/1995) wurde damals die Entstehung der Katastrophe nachgezeichnet, und es wurden die Personen benannt, die sie zu verantworten hatten: neben den zerstrittenen Familien zwei hochproblematische Kinderärzte, die Missbrauchsspuren fanden, wo nichts zu finden war. Die Strafverfolger verließen sich in ihrem Eifer auf Psychologen, die fernab jeder Wissenschaft gutachteten, galt es doch, einen imaginären Pornoring ungeahnten Ausmaßes hochgehen zu lassen. Sie verließen sich auf eine unprofessionelle Kinderschützerin, die sich der unter dem Familienzwist leidenden Kinder bemächtigte und sie in den Umgang mit anatomisch korrekten Puppen einweihte; die die Kinder regelrecht verhörte, Namen abfragte, die insistierte und wiederholen ließ, bis die Kinder alle Personen nannten, die sie kannten.

Zweifel beschlichen niemanden.

..."

ausführlich in "Der Spiegel", 28.02.2005

 

 

Unter Gutachtern scheint es als ausgemacht zu gelten, gegeneinander möglichst keine konkrete Kritik vorzubringen, denn wer heute andere kritisiert, kann morgen schon selber kritisiert werden. Hinzu kommt offenbar auch eine Art Korpsgeist unter der Gilde der Gutachter, bei dem "Abweichler" und "Nestbeschmutzer" mit Verdammnis und informellen Ausschluss aus dem virtuellen gemeinschaftlichen Aufenthaltsraum oder der "sozialistischen Wärmestube" als rechtschaffend eingestufter Gutachter rechnen müssen.

Wird dann doch einmal ein Kritiker laut, den man nicht gleich mit dem Prädikat "weltfremder Spinner" sanktionieren kann, dann hilft ja vielleicht immer noch der bewährte Ruf "Haltet den Dieb", um von den eigenen Verfehlungen abzulenken. 

 

 

"Anfragen an die Qualität der eigenen Arbeit hielt man sich vom Leibe, aber geklagt wurde ausführlich über die sich verschlechternden Bedingungen und sich ausweitende Restriktionen. So war lange Jahre unter vielen Professionellen die Qualität ihres beruflichen Handelns ein in gegenseitiges Schulterklopfen gehülltes Tabuthema."

Hinte, W.: "Sozialarbeiterische Fachlichkeit: was `kann` die Profession?", In: "Theorie und Praxis der sozialen Arbeit", 9/1994, S. 327-333

 

 

Eine Qualifizierung von Gutachtern auf der einen Seite, dazu gehören auch ethische Qualifizierungen, und qualitätssichernde Maßnahmen auf Seiten der Familienrichter (die mitunter aber als sehr fortbildungsresistent erscheinen) ist dringend erforderlich. Allerdings möglichst nicht in der Weise, dass derjenige, der eine schlechte Arbeit als Gutachter oder als sogenannter "Experte" leistet, dann auch nach Fachaufsätze und Fachbücher zum Thema veröffentlicht oder Weiterbildungen für Familienrichter anbietet. Gelingt eine solche notwendige Kompetenzentwicklung, dann könnten alle Familienrichter und Gutachter den Eltern und ihren Kindern auch wieder offenen Auges ins Gesicht schauen. 

 

Mit der hier vorliegenden Darstellung soll ein kleiner Beitrag dazu geleistet werden. Dann braucht es auch nicht mehr zu enden wie in "Des Kaisers neue Kleider":

 

"`Aber er hat ja gar nichts an!` sagte endlich ein kleines Kind. `Hört die Stimme der Unschuld!` sagte der Vater; und der eine zischelte dem andern zu, was das Kind gesagt hatte.

`Aber er hat ja gar nichts an!´ rief zuletzt das ganze Volk. Das ergriff den Kaiser, denn das Volk schien ihm recht zu haben, aber er dachte bei sich: `Nun muß ich aushalten.` Und die Kammerherren gingen und trugen die Schleppe, die gar nicht da war."

 

 

Aufklärung tut not, dies ist nicht nur ein Anliegen der folgenden Darstellungen, sondern auch ein gesellschaftliches Anliegen zum Schutz der Verbraucher, man kann diese auch Eltern und Kinder nennen. Inzwischen gibt es sogar ein Bundesministerium für Verbraucherschutz, doch es ist bisher noch nicht bekannt geworden, ob dieses Ministerium sich auch für den Verbraucherschutz in familiengerichtlichen Verfahren engagiert. 

Nicht zuletzt gibt die Meinungs- und Pressefreiheit den Bürgerinnen und Bürgern das Recht und die Möglichkeit sich in vielfältiger Weise zu informieren und nicht auf das Wohlwollen von Meinungsmonopolisten oder wie in der DDR auf die stramm auf Parteilinie ausgerichteten Medien angewiesen zu sein.

 

 

"Bilanzieren wir einmal unvoreingenommen die für eine aufgeklärte und selbstbestimmte Existenzweise verfügbaren und subjektiven Möglichkeiten, dann ist der Widerspruch zwischen heute schon lebbaren und der tatsächlich verwirklichten menschlichen Verfassung gar nicht zu übersehen. Ganz allgemein können wir deshalb sagen, wir leiden an dem Unvermögen, das Prinzip der Selbstbestimmung in unserem Handeln zu verwirklichen. Und der vormundschaftliche Staat ist der krasseste Ausdruck dieses Unvermögens."

Rolf Henrich: "Der vormundschaftliche Staat", Kiepenheuer, Leipzig Weimar, 1990, S. 10

 

 

Der vormundschaftliche Staat lebt auch ganz wesentlich von der Uninformiertheit der Menschen. Die DDR war ein Beispiel dafür. Im dem Moment, als aus der Sowjetunion im Rahmen der von Gorbatschow geführten Perestroika, das Prinzip der Offenheit (Glasnost) auf die DDR überzugreifen drohte, verbot die DDR-Führung das Erscheinen zweier seit Jahren in der DDR erscheinender sowjetischer Zeitschriften, "Sputnik" und "Neues Leben". Schließlich kollabierte das brüchig gewordene DDR-System des Staatssozialismus Honeckerscher Prägung, in das entstehende Vakuum strömte nun der kapitalistische Rechtsstaat bundesrepublikanischer Prägung ein. Das hat den Menschen im Osten Deutschlands nicht nur Nachteile wie Massenarbeitslosigkeit und massenhafte Existenzängste gebracht, sondern auch eine ganze Reihe zivilisatorischer Fortschritte. 

Doch der vormundschaftliche Staat ist mit dem Untergang der DDR nicht gänzlich verschwunden, sondern durch eine im allgemeinen erträgliche und liberalere Variante ersetzt worden, die sich dennoch partiell dadurch auszeichnet, dass auch in ihr, wenn es darauf ankommt, von Staats wegen die Bürger für dumm verkauft werden sollen. Verbraucherschutzministerium hin, Verbraucherschutzministerium her, Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages hin, Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages her. Wenn es drauf ankommt, zeigt der vormundschaftliche Staat auch heute deutlich, wes Geistes Kind er ist. 

Besonders krass zeigt sich die Verweigerung der allgemeinen Informationsfreiheit  im Bereich der Diskussion über die Arbeit von Gutachtern. Nach bisher vorherrschender Meinung, darf unter missbräuchlicher Berufung auf das Urheberrecht am Gutachten (wozu das Urheberrecht seiner Intention nach gar nicht geschaffen ist), über Gutachten nicht öffentlich diskutiert werden und unterliegt damit einem Geheimhaltungsgrad den sonst nur der Bundesnachrichtendienst für sich in Anspruch nimmt. Ein solcher mitunter auch durch einige Gerichte befürworteter Zustand ist für einen Rechtsstaat ein unerträglicher Zustand.

Dass es in Deutschland auch anders gehen kann als bei im geheimdienstartigen Geist des Kalten Krieges auf strengste Geheimhaltung pochender Gutachtern, zeigen Initiativen der Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD):

 

 

Schmidt wünscht sich besser informierte Patienten

Berlin - Zur Information über Krankheiten, Therapien und Arzneimittel nutzen viele Bürger das Internet – von A wie Allergie über K wie Kopfschmerz bis Z wie Zähne. Nun kommt ein neues Angebot hinzu, das offiziellen Segen hat. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) verbinden größte Hoffnungen mit der neuen Website, die am Dienstag vorgestellt wurde. Was aber bringt die Homepage Neues? „Wir vertreten keine Interessengruppe und haben nichts zu verkaufen“, sagt Institutsleiter Peter T. Sawicki.

Viele Informationen über Arzneimittel und Therapien für Ärzte und Patienten kommen heute von Pharmafirmen und Fachgesellschaften. Oft verbindet sich Knowhow mit Geschäftsinteressen. Die IQWIG-Mitarbeiter bereiten nach Sawickis Angaben die wissenschaftlichen Belege internationaler Studien auf, und das in verständlicher Sprache. „Die Informationen sind wissenschaftlich geprüft“, lobt Rainer Hess, der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschuss von Krankenkassen und Kassenärzten.

Gesundheitsministerin Schmidt sagt: „In Deutschland sind die Patienten überwiegend uninformiert. Beim Autohändler und beim Kauf von Waschmaschinen lässt man sich über alles beraten. Aber die meisten gehen ins nächstgelegene Krankenhaus, ohne zu fragen: Ist es da gut?“ Vor allem Männer nähmen in diesem im äußersten Fall lebensentscheidenden Bereich die Dinge selten selbst in die Hand.

Doch nimmt der Anteil älterer und somit krankheitsanfälliger Menschen zu – ebenso wächst der medizinische Fortschritt, die Auswahlmöglichkeiten werden größer. „Der informierte Patient wird zum wichtigen Steuerungsinstrument im Gesundheitswesen“, sagt Schmidt. Dahinter steckt die Überzeugung, dass gerade informierte Patienten nicht immer nach den neuesten Pillen und den teuersten Verfahren rufen – sondern nach dem tatsächlichen Nutzen. Insofern geht es der Regierung bei der Patienteninformation auch um mögliche Einsparungen im Gesundheitswesen. dpa

www.gesundheitsinformation.de

http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/15.02.2006/2354010.asp

 

 

 

 

 

Beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist es übliche Praxis die Namen von am gerichtlichen Verfahren Beteiligten und auch der beteiligten Fachkräfte im vollem Umfang zu veröffentlichen. So z.B. in dem Fall Kutzner gegen Deutschland dokumentiert:

 

 

Urteile

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Vierte Sektion

Nichtamtliche Übersetzung

Quelle: Bundesministerium der Justiz, Berlin

26/02/02 - Fall KUTZNER gegen DEUTSCHLAND (Beschwerde Nr. 46544/99)

Straßburg, 26. Februar 2002

Dieses Urteil wird unter den in Artikel 44 Absatz 2 der Konvention aufgeführten Bedingungen endgültig. Es unterliegt noch der Schlussredaktion.

In der Rechtssache Kutzner . /. Deutschland

ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Vierte Sektion) als Kammer durch die folgenden Richter:

Herrn A. PASTOR RIDRUEJO, Präsident,

Herrn G. RESS,

Herrn C. CAFLISCH,

Herrn J. MAKARCZYK,

Herrn I. CABRAL BARRETO,

Frau N. VAJIC,

Herrn M. PELLONPÄÄ,

sowie den Kanzler, Herrn V. BERGER,

nach Beratung in nicht öffentlicher Sitzung am 10. Juli 2001 und 30. Januar 2002 am letztgenannten Datum zu folgendem Urteil gelangt:

VERFAHREN

1. Dem Fall liegt eine gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Beschwerde (Nr. 46544/99) zugrunde, mit der die beiden deutschen Staatsangehörigen Herr Ingo Kutzner und Frau Annette Kutzner („die Beschwerdeführer“) die Europäische Kommission für Menschenrechte („die Kommission“) aufgrund des früheren Artikels 25 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten („die Konvention“) am 5. Juli 1998 befasst hatten.

...

16. Am 18. September 1996 bestellte das Vormundschaftsgericht Bersenbrück den Psychologen Waschke-Peter als Sachverständigen, der sein Gutachten am 20. November 1996 vorlegte.

...

 

http://members.fortunecity.de/reno7/Kutzner.htm

 

 

 

Hier traf es auch den im Fall Kutzner eingesetzten Gutachter Herrn Waschke-Peter, der ob er wollte oder nicht öffentliche Erwähnung fand

In Deutschland herrscht dagegen gerichtlich praktizierte Informationsunfreiheit und man fragt sich, wie lange das die Bürgerinnen und Bürger und die von ihnen gewählten Bundestagsabgeordneten noch tolerieren wollen. 

 

 

 

 

 

 

Über Halbgötter und andere Antiquitäten

Die hier gegebenen Darlegungen, Informationen und wissenschaftlichen Erörterungen sollen den notwendigen und überfälligen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel vom status-, defizit- und selektionsorientiertem familienrechtlichen Denken und Handeln zu einem systemisch-, prozess-, ressourcen- und lösungsorientiertem humanistischen Verständnis professioneller Tätigkeit im Familienrecht unterstützen. Diskussionsbeiträge zu diesem Thema sind willkommen und können an den Verfasser gesandt werden. Hier im nachfolgenden kritisch benannte Fachkräfte, wie z.B. Gutachter sind ausdrücklich eingeladen, sich mit einer eigenen schriftlichen Darstellung ihrer Sichtweise der wissenschaftlichen Diskussion zu stellen. Diese Beiträge können bei Einsendung auch auf dieser Internetseite veröffentlicht werden.

 

In meiner Arbeit bleibt es nicht aus, dass ich gelegentlich auch Rückmeldungen von Gutachtern und Richtern bekomme. Diese reichen von Lob, über interessierte Nachfragen zu fachlichen Themen, über sachliche Kritik bis hin zu Schmähungen meiner Person mit Bezeichnungen wie "der Vogel" (Amtsrichter H. am Amtsgericht D. bezüglich meiner Stellungnahme zum Gutachten von Frau M.) und hochnotpeinlichen und strafandrohenden Aufforderungen von Gutachtern ihren Namen auf dieser Internetseite zu löschen. 

Glücklicherweise gibt es auch des öfteren interessierte und ermutigende Rückmeldungen von Gutachtern und Richtern, wie z.B. diese:

 

-----Ursprüngliche Nachricht-----

Von: ...

Gesendet: Dienstag, 16. August 2005 21:34

An: info@system-familie.de

Betreff: (no subject)

 

Sehr geehrter Herr Thiel,

habe soeben auf der Suche nach qualifizierten Stellungnahmen zum Entwurf des FamFG Ihre Website gefunden. Sie ist so informationsgeladen, daß ich einen bookmark darauf setzen mußte, weil es unmöglich ist, alle Schätze auf einmal zu bergen.

Mein Einstieg war der Abschnitt über die Formulierung von Beweisbeschlüssen. Köstlich, und richtig. Die Bissigkeit gegenüber den Richtern verstehe ich ja angesichts der Beispiele. Aber woher kommt der Sarkusmus gegenüber Ihren Kollegen? Ich werde es hoffentlich noch herausfinden.

Wenn ich mehr gelesen habe, werde ich mich noch einmal melden.

Ihr ...

Familienrichter seit ... , Richter seit ...  Jahren, im allgemeinen Freund wenigstens sprachlich präziser Ausdrucksweise

 

 

 

Oder auch die interessierte Nachfrage der Gutachterin Frau ..., vom 24.10.05 zu Fragen der Umgangspflegschaft.

 

Hardlinern unter den narzisstisch gekränkten Fachkräften sei das Buch von Rolf Bossi "Halbgötter in Schwarz" empfohlen, das man sinngemäß sicher auch auf Gutachter und andere Fachkräfte anwenden kann. Der Rechtsstaat, der trotz seiner Auswüchse und Verzerrungen an seinen Rändern doch Gott sei Dank halbwegs leidlich funktioniert, braucht für seine Existenz, Erhaltung und Weiterentwicklung die Kritik kritikwürdiger Zustände. Wird diese, wie auch immer, unterbunden, so ist der Weg in den totalitären Staat geöffnet. Man sollte nicht leichtfertig meinen, dass diese Gefahr aktuell nicht bestünde, nur weil das Jahr 1933 schon so viele Jahre her ist.

 

 

Rolf Bossi: Halbgötter in Schwarz

Deutschlands Justiz am Pranger

Erscheinungsdatum: 13.03.2005, 280 Seiten ,€ 22,90

Leben wir tatsächlich in einem demokratischen Rechtsstaat? Rolf Bossi zeigt anhand seiner spektakulärsten Fälle, wie sich die deutsche Justiz ihr Recht zurechtbeugt.

Nach über 50 Jahren als Strafverteidiger rechnet Rolf Bossi ab: Etwas ist faul im vermeintlichen Rechtsstaat Deutschland. Vor allem bei Kapitalverbrechen wie Mord, Totschlag oder Raub schreien die Mängel der Strafprozessordnung zum Himmel. Falsche Darstellungen von Zeugenaussagen, Indizien oder gutachterlichen Ausführungen durch die Richter sind ebenso verbreitet wie abenteuerliche Wege der Urteilsfindung. Die Folge sind skandalöse Fehlurteile und Justizopfer, die ohnmächtig den Mühlen einer Justiz ausgeliefert sind, die noch heute von dem Rechtsverständnis der Nazi-Zeit geprägt ist.

Rolf Bossi kämpft seit vielen Jahren als Anwalt gegen die vom Justizsystem begünstigte Selbstherrlichkeit und Willkür deutscher Richter. Anhand zahlreicher Fehlurteile, die durch Rechtsbeugung und Kumpanei zustande kamen, zeigt er, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, damit die Macht deutscher Richter und die Ohmacht ihrer Opfer gebrochen werden kann. Nur die Installation von Kontrollmechanismen würde die Justiz wirklich unabhängig machen und die Zahl der Justizopfer endlich reduzieren.

Wie Deutschlands berühmtester Strafverteidiger die Justiz an den Pranger stellt

"Meinungsfreiheit schützt nicht die Mehrheit, sondern die Minderheit, nicht die logischsten, überzeugendsten oder populärsten Ansichten, sondern zur Not den größten Unsinn, das abseitigste Geschwätz und die radikalste Außenseiterposition. Nur die Würde und die Freiheit des Anderen können dieses Recht beschränken."

In seinem Buch Halbgötter in Schwarz spricht nicht der Promi-Anwalt, der die Schauspielerin Ingrid Bergen vertrat, die 1977 ihren Lebensgefährten im Affekt erschoss, oder die Leinwandlegende Romy Schneider, den Showmaster Vico Torriani und den Jazzmusiker Chet Baker. Auch von seinen spektakulären Fällen, etwa dem des Kindermörders Jürgen Bartsch, für den Rolf Bossi wegen seiner schweren psychosexuellen Störung Strafmilderung erkämpfte oder von dem Fall des Gladbecker Geiselgangsters und Mörders Dieter Degowski ist hier nicht die Rede.

In Halbgötter in Schwarz spricht der Rechtsvertreter, der auf ein halbes Jahrhundert Berufserfahrung zurückgreift und der ein hochpolitisches Anliegen hat: Rolf Bossi geht es um die Beseitigung gravierender Missstände in der deutschen Strafjustiz. Anhand aktueller Fälle "kleiner Leute" zeigt der Anwalt diese Missstände auf und macht deutlich, wie unser Rechtssystem, in das jeder Bundesbürger so viel Vertrauen setzt, funktioniert. Bossi macht deutlich, dass es vor Gericht nicht immer mit rechten Dingen zugeht und schon gar nicht immer um Rechtsprechung im Sinne von Wahrheitsfindung und Gerechtigkeit.

Das Register der Missstände, die Bossi abhandelt, ist nicht eben kurz:

Er prangert versagende Dienstaufsicht bei der Staatsanwaltschaft ebenso wie gerichtliche Tatsachenverdrehungen aufgrund mangelnder Protokollierungspflichten an, zeigt auf, welche Konsequenzen die fehlende Berufungsinstanz im Kapitalstrafverfahren hat, beschreibt wie Richter Urteile formalrechtlich absichern, anstatt sie nach gerechter und objektiver Beweiswürdigung zu fällen, führt Beispiele von Justizkumpanei, Abschreckungsurteilen und die fast unüberwindlichen Hürden bei der Wiederaufnahme von Verfahren an und macht deutlich, wie unzureichend die anwaltliche Meinungsfreiheit ist. Abschließend macht Bossi außerdem deutlich, wo die Wurzeln der kritikunfähigen Selbstherrlichkeit von Richtern bis heute zu finden sind: in der Nazizeit. Das Unrechtsgebaren der Justiz in dieser Zeit wurde nie institutionell und konsequent aufgearbeitet, bestraft oder gesühnt. Statt historisch notwendiger Selbstkritik ist das richterliche Standesbewusstsein aus dieser Tradition heraus ins Unantastbare gewachsen, was unter anderem die Folge hatte, dass der Straftatbestand der Rechtsbeugung faktisch heute keine Rolle spielt. Um die Missstände in der Strafgerichtsbarkeit zu beseitigen fordert Rolf Bossi folgende Maßnahmen ein:

1. Rechtsbeugung muss strafbar sein (der Aushöhlung des betreffenden Paragraphen 336 muss entgegengewirkt werden)

2. Einführung eines exakten Wortprotokolls in der Strafgerichtsbarkeit, das eine hinreichende Kontrolle von Tatsachenentscheidungen gewährleitstet.

3. Waffengleichheit zwischen Anklage und Verteidigung (Beseitigung der mangelnden anwaltlichen Meinungsfreiheit durch Beschränkung der Möglichkeit, Beleidigungsklagen gegen Verteidiger anzustrengen)

4. Ausweitung der Rechtsmittel (Berufung und Revision), Erweiterung des Rechtswegs

5. Einführung einer Appellationsinstanz (Bundesverfassungsgericht), welche berechtigt und verpflichtet sein muss, offensichtliche sachliche Fehlurteile aufzuheben.

6. Keine Justizreform nach Kassenlage wie Ende 2004 beschlossen und die in einer Gesetzesvorlage bis Frühjahr 2005 umgesetzt werden soll (Rechtsmittel sollen drastisch beschnitten werden)

7. Ein Gesetz zur Beseitigung des nationalsozialistischen Unrechts in der Nachkriegsjustiz

Rolf Bossi, geboren 1923 in Karlsruhe, ist der bekannteste Strafverteidiger Deutschlands. In seiner über 50jährigen Praxis als Rechtsanwalt hat er unzählige prominente oder skandalöse Fälle vertreten. Rolf Bossi lebt und arbeitet in München.

 

INHALT

 

1. JUSTITIA UND DER MENSCHLICHE MAKEL 9

Warum Wahrheit und Gerechtigkeit vor deutschen

Strafgerichten oft wenig gelten

Die Hüter des Gesetzes 12

Checks and Balances 13

Wie ein Urteil entsteht 16

Die Lücken im System 20

Eine fragwürdige Tradition 25

Im Zweifel für den Angeklagten! 26

 

2. MOBBING UNTER JURISTEN 29

Unschuldig angeklagt: Wie Kollegen und Gutachter einen

unschuldigen Staatsanwalt zum Vergewaltiger abstempeln

Liebe und Psychoterror 31

Mittelamerikanische Ermittlungsmethoden 33

Die Gutachtenfalle 36

Das Gericht als Therapiegruppe 39

 

3. TÖDLICHE VERSÖHNUNG 43

Fehlendes Wortprotokoll: Warum ein Schwurgericht ein

tragisches Unglück zum Mord erklären kann

Wie Strafrichter Aussagen auslegen 44

Das Protokoll und seine "Beweiskraft" 46

Die heilige "freie Beweiswürdigung" 50

Ein Weiberheld schlägt zu 55

Todesschuss beim Liebesspiel 58

Eine fahrlässige Tötung 61

Das Landgericht sät Zweifel 64

Skandalurteil beim Schwurgericht 68

 

4. FEHLURTEILE AUF DEM PRÜFSTAND? 75

Berufung und Revision: Warum der Rechtsweg

im "großen" Strafverfahren allzu kurz ist

Freispruch - die große Ausnahme 76

Rechtszugfahrplan 78

Warum die Revision selten etwas revidiert 79

Revisionistische Spitzfindigkeiten 82

Wie Justizunrecht besser verhindert werden könnte 86

Erblasten eines politischen Kompromisses 88

 

5. VERLEUMDUNG UND VORURTEIL 93

Formelles Recht gegen Gerechtigkeit: Wie ausgefuchste

Richter ein "revisionssicheres" Urteil produzieren

Die Kunst, sich unangreifbar zu machen 94

Enttäuschte Liebe oder "Kampf der Kulturen"? 98

Reiz und Primitivreaktion 105

Eine erfolgreiche Verleumdungskampagne 108

Ein wasserdichtes Urteil 111

 

6. IM ZWEIFEL FÜR DEN AMTSKOLLEGEN 115

Rechtsbeugung und Justizkumpanei: Wenn Strafrichter

auf Kosten eines Angeklagten zusammenhalten

Ein geplatzter Deal 117

Unrechtsurteil, zweiter Akt 122

Rechtsbeugung und Justizkumpanei 124

Ohrfeige aus Karlsruhe, Eiertanz in Saarbrücken 129

 

7. FAMILIENBANDEN 135

Abschreckungsurteile: Wenn gereizte Richter ein Exempel

statuieren

Strafe muss sein 137

Abschreckung kontra Verhältnismäßigkeit 141

Die Phantome des Korbmachers 143

Blackout in der Bäckerei 147

Die rätselhafte Hose 149

Eine "missverständliche Formulierung"? 152

 

8. DER NAZI UND DER ZUHÄLTER 157

Meinungsfreiheit vor Gericht: Was ein Verteidiger über

eine skandalöse Anklageschrift sagen darf - und was nicht

Warum Polemik erlaubt ist 159

Neonazis als Sittenwächter 163

Terror, Panik und Notwehr 166

Wie man ein Opfer zum Täter macht 170

Eine beleidigte Behörde 173

Der Schutz der anwaltlichen Meinungsfreiheit 177

 

9. EINE FRAGE DER EHRE 181

Strafvereitelung im Amt: Wenn Richter die

Rechtsfindung schlicht verweigern

Rechtsstaat und Rache 182

Arbeitslosigkeit und Männerehre 185

Hinterhalt am Hauptbahnhof 187

Eröffnungsbeschluss für eine Vendetta 190

Grausame Blutrache 195

 

 

 

 

Bossi schildert in seinem Buch auch einen Fall, wo selbst ein Staatsanwalt in die kafkaesken Mühlen der Justiz geraten ist und beinahe als Justizopfer auf der Strecke geblieben wäre:

 

"Ein Staatsanwalt aus Stendal wird 1998 nach einem heftigen Trennungsstreit von seiner Partnerin der Körperverletzung, bald darauf der Vergewaltigung bezichtigt. Die Kollegen in der Staatsanwaltschaft, offenbar bemüht, alle Vorurteile über Justizkumpanei zu widerlegen, ermitteln schlampig gegen den wenig beliebten Otmar Schuster. Skandalöse Verfahrensfehler und ein haltloses Gutachten zwingen den Beschuldigten auf eine achtmonatige Odyssee durch die Gefängnisse. Bei der Staatsanwaltschaft versagen alle Kontrollmechanismen der Dienstaufsicht, ja wenden sich geradezu gegen den Beschuldigten. Während der Hauptverhandlung diagnostizieren zwei Gutachter bei Schusters Freundin eine schizotype Persönlichkeitsstörung. Es wird immer deutlicher, dass ihre Anwürfe frei erfunden sind. Am Ende wird der Angeklagte freigesprochen - doch seine Gesundheit und sein Ruf sind ruiniert. Ein Nichtjurist ohne guten Anwalt wäre für zwölf Jahre ins Gefängnis gewandert."

 

Bossi, Rolf: "Halbgötter in Schwarz. Deutschlands Justiz am Pranger", Frankfurt/Main, 2005, S. 29

 

 

 

Im Interesse der Entwicklung ausreichender fachlicher Standards im Bereich der Tätigkeit von Gutachtern und des Rechtes von Betroffenen Kritik zu fachlich problematischer Arbeitsweisen von Gutachtern, auch öffentlich kund zu tun, bleibt zu wünschen, dass das Recht auf öffentlich geäußerte fachliche Kritik sich gegen das Recht von Gutachtern auf ungestörte Ruhe und Weiter-so-Mentalität behaupten wird. Die fetten Jahr sind vorbei heißt ein empfehlenswerter Film, die Botschaft ist, so scheint es, noch nicht überall angekommen.

 

 

 

 

 

 

Beschwerdestellen

 

Psychiater vor Gericht

EuGH stärkt Patientenrechte nach Arztfehlern

Wieder einmal hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) gegen deutsche Gerichte entschieden. Diesmal zu Gunsten der Patientenrechte.

»Eine Frau kämpft um Gerechtigkeit«, heißt es auf der Homepage von Tanja Afflerbach. Das hört sich pathetisch an, ist es aber nicht. Die ehemalige Kunst- und Pädagogikstudentin aus Siegen bereitet einen Schadenersatzprozess wegen ärztlichen Kunstfehlern vor, und zwar gegen Psychiater. Da sind die Chancen schlecht. Wer in der psychiatrischen Klinik war, gilt schnell als geisteskrank und unglaubwürdig«, weiß Matthias Seibt von den »Psychiatrieerfahrenen Nordrhein-Westfalen«.

Die rund zehn Jahre dauernde Klinik-Odyssee begann für Afflerbach nach einem durch einen Autounfall hervorgerufenen Schleudertrauma. Die Ärzte diagnostizierten eine Psychose und verabreichten Neuroleptika. Seitdem leidet die 36-Jährige an extremer Lichtempfindlichkeit und Nervenschmerzen am ganzen Körper. Ein Gutachter bescheinigte ihr, nie psychisch krank gewesen zu sein und dass ihre Leiden von den Nebenwirkungen der Medikamente stammen, die Ihr gegen die nicht existierende Krankheit verabreicht wurden. Deshalb fordert Afflerbach jetzt Schmerzensgeld und Schadenersatz von den verantwortlichen Psychiatern. Schließlich musste sie wegen der falschen Behandlung ihr Studium abrechen und lebt heute von Sozialhilfe.

Die Erfolgschancen für ihre Klage sind gestiegen, seit der EuGH für Menschenrechte unlängst einer Psychiatriepatientin einen Schadenersatz von 75 000 Euro zugesprochen hat (Az.: 61603/00 vom 16.06.2005). Diese Frau, Vera Stein war als Jugendliche vom Vater in Psychiatrie eingewiesen worden - wegen einer vermeintlichen Psychose. Auch volljährig durfte sie die Psychiatrie nicht verlassen, wurde an Heizung oder Bett gefesselt und bekam zwangsweise Medikamente verabreicht, wie sie in zwei Büchern berichtete. Seit 1994 wurde ihr mehrfach gutachterlich bestätigt, nie an einer Psychose oder an einer Schizophrenie gelitten zu haben. Es folgte ein zehnjähriger Kampf vor Gerichten. In mehreren Instanzen wurden ihre Forderungen abgelehnt. Das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof nahmen ihren Fall erst gar nicht an. Erst nach Ausschöpfung aller juristischen Mittel konnte Stein vor dem EuGH klagen, der ihr die Entschädigung zugesprochen hat. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Psychiatriekritische Organisationen begrüßen die Entscheidung als Stärkung der Patientenrechte. Der Gericht hat betont, dass Stein immer gegen die Behandlung Widerstand geleistet hat.

 

aus: Neues Deutschland, 11.11.2005

 

 

Sich in puncto Qualitätssicherung der Tätigkeit von Gutachtern auf die deutschen Gerichte zu verlassen, scheint derzeit so erfolgreich zu sein, als wenn man während seines Urlaubs seine weißen Mäuse der Obhut der Hauskatze überlässt.

Die Tätigkeit von Gutachtern zählt in der Bundesrepublik als eine Art geheime Verschlusssache, die der öffentlichen Kontrolle seit Jahrzehnten faktisch entzogen wurde. Man fühlt sich dabei an die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindende Tätigkeit des Bundesnachrichtendienst oder auch an die paranoiden Zustände in der DDR erinnert. Eine unabhängige öffentliche Stelle zur Qualitätssicherung gutachterlicher Tätigkeit gibt es in Deutschland derzeit noch nicht. 

Es gibt zwar die Oberlandesgerichte, die eine gewisse Kontrolle der Arbeit an den Amtsgerichten und damit auch der Tätigkeit von Gutachtern ausüben. Allerdings kann man den Eindruck gewinnen, die Kontrolle durch die Oberlandesgerichte wäre nicht besonders entwickelt, andernfalls dürfte es nicht so viele Gutachter geben, deren Arbeitsweise problematisch erscheint. Möglich ist aber auch, dass bei den Oberlandesgerichten nur selten fachlich qualifizierte Berufungen von Betroffenen betreffs bereits erstellter Gutachten, bzw. der Tätigkeit von Gutachtern eingereicht werden.

Eine aktuelle Ausnahme, hier allerdings aus dem Bereich des Strafrechts: 

 

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.11.2004 - 2 StR 367/04 (Landgericht Koblenz)

Zu den Anforderungen an ein psychiatrisches Sachverständigengutachten über die Schuldfähigkeit des Angeklagten und die Voraussetzungen seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie zu den Prüfungsanforderungen an das Gericht bei Vorliegen eines methodenkritischen Gegengutachtens. 

veröffentlicht in: "Strafverteidiger". 3/2005, S. 124-127

Hier als PDF-Datei aufrufbar.

 

 

 

In anderen Bereichen ist es dagegen längst eine Selbstverständlichkeit, dass es unterhalb der Schwelle (ober)gerichtlicher Überprüfung eine unabhängige Beschwerdestelle gibt. 

So z.B. bei der Techniker Krankenkasse.

 

PATIENTEN SIND MUTIGER GEWORDEN

Behandlungsfehler werden häufiger gemeldet.

Auch bei der TK erhöht sich die Anzahl der gemeldeten Fälle Jahr für Jahr: So hat sich von 2003 auf 2004 die Zahl der vermuteten ärztlichen Fehlbehandlungen sogar verdoppelt.` Allerdings heißt das nicht, dass Ärzten heute mehr Fehler als sonst unterlaufen. Es ist vielmehr so, dass Patienten sensibler im Umgang mit ihren Rechten und damit mutiger geworden sind`, erklärt Gudrun Berger, Leiterin des Fachreferates Medizinrecht bei der TK.

...

Versicherte, die vermuten, sich einer ärztlichen Fehlbehandlung unterzogen zu haben, sollten sich grundsätzlich zuerst an ihre TK wenden. Unter der E-Mail-Adresse Behandiungsfehler@tk-online.de können Patienten einen ersten Kontakt zur TK aufnehmen. Alle Anfragen werden beantwortet. Sie erfahren, wer den Fall bearbeitet und wie es weitergehen soll. Die Vorgehensweise ist stets einzelfallabhängig und wird individuell erläutert."

aus "TK aktuell. Das Magazin der Techniker Krankenkasse", 2/2005, S. 4

 

 

 

Vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung und dem Bundesministerium für Justiz wird die Informationsbroschüre "Patientenrechte in Deutschland" (3. Auflage August 2005) herausgegeben. Eine gute Sache. Die beiden Ministerien sollten auf diesem Weg weitergehen und in Kürze auch eine Informationsbroschüre zum Thema "Die Rechte von Verfahrensbeteiligten im familiengerichtlichen Verfahren unter besonderer Berücksichtigung der Tätigkeit von Gutachtern" herausgeben. Dies würde nicht nur den Verfahrensbeteiligten helfen, sondern auch den beteiligten Professionen, die dadurch weniger in Gefahr gerieten, sich als Halbgötter zu begreifen, sondern sich statt dessen eher als professionelle Krisen- und Entwicklungsbegleiter verstehen könnten. 

 

 

In Berlin gibt es im Bereich der psychiatrischen Versorgung ganz offiziell ausgewiesene Beschwerdestellen. 

Im Wegweiser "Psychiatrie in Berlin. Information und Orientierung"

herausgegeben von der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz, Landesbeauftragter für Psychiatrie, 1. Auflage 2005

psychiatrie.beauftragter@sengsv.verwalt-berlin.de

 

kann man zu diesem Thema lesen:

 

"Das Angebot der Beschwerdestellen richtet sich in Bürgerinnen und Bürger, die unter psychischen Störungen und Beeinträchtigungen leiden oder auch als Angehörige mitbetroffen sind. Die Beschwerdestellen nehmen Anregungen und Beschwerden auf, soweit sie im Zusammenhang mit einer ärztlichen oder sonstigen ambulanten Behandlung/Therapie oder einer psychosozialen Betreuung im nichtklinischen Bereich stehen. Sie beraten und unterstützen den Beschwerdeführer bei der Wahrnehmung seiner Rechte, leisten jedoch keine eigentliche Rechtsberatung. 

Die Beschwerdestelle arbeitet als unabhängige Instanz mit den Institutionen der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung zusammen und ist dabei im Interesse aller Beteiligten bestrebt, einvernehmliche Lösungen zu finden.

Bisher sind in Berlin unabhängige Beschwerdestellen noch nicht flächendeckend vorahden. Die bestehenden Angebote finden sie auf den Bezirksseiten." (S. 16)

 

 

 

 

Auch bei der Berliner Polizei hat man gelernt, dass fehlende Transparenz dem Ansehen der Polizei schadet:

 

"Polizeipräsident Glietsch hat bei seinem Amtsantritt 2002 eine totale `Offenheit` bei Verfehlungen verfügt. 2004 gab es in Berlin 2028 Strafanzeigen gegen Polizisten ... 

Bei seinem Vorgänger, Hagen Saberschinky, war von Verfehlungen innerhalb der Polizei kaum etwas an die Öffentlichkeit gedrungen - im Gegenteil. Bei einem der spektakulärsten Gerichtsverfahren gegen Polizisten hatte Saberschinsky 1997 die Vorwürfe gegen Prügel-Polizisten heruntergespielt. Der Richter hatte dagegen bei der Urteilsverkündung erklärt: `Der Corpsgeist in der Polizei ist so schlimm, dass selbst Straftaten geschehen können, ohne dass irgendjemand etwas unternimmt.` ..."

"Der Tagesspiegel", 26.08.2005, S. 10

 

 

 

 

Selbst das Berliner Taxigewerbe hat eine Anlaufstelle an die man im Bedarfsfall Beschwerden richten kann:

 

Fahrer warf Ströbele aus Taxi - 250 Euro Strafe

Farid S. wollte den Politiker nicht das kurze Stück vom Flughafen zur U-Bahn fahren

Farid S. erkannte den Fahrgast, der kurz nach Weihnachten mit seiner Frau und schweren Koffern am Flughafen Schönefeld in sein Taxi stieg. Schließlich ist Hans-Christian Ströbele Bundestagsabgeordneter in Kreuzberg, wo Farid S. wohnt. Wahrscheinlich freute er sich auf eine lukrative Fahrt mit dem Grünen-Politiker, nachdem er lange in der Taxischlange auf einen Fahrgast gewartet hatte. Doch dann das: Sein Fahrgast wollte lediglich zur ersten U-Bahn-Station in Neukölln gefahren werden. Dort nämlich hatte er seinen Wagen geparkt. Farid S. wollte die genaue Straße wissen, die aber hatte Ströbele nicht parat. "Fahren Sie los, ich sag ihnen dann schon wo", hat er dem Fahrer gesagt. Der aber stellte sich stur und entgegnete: "Wenn Sie nicht wissen, wohin Sie wollen, kann ich Sie nicht fahren." Farid S. riss die Tür auf, schmiss Ströbele samt Gattin aus dem Taxi und bugsierte deren Koffer wieder auf den Bürgersteig.

Dieses Verhalten hat ihm gestern vor dem Amtsgericht in Moabit 250 Euro Geldbuße eingebracht. Für die Richterin hat Farid S. vorsätzlich gegen die Beförderungspflicht verstoßen. Dass Ströbele in ein Taxi steigt und nicht weiß, wo er hin will, wie Farid S. vor Gericht behauptete, hielt sie für wenig wahrscheinlich.

Ströbele hatte sich über den Vorfall geärgert und beim Taxiverband beschwert. "Es kann ja immer mal sein, dass Touristen in Schönefeld ankommen und nicht genau wissen, wo sie hinmüssen. Wenn sich Taxifahrer dann weigern, sie zu fahren, ist das nicht sehr freundlich", sagte er. Dass der Fall vor Gericht landet und der Fahrer eine Geldbuße bekommt, damit hätte Ströbele allerdings nicht gerechnet. Er dachte, der Verband werde dem Fahrer lediglich ins Gewissen reden. Doch der gab den Fall weiter an das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (Labo), das die Aufsichtsbehörde für das Taxigewerbe ist. Dort kannte man Farid S. bereits wegen zahlreicher anderer Beschwerden und verhängte ein Bußgeld in Höhe von 250 Euro gegen ihn. Weil er dagegen Einspruch erhob, kam der Fall vor Gericht, Ströbele wurde als Zeuge geladen.

Detlev Freutel, geschäftsführender Vorstand des Taxi-Verbandes, meinte, die Strafe hätte ruhig höher ausfallen können. "Solche Fahrer schaden dem Ruf der ganzen Branche", sagte er. Und da ab Januar alle Fahrer verpflichtet sind, Fahrgäste in einem Bereich von 30 Kilometern vom Flughafen Schönefeld auch nach Brandenburg zu befördern, sei das Urteil ein Signal, dass sie keine Fahrten ablehnen dürfen. Wenn sie das dennoch tun, rät er, das Kennzeichen zu notieren und sich zu beschweren.

Beschwerden über Taxifahrer sind zu richten ans Labo, Referat Personenbeförderung, Puttkamerstraße 16-18, 10958 Berlin.

 

Berliner Zeitung, 17.11.2005, Ressort: Lokales, Autor: Eva Dorothée Schmid, Seite:23

 

 

 

 

 

Auch im Bereich der Kindergärten wird Transparenz und Qualität eingefordert.

 

Erziehungswissenschaftler Wolfgang Tietze fordert Gütesiegel für Kindergärten

Um die Qualität der deutschen Kitas zu verbessern, fordert der Berliner Erziehungswissenschaftler Wolfgang Tietze ein Gütesiegel für Kindergärten. In der ZEIT weist der Pädagoge auf gravierende Qualitätsunterschiede zwischen den Einrichtungen hin. Bei Kindern, die er untersucht hat, gebe es „je nach Qualität der Kita Entwicklungsunterschiede von bis zu einem Jahr, und zwar unabhängig von der sozialen Herkunft des Kindes“. Selbst in der zweiten Grundschulklasse ließen sich Effekte einer guten Kita noch nachweisen. „Die Kinder“, so Tietze, „haben einen größeren Sprachschatz, zeigen bessere Leistungen und ein positiveres Sozialverhalten.“

Eine Studie Tietzes hat 1998 ergeben, dass nur rund 30 Prozent der Kindergärten gute Qualität aufweisen. „Es gibt keine Anzeichen dafür“, sagt Tietze, „dass sich daran seitdem etwas geändert hat.“

Dass es keine regelmäßige Qualitätskontrolle gebe, nennt der Pädagoge „einen Skandal“. Waschmaschinen, Schneeketten und Schönheitscremes würden regelmäßig getestet, nicht aber die Kindergärten.

Wolfgang Tietze lehrt an der Freien Universität Berlin Erziehungswissenschaften und gilt als einer der führenden deutschen Kindergartenexperten. Er ist Mitautor des 12. Kinder- und Jugendberichts der Bundesregierung.

Quelle: ots-Originaltext vom 1.2.2006

 

 

Man stelle sich eine ähnliche gesellschaftliche Sensibilität und Offenheit bezüglich der Tätigkeit von Gutachtern vor, wir hätten wahrscheinlich jährlich bundesweit einige hundert Strafanzeigen gegen Gutachter. Doch soweit soll es, wenn es allein nach dem Willen von Richterin Partikel vom Amtsgericht Charlottenburg ginge, wohl möglichst nicht kommen. Zum Glück liegt der Mittelpunkt Deutschlands nicht in Charlottenburg und so kann man guter Hoffnung sein. 

 

"Bei allen berechtigten Zweifeln daran, ob der Bundesrichter-Wahlausschuss optimal besetzt ist, stimme ich Arndt im Ansatz zu; insbesondere unterstütze ich nachhaltig die Forderung nach größerer Offenheit, weil nach aller Erfahrung Öffentlichkeit der größte und wirksamste Feind, jeglicher unzulässigen Ausübung von Staatsgewalt ist."

Dr. Bernd Brunn, Richter am Bundesverwaltungsgericht in: "Betrifft: JUSTIZ", Nr. 81, März 2005, S. 33

 

Gütesiegel für Gutachter gibt es in Deutschland leider keine. Jeder, der mal aus irgend einem Grund als Gutachter von einem Familienrichter bestellt wurde, darf so schlecht sein, wie es ihm der ernennende Familienrichter zugesteht. Wenn es ihm erlaubt wird - und das ist häufiger als man denkt - fabriziert der Gutachter im Verlauf seiner Karriere einige Hundert Gutachten, die das Papier nicht wert sind, aus denen sie bestehen.

Die Einrichtung von unabhängigen Beschwerdestellen zur Arbeit von Gutachern steht sicher auf der politischen Tagesordnung. Die nötige Qualitätssicherung allein den aufsichtsführenden Richter überlassen zu wollen genügt nicht, wie die Erfahrung zeigt. Hinzu kommt, dass der einzelne Richter zwar durchaus zu der Auffassung kommen kann, dass der betreffende Gutachter keine gute Arbeit leistet, die kann dann dazu führen, dass der Gutachter einfach das Gericht wechselt, an dem er sich um Beauftragungen bemüht. Eine zentrale unabhängige Beschwerdestelle würde dies früher oder später zur Kenntnis gelangen , da auch nach einem Umzug eines Gutachters über diesen über kurz oder lang neue Beschwerden an die Beschwerdestelle gerichtet würden.

 

Die Zeit ist reif für einen grundlegenden Wechsel im Selbstverständnis der Tätigkeit von Gutachtern. Obrigkeitsstaatliches selektionsorientiertes Denken und Handeln hat in einem Land, dass sich der Unantastbarkeit der Würde des Menschen  und der Unverletzlichkeit der Menschenrechte (Artikel 1 Grundgesetz) verschrieben hat, keine Zukunft. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Man muss dem ehemals klagenden Diplompsychologen W.-P. großen Dank aussprechen, dass er mit seiner Klage wegen angeblicher Verletzung seines Urheberrechtes durch Peter Thiel, den Inhaber dieser Internetseite, unbeabsichtigt den Stein für die längst überfällige öffentlich geführte Diskussion, mit anschließender Veränderung bisheriger überkommender 50er Jahre Verhältnisse, ins Rollen  gebracht hat. Wer den Wind sät, erntet den Sturm. Wir stehen am Scheideweg. Zurück in die miefigen 50er Jahre mit ihrer Unterordnung der Bürgerinnen und Bürger unter die Herrschaft bürgerferner Eliten und Priesterkasten oder Meinungsfreiheit, Wissenschaftsfreiheit, Informationsfreiheit und Sicherung und Fortentwicklung des demokratischen Rechtsstaates im Informationszeitalter des dritten Jahrtausend? 

 

 

 

 

 

 

Exkurs zur Informationsfreiheit

 

 

Apostel Paulus:

Auch ihr wart einst im Dunkeln, aber jetzt seit ihr im Licht, weil ihr mit dem Herrn verbunden seid. Lebt nun auch als Menschen, die im Licht stehen! Aus dem Licht erwächst als Frucht jede Art von Güte, Rechtschaffenheit und Treue. Fragt immer, was dem Herrn gefällt. Beteiligt euch nicht an dem finsteren Treiben, das nur verdorbene Frucht hervorbringt. Im Gegenteil, deckt es auf. Man muß sich schämen, auch nur zu nennen, was manche heimlich tun. Wenn es aber vom Licht der Wahrheit aufgedeckt wird, kommt es ans Licht. Was aber ans Licht kommt, wird selbst Licht. ... 

Der Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Ephesus, Epheser 5, 8

 

 

 

"Wer heute die Lüge und Unwissenheit bekämpfen und die Wahrheit schreiben will, hat zumindest fünf Schwierigkeiten zu überwinden. Er muß den Mut haben, die Wahrheit zu schreiben, obwohl sie allenthalben unterdrückt wird; die Klugheit, sie zu erkennen, obwohl sie allenthalben verhüllt wird; die Kunst, sie handhabbar zu machen als eine Waffe; das Urteil, jene auszuwählen, in deren Händen sie wirksam wird, die List, sie unter jenen zu verbreiten."

Bertolt Brecht, Dezember 1934; in: "Schriften zum Theater. Über eine nicht-aristotelische Dramatik", Werke, Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe, Band 24, Suhrkampverlag, Frankfurt am Main, 1991

 

 

 

Man mag es kaum glauben, aber offenbar hat schon lange vor Bertolt Brecht auch der Apostel Paulus für die Informationsfreiheit gekämpft. Viel genutzt hat es aber bis heute nicht, sonst müssten wir nicht nach zwei Jahrtausenden immer noch über das Thema der Informationsfreiheit diskutieren und uns gegen Versuche wehren, die Informationsfreiheit zum Nutzen der "Schattenwirtschaft" zu stutzen. 

 

 

„Keiner schämt sich wegen der Zustände“

Nach dem jüngsten Prüfbericht über die Qualität von Pflegeheimen herrscht Aufregung. Herr Fussek, ist das eine Chance, dass sich etwas verbessert?

Solange die Lebensbedingungen eines Eisbären diese Gesellschaft stärker bewegen als die Zustände in den Pflegeheimen, wird sich wenig ändern. Dabei lesen sich die Prüfberichte wie Beschreibungen aus Flüchtlingslagern. Es fehlt an Dingen, die in jedem Kindergarten und selbst in jedem Tierpark selbstverständlich sind: die Versorgung mit Nahrung und Getränken, die Möglichkeit, an die frische Luft zu kommen. Aber wo ist die öffentliche Empörung? Von den Kirchen oder Amnesty International, die sich zu Recht über das Elend in der Dritten Welt aufregen, habe ich nichts gehört. Niemand empört sich, niemand schämt sich.

Die Regierung verspricht nun mehr unangemeldete Kontrollen …

Dass unangemeldete Kontrollen, und zwar Tag und Nacht, nicht längst selbstverständlich sind, ist eine sozialpolitische Bankrotterklärung. Bei Doping oder Gammelfleisch würde sich auch keiner mit angemeldeter Kontrolle begnügen.

Die Möglichkeit zu unangemeldeten Kontrollen gibt es auch jetzt schon. Warum sind sie so selten erfolgt?

Viele beim Medizinischen Dienst sind doch froh, dass sie angemeldet kommen dürfen. Da ist das Schlimmste schon beseitigt. Die Kontrolleure haben ja ein Riesenproblem: Sie können größere Heime nicht schließen, weil keiner weiß, wohin mit den Bewohnern. Wenn jeder in der Pflege seiner Verantwortung nachkäme, könnte es diesen Wahnsinn nicht geben. Die besten Kontrolleure wären kritische Pflegekräfte, Ärzte, Betreuer, Angehörige. Auch Rettungssanitäter und Klinikmitarbeiter. Die Missstände kennen doch alle.

Offenbar schützen vor Missständen weder hohe Pflegesätze noch Zertifizierungen. Worauf sollten Angehörige achten?

Ein schlechtes Heim erkennen Sie unter anderem daran, dass man Ihnen einen Hochglanzprospekt in die Hand drückt und strahlend erklärt, dass es hier nur zufriedene Bewohner gibt. Ein Heim ohne Mängel kann es aber nicht geben. Die Frage ist, wie die Leitung damit umgeht. Man setzt sich zum Beispiel mit deren Biografie auseinander. Und es gibt dort auch nicht diese unnatürlich hohe Zufriedenheit. Die Menschen leben ja nicht freiwillig im Heim. Wenn alte Frauen nicht übers Essen schimpfen, stimmt doch was nicht.

Was fehlt Ihnen denn an der Pflegereform?

Das ist keine Reform, das ist ein Reförmchen. Mir fehlt der Paradigmenwechsel. Kranken- und Pflegeversicherung müssten endlich zusammengelegt werden. Es ist absurd, dass wir uns den volkswirtschaftlichen Irrsinn leisten, auf Prävention und Rehabilitation zu verzichten. Heime werden finanziell bestraft, wenn sie alte Menschen dank guter Pflege wieder dazu bringen, selbstständig zu essen. Und für Kliniken sind Oberschenkelhalsbrüche und Druckgeschwüre wichtige Wirtschaftsfaktoren. Solange es so viele Funktionäre gibt, die am Elend in den Heimen verdienen, wird sich nichts ändern.

Claus Fussek ist Deutschlands bekanntester Pflegekritiker. Mit ihm sprach Rainer Woratschka.

05.09.2007

http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Fragen-des-Tages;art693,2373069

 

 

 

Die Informationsfreiheit ist kein Selbstzweck oder voyeuristische Krücke, sondern unmittelbare Notwendigkeit praktizierter und tatsächlicher Demokratie. Sie dient letztlich auch der Sicherung des Rechtsstaates, wer so naiv ist zu glauben, der Rechtsstaat passe schon auf sich selber auf, schließlich gäbe es ja Gerichte, der ist ein armer Narr und sei an das traurige Ende der Weimarer Republik erinnert, das den Vorbeginn des sechs Jahre später beginnenden Völkermordes markierte.

 

Zum Glück gibt es viele Menschen, die sich nicht auf den vermeintlich von allein funktionierenden Rechtsstaat und die oft unter Wahrnehmungsstörungen leidende Justiz verlassen, sondern selbst engagiert und mit Sachkompetenz auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Normen achten.

 

 

Wächterpreis

 

"Wächterpreis der Tagespresse":

"Couragierte Reporter" auszeichnen, die in "Wahrnehmung von staatsbürgerlichen Rechten",

"den Kampf um eine saubere Verwaltung aufnehmen",

"Übergriffe der Bürokratie oder anderer Machtgruppen"

recherchieren und darüber berichten und dabei

ohne Rücksicht auf Namen und bestehende Verhältnisse

Missstände schonungslos aufdecken,

dies ist das Ziel des "Wächterpreis der Tagespresse". So hat es die Stiftung, die die Preise vergibt, formuliert.

Missstände und Probleme gibt es überall. Oft weiten sie sich zu Affären und handfesten Skandalen aus. Und manchmal werden Lehren daraus gezogen, Missstände abgestellt, Gesetze verändert oder sonstige Konsequenzen gezogen.

Die Medien haben - neben ihrem Job der Nachrichtenvermittlung - auch die Aufgabe, den Finger in solche Wunden zu legen. Man nennt dies öffentliche Aufgabe der Medien. Oder auch Watch-Dog (Wachhund)-Funktion.

Die Website will diese für eine funktionierende Demokratie wichtige Aufgabenteilung bekannter und transparenter machen. Sie richtet sich an alle, die Zeitungen und Zeitschriften lesen oder das Zeitgeschehen im Fernsehen verfolgen. Sie ist aber auch für die Medien selbst gedacht sowie für die Forschung und die Wissenschaft, die untersuchen, wie die Medien und die öffentliche Kommunikation funktionieren.

 

Deshalb werden ab 2004 die mit dem Wächterpreis ausgezeichneten Geschichten und Berichte vollständig dokumentiert und mit weiteren Informationen präsentiert.

Sie können daher auf dieser Website erfahren, wie die Geschichten letztlich weitergehen, welche Reaktionen sie auslösen und wie sie entstanden sind.

Der "Watch-Dog" - Preis wird nur für Berichte vergeben, die in Tageszeitungen zu lesen waren bzw. von Tageszeitungsjournalisten aufgedeckt wurden. Viele solcher Themen sind aber oftmals Ergebnis unterschiedlicher Kooperationen oder Arbeitsteilungen auch im Bereich der Medien selbst, beispielsweise wenn eine Zeitung und das Fernsehen mehr oder weniger gleichzeitig eine Geschichte enthüllen. In solchen Fällen werden wir auch dies dokumentieren, wie solche "Geschichten" zum öffentlichen "Thema" werden.

Da Berichte in den Medien durch Informationen und Informanten zustande kommen, können die Medien immer nur so gut, d.h. immer nur so aktuell und brisant sein wie die Informationen und Informanten selber. Aus diesem Grund wollen wir bereits an dieser Stelle auf die Unterseite INFORMANTENINFO (orange) aufmerksam machen, die so genannten Informanten (Whistleblowern) konkrete Hinweise und Tipps liefert: www.informanteninfo.de.

Die sechs Bilder deuten es an:

Pressefreiheit, die bei uns im Artikel 5 des Grundgesetzes verankert ist und sich außerdem über Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention definiert, garantiert den freien Informationsaustausch zwischen allen Bürgern und der Presse und über die Grenzen hinweg

 

Nachrichten oder geheim gehaltene Informationen, die alle interessieren, publik zu machen, darum geht es ganz konkret.

 

Die Arbeitsweise: Gründlich hinzuschauen, kritische Fragen zu stellen, Informationsbarrieren überwinden

 

Tageszeitungen müssen, bevor man sie lesen kann, erst gedruckt und ausgetragen werden. So schnell wie das Fernsehen können sie nicht sein. Dafür bringen Sie mehr Hintergrund und Lokales als im TV.

 

Wenn Probleme, Missstände oder Affären bekannt werden, beginnt die öffentliche Diskussion.

 

Am Ende dieses Diskussionsprozesses stehen Reaktionen: Die Justiz, der Gesetzgeber oder die Betroffenen sorgen für Veränderungen - im besten Fall für nachhaltige Verbesserungen.

 

 

Der "Wächterpreis der Tagespresse" wird von der Stiftung "Freiheit der Presse" ausgelobt. Dazu gibt es Informationen unter "Wächterpreis" oben auf de linken Navigationsleiste. Wer diese Website betreibt, die in Absprache mit der Stiftung entstand, können Sie ganz oben unter "über die website" nachlesen.

...

Der Auftritt von waechterpreis.de ist eine eigenständige Webseite. Inhaltlich ist diese Interneseite seit 2005 Bestandteil des Dokumentationszentrums Couragierte Recherchen und Reportagen, das weitere Angebote dieser Art bereit hält. Sie können das Dokzentrum auch direkt unter www.ansTageslicht.de ansteuern.

 

 

 

Wächterpreisträger 2007:

Der jährlich ausgeschriebene Wächterpreis der Tagespresse 2007 wurde am 6. März 2007 in Bad Vilbel den folgenden Journalisten zuerkannt:

Der 1. Preis (12.000 Euro) geht an Marion GIRKE und Christian DENSO, Reporter des Hamburger Abendblatt.

Nach Auffassung der Jury haben sie mit ihrer eingereichten Arbeit ein Lehrbeispiel für engagierten Journalismus und erstklassige Recherche abgeliefert. Die beiden Journalisten haben den Fall einer alten Dame aus der Nähe Pinnebergs/Schleswig-Holstein öffentlich gemacht, die auf Antrag einer Behörde unter rechtliche Betreuung („entmündigt“) gestellt worden war. Die beiden vom Gericht bestimmten Betreuer verkauften deren Haus und das 7.500 qm große und wertvolle Grundstück an die Gemeinde zu einem niedrigen Preis. Gegen alle rechtlichen und tatsächlichen Widerstände ermittelten die Reporter den Sachverhalt und machten zugleich deutlich, dass hinter diesem Einzelfall eine ganz andere Dimension von Missständen im Betreuungswesen existiert. Die überregionale Presse, verschiedene Fernsehsender, der Kieler Landtag und die Hamburgische Bürgerschaft nahmen sich des Themas an. In der Folge führte dieser Skandal zu einer breiten Diskussion über das Betreuungsrecht insgesamt.

Den 2. Preis (8.000 Euro) teilen sich zwei Redakteure der Süddeutschen Zeitung: Hans LEYENDECKER und Nicolas RICHTER, die den Fall des von der CIA entführten Deutsch-Libanesen Khaled el-Masri und das zögerliche Verhalten der Bundesregierung in dieser Angelegenheit zum öffentlichen Thema gemacht zu haben.

Beide haben mit ihren Berichten und Analysen die Rolle deutscher und ausländischer Behörden im Kampf gegen den Terrorismus beleuchtet. Die Berichterstattung trug dazu bei, dass im Bundestag der Untersuchungsausschuss zur Arbeit der Geheimdienste eingesetzt wurde.

Den 3. Preis (6.000 Euro) erhält Ekkehard RÜGER, Redakteur der Burscheider (NRW) Lokalausgabe der Westdeutschen Zeitung.

Er recherchierte und berichtete über den geplanten Besuch des Aufsichtsrats und der Gesellschafterversammlung der Burscheider Stadtwerke auf einer norwegischen Förderplattform. Die Reise der 17-köpfigen Gruppe sollte von großen zwei Energiekonzernen finanziert werden. Im Laufe der Berichterstattung zeigte sich, dass der Vorfall kein Einzelfall war, so dass sich eine Debatte über das Problem der Grenzen von Korruption entwickelte.

Die Preise werden den Journalisten am 15. Mai 2007 um 17.00 Uhr im Kaisersaal des Römer (Rathaus) in Frankfurt überreicht. Zu diesem Zeitpunkt werden auch die mit dem aktuellen Wächterpreis ausgezeichneten Berichte und die Geschichten hinter diesen Geschichten auf dieser Website online gehen.

...

http://www.waechterpreis.de/

 

 

 

Quis custodiet custodes ipsos - Wer bewacht die Wächter? Diese Frage kann man nur damit beantworten, dass es nur die Menschen sein können, die den gewählten oder nichtgewählten Funktionsträgern auf die Finger und den Mund schauen. Doch ohne Informationsfreiheit ist das ein schwieriges Unterfangen, deswegen hatten die Mächtigen aller Zeiten schon immer ein Interesse daran, sich nicht in die Karten gucken zu lassen. Die DDR krankte bekanntlich an der sehr eingeschränkten Informationsfreiheit und ist schließlich auch daran zugrunde gegangen. Aber auch die Bundesrepublik Deutschland konnte man bis 1989 nicht gerade als ein Musterland der Informationsfreiheit bezeichnen. Insbesondere die Behörden schirmten sich so gut es eben ging, gegen all zu neugierige Mitbürger/innen ab. Ein gewisser Umschwung setzte erst mit der Jahrtausendwende ein, als die ersten Informationsfreiheitsgesetze in Kraft gesetzt wurden. Warum das trotz geltenden Grundgesetz so lange dauert, kann man nur mit dem langjährigen Widerstand der herrschenden Eliten erklären.

 

 

Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland

Artikel 5 (Meinungsfreiheit)

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

 

 

Wer nun erfreut denkt, in Deutschland wäre Meinungs- und Informationsfreiheit grundgesetzlich zugesichert, sieht sich gleich eines besseren belehrt, wenn er Artikel 5 Satz 2 liest:

 

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

 

Na bitte, wer hat es denn gesagt, durch dieses vortreffliche Einfallstor von Satz 2, relativiert sich Satz 1 zugleich und mit ein bisschen Rechtsrabulistik lässt sich die Sache von geübten und willigen Richtern an Amts- oder Landgerichten schließlich zu Gunsten auf Geheimhaltung ihrer Arbeit erpichter Gutachter so auslegen, dass Satz 1 zu guter Letzt nur noch Makulatur ist. Es lebe der Rechtsstaat. 

Man kann sich da durchaus an die Zeiten in der DDR erinnern, allerdings kam man dort bei zuviel Renitenz etwas schneller als heute ins Gefängnis. So z.B. Elke Wirth, weil Sie SED-Funktionäre mit beißendem Spott überzog. 

 

vergleiche hierzu:

B. Bohley / Gr. Praschel / R. Rosenthal (Hrg.): "Mut, Frauen in der DDR"; Herbig Verlag München, 2005).

 

 

Spott und Satire ist etwas, das die vermeintlich Mächtigen überhaupt nicht mögen, denn der Spott trifft sie an ihrer empfindlichen Stelle, ihrer Hybris, ihrem Überlegenheitswahn und ihrem parallel laufenden latenten Kleinheitsgefühl.

 

 

 

Sprich mit mir

Patienten wollen besser informiert sein. Sie fordern: Kliniken sollen ihre Ergebnisse offen legen

Ein Sprachcomputer, programmiert für Gespräche mit Patienten zur Entlastung des Arztes, hat sogar Small Talk in seiner Software. Kann er eine Frage nicht beantworten, dann sagt er: „Lassen Sie uns von etwas anderem reden!“ Die Anekdote löste letztes Wochenende beim 11. Kongress „Armut und Gesundheit“ in Berlin nicht nur Gelächter aus. Eine Teilnehmerin: „Ein Arzt hätte das nicht gesagt. Der hätte den Patienten mit einem Rezept hinauskomplimentiert.“

Arm dran sind alle, die sich als Kranke einen Pfad durch den Dschungel des Gesundheitswesens bahnen wollen; besonders diejenigen, die arm an Gütern und an Bildung, aber von Krankheit betroffen sind. Deshalb ging es bei der Tagung auch um die Frage, welche Informationen und Beratung Patienten brauchen, um über ihre Gesundheit mitentscheiden zu können.

Künftig wird der Patient nicht mehr passiver Empfänger von Behandlungen bleiben können, sondern aktiv an seiner Gesundung mitwirken müssen, sagte der Bielefelder Gesundheitswissenschaftler Bernhard Badura und nannte auch Gründe: Die Angebote der Medizin werden immer komplexer und damit die Wahlmöglichkeiten größer. Zugleich steigt das Bildungsniveau, die Patienten werden kritischer. Mit zunehmender Lebenserwartung wächst die Zahl chronisch Kranker. Sie wollen über Behandlungsmöglichkeiten informiert und zum Umgang mit ihrem Leiden befähigt werden.

Die Beteiligung der Patienten als Element der „Gesundheitsreform“ fehle bisher fast völlig, wie Badura bemängelte. Wenigstens beginnt man, die Patienten nach der Bewertung des Klinikaufenthalts zu fragen. Meist sei dies aber nur ein Werbemittel, hieß es auf dem Kongress. Denn ob die medizinische Versorgung angemessen ist, ob zu viel, zu wenig oder das Richtige getan wird, sei für die Patienten heute kaum zu beurteilen.

Alle Umfragen ergeben übereinstimmend: Patienten wollen mehr Informationen und persönliche Beratung, am liebsten durch den Arzt, was besonders für die sozial Benachteiligten gilt. Broschüren, Artikel, Merkblätter, das Internet oder die noch immer als zu lang und unverständlich bewerteten Beilagen der Arzneimittelpackungen können das Gespräch mit der Möglichkeit zur Nachfrage nur ergänzen. Kassenpatienten fühlen sich vor allem durch Angebote selbst zu zahlender „Individueller Gesundheitsleistungen“ verunsichert und sehen dadurch das Vertrauensverhältnis zum Arzt belastet. Das zeigte eine Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK.

Ärzte – aber auch Kassen – haben auch ökonomische Interessen. In Hamburg hätten Krankenkassen ihre Mitglieder aufgefordert, in die billigsten Krankenhäuser zu gehen statt in die jeweils am besten geeigneten, berichtete Christoph Kranich, Verbraucherzentrale Hamburg. Er hoffe, dass immer mehr Kliniken in den jetzt obligatorischen Qualitätsberichten nicht nur mitteilten, wie gut sie ausgestattet und wie qualifiziert ihre Mitarbeiter seien. Vielmehr sollten sie – was noch freiwillig ist – auch ihre Ergebnisse offen legen. Einige tun dies schon.

Seit der Gesundheitsreform 2000 werden im Modellversuch unabhängige Institutionen zur Verbraucher- und Patientenberatung gefördert. Und das durchaus mit Erfolg, wie die wissenschaftliche Begleitforschung zeigt. Die Beratungsqualität wurde auch durch Wissenschaftler der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) in der Rolle Ratsuchender getestet. Wie Marie-Luise Dierks (MHH) mitteilte, sei in den Gesprächen die Autonomie der Anfragenden unterstützt und Entscheidungshilfe gegeben worden.

Viele Ratsuchende suchen nur Hinweise auf die richtige Praxis oder Klinik. Andere, vor allem chronisch Kranke, wollen auf hieb- und stichfeste Studien gestütztes („evidenzbasiertes“) medizinisches Detailwissen. Auch für sie gibt es schon gute Informationsmöglichkeiten, wie dieser Kongress zeigte. Interessierte Laien können sich sogar im Auffinden, Lesen und Beurteilen wissenschaftlicher Studien schulen lassen.

Besonders aktiv ist hierbei eine Einrichtung der Ärzteschaft: das „Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin“. Eine erste Anlaufstelle ist der Online-Wegweiser zu Berliner Beratungsangeboten, getragen von der Landesarbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung „Gesundheit Berlin“ (Telefon 4431 9066).

Rosemarie Stein

Infos im Internet:

www.patienteninfo-berlin.de

 

"Der Tagesspiegel", 22.11.2005

http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/22.11.2005/2190120.asp

 

 

 

Der hier vorgestellte Aufsatz zum Thema "Gutachten im familiengerichtlichen Verfahren" steht nicht nur auf Grund der Freiheit der Wissenschaft unter verfassungsrechtlichen Schutz, sondern darüber hinaus auch aus Gründen der verfassungsrechtlich geschützten Informations- und Meinungsfreiheit. 

 

"Medien sind gleichermaßen Plattform und Katalysator für die Information des Einzelnen und den öffentlichen Meinungsbildungsprozess. Ihre Aufgabe ist das Herstellen von Öffentlichkeit, d.h. das Schaffen von Öffentlicher Information, öffentlicher Kontrolle und öffentlichem Dialog. so entsteht ein Forum, das es ermöglicht, sich über Angelegenheiten zu informieren, beteiligte Interessen und Standpunkte zu erfahren und ggf. selbst Stellung zu nehmen."

Axel Beater: "Informationsinteressen der Allgemeinheit und öffentlicher Meinungsbildungsprozess. Inhaltliche und prozedurale Kriterien aus zivilrechtlicher Sicht.", In: "Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht", 8/9/2005, S. 602

 

 

Die Informationsfreiheit ist auch ein Mittel, um Übergriffe und Machtmissbrauch in der psychosozialen Arbeit - ein Arbeitsfeld, dem sich diese Internetseite widmet - zu verhindern oder wenigstens zu begrenzen. Dies ist so mancher vermeintlichen Fachkraft gar nicht lieb und auch am Amtsgericht Charlottenburg scheint man von Informationsfreiheit nicht viel zu halten. 

Die hier erfolgten Darlegungen zum Thema "Gutachten im familiengerichtlichen Verfahren"  verfolgen auch unmittelbar den Zweck das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf Information durchzusetzen. Von daher ist eine enge inhaltliche Nähe zu den in verschiedenen Bundesländern geltenden Informationsfreiheitsgesetzen gegeben. 

 

"Für die Demokratie ist Öffentlichkeit wiederum wichtig, denn Information und Kommunikation sind Voraussetzung zur Beteiligung am demokratischen Prozess. Informationen über das staatliche Handeln ermöglichen generell die Beobachtung behördlichen Handelns. Informationsrechte sind verfassungsrechtlich garantiert. ... Ein Recht auf Information lässt sich aber auf das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG stützen, das auch ein allgemeines Öffentlichkeitsprinzip einschließt. Auch das Rechtsstaatsprinzip des art. 20 Abs. 3 GG wird mit Blick auf ein rechtsstaatliches Verwaltungsverfahren zur Begründung herangezogen. Das Sozialstaatsprinzip soll dafür Sorge tragen, dass die menschliche Personalität erhalten bleibt."

Alexander Erdelt: "Informationszugang und das Recht auf Information"; In: ""Datenschutz und Datensicherheit", 8/2003, S. 465-470 

 

 

 

Am 01.01.2006 ist das noch von der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung geplante Informationsfreiheitsgesetz in Kraft getreten.

 

PRESSEMITTEILUNG

NR. 1286 der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

Datum: 30. Dezember 2005

Fragen Sie! Das Informationsfreiheitsgesetz tritt in Kraft

Zum In-Kraft-Treten des von Rot-Grün verabschiedeten Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) zum 01.01.2006 erklärt Silke Stokar, innenpolitische Sprecherin:

Mit dem Informationsfreiheitsgesetz hat jeder Bürger und jede Bürgerin gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Das bisher gültige Aktengeheimnis wird aufgehoben. Formlos und ohne Begründung können die Bürger Auskunft verlangen, die Behörde muss begründen, wenn sie im Ausnahmefall die gewünschte Information nicht freigeben will. In Streitfällen vermittelt der Bundesbeauftragte für Datenschutz, der mit dem IFG auch zum Beauftragten für Informationsfreiheit wird.

Informationsfreiheit ist die Grundlage für ein offenes Verhältnis zwischen modernem Staat und mündigen Bürger. Sie sorgt für mehr Transparenz und stärkt die Zivilgesellschaft. Von der Großen Koalition erwarten wir jetzt bürgerfreundliche Verordnungen zur Umsetzung des IFG.

Die Debatte über eine moderne, bürgerfreundliche Informationsfreiheit ist mit dem IFG nicht beendet. Das IFG in seiner jetzigen Form ist ein Einstiegsgesetz, dass nach dem Sammeln von praktischen Erfahrungen weiter entwickelt werden muss. Länder und Kommunen sind jetzt aufgefordert, ihre Widerstände gegen mehr Transparenz aufzugeben und dort, wo bislang noch das Amtsgeheimnis vorherrscht, Regelungen für Informationsfreiheit zu schaffen.

Eine moderne Verwaltung wird künftig freiwillig mehr Informationen im Internet veröffentlichen. Der Zugang zu Originaldokumenten der öffentlichen Verwaltung wird genauso selbstverständlich werden, wie es heute schon der Zugang zu Formularen ist. Internetwege in die Amtsstuben können nicht nur offen sein, wenn die Mitwirkung des Bürgers gefordert ist. Auf den Internetseiten der Behörden sind Aktenpläne und Register über Informationsbestände anzulegen, damit der interessierte Bürger, aber auch Unternehmen, Verbände und Journalisten per Mausklick Zugang zum Wissen und Handeln der öffentlichen Verwaltung erhalten.

http://www.gruene-bundestag.de/cms/presse/dok/95/95378.fragen_sie_das_informationsfreiheitsgese.htm

 

 

 

 

Das Informationsfreiheitsgesetz ist ganz allgemein, aber auch für die Frage einer öffentlich zugänglichen Diskussion der Arbeit von familiengerichtlich tätigen Gutachtern zu begrüßen. Es kann nicht sein, dass für Gutachter andere Regeln gelten als in sonstigen Bereichen des Lebens oder das in Deutschland in Teilbereichen des gesellschaftlichen Lebens Zustände herrschen können, wie sie in der DDR vor 1989 geherrscht haben, wo eine kleine Priesterkaste darüber bestimmte, welche Informationen die Bevölkerung erhalten sollte und welche nicht. 

 

"Keine Angst vor Transparenz! Kläger wie Beklagter und insbesondere der medizinische Sachverständige sollten wissen, warum eine Beweisfrage gerade so formuliert worden ist und was das Gericht mit der Fragestellung bezweckt. Besondere Qualifikationen des Gutachters, deren Notwendigkeit und ggf. deren Fehlen sollten offen gelegt werden, ebenso wie die Unmöglichkeit der Beantwortung einer Beweisfrage. eine solche Vorgehensweise signalisiert kein mangelndes Fachwissen, sondern beschreibt die Ernsthaftigkeit der Auseinandersetzung mit der gestellten Aufgabe. Transparenz erhöht das Vertrauen in die beschriebenen Ergebnisse und führt damit zu einer höheren Akzeptanz in der Entscheidung des Gerichts."

Elling, Peter: "Medizinische Sachverständigengutachten in der sozialgerichtlichen Praxis - Qualitätssicherung bei Auftraggeber und Auftragnehmer", In: "Neue Zeitschrift für Sozialrecht", 3/2005, S. 125

 

 

Bekanntlich ist die DDR nicht zuletzt auch an der dort dominierenden Informationsunfreiheit und Geheimniskrämerei gescheitert. Auch der insgesamt beklagenswerte Zustand der Tätigkeit von familiengerichtlich tätigen Gutachtern dürfte der über Jahrzehnte ausgiebig gepflegten und von einzelnen Gutachtern aggressiv verteidigten Geheimniskrämerei zuzuschreiben sein. Dass dies auch derzeit noch ein gesellschaftlich relevantes Problem in der Bundesrepublik Deutschland ist, zeigen verschiedene Versuche bestimmter Gutachter  Informationsangebote und eine wissenschaftliche Auseinandersetzung, so wie sie z.B. hier zu finden sind, mit verschiedenen Mitteln, so z.B. mit der Berufung auf das Urheberrecht zu unterbinden. 

In anderen Bereichen, auch in der Wirtschaft, wird dagegen - trotz teils noch starker Widerstände - der Informationsfreiheit zunehmend der ihr zukommende Platz eingeräumt, wie die folgenden Beispiele zeigen. 

 

 

 

Es ist ein Akt der Notwehr

Der doppelte Hans-Peter Martin: EU-Abgeordneter und Journalist

 

Was sind Sie in diesen Tagen: Journalist, Buchautor, Aufdecker oder doch eher Politiker?

Noch nie habe ich mich so sehr als Volksvertretergefühl wie jetzt. Unser Wahlkampfslogan vor fünf Jahren lautete doch: `Aufdecken und verbessern´, jetzt bemühe ich mich, etwas gegen den skandalösen Spesenmissbrauch im Europäischen Parlament zu unternehmen. Da hilft die Erfahrung als langjähriger Buchautor und `Spiegel´-Redakteur, bei dem ich ja keineswegs rausgeflogen bin, wie es im Tagesspiegel zu lesen war. Jetzt will ich dazu beitragen, EU-Brüssel aufzuräumen, um der Demokratie zu helfen.

 

Ganz uneigennützig sind Sie dabei nicht. Sie werden doch sicherlich Ihre mediale Prüsenz die Sie in der ´Bild´-Zeitung oder in `Stern-TV` erlangt haben, benutzen, um ein Buch über den angeblichen EU-Spesen-Skandal zu schreiben.

Das ist noch nicht entschieden. Jetzt ist es wie in der 89. Minute eines wichtigen Fußballspiels. Noch kann sich das Europäische Parlament selbst läutern und die schlimmsten Auswüchse des Spesen-Irrsinns mit einfacher Mehrheit Ende April abschaffen. Ich arbeite am Aufbau der `Europäischen Transparenz-Initiative´ (www.eti.info) Es gibt keine Demokratie ohne Transparenz, und wir brauchen viel mehr Enthüllungen im Brüsseler Schattenreich. Jetzt kommen auch noch zehn weitere Staaten mit ihren jeweiligen Korruptionskulturen dazu. Ist da der Westen schon reif dafür? Und wenn wir versagen: Bekommen wir dann nicht bloß wenig hilfreiche `Vereinte Nationen von Europa` statt einer modernen, demokratisch durchlegitimierten EU?

 

Uns geht es weniger um Ihre Ziele als um Ihre Methoden. Hätten Sie als `Spiegel`-Journalist einen ähnlich dichten Report zustande gebracht wie als Politiker?

Grundsätzlich ja.

 

In Ihren tagebuchartigen Aufzeichnungen werden `Off-Records-Gespräche` mit Europaparlamentskollegen aufgenommen. Die Befragten, die nun als Spesenritter mit vollem Namen und wenig schmeichelhaften Zitaten in der Zeitung stehen, wussten nicht, dass ihre Aussagen publiziert werden. Würde ein Chefredakteur Hans-Peter Martin Derartiges abdrucken?

Chefredakteur wollte ich nie werden. Doch meine Abgeordneten-Kollegen wussten, wer ich bin und was ich früher gemacht habe. Seitdem ich im EP sitze, haben doch viele immer wieder behauptet, ich würde später etwas veröffentlichen. SPD-Gruppenleiter Martin Schulz spottete doch immer wieder, ich würde wohl etwas enthüllen, er sei da aber ganz gelassen. Die Öffentlichkeit und die Steuerzahler haben doch ein Recht zu erfahren, was im EP wirklich passiert.

 

Trotzdem: Ist dieser Zugang fair?

Es ist ein Akt der Notwehr, weil sich sonst die Trutzburg der Spesenritter nicht öffnen würde.

 

Stimmt der Vorwurf dass Sie bereits zu Beginn ihrer Politikerkarriere vorhatten, ein Buch über das Innenleben des Europäischen Parlaments zu schreiben?

Nein, ich wollte bis in den Sommer 2000 hinein nur ein ordentlicher Abgeordneter sein. Doch die österreichischen Sozialisten haben mich immer mehr ihrem Parteisoldaten-Druck ausgesetzt Meine Parlamentarier-Arbeit habe ich trotzdem ordentlich weitergemacht, aber auch beobachtet, was andere tun und nicht tun.

 

Dann stimmt es also, dass Ihre Recherchen eine Abrechnung mit der europäischen Sozialdemokratie sind? Schließlich wurden Sie 1999 von den Sozialdemokraten rasch ausgebootet.

Es geht ums genaue Hinschauen, die Sozialdemokraten haben 1999 mich als parteifreien Spitzenkandidaten geholt und die Wahlen gewonnen, dann aber gleich die Wähler betrogen. Nicht, wie von den Wählern erwartet, wurde ich Delegationsleiter der österreichischen Gruppe, sondern man wollte aus mir einen biederen Parteiapparatschik machen. Jedes Kompromissangebot meinerseits wurde genutzt, mich auszubooten. Als ich für Transparenz eintrat, war das leider für viele Sozialisten — inzwischen nenne ich sie bewusst so — ein vergessenes Lippenbekenntnis. Dabei sollten echte soziale Demokraten doch für Offenheit eintreten, selbst wenn es um eigene Privilegien geht Eine Parteikarriere hat mich aber nie interessiert, so wollte ich, anders als in den Medien dargestellt, auch niemals stellvertretender Fraktionsvorsitzender werden.

 

Die ganze vergangene Woche lief eine `Bild`- Serie mit Ihren Enthüllungen, in `Stern-TV` waren sie ebenfalls. Wie geht es weiter?

Endlich gibt es ein breiteres Interesse für den offensichtlichen Spesenirrsinn in Brüssel. Selbstverständlich bin und bleibe ich ein Pro-europäer, doch die Missstände müssen beseitigt werden. Man darf sich dabei nicht mundtot machen lassen.

 

Interview in Tagesspiegel, 7.4.2004

www.tagesspiegel.de

 

 

 

 

„Von wegen Transparenz“ Chef des Steuerzahlerbunds kassiert gleich dreifach

(21.03.2005 )

Berlin - Wenn Karl Heinz Däke (62) öffentlich auftritt, dann wird angeklagt. Gnadenlos geißelt der Präsident des Bundes der Steuerzahler (BdSt) Verschwendung und Intransparenz des Staates. Mit erhobenem Zeigefinger prangert Däke Überversorgung an, fordert Sparsamkeit und Zurückhaltung – vor allem bei den Einkommen von Politikern und Beamten. Doch jetzt gerät der Mahner selber unter Druck. Der Grund: Ämterhäufung und Mehrfachgehälter. Däke hat gleichzeitig drei Präsidial- und Vorstandsposten, und alle sind hoch bezahlt.

Wenn die Zahlen in die Öffentlichkeit geraten, warnte ein Spitzenfunktionär, wären „die Folgen verheerend. Wir müssten mit einer nie dagewesenen Austrittswelle rechnen.“ Doch selbst Landeschefs hatten bislang Schwierigkeiten, an genaue Zahlen zu kommen. Von Tagungen, auf denen die Vorstandsgehälter beschlossen werden, schildern Teilnehmer peinliche Szenen. Beschlussvorlagen erhielten sie erst in der Sitzung. „Mehr als einige hastige Notizen“, so ein Insider, „konnte ich nie machen.“ Dann werde alles wieder einkassiert: „Von wegen Transparenz. Was dort geschieht, ist eher Verheimlichung.“

1998 behauptete Däke: „Ich verdiene soviel wie ein Bundestagsabgeordneter.“ Doch Mitte der 90er Jahre hatte er ein Einkommen, von dem Abgeordnete nur träumen konnten. Sie bezogen damals Diäten von rund 140 000 D-Mark (71 580 Euro) im Jahr. Däke erhielt fast doppelt soviel. Er kassierte auch als Chef des verbandseigenen Karl-Bräuer-Instituts und als Vorstand des NRW-Landesverbands – insgesamt rund 275 000 D-Mark (140 605 Euro). Die Relationen sind heute nicht viel anders. Ein Abgeordneter verdient etwa 84 000 Euro, Däke als BdST-Präsident etwa 88 000. Für seine anderen Jobs kommen 95 000 Euro hinzu. Gesamtsumme: rund 183 000 Euro – mehr als mancher Länderminister und fast dreimal soviel wie andere Verbandschefs. Und das ist nicht alles. Als Beirat der Hamburg-Mannheimer kassierte Däke allein 2003 rund 8000 Euro. Vorträge oder Reden lässt er sich honorieren. Das Geld behält er, nach Aussagen aus seinem Umfeld, zumindest teilweise für sich.

In den Landesverbänden wird der Ruf nach Veränderungen lauter. Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, fordert mehr Transparenz. Der Steuerzahlerbund solle die Maßstäbe, die er an andere anlege, „auch bei sich selbst gelten lassen“. Im Mai steht Däke zur Wiederwahl. Und längst fragen sich Kollegen, ob er angesichts seiner eigenen Bezüge bei brisanten Themen nicht zu befangen sei. Im Streit um die Mehrfachgehälter von Krankenkassen-Vorständen meldete sich Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) laut zu Wort und sprach von „schändlichem“ Verhalten. Däke dagegen, so ein interner Kritiker, habe „auffällig geschwiegen“.O. Jahn/M.D. Rose

http://www.tagesspiegel.de/politik/index.asp?gotos=http://archiv.tagesspiegel.de/toolbox-neu.php?ran=on&url=http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/21.03.2005/1714550.asp#art

 

 

 

 

 

Kleine und nicht behandelte Mündliche Anfragen im Abgeordnetenhaus von Berlin

Titel: Individualisierte Offenlegung von Vorstandsgehältern II

Abgeordneter: Dr. Klaus Lederer (PDS)

Link: http://www.parlament-berlin.de/adis/citat/VT/15/KlAnfr/k1512526.pdf

2005

 

 

 

 

PRESSEERKLÄRUNG

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Abgeordnetenhaus Berlin

Telefon: 030-2325 2450/51

www.gruene-fraktion-berlin.de

mailto:pressestelle@gruene-fraktion-berlin.de

 

Fr 16.09.2005

 

 

Endlich: Managergehälter werden öffentlich

Jochen Esser, finanzpolitischer Sprecher, erklärt:

Was für private Aktiengesellschaften gilt, muss für landeseigene Unternehmen schon lange gelten: Die Gehälter und Abfindungen von Managern müssen veröffentlicht werden, denn Aktionäre bzw. SteuerzahlerInnen haben das Recht zu erfahren, wie viel die Manager verdienen. Einem entsprechenden Gesetzesantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die rot-rote Koalition heute im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses nach langem Zögern zugestimmt. Schon morgen kann die Gesetzesänderung im Plenum des Abgeordnetenhauses endgültig beschlossen werden.

Das Gesetz zur individualisierten Offenlegung der Gehälter von Vorstandmitgliedern, das der Bundestag beschlossen hat, ist seit 1. August in Kraft. Die Bezüge jedes einzelnen Vorstandsmitglieds im Jahresabschluss müssen bis ins Detail publik gemacht werden - aufgeschlüsselt nach erfolgsabhängigen und -unabhängigen Bestandteilen. Zudem sollen auch die Abfindungen veröffentlicht werden, die im Fall eines Ausscheidens zugesagt wurden.

 

Der Senat hat sich bisher geweigert, entsprechende Regelungen für landeseigene Unternehmen einzuführen. Umso erfreulicher, dass die Fraktionen von SPD und PDS jetzt eingesehen haben, dass der Selbstdarstellung als Verfechter für mehr Transparenz bei den Landesunternehmen auch Taten folgen müssen. Denn nach den vielen Skandalen und Affären rund um die landeseigenen Unternehmen ist Transparenz das Gebot der Stunde.

 

 

 

 

 

Glasnost bei der Deutschen Bank

VON SEBASTIAN WOLFF

Was die Offenlegung der Bezüge des Vorstandschefs angeht, darf die Deutsche Bank eine gewisse Pionierrolle für sich beanspruchen: Als einer der ersten deutschen Konzernchefs überhaupt gab 2002 der damalige oberste Deutsch-

Banker Rolf Ernst Breuer öffentlich bekannt, was er im Vorjahr verdient hatte - nämlich rund acht Millionen Euro. Bis dahin war nur bekannt gewesen, wie hoch die Bezüge aller Vorstände gemeinsam lagen.

So offen sich die Deutsche Bank in der Frage der Vorstandsvergütung gibt, die Bezüge anderer Top-Manager des Geldhauses hütete der Branchenprimus bislang wie ein Staatsgeheimnis. Begründung: Man würde sonst der Konkurrenz etwas nreis geben, was die brennend interessiere. Denn Spitzenkräfte, vor allem Top-Investmentbanker seien hoch begehrt. Und wenn die Wettbewerber wüssten, wie viel sie bei der Deutschen Bank verdienen, sei die Gefahr der Abwerbung groß.

Doch nun haben sich die Aktionäre durchgesetzt. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat die Deutsche Bank dazu verdonnert, offen zu legen. wie hoch die Bezüge des erweiterten Führungskreises, des so genannten Group Executive Committee waren: Die sieben nicht dem Vorstand angehörenden Führungsmanager verdienten 2003 zusammen 34,8 Millionen Euro. Laut Börsenzeitung kamen noch Aktienrechte im Wert von 55 Millionen Euro dazu. Es ist verständlich, wenn die Aktionäre darüber informiert werden wollen, wenn solche gewaltigen Summen bezahlt werden. Denn nur so können sie nachvollziehen, ob die Top-Manager auch ihr Geld wert waren.

Berliner Zeitung, 10.03.2006

 

 

 

 

 

Therapieziel: der wissende Patient

Die Tagesspiegel-Klinikserie hat es vorgemacht, aber die Offenlegung von Qualitätsdaten im Medizinbetrieb bleibt umstritten

Wie viel Wahrheit ist gut für Patienten? Darf ein Kranker erfahren, wie hoch die Komplikationsquote in einem Krankenhaus ist? Und kann ein Patient mit solchen Angaben etwas anfangen? Seitdem im Mai der Klinikvergleich von Tagesspiegel und dem Verein „Gesundheitsstadt Berlin“ mit Daten zur Behandlungsqualität in den Krankenhäusern der Stadt erschienen ist, wird diese Diskussion in Berlin wieder heftiger geführt. Das öffentliche Interesse ist groß: Als am Donnerstag im Rahmen der „Berliner Wirtschaftsgespräche“ über das Thema „Reif für die Wahrheit? Medizinische Qualitätsdaten interpretieren“ diskutiert wurde, fanden sich rund 150 Interessierte ein.

„Jeder Patient hat ein Recht darauf zu wissen, was mit ihm geschieht“, sagte Gesundheitsstaatssekretär Hermann Schulte-Sasse. Dass Transparenz wichtig sei, darüber bestand bei allen Diskussionsteilnehmern Konsens. Nur die Art und Weise der Veröffentlichung solcher Daten blieb strittig. Karin Stötzner, die Berliner Patientenbeauftragte, forderte ein „umfassendes und aussagekräftiges“ Informationssystem für Kranke – mit einzelnen Qualitätsindikatoren, wie sie in der Tagesspiegel-Klinikserie zur Anwendung kamen; damit Patienten lernen, wonach sie fragen müssen. Der ärztliche Direktor der Charité, Ulrich Frei, warnte davor, Qualitätsergebnisse „grob zu vereinfachen“. Aus methodischen Gründen habe sich das Universitätsklinikum nicht an der ersten Edition der Klinikserie beteiligt. „Beim nächsten Mal sind wir dabei“, kündigte Frei an. Weil es nun methodische Verbesserungen gebe.

Heftig diskutiert wurde darüber, ob ein Patient die Ergebnisdarstellungen verstehen könne. Tagesspiegel-Redakteur Ingo Bach sagte, dass die Qualitätsdaten als Orientierung gedacht seien für das Gespräch des Patienten mit dem einweisenden Arzt – auch wenn bisher nur wenige Mediziner von den Ergebnissen der Serie Gebrauch machten, wie Dusan Tesic von der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin meinte. Was bleibt: „Die Region hat sich als Vorreiter bei der Ergebnistransparenz positioniert“, sagte der Geschäftsführer des Klinikkonzerns Vivantes, Holger Strehlau-Schwoll. Geschadet habe das den Krankenhäusern nicht - im Gegenteil. tja

Den Nachdruck des Klinikführers gibt es für 3 Euro, zu bestellen unter 26 009 582 oder unter www.tagesspiegel.de/shop.

Berliner Tagesspiegel, (26.08.2006)

http://www.tagesspiegel.de/berlin/archiv/26.08.2006/2735726.asp

 

 

 

 

Fragwürdige Konstruktion

Es geht um die Pressefreiheit: der Fall Cicero vor dem Verfassungsgericht

23.11.2006

Medien - Seite 38

Christian Bommarius

So oder so wird das Bundesverfassungsgericht in einigen Monaten ein Grundsatzurteil zur Pressefreiheit verkünden. Fällt es so aus, wie es Beobachter nach der gestrigen Verhandlung über die Verfassungsbeschwerde der Zeitschrift Cicero erwarteten, würde das immerhin das Siechtum des investigativen Journalismus in Deutschland ein wenig lindern. Anderenfalls würde sein Sterben nachhaltig beschleunigt. Denn um nichts Geringeres als um die Chancen und Risiken des investigativen Journalismus geht es in dem Cicero-Verfahren, genauer gesagt um die Frage, ob Staatsschutzinteressen tatsächlich die letzte und unübersteigbare Schranke der Pressefreiheit bilden.

Im April 2005 hatte Cicero einen Artikel seines freien Autors Bruno Schirra über den Terroristen Abu Mussab al-Sarkawi veröffentlicht, in dem aus einem als Verschlusssache eingestuften Bericht des Bundeskriminalamtes (BKA) ausführlich zitiert wurde. Auf Betreiben des BKA hatte daraufhin die Staatsanwaltschaft Potsdam im Herbst 2005 sowohl die Redaktionsräume als auch Schirras Wohnung durchsuchen und etliches Material beschlagnahmen lassen.

Beschwerde des Chefredakteurs

Das Amtsgericht Potsdam hatte die Aktion mit der Begründung gebilligt, Schirra habe vertrauliche Informationen veröffentlicht und damit Beihilfe zur Verletzung von Dienstgeheimnissen (353 b Strafgesetzbuch) begangen. Dagegen gerichtete Beschwerden hatte das Landgericht Potsdam verworfen. Ein Ermittlungsverfahren gegen den Cicero-Chefredakteur Wolfram Weimer war gegen Zahlung von 1 000 Euro eingestellt worden.

Über die von Weimer gegen die Razzia erhobene Verfassungsbeschwerde verhandelte gestern der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts. Weimers Prozessbevollmächtigter, der Berliner Strafverteidiger Professor Alexander Ignor, rügte eine schwerwiegende Verletzung des Grundrechts der Pressefreiheit. Die Verletzung bestehe in einer pressefeindlichen Auslegung des Beihilfe-Paragrafen durch die Gerichte, die sich dazu einer äußerst eigenwilligen, von der Wissenschaft ganz überwiegend abgelehnten Konstruktion bedienten.

Prinzipiell könne sich wegen Geheimnisverrat nur ein Geheimnisträger strafbar machen. Dessen Tat sei aber mit der Offenbarung an den Journalisten vollendet, Beihilfe durch anschließende Publikation also ausgeschlossen. Zum Vorwurf der Beihilfe durch den Journalisten gelangten die Gerichte nur durch die Behauptung, die Tat sei zwar vollendet, aber noch nicht beendet. Für die Beendigung sorge der Journalist durch die Veröffentlichung.

Diese Konstruktion der so genannten sukzessiven Beihilfe sei schon deshalb unzulässig, sagte Ignor, weil sie dem Willen des Gesetzgebers widerspreche. Der habe im Jahr 1979 eine Vorschrift des Strafgesetzbuchs (353 c StGB) aufgehoben, die die Veröffentlichung von Dienstgeheimnissen unter Strafe gestellt habe. Ziel sei es damals gewesen, die Straffreiheit von Journalisten zu sichern. Das werde durch die Rechtsprechung seit Jahr und Tag konterkariert.

Dem hielt Lutz Diwell, Staatssekretär im Bundesjustizministerium, entgegen, mit der damaligen Reform habe der Gesetzgeber lediglich einige "Missstände beseitigen", nicht aber die Strafbarkeit von Journalisten ausschließen wollen. Trotz des Grundrechts der Pressefreiheit sei ein "Journalistenprivileg" in der Rechtsordnung nicht vorgesehen. Die Bundesregierung arbeite zwar derzeit an einer umfassenden Reform, mit der der Schutz von Journalisten im Zeugnisverweigerungsrecht, vor Beschlagnahme, Abhören etc. verbessert werden solle. Nicht gewünscht und damit nicht geplant sei hingegen, Journalisten bei der Veröffentlichung von Dienstgeheimnissen straffrei zu stellen.

Der Informant, das scheue Reh

Mehrere Bundesverfassungsrichter gaben mit äußerst kritischen Fragen zu erkennen, dass sie die von der Rechtssprechung konstruierte "sukzessive Beihilfe" für nicht sehr überzeugend halten. Sie sei eine "denkbare, doch fragwürdige Konstruktion", sagte Verfassungsrichter Brun-Otto Bryde. Sollte der Erste Senat sie für verfassungswidrig erklären, wäre damit künftig nicht nur die Veröffentlichung von Dienstgeheimnissen durch Journalisten nicht mehr wegen Beihilfe strafbar. Damit entfielen in diesen Fällen zugleich die Voraussetzungen für Durchsuchungen und Beschlagnahmen in Redaktionsräumen und Privatwohnungen von Journalisten.

Für den Verein Netzwerk Recherche erinnerte der Journalist Hans Leyendecker (Süddeutsche Zeitung) in der gestrigen Verhandlung an die Bedeutung des Informantenschutzes. Auch im Fall Cicero sei es bei der Razzia insbesondere darum gegangen, den oder die Informanten des Journalisten aufzuspüren. Das sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unzulässig.

Ein Informant, sagte Leyendecker, sei ein "scheues Reh". Mit Aktionen wie im Fall Cicero würden Informanten nachhaltig verunsichert. Das gefährde und beeinträchtige die Arbeit vor allem der investigativen Journalisten.

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2006/1123/medien/0012/index.html?group=berliner-zeitung;sgroup=;day=today;suchen=1;keywords=fragw%C3%BCrdige%20konstruktion;search_in=archive;match=strict;author=Christian%20Bommarius;ressort=Medien;von=1.4.2006;bis=23.11.2006;mark=konstruktion

 

 

 

 

Gegen die Geheimniskrämerei

Zwei SPD-Abgeordnete beharren auf Recht auf Information und verklagen die Regierung

Sigrid Averesch

BERLIN. Nachdem im November 2006 der neue Reisepass mit biometrischen Merkmalen eingeführt wurde, wollte es der Bundestagsabgeordnete Johannes Jung (SPD) genau wissen. Vom Bundesinnenministerium verlangte er Einblick in den Millionenvertrag, den das Ministerium mit der privatisierten Bundesdruckerei abgeschlossen hat. Handhabe dafür bot das gerade eingeführte Informationsfreiheitsgesetz, durch das Bürger von den Bundesbehörden Einblick in Akten verlangen können. Doch Jung bekam eine Absage. Der Vertrag enthalte Geschäftsgeheimnisse, lautete die Begründung des Innenministeriums. Jung hätte zwar als Abgeordneter Einblick erhalten können, wäre aber dann zur Geheimhaltung verpflichtet gewesen. Darauf wollte er sich nicht einlassen. Gestern nun teilte Jung mit, er habe vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen die Geheimniskrämerei des Ministeriums Klage eingereicht.

Die mangelnde Transparenz der Ministerien beklagt auch Jungs Abgeordnetenkollege und Parteifreund Jörg Tauss. Er wollte auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes nach der Einführung der Lkw-Maut den Vertrag des Bundesverkehrsministeriums mit der Betreiberfirma Toll Collect einsehen. Auch er bekam das Argument Geschäftsgeheimnis zu hören. Tauss, einer der Initiatoren des rot-grünen Informationsfreiheitsgesetzes, zieht nun gegen das von seinem Genossen Wolfgang Tiefensee geführte Verkehrsministerium vor Gericht. Es reiße zunehmend ein, dass Ministerien in einer sehr flapsigen und oberflächlichen bis überhaupt nicht mehr verwertbaren Form auf Abgeordnetenfragen antworteten, kritisierte Tauss.

Auch der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix forderte, dass endlich ein Wandel in der "Denke" in deutschen Amtsstuben Einzug halten soll. Dort herrsche vielfach noch immer die Überzeugung, dass prinzipiell alles geheim gehalten werden müsse. Ein Termin für die Gerichtsverhandlung steht noch nicht fest. Von der Entscheidung der Gerichte aber wird abhängen, ob die Ministerien sich weiterhin pauschal gegen Einblicke wehren können und ob eine Gesetzesänderung nötig ist.

Berliner Zeitung, 11.08.2007

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/politik/676946.html

 

 

 

 

 

 

 

Einschränkung der Informationsfreiheit

Nicht nur in der DDR wurde Geheimhaltung großgeschrieben. Auch in der Bundesrepublik Deutschland gibt es Bereiche, die unter dem Deckel der Verschwiegenheit gehalten werden sollen. Angeblich alles wegen anderer wichtiger Rechtes, so etwa des Persönlichkeitsschutzes eines minderjährigen Kindes, von dem z.B. die Bundesjustizministerin Zypries behauptet, dies würde dadurch beeinträchtigt, wenn der rechtliche Vater einen alten Nuckel des Kindes an ein Labor zwecks Überprüfung der Vaterschaft einschicken sollte. Man muss wohl SPD-nominierte Ministerin sein, um auf solche abenteuerlichen Gedanken zu kommen.

Ganz ähnlich probtes anscheinend die von der SPD nominierte Berliner Senatorin für Justiz, Gisela von der Aue, sich darin aus, die Informationsfreiheit zu beschneiden:

 

Justizsenatorin will Suizide in der Haft nicht mehr melden 2006 gab es bereits zehn Selbsttötungen CDU und Grüne kritisieren Dienstanweisung

Von Jörn Hasselmann

Die neue Justizsenatorin Gisela von der Aue will die Öffentlichkeit nicht mehr über Selbsttötungen in den Gefängnissen unterrichten. Nach Informationen des Tagesspiegels hat von der Aue angewiesen, Selbstmorde nicht mehr zu melden. Die Entscheidung sei in der letzten Woche gefallen, nachdem sich in Moabit erneut ein Untersuchungshäftling das Leben genommen hat. Dass der 37 Jahre alte Siam B. sich mit seinem Bettlaken erhängte, sollte die Öffentlichkeit nicht mehr erfahren. Es war die zehnte Selbsttötung in diesem Jahr – so viele hat es seit 1987 nicht mehr in Berlin gegeben. Siam B. saß seit Oktober wegen Drogenhandels in Moabit. Schon im Sommer, als es eine Reihe von ungeklärten Todesfällen und Suiziden vor allem in Moabit und Tegel gegeben hatte, war im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhaus mehrfach über das Thema diskutiert worden.

Die Sprecherin der Senatorin, Juliane Baer-Henney, begründete die Anweisung so: Die Persönlichkeitsrechte eines Gefangenen und seiner Familie seien höher zu bewerten als das Interesse der Öffentlichkeit. Dem widersprach Andreas Gram, der Vorsitzende des Rechtsausschusses, gestern vehement. „Das Informationsbedürfnis des Parlamentes ist höher zu bewerten“, urteilte Gram. „So soll wohl verhindert werden rauszufinden, was in den Gefängnissen los ist“, kritisierte der CDU-Politiker – also zum Beispiel Drangsalierungen durch andere Gefangene oder schlechte Haftbedingungen. „Wie sollen wir die Gefängnisse verbessern, wenn wir nicht wissen, was dort los ist“, fragt der rechtspolitische Sprecher der CDU. Wenn die Justiz die Familien eines Toten schützen wolle, könne sie ja auf den Namen des Gefangenen verzichten, sagte Gram. Ohnehin hatte die Justiz den Nachnamen nur abgekürzt veröffentlicht.

Wie Gram, der erst durch die Anfrage des Tagesspiegels von dem neuen Prozedere erfuhr, urteilten auch Gefangene in Tegel: „Jeder Selbstmord ist ein Armutszeugnis für die Justiz, klar, dass die das unter der Decke halten wollen“, sagte ein zu langer Strafe verurteilter Gefangener aus Haus 3 in Tegel gestern. Der Abgeordnete Benedikt Lux von den Grünen kündigte an, „gegen die Entscheidung Sturm zu laufen“. Sie sei nach diesem Jahr absolut unverständlich, sagte der Rechtspolitiker.

Die Sprecherin der Justizsenatorin sagte weiter, dass künftig nur noch über Suizide oder Todesfälle berichtet werde, wenn ein „Fremdverschulden oder eine Dienstpflichtverletzung“ erkennbar sei. Bislang endeten die Kurzmeldungen der Justiz meist mit dem Satz „Eine Obduktion wurde veranlasst“, ein Ergebnis wurde jedoch nur einmal veröffentlicht: Als der Freitod eines Pakistaners in Moabit zu diplomatischen Verwicklungen geführt hat. Dass die Entscheidung der neuen Justizsenatorin gerade in dem Moment ergeht, wo Berlin auf einen neuen Selbstmordrekord zusteuert, sei zumindest merkwürdig, sagten alle befragten Experten. Nach Angaben der Verwaltung sei die Anweisung aber „unabhängig davon“, andere Bundesländer würden dies auch nicht melden. Die Polizei teilte auf Anfrage mit, Suizide in ihrem Bereich, also der Gefangenensammelstelle oder dem Abschiebegewahrsam selbstverständlich auch künftig zu melden.

http://www.tagesspiegel.de/berlin/archiv/22.12.2006/2979931.asp

 

 

 

 

Senat will Suizide in Gefängnissen verschweigen

Berlin - Die Berliner Justizverwaltung will Todesfälle und Suizide in Gefängnissen nicht mehr der Öffentlichkeit melden. Diese Anordnung hat die neue Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) in der vergangenen Woche getroffen, nachdem sich in der JVA Moabit erneut ein Häftling erhängte. Erst auf Anfrage des Tagesspiegels bestätigte die Verwaltung am Donnerstag den Tod von Saim B. Der 37-Jährige ist der zehnte Gefangene, der sich 2006 selbst tötete. Derart viele Suizide hatte es in Berlin seit 1987 nicht gegeben. Bereits im Sommer war mehrfach im Abgeordnetenhaus über die vielen Selbstmorde diskutiert worden. Die Oppositionsparteien CDU und Grüne protestierten gegen die Anordnung. Parlament und Öffentlichkeit hätten ein Anrecht auf diese Information. Ha

http://www.tagesspiegel.de/politik/archiv/22.12.2006/2980659.asp

 

 

 

 

Haftbedingungen in Berlin

Hinter dichten Gardinen

Die Haftbedingungen in Berlin widersprechen einem humanen Vollzug, die Zellen sind zu klein und häufig überbelegt. Das ist keine Klage einer Menschenrechtsorganisation, das ist die Bewertung des Berliner Kammergerichts. Das höchste Gericht der Bundeshauptstadt hat dies mehrfach der Landesregierung vorgehalten. Es fehlt an modernen Haftanstalten, es fehlt an moderner Technik, es fehlt an Personal. Die Lage ist kritisch, für manche Menschen ist die Aussicht auf Jahre hinter Gittern und der Schock einer Inhaftierung unerträglich. Zehn Häftlinge haben sich in diesem Jahr selbst getötet – so viele waren es zuletzt 1987. Die Missstände abzustellen und die Betreuung zu verbessern, um Menschenleben zu retten, dass müsste die rot-rote Koalition herausfordern. Statt aber die Kritik etwa aus dem Berliner Abgeordnetenhaus ernst zu nehmen, sollen nach dem Willen der neuen Justizsenatorin Gisela von der Aue die Suizide der Öffentlichkeit einfach verschwiegen werden – weil es die Persönlichkeitsrechte der Selbstmörder verletze. Solch juristischer Zynismus war bislang in einem demokratischen Strafvollzug unvorstellbar. gn

http://www.tagesspiegel.de/meinung/archiv/22.12.2006/2979611.asp

"Der Tagesspiegel", 22.12.2006

 

 

 

 

 

 

Dringendes Bedürfnis der radikalen Einschränkung der Informationsfreiheit durch als Gutachter tätige Personen?

Wer in Deutschland, so wie verschiedene Gutachter im Vertrauen auf eine rigide Unterdrückung der Informationsfreiheit diese mit Beihilfe einem solchen Ansinnen zugeneigter Richter des einen oder anderen Gerichtes beschränken will, dem sei eine Visite in Weißrussland empfohlen. Dort kann man vor Ort recherchieren, wie zumindest noch im Jahr 2005, aber auf Dauer sicher erfolglos, versucht wird, den Bürgern eine obrigkeitsstaatlich verordnete Informationspolitik angedeihen zu lassen.

 

 

 

 

21.10.2005

Angst vor Orange

Pressefreiheit: In Weißrussland stark verschlechtert, in der Ukraine verbessert

Von Olaf Sundermeyer

Mit dem Zeilenhonorar für seine Artikel in der polnischen Zeitung „Gazeta Wyborcza“ kann der weißrussische Journalist Andrzej Pisalnik seine offenen Rechnungen beim Inlandsgeheimdienst KGB im heimischen Grodno bezahlen. Dort, im Westen Weißrusslands, musste Pisalnik in diesem Jahr bereits mehrfach für seine Kommentare in der für die polnische Minderheit gedruckte Zeitung „Glos“ (Die Stimme) eine Geldbuße zahlen. Und im Juli wurde er sogar verhaftet, bei einer Razzia des KGB in der Redaktion von „Glos“. „Weil man dort versucht hat, unser Land zu destabilisieren“, lautet die Erklärung des weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko, der 2006 eine Wahl vor sich hat und die Presse immer stärker drangsaliert. „Er führt einen Kreuzzug gegen die Zeitungen“, sagt Alena Raubetskaya, „weil er Angst vor einer zweiten orangenen Revolution wie in der Ukraine hat.“ Die Frau mit dem orange gefärbten Haar ist Chefredakteurin der stillgestellten weißrussischen Zeitung „Birza Informacii“. Sie textet Broschüren für Modeschmuck, weil sie nach einem Regierungsverweis keine Druckerei mehr findet. Weißrussische Journalisten berichten ständig über Verhaftungen, Gerichtsverfahren und die Beschlagnahme von Computern.

„Feind der Pressefreiheit“, so wird Lukaschenko vom Verein Reporter ohne Grenzen genannt, der gerade wieder eine weltweite „Rangliste der Pressefreiheit“ veröffentlicht. Auf dieser Liste ist Weißrussland noch weiter abgerutscht (Platz 152), und Lukaschenko begegnet damit einem anderen Diktator auf Augenhöhe: Robert Mugabe, Simbabwe (153). Den größten Sprung nach oben machte dafür der geografische Nachbar: die Ukraine (Platz 112). „Dort hat sich die Lage deutlich entspannt“, sagt Katrin Evers, Sprecherin von Reporter ohne Grenzen. Zensur findet nicht statt. Aber bei Reporter ohne Grenzen ist auch bekannt, „dass viele Journalisten Selbstzensur üben, weil sie sich einfach noch nicht an die neue Situation gewöhnt haben.“ Die Fernsehjournalistin Julia Meljutschuk aus Lutsk sagt das so: „Es ist immer noch besser, bestimmte Fragen nicht zu stellen – wenn du auch weiterhin beachtet werden willst.“

Die Verlagsgruppe Handelsblatt hat in der Ukraine am Mittwoch eine neue Tageszeitung auf den Markt gebracht. Der Titel „Delo“ (deutsch: Geschäft) knüpfe an ein ukrainisches Traditionsblatt an, teilte ein Verlagssprecher in Düsseldorf mit. Nach Verlagsangaben setzt „Delo“ auf eine klare Trennung zwischen Tatsachen und Meinung, sie will mit ausgewogenen und fairen Berichten über alle politischen Kräfte im Land den Entscheidern eine solide Informationsquelle bieten.

„Inzwischen gibt es auch osteuropäische Länder mit einem eigenen Presserat“, sagt Lutz Tillmanns, Rechtsanwalt und Geschäftsführer des Deutschen Presserates: „Die baltischen Länder etwa oder die Slowakei“, die allesamt im Ranking von Reporter ohne Grenzen vor Deutschland (Platz 18) stehen (siehe Kasten).

Von einem gesamteuropäischen Presserat hält Lutz Tillmanns allerdings wenig: „Weil wir keine Gleichmacherei in Europa haben wollen.“ Jedes Land habe seine Besonderheiten. Die Europäische Union indes hat auf die Besonderheiten von Weißrussland reagiert: Mit 138000 Euro unterstützt sie ein Weißrussland-Magazin der Deutschen Welle (DW), mit dem „wir der unterdrückten belarussischen Zivilgesellschaft eine Stimme geben wollen“, wie DW-Intendant Erik Bettermann beim Sendestart vor zwei Wochen sagte. Der Favorit für die polnische Präsidentschaftswahl am Sonntag, der liberale Donald Tusk will noch weiter gehen mit freien Informationen für freie Bürger: „Wir wollen einen eigenen Radiosender entwickeln, der die richtigen Informationen von Polen aus nach Weißrussland sendet.“

http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/21.10.2005/2124918.asp

 

 

Zum Glück leben wir - auch wenn Weißrussland sicher auch ein schönes Land ist - in Deutschland und da ticken die Uhren trotz des Wunsches des einen oder anderen Gutachters etwas anders. 

 

So äußert sich zum Thema Informationsfreiheit und Justiz der Justizminister des Landes Rheinland/Pfalz Herbert Mertin in einem Interview für die "Zeitschrift für Rechtspolitik":

 

"ZRP: `Tue Gutes und rede nicht darüber`, wir kennen diesen Satz. Und wie wäre es damit: Bemühe dich um Gerechtigkeit, aber rede nicht darüber. Wäre das ein gutes Motto für die Justiz?

Mertin: Das passt hier nicht, denn die Justiz spricht ihre Urteile `Im Namen des Volkes` also muss sie über ihre Arbeit auch informieren."

In: "Zeitschrift für Rechtspolitik", 6/2005, S. 206

 

 

 

Während man sich staatlicherseits in Ländern wie Weißrussland, aber auch in Deutschland mit der Informationsfreiheit recht schwer tut, gelegentlich auch Menschen dazu zwingen will, auf diese demokratische Errungenschaft zu verzichten und die Herstellung von Öffentlichkeit zu unterbinden, ist man in anderen Ländern bedeutend weiter. So z.B. in Kanada. Hier werden Gerichtsurteile von den zuständigen Behörden sogar im Internet veröffentlicht. Die Gerichtsurteile sind offiziell einsehbar online unter http://www.jugements.qc.ca/

Man kann dort nach den verschiedenen Fällen recherchieren. So z.B. in einem Fall einer in Kanada lebenden deutschen Mutter, die sich inzwischen der Einflussnahme kanadischer Behörden durch Umsiedelung nach Deutschland zu entziehen sucht.

(Recherche, Court de Quebec, Chambre de la Jeunesse, Aout 2005, 30.8.. F.F.)

 

 

 

 

Auch Umweltverbände scheuen sich glücklicherweise nicht, Ross und Reiter zu nennen, wenn dies einem guten Zweck, dem Umweltschutz dient:

 

"Fahrverbote sind ab 2010 nicht zu vermeiden"

Stefan Bundscherer von der Deutschen Umwelthilfe über hohe Ozonwerte in der Atemluft, die Autoindustrie und den Stromfresser Klimaanlage

Berliner Zeitung 22.07.2006

Wirtschaft - Seite 12

Thomas H. Wendel

...

Ist die Verwendung von Klimaanlagen generell ökologisch bedenklich?

Ja, es gibt neben dem hohen Energieaufwand noch weitere Belastungen: Mit dem Klimagerät kaufen Sie nämlich auch die dort enthaltenen umweltgefährlichen Kältemittel ein. Die können unserem Treibhaus enorm einheizen: Einmal in die Atmosphäre geraten, tragen sie über 1 500 Mal mehr zu Treibhauseffekt und Erderwärmung bei als die gleiche Menge Kohlendioxid CO2. Und von einer geregelten Entsorgung der Altgeräte können Sie leider nicht immer ausgehen.

...

 

Die Deutsche Umwelthilfe moniert bereits seit längerem die hohen Stromverbräuche von Klimaanlagen. Hat die Industrie reagiert?

Wir haben deutliche Hinweise, dass Teile der Industrie das Recht, die Energiekennzeichnung auf Basis eigener Daten vorzunehmen, gründlich missbrauchen. Wir werden das in naher Zukunft genauer unter die Lupe nehmen und betroffene Händler und Hersteller öffentlich benennen. Beide, Handel und Hersteller, werden dann mit Sicherheit reagieren.

...

 

Gespräch: Thomas H. Wendel

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Foto: Stefan Bundscherer, Deutsche Umwelthilfe.

Der Diplomingenieur ist seit 2005 Leiter Energie und Klimaschutz bei dem Umweltverband, der durch seine Anti-Dieselruß-Kampagne bekannt geworden ist.

 

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2006/0722/wirtschaft/0014/index.html?keywords=Fahrverbote%20sind%20ab%202010%20nicht%20zu%20vermeiden;every=1;utf8=1;mark=sind%20nicht%20vermeiden%20fahrverbote

 

 

 

 

 

 

Einschränkung der Informationsfreiheit durch Gutachter?

Der Gutachter darf nur unter eingeschränkten Bedingungen sein Gutachten in Gänze oder in Teilen veröffentlichen. Voraussetzung wäre, der vollständige Abschluss des betreffenden gerichtlichen Verfahrens, in dem der Gutachter mitgewirkt hat und eine Anonymisierung des Gutachtens, durch die es verhindert wird, im Gutachten beschriebene Personen in der Realität wiederzuerkennen. 

Die von den Gerichten, insbesondere von den Familiengerichten als Gutachter ernannten Personen, haben in aller Regel jedoch überhaupt kein Interesse ihre Gutachten oder Teile davon zu veröffentlichen, im Gegenteil plagt sie eine Heidenangst, dass Teile ihres Gutachtens oder das Gutachten in Gänze in der Öffentlichkeit bekannt werden. Daran kann man in aller Regel die miserable Qualität dieser Gutachten erkennen, denn ein Gutachter, der ein gutes Gutachten schreibt, muss keine Angst davor haben, dass dieses möglicherweise der Allgemeinheit bekannt wird. Im Gegenteil, die Veröffentlichung seiner überzeugenden und sprachlich gelungene Argumentation, wäre ein positiver Bekanntmachungseffekt sein, der dem betreffenden Gutachter neue Aufträge seitens der Gerichte sichern würde.

 

 

Beispiel 1

 

"Das Gutachten unterliegt als geistiges Eigentum der Sachverständigen dem Schutz des Urheberrechts. Eine andere Verwendung als die im gerichtlichen Verfahren vorgesehene, ist untersagt. Dies gilt auch und insbesondere für die nicht autorisierte Weitergabe an Dritte und Veröffentlichungen des Gutachtens oder Teilen des Gutachtens in elektronischen oder anderen Medien."

Diplom-Psychologin Gabriele van Leyen vom sogenannten "Rechtspsychologischen Forum Münster" - Schriftstück vom 27.03.2010 adressiert an das Amtsgericht Dortmund

 

 

Was will uns der Dichter damit sagen, pflegte meine Deutschlehrerin zu fragen. Was will uns Frau van Leyen damit sagen?

Nun ja, vielleicht dies:

1. Das Schriftstück der Frau van Leyen darf weder für Heizzwecke noch als Toilettenpapier eingesetzt werden.

Dies ist schon mal nicht so schön, denn was soll man machen, wenn der Winter bitter kalt ist und man nichts mehr zum Heizen hat. Und was passiert, wenn das Baumsterben so weiter geht und es bald kein Toilettenpapier mehr zu kaufen gibt, man also notgedrungen auf Altpapier zurückgreifen muss. Wäre es da nicht günstig, das 62-seitige Schriftstück der Frau van Leyen für die Erzeugung von Wärme und einen sauberen Hintern nutzen zu können? Doch nein, es ist uns untersagt, und zwar von Frau van Leyen höchstpersönlich. Nächstens untersagt sie uns noch, ins Ausland zu reisen oder einzuatmen - und schon halten wir die Luft an bis wir umfallen. Schöne Neue Welt. 

 

2. Das Schriftstück der Frau van Leyen soll nicht ohne Autorisierung weitergegeben werden. Nun ja, das ist ein frommer Wunsch und wer ihn befolgt, kommt zur Belohnung in den Himmel. Genau so gut könnte man auch Bibliotheksbenutzern auferlegen, dass sie das ausgeliehene Buch niemand geben dürfen, sondern ständig in einem Panzerschrank aufbewahren müssen, wenn sie nicht gerade selber darin lesen. Genau so ist dies ja auch schon mit Waffen geregelt. Waffenbesitzer müssen ihre Waffe so aufbewahren, dass kein anderer an die Waffe herankommt. Genau so sollte es auch mit Gutachten, die bekanntlich genauso gefährlich sind wie Waffen, geschehen, kein Zugang zum Gutachten ohne Gutachtenschein.

 

3. Aus dem Schriftstück der Frau van Leyen soll nicht ohne Autorisierung zitiert werden. Genau so gut könnte man auch fordern, die Zitierfreiheit abzuschaffen. Wollt ihr den totalen Staat? Wenn ja, dann macht immer schön das, was Euch der eine oder die andere Diplom-Psychologin befiehlt. Wer den Befehl verweigert, kommt vor das Kriegsgericht oder wird mit dem Friedensnobelpreis geehrt. Letzteres ist die angenehmere Variante. Sprechen Sie also rechtzeitig mit dem schwedischen Nobelpreiskomitee.

 

 

 

Beispiel 2

 

"Gutachten sind urheberrechtlich geschützt.

Es darf nur für den Zweck verwendet werden, für den es erstellt wurde.

Eine Weitergabe oder andere Verwendung verstößt gegen das Urheberechtsgesetz (§§ 2ff UrHG)"

Diplom-Psychologe Gerhard Hennig, Gutachten vom 12.07.2011 für das Amtsgericht Zossen - 6 F 555/10 

 

 

"Gutachten sind urheberrechtlich geschützt.", behauptet der am Amtsgericht Zossen - 6 F 555/10 - mit Beschluss vom 08.02.2011 als Gutachter ernannte Diplom-Psychologe Gerhard Hennig. Nun ja, wir haben ja Meinungsfreiheit in Deutschland - wenigstens teilweise - und da darf man eine solche Behauptung schon mal treffen, ohne gleich in den Folterkellern der Inquisition zu landen.

Nun schützt das Urheberrecht allerdings explizit keine Gutachten - wie Herr Hennig wohl meint - sondern "Werke". Ein Gutachten muss also im urheberrechtlichen Sinne ein Werk sein, sonst ist es nicht geschützt.

Ein Werk ist ein Gutachten sicher dann, wenn es - wie der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 12.05.2010 - I ZR 209/07) in Bezug auf ein Bauwerk festgestellt hat - aus der Masse des alltäglichen Gutachtenschaffens herausragt:

 

"Ein Bauwerk stellt dann eine persönliche geistige Schöpfung dar, wenn es aus der Masse alltäglichen Bauschaffens herausragt (BGH, Urteil vom 02.10.1981 - I ZR 137/79 - Kirchen-Innenraumgestaltung; BGH, Urteil vom 19.03.2008 - I ZR 166/05 - St. Gottfried)."

BGH, Urteil vom 12.05.2010 - I ZR 209/07

Lärmschutzwand - Zur Einräumung von Nutzungsrechten durch einen Landesbediensteten, der in Erfüllung seiner Dienstpflichten ein urheberrechtlich geschütztes Werk geschaffen hat. UrhG § § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, § 31 Abs. 5, §§ 34, 43

 

Wenn also das Gutachten des Herrn Hennig ein solches Herausragen aufweisen würde, dann wäre es urheberrechtlich geschützt. Wenn es urheberrechtlich geschützt wäre, dann würde seine Veröffentlichung der Zustimmung von Herrn Hennig bedürfen. Herr Hennig verläuft sich aber völlig im finsteren Wald wenn er behauptet: 

 

"Gutachten sind urheberrechtlich geschützt.

Es darf nur für den Zweck verwendet werden, für den es erstellt wurde.

Eine Weitergabe oder andere Verwendung verstößt gegen das Urheberechtsgesetz (§§ 2ff UrHG)"

 

Denn selbstverständlich darf sich fast jeder der Zugriff auf das Gutachten erlangt, damit den Po abwischen oder die nassen Schuhe ausstopfen, denn diese Handlungen haben mit dem Urheberecht nun überhaupt nichts zu tun.

Auch eine Weitergabe ist nicht verboten, denn das Urheberecht schützt nicht vor Weitergabe, sondern vor unbefugter Veröffentlichung, also vor Zugänglichmachung für jedermann. Wenn ich meinen Lieblingskriminalroman einem Nachbarn ausleihe, ist dies kein Verstoß gegen das Urheberecht, wie Herr Hennig in Analogie auf sein Gutachten wähnt. So lange die Weitergabe des Gutachtens in einem nichtöffentlichen Kreis erfolgt, liegt, unbeschadet der Frage ob das Gutachten überhaupt ein Werk ist, kein Verstoß gegen das Urheberrecht vor.

So mag sich denn Herr Hennig noch in Sachen Urheberrecht weiterbilden lassen. Schaden wird es ihm ganz sicher nicht.

 

 

Beispiel 3

Die als Gutachterin tätige Daniela Thume von der sogenannten GWG schreibt:


"Eine Weitergabe des Gutachtens an am Verfahren nicht beteiligte Personen oder eine Veröffentlichung in der Presse, dem Fernsehen oder Internet ist zivilrechtlich strafbar. Überdies verletzt die Veröffentlichung oder Bereitstellung des Befundteils und/oder der Beantwortung der Fragestellung die Urheberschutzrechte der Sachverständigen (SV)."


Was das für ein Straftatbestand sein soll, den Frau Thume hier wortgewaltig in die Welt des Familiengerichtes hinausposaunt, bleibt im Dunkeln. Mord und Totschlag kann es nicht sein, auch nicht fahrlässige Tötung, Beleidigung oder Exhibitionsmus. Frau Thune scheint vom Strafrecht aber auch sonst keine Ahnung zu haben, wenn sie die Formulierung "zivilrechtlich strafbar" schreibt, das ist so als wenn sie schreiben würde, "vegetarisches Essen mit Fleisch" oder "heterosexuelle Kontakte zwischen Schwulen".

Womöglich hat Frau Thume im Deutschunterricht nicht aufgepasst oder verliebt den Deutschlehrer angeschaut, während dieser sich abmühte den Schüler/innen die Grundlagen der deutschen Sprache beizubringen.

Aber auch vom Urhebeerrecht scheint Frau Thume wenig zu verstehen, sonst würde sie nicht einen solchen Unsinn schreiben, dass die "Bereitstellung des Befundteiles und/oder der Beantwortung der Fragestelllung die Urheberschutzrechte der Sachverständigen verletzen würde.

Kurz gesagt auch bei der einschlägigen GWG-Schulung zum Urheberrecht - wenn es denn überhaupt eine solche gab - kann Frau Thume nicht sonderlich aufmerksam gewesen sein, andernfalls wüsste sie, dass es in keiner Weise gegen das Urheberecht verstößt, wenn man einer anderen Person ein Gutachten oder sonstiges Schriftstück zur Einsicht gibt. Wäre das anders, dürfte kein Bürger ein Buch an andere Personen verleihen.

 

 

 

 

 

Einschränkung der Informationsfreiheit durch Richter

Wo ein auf Einschränkung der Informationsfreiheit sinnender Gutachter ist, darf auch ein zu diesem Ansinnen kompatibler Richter nicht fehlen. 

Der Diplom-Psychologe Ulrich Waschke-Peter hatte Glück und fand in der Richterin Partikel vom Amtsgericht Charlottenburg die für seine Bedürfnisse nach Freistellung von Information und Kritik zu seiner Tätigkeit die passende Richterin.

Richterin Partikel folgte dem informationsfreiheitsfeindlichen Ansinnen des Herrn Waschke-Peter und erklärte die Einstellung einer Expertise zu einem Gutachten des Herrn Waschke-Peter mit Zitierungen aus dessen Gutachten vom 07.04.2004 in das Internet für unzulässig: 

 

"1. Der Beklagte wird unter Androhung für den Fall der Zuwiderhandlung von Ordnungsgeld bis zu € 250.000, 00, ersatzweise Ordnungshaft, untersagt, Inhalte gerichtlicher Gutachten und Stellungnahmen des Klägers Dritten über das Internet zugänglich zu machen und zu verbreiten.

Beschluss vom 30.05.2005 bezüglich einer öffentlich einsehbarer Expertise mit Zitierungen aus dem Gutachten des  Diplom-Psychologe Ulrich Waschke-Peter vom 07.04.2004 für Amtsgericht Zehdenick

 

 

Wie man sieht, muss man nicht erst zu einer politischen Bildungsreise nach China oder in den Iran fahren, um verschiedene Formen der Zensur zu studieren. Manchmal reicht auch schon eine Fahrkarte nach Berlin-Charlottenburg.

Das Landgericht Berlin ist glücklicherweise in einem späteren Beschluss einer solchen, demokratische Grundsätze missachtenden Rechtsauffassung entgegengetreten. Seither ist dem unbändigen Drang von Gutachtern ihre Tätigkeit unter dem Deckmantel des Urheberrechtes in der Art eines Geheimdienstes zu betreiben, ein deutliches Stoppsignal erteilt worden.

 

 

 

 

 

Informationsinteresse der Allgemeinheit

 

3. Informationsfreiheit

Eine Alternative zur - wie aufgezeigt problematischen - dogmatischen Verortung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit in den Medienfreiheiten ist ihre Zuweisung zur lnformationsfreiheit Die Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG gewährt das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Dieses Grundrecht bezieht sich auf die Freiheit der Rezipienten, ihr Wissen zu erweitern. Sie dürfen bei der Beschaffung von Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen nicht durch staatliche Maßnahmen gehindert werden. Damit kennt die Verfassung das Interesse des Einzelnen an, Zugang zu den ohnehin zur Verfügung stehenden Quellen zu haben. Der Verfassungsgeber setzt damit nicht nur die Existenz solcher Informationsquellen voraus, die er in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG einem eigenständigen Schutz unterstellt hat, sondern erkennt darüber hinaus das Interesse des Einzelnen an einem Zugang zu diesen Quellen an. Sinnvoll ist dies selbstverständlich nur, wenn die Quellen auch über Informationen verfügen, d. h. diese ihrerseits frei von staatlicher Beeinflussung sind und Informationen ohne sonstige Erschwerung erlangen können.

Die Möglichkeit Informationen zur erlangen steht mithin in einem Wechselspiel zur Schaffung und Verbreitung solcher Informationen. Ebenso selbstverständlich setzt die lnformationsfreiheit ein Informationsinteresse voraus. Muss dies auch nicht beim einzelnen Individuum gegeben sein, so wird es doch insgesamt - für die Allgemeinheit - vermutet.

Da die Informationsfreiheit das Informationsinteresse der Allgemeinheit denknotwendig voraussetzt, ist Art. 5 Abs. 1 Satz 1,2. Alt. GG die dogmatisch richtige Verankerung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit. Das Informationsinteresse ist die kollektive Form der Informationsfreiheit.

Frank Fechner / Susanne Popp: "Informationsinteresse der Allgemeinheit"; In: "Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht" - AFP; 03/2006, S. 213/14

 

 

Zur Unterdrückung der Informationsfreiheit wird von den daran Interessierten - dazu scheinen bisweilen leider auch Richter/innen zu zählen - mitunter das Argument vorgetragen, es gäbe kein Informationsinteresse der Allgemeinheit an dieser oder jener Information und daher müsse die Informationsfreiheit in der Interessenabwägung mit anderen Grundrechten hintenanstehen. Wieso kein Informationsinteresse der Allgemeinheit bestehen solle, wird dann nicht weiter begründet, es wird einfach behauptet. So schwingt sich im Bedarfsfall der Richter zum Zensor auf, der darüber bestimmt, was das Informationsinteresse der Allgemeinheit wäre und was es nicht wäre.

 

Gott sei Dank gibt es nicht nur Richter, die das Informationsinteresse der Allgemeinheit nach Gutsherrenart beschneiden, sondern auch Richter, die das Informationsinteresse der Allgemeinheit zu Recht weit fassen.

Während z.B. Richterin Zilm und Kollegen vom Landgericht Berlin mit ihrer apodiktischen Auffassung von der Urheberechtsfähigkeit einer Textstelle, bestehend aus zwei Sätzen mit 50 Buchstaben, in einem Schriftstück eines Gutachters, meinen, dies rechtfertige, dass diese zwei Sätze nicht zitiert werden dürfen, weil ihnen eine urheberrechtsfähige Schöpfungshöhe zukäme, sieht man das am Oberlandesgericht Hamburg offenbar ganz anders.

 

Oberlandesgericht Hamburg: "Veröffentlichung eines Anwaltsschriftsatzes aus DDR-Strafverfahren" (OLG Hamburg, Urteil vom 29.7.1999 - 3 U 34/99, veröffentlicht in "NJW 1999, Heft 45, S. 3343-3345. 

In dem Fall wandte sich der damalige PDS-Vorsitzende Gregor Gysi dagegen:

 

"... daß die Antragsgegnerin als Verlegerin ein vom Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatsicherheitsdienstes der ehemaligen DDR herausgegebenes Buch mit dem Titel: `Der Fall Havemann - ein Lehrstück politischer Justiz` veröffentlicht hat, in dem die von ihm verfaßte Berufungsschrift gegen das Urteil des KreisG Fürstenfelde (gemeint ist offenbar Fürstenwalde, aber wer soll in Hamburg schon diesen etwas abgelegenen Ort in der Nähe von Berlin kennen - Anmerkung Peter Thiel) ohne vorherige Veröffentlichung und ohne seine Zustimmung im vollen Wortlaut wiedergegeben ist.

Das Landgericht hat sein zunächst erlassenes Verbot, die Berufungsschrift wie in dem genannten Buch zu verbreiten, im Widerspruchsverfahren aufgehoben. die Berufung des Antragstellers bleib erfolglos."

aus dem Urteil des OLG Hamburg vom 29.07.1999 - 3 U 34/99, NJW 1999, Heft 45; S. 3343

 

 

In dem Fall Gregor Gysi gegen den Verlag Ch. Links ging es um die komplette Veröffentlichung einer 18-seitige Berufungsschrift von Gregor Gysi durch den Ch. Links Verlag im Jahr 1998. 

 

Clemens Vollnhals: "Der Fall Havemann: ein Lehrstück politischer Justiz", Berlin, Links, 1998, 308 Seiten, 1. Auflage

 

Für die in dem Buch von Vollnhals vollständig abgedruckte Berufungsschrift Gysis, die dieser als damaliger Rechtsanwalt von Robert Havemann am 27.06.1979 (bzw. 01.07.1979) beim Kreisgericht Fürstenwalde einreichte, hatte sich der Verlag vorab keine Veröffentlichungszustimmung von Gregor Gysi eingeholt. Gysi klagte daraufhin gegen den Verlag - ohne Erfolg.

 

Interessant an diesem Fall, das Oberlandesgericht Hamburg sah es sogar als gerechtfertigt an, dass das gesamte Schriftstück (Berufungsschrift) ohne Zustimmung seines Urhebers Gregor Gysi veröffentlicht werden durfte.

Das OLG Hamburg begründet die Ablehnung des Antrages von Gregor Gysi u.a. damit:

 

"3. Schließlich steht dem Antragsteller kein Anspruch nach §97 UrhG auf Unterlassen zu. Es ist schon fraglich, ob die von ihm verfaßte Berufungsschrift schutzfähig ist. Auch das Landgericht hat nicht angenommen, daß es sich um ein schutzfähiges Werk i.S. des § 2 UrHG handele, sondern dies lediglich unterstellt.

Richtig ist, daß ein anwaltlicher Schriftsatz als wissenschaftliches Sprachwerk die Voraussetzungen einer persönlichen geistigen Schöpfung erfüllen kann (...) Als maßgebend wird angesehen, ob die Anwendung der Denkgesetze und Fachkenntnisse unter Berücksichtigung von Erfahrungen in der Auswahl, Anordnung, Einteilung und Darstellung des behandelten Stoffes eine individuelle Eigenprägung erkennen läßt, die das Alltägliche, das Handwerksmäßige, das mechanisch-technische Aneinanderreihen des Materials deutlich überragt (...) Bei einer Berufungsschrift sind diese Voraussetzungen nicht leicht zu erfüllen, weil die von der Sache gebotene Ausrichtung an dem angefochtenen Urteil für eine Eigenprägung bei Auswahl, Anordnung, Einteilung und Darstellung des behandelten Stoffes nicht viel Raum läßt. ...

wird man jedenfalls sagen müssen, daß für eine Eigenprägung wenig Spiel bleibt, wenn Auswahl, Anordnung, Einteilung und Darstellung des behandelten Stoffes weitgehend von der Entscheidung diktiert werden, gegen die sich die Rechtsmittelschrift wendet"

aus dem Urteil des OLG Hamburg vom 29.07.1999 - 3 U 34/99, NJW 1999, Heft 45; S. 3344

 

 

 

Auch die gegen die Entscheidung des OLG Hamburg von Gregor Gysi angestrengte Verfassungsbeschwerde hatte kein Erfolg. Zum einen war sie aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht zulässig, zum anderen stellt das Bundesverfassungsgericht aber auch fest:

 

"...

2. Bei unterstellter Zulässigkeit hätte die Verfassungsbeschwerde aber auch in der Sache keinen Erfolg.

...

Dass es sich bei dem streitgegenständlichen Anwaltsschriftsatz überhaupt um ein urheberrechtlich geschütztes Werk i.S. des § 2 UrhG´ handelt, was auf einfach-rechtlicher Ebene bereits fraglich ist (vgl. hierzu BGH, GRUR 1986, 739 (741), haben die Fachgerichte zu Gunsten des Beschwerdeführers unterstellt. ...

Angesichts dessen ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass die Fachgerichte im Rahmen der von ihnen vorgenommenen Abwägung im Sinne einer Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit Vorrang eingeräumt haben."

BVerG (1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 17.12.1999 - 1 BvR 1611/99

 

 

 

Axel Beater, Professor an der Universität Greifswald ergänzt die Entscheidung des Oberlandesgericht Hamburg mit der Bemerkung:

 

"Im Streitfall war eine unveröffentlichtes anwaltliche Berufungsschrift komplett zitiert worden, mit der Gregor Gysi in einem DDR-Strafverfahren den Regimekritiker Havemann verteidigt hatte.

...

Das urheberechtliche Erstveröffentlichungsrecht verdient weniger Schutz, wenn es keine Informationsanreize sichern, sondern zur endgültigen Unterdrückung von Informationen dienen soll. Es kann in solchen Fällen gegenüber gravierenden öffentlichen Informationsinteressen im Einzelfall zurückzutreten haben."

Axel Beater: "Informationsinteressen der Allgemeinheit und öffentlicher Meinungsbildungsprozess. Inhaltliche und prozedurale Kriterien aus zivilrechtlicher Sicht.", In: "Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht", 8/9/2005, S. 610 

 

 

 

 

 

 

Grass gegen FAZ

Aktuell beschäftigt der Fall Grass gegen FAZ die Gemüter. Das Grass nun gegen die Informationsfreiheit zu Felde zieht, wer hätte das gedacht.

 

Günter Grass erwirkt Verfügung

ERSTELLT 11.10.06, 16:56h

 

Schriftsteller Günter Grass bei der Präsentation seiner umstrittenen Autobiographie "Beim Häuten der Zwiebel"

Berlin/Frankfurt. Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass hat im Zusammenhang mit seinem späten Eingeständnis seiner Waffen-SS-Mitgliedschaft eine Einstweilige Verfügung gegen die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" erwirkt. Danach darf das Blatt aus zwei seiner Briefe an den früheren Bundeswirtschafts- und Finanzminister Karl Schiller keine großen Wortlautauszüge mehr abdrucken. Den entsprechenden Beschluss des Landgerichts Berlin übermittelte Grass-Anwalt Prof. Paul Hertin am Mittwoch der dpa. Die FAZ, die die Briefe am 29. September publizierte, will den Beschluss prüfen und wird dann voraussichtlich Widerspruch gegen ihn einlegen.

In den beiden Briefen aus den Jahren 1969 und 1970 appelliert der Schriftsteller an den SPD-Politiker, seine NS-Vergangenheit offen zu legen; Schiller (1911-1994) war Mitglied der SA und der NSDAP gewesen. Die Kammer stellt fest, dass die aktuelle Diskussion um Grass kein "dringendes Bedürfnis an der wörtlichen Wiedergabe großer Teile der Briefe" rechtfertige. "Dem Informationsinteresse hätte -ohne dass die Kammer sich hierzu abschließend festzulegen hat -gegebenenfalls Genüge getan werden können durch ein auszugsweises Zitieren."

"Die Briefe genießen Urheberschutz", argumentieren die Richter und verweisen unabhängig davon auch auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das gegen eine Veröffentlichung spreche. FAZ-Geschäftsführer Roland Gerschermann sagte am Mittwoch, er kenne den Beschluss und seine Begründung bislang noch nicht. Die FAZ begründe das Publizieren der Briefe aber weiterhin damit, dass das öffentliche Interesse an einer Veröffentlichung in diesem Fall über den Persönlichkeitsrechten von Grass stehe. "Das wird ein langer juristischer Weg für Günter Grass", sagte Gerschermann. Denn schließlich gehe es um die Glaubwürdigkeit der öffentlichen Person Grass, der die Debatte durch sein verspätetes Bekenntnis, Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein, selbst ausgelöst habe. In seiner im August erschienenen Jugend-Autobiografie "Beim Häuten der Zwiebel" hat Grass nach 60 Jahren dies erstmals öffentlich gemacht.

In der Einstweiligen Verfügung räumt das Landgericht ein, dass "gewöhnliche Briefe alltäglichen Inhalts" nicht unter den Urheberschutz fallen. Handle es sich aber um solche, die "Ausdruck einer individuellen Schöpfung sind, kann Urheberschutz zu bejahen sein". Dabei brauche es sich "nicht um hochgeistige Erzeugnisse literarischer Prägung handeln, wenn sich die Briefe jedenfalls durch die Art der Sprachgestaltung oder Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen, kulturellen, politischen oder sonstigen Fragen von gewöhnlichen Briefen abheben". "Ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit dergestalt, dass die Texte - wenn auch nicht komplett vollständig, so doch in weiten Teilen - abgedruckt wurden, besteht nicht", resümieren die Richter.

Die von der FAZ abgedruckten Briefe seien "persönlich" gewesen, hatte Grass am Freitag auf der Frankfurter Buchmesse betont. Die FAZ "verhunze" die guten Sitten des Journalismus. Davon könne keine Rede sein, hält Gerschermann entgegen. Denn die Briefe seien keineswegs an den Privatmann Karl Schiller gegangen, sondern ausdrücklich an seine Dienstadresse als Bundeswirtschaftsminister in Bonn adressiert gewesen und inzwischen sogar in einer Dissertation zitiert worden. Da die darin enthaltene Aufforderung an Schiller in einem "offenkundigen Widerspruch zum eigenen Verhalten" von Günter Grass stehe, müsse man die Briefe auch einer breiteren Öffentlichkeit zur Kenntnis geben können.

FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher sagte kürzlich dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" auf die Frage, ob sich die FAZ und Grass gütlich einigen werden: "Nein. Herr Grass kann uns gern verklagen. Wir sehen einem Verfahren gelassen entgegen." (dpa)

http://www.rundschau-online.de/html/artikel/1160572155660.shtml

 

 

Man darf hoffen, dass das Landgericht Berlin mit seiner hier gezeigten rigiden Einstellung zur Informationsfreiheit von den Beschwerdegerichten zurechtgewiesen wird.

 

 

 

 

 

Datenschutz oder Zensur

 

Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage.

Goethe

 

Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage - heißt es in Goethes Faust. Grad so verhält es sich in Deutschland mit dem Datenschutz. Hier dient der Datenschutz zunehmend dazu, Zensur im Internet auszuüben und die Informationsfreiheit zu unterdrücken. Die in Deutschland für Datenschutz zuständigen staatlichen Behörden scheinen sich zu Zensurzentralen für die Unterdrückung missliebiger Äußerungen im Internet zu entwickeln. Besonders die Berliner Überwachungsbehörde mit dem seltsamen Doppelnamen "Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit" unter ihrem Großen Vorsitzenden Dr. Alexander Dix, scheint sich in Sachen Zensur, das Bundesverdienstkreuz verdienen zu wollen.

War es in der DDR früher die Stasi, an die man sich als Denunizant mit seinen Sorgen in Sachen renitent erscheinender Nachbarn oder Arbeitskollegen hilfeheischend wenden konnte, so wenden sich Denunzianten aller Coleur (so z.B. im familiengerichtlichen Verfahren tätige Gutachter) heutzutage an diese merkwürdige Behörde, in der nicht unbegründeten Hoffnung, diese wird den Zensurknüppel schon ordentlich schwingen oder sich doch wenigstens als Drohkulisse vor den widerwärtigen eigenen Karren spannen lassen.

Die Informationsfreiheit scheint bei der Überwachungsbehörde "Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit" grad wie der Blinddarm ein bloßer Appendix oder schlimmer noch - ein übles Täuschungsmanöver zu sein. Kein Wunder, wenn Denunzianten bei dieser Behörde Schlange stehen.

 

 

 

 

Datenschutz und Informationsfreiheit

Der Datenschutz ist eine gute Sache, wenn er guten Zwecken dient. Ein guter Zweck ist die Sicherung eines funktionierenden Rechtsstaates. Auch wenn die DDR nicht pauschal als Unrechtsstaat zu bezeichnen ist, so wurde in bestimmten der Datenschutz zuungunsten der Bürger und zugunsten des vermeintlichen Staatsinteresses verschoben. Einerseits sammelte der vormundschaftliche Staat Informationen über seine Bürger, das Ministerium für Staatsicherheit führte dabei den Ton an. Andererseits übte sich der Staat in Heimlichtuerei, bei Vorfällen, die von staatlicher Seite zu verantworten waren, so z.B. bei Umweltproblemen oder der noch bis ins Jahr 1981 praktizierten Todesstrafe.

Auch heute kann man noch den Eindruck gewinnen, der ostdeutsche Geist der Heimlichtuerei wabert ungehindert und womöglich gar staatlich gefördert über Teilen der Bundesrepublik Deutschland.

 

 

 

"Dieser Bericht ist streng vertraulich zu behandeln. Ohne besondere Ermächtigung darf keine Weitergabe an andere Stellen erfolgen. Weder Behörden, noch Angehörigen, noch irgendwelchen anderen Laien darf Einsicht in die Unterlagen gewährt oder Unbefugten Kenntnis von deren Inhalt gegeben werden. Die Zusendung erfolgt in der Annahme, dass die empfangenden Person oder Behörde für diskrete Verwendung und Aufbewahrung haftet." (S.1)

 

Der Text findet sich auf dem Deckblatt einer neunseitigen ärztlichen Stellungnahme aus dem Sankt Joseph Krankenhaus in 12101 Berlin vom 27.12.2005. Die Stellungnahme ist unterschrieben von Privat-Dozent Dr. M. von Aster (Chefarzt), S. Bsat (Oberarzt) und J. Delius (Psychologin). Ein Verweis auf Rechtsgrundlagen, die dem bedrohlich klingenden Hinweis auf eine angeblich vorhandene strenge Vertraulichkeit zugrunde liegen würden, wird nicht gegeben. Möglicherweise finden sich hier keine, die dem offenbar starkem Bedürfnis des Krankenhauses nach Einhaltung "strenger Vertraulichkeit" genügen würden.

Im Zeitalter der Moderne und des mündigen Bürgers hätte sicher ein kurzer Hinweis in der Art genügt.

 

Die Empfänger werden darauf aufmerksam gemacht, beim Umgang mit dieser Stellungnahme die gesetzlichen Vorschriften zum Datenschutz zu beachten.

 

 

 

 

Literatur

Axel Beater: "Informationsinteressen der Allgemeinheit und öffentlicher Meinungsbildungsprozess. Inhaltliche und prozedurale Kriterien aus zivilrechtlicher Sicht.", In: "Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht", 8-9/2005, S. 602-612 

Alexander Erdelt: "Informationszugang und das Recht auf Information"; In: "Datenschutz und Datensicherheit", 8/2003, S. 465-470

Frank Fechner / Susanne Popp: "Informationsinteresse der Allgemeinheit"; In: "Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht" - AFP; 03/2006, S. 213-216

Michael Kloepfer: "Grundprobleme der Gesetzgebung zur Informationsfreiheit"; In: "Kommunikation und Recht", 01/2006, S. 19-27  

Philipp Wendt: "Abschied vom Amtsgeheimnis. Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes", In: "Anwaltsblatt", 11/2005

 

 

 

 

 

 

Exkurs zum Thema Meinungsfreiheit

 

Pippi Langstrumpf

"Pippi ging die Straße entlang. Sie ging mit dem einen Bein auf dem Bürgersteig und mit dem anderen im Rinnstein. Thomas und Annika schauten ihr nach, solange sie sehen konnten. Nach einer Weile kam sie zurück. Aber jetzt ging sie rückwärts. Das tat sie, damit sie sich nicht umzudrehen brauchte, wenn sie nach Hause ging. Als sie vor Thomas` und Annikas Gartentür angekommen war, bleib sie stehen. Die Kinder sahen sich schweigend an. Schließlich fragte Thomas:

`Warum bist du rückwärts gegangen?`

`Warum ich rückwärts gegangen bin?` fragte Pippi. `Leben wir etwa nicht in einem freien Land? Darf man nicht gehen, wie man möchte? Übrigens will ich dir sagen, dass in Ägypten alle Menschen so gehen, und niemand findet das auch nur im Geringsten merkwürdig.`"

aus: "Pippi Langstrumpf" von Astrid Lindgren

 

 

 

Wäre Pippi Langstrumpf eine real lebende Politikerin in Deutschland, sie hätte unsere Wählerstimme. Leider ist das aber nicht so und wir müssen mit Menschen wie der Grünen-Politikerin und Rechtsanwältin Renate Künast vorlieb nehmen, die doch allen Ernstes meint:

 

"Gutachter und Sachverständige sollen `gut achtgeben`, denn sie sind im Auftrag des Volkes unterwegs um der Wahrheit näher zu kommen.

Wahrheit im Gerichtssaal bedeutet für mich ein kostbares Gut, aber sie darf nur auf den vorgegebenen und rechtsstaatlichen Wegen gesucht werden."

aus: "Zeitschrift für Rechtspolitik", 1/2008, II. Umschlagseite.  

 

Das klingt nun für eine Rechtsanwältin und Bundestagsabgeordnete reichlich naiv und unwissend, hinzu kommt der Glaube an die "Wahrheit", über die man spätestens seit Watzlawick meinen kann, dass sie eine Wirklichkeitskonstruktion ist. 

 

Vergleiche hierzu: 

Paul Watzlawick: "Die erfundene Wirklichkeit". Wie wir wissen, was wir zu wissen glauben. Beiträge zum Konstruktivismus", Piper Verlag, München, 1985

 

 

 

"Außer Frage steht, daß sich die Justiz der Kritik wegen ihrer Urteile stellen muß. Auch scharfer Protest und überzogene Kritik sind durch die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit gedeckt. ... "

Rudolf Wassermann, Präsident des Oberlandesgerichts a. D., In: NJW 1998, 730, 731

 

 

Da können wir Herrn Wassermann nur zustimmen. Doch:

Wir wären gut und nicht so roh, doch die Verhältnisse, die sind nicht so, lässt Brecht seinen Räuber Macheath, genannt Mackie Messer in der Dreigroschenoper singen. Ähnlich verhält es sich mit der wunderbaren und zustimmungswürdigen Lyrik von Herrn Wassermann. Wenn es ernst wird, sind solche Äußerungen nichts wert, weil die Vertreter staatlicher Rechtrabulistik sich die Sachen so hinbasteln, wie sie es gerade brauchen. Gesetze hin, Gesetze her. Der Richterstaat weiß, wie er sich unbequeme Kritiker vom Halse schaffen kann. Schließlich hat der Richter immer recht und der normale Bürger immer Unrecht, wenn er auf einen Richter und dessen Meinung trifft. Daran ändert auch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland nichts, das mehr verkündet, als in Deutschland eingelöst wird.

 

 

 

Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland

Artikel 5 (Meinungsfreiheit)

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

 

 

 

 

Eine Zensur findet nicht statt, heißt es Hoffnung weckend im Grundgesetz. Wer deshalb nun erfreut denkt, in Deutschland wäre Meinungs- und Informationsfreiheit grundgesetzlich zugesichert und es gäbe keine Zensur, sieht sich gleich eines besseren belehrt, wenn er Artikel 5 Satz 2 liest:

 

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

 

 

Na bitte, wer hat es denn gesagt, durch dieses vortreffliche Einfallstor von Satz 2, relativiert sich Satz 1 zugleich und mit ein bisschen Rechtsrabulistik lässt sich die Sache von dem einen oder andern geübten und willigen Richter an einem Amts- oder Landgericht schließlich zu Gunsten auf Geheimhaltung ihrer Arbeit bedachter und für Gerichte arbeitender Gutachter so auslegen, dass Satz 1 zu guter Letzt nur noch Makulatur ist. Es lebe der Rechtsstaat. 

Und wenn Artikel 5 Satz 2 nicht weiterhelfen sollte, die Meinungsfreiheit durch durch die eine oder andere staatliche Interventionen zu unterdrücken, dann geht es vielleicht auch mit der Waffe des Urheberechtes mit dem einige Gutachter und von ihnen angerufene Richter versuchen, unliebsame Querdenker in die Schranken gewiesen werden sollen.

Wer da mit nackten Fingern auf die Schurkenstaaten Russland und Weißrussland und ihrem rigiden Umgang mit der Meinungsfreiheit zeigt, der sollte erst einmal im eigenen Hause dem Rechtsstaat zu seinem Recht verhelfen.

 

Dass es in Deutschland nicht weit her ist mit der Meinungsfreiheit, kann jeder selbst erfahren erleben, der sich wie es hier auf dieser Internetseite geschieht, zu brisanten Themen äußert und dabei auf das Missfallen diverser selbsternannter richterlicher Zensoren an deutschen Amts- und Landgerichten stößt.

 

 

Heiner Geißler

"Lafontaine war der klügste SPD-Mann"

Heiner Geißler, 78, war zwischen 1977 und 1989 Generalsekretär der CDU. Geißler steht für eine christlich inspirierte Sozialpolitik, jüngst vermittelte er im Streit zwischen der Lokführergewerkschaft GDL und der Bahn

Heiner Geißler, 78, war ein rauhbeiniger CDU-Generalsekretär, jetzt engagiert er sich bei Attac. Im stern.de-Interview sagt er, wie Grüne und CDU in Hamburg zueinander finden, weshalb Ypsilanti hessische Ministerpräsidentin wird - und warum er sich über den Verfassungsschutz ärgert.

...

Sie sind inzwischen Mitglied von Attac. Wie ist das eigentlich in ihrer Partei aufgenommen worden?

Am Anfang gab es eine Abwehrreaktion. Aber nachdem ich darüber aufgeklärt habe, was Attac will, hat sich das gelegt. Wolfgang Schäuble hat übrigens als Erster erkannt, dass dieser Schritt richtig war. Inzwischen steht sogar im CDU-Programm, dass wir eine Humanisierung des Globalisierungsprozesses brauchen, Angela Merkel wird sich in Bälde dazu äußern. Außerdem bin ich Attac beigetreten, weil ich das Demonstrationsrecht stärken wollte.

Ist es nötig, dieses Recht zu verteidigen?

Das Demonstrationsrecht ist eines der vornehmsten Rechte der Bürger, aber es wird in Deutschland immer mehr ausgehöhlt. Jeder, der demonstriert, macht sich bei irgendeiner Behörde verdächtig. Es gibt inzwischen keine Demonstration mehr, selbst wenn sie von der Caritas veranstaltet wird, bei denen die Leute nicht erkennungsdienstlich erfasst werden.

Das heißt: Schäuble überzieht?

Nein. Der macht seinen Job. Die Verfassungsschützer sind das Problem.

Interview: Lutz Kinkel

Artikel vom 25. Februar 2008

www.stern.de/politik/deutschland/:Heiner-Gei%DFler-Lafontaine-SPD-Mann/612234.html?nv=rss

 

 

 

Die Unterdrückung der Meinungsfreiheit in Deutschland hat eine lange Tradition. Bis zum Jahr 1918 geschah sie im Namen von Kaiser, Volk und Vaterland, ab 1933 im Namen des Führers und der Volksgemeinschaft, in der DDR im Namen des Proletariats und der SED als Vorhut der Arbeiterklasse und heute jonglieren die richterlichen Zensoren in Berlin Charlottenburg, Hamburg oder Frankenthal mit dem Persönlichkeitsrecht und dem Urheberrecht. 

Karl Marx hat 1842 in seinen "Debatten über Preßfreiheit und Publikation der Landständischen Verhandlungen" formuliert.

 

Karl Marx

Debatten über Preßfreiheit und Publikation der Landständischen Verhandlungen

Von einem Rheinländer

Fünfter Artikel

|60| Wir haben gezeigt, wie das Preßgesetz ein Recht und das Zensurgesetz ein Unrecht ist. Die Zensur gesteht aber selbst, daß sie kein Selbstzweck, daß sie nichts an und für sich Gutes sei, daß sie also auf dem Prinzip beruht: »Der Zweck heiligt die Mittel.« Aber ein Zweck, der unheiliger Mittel bedarf, ist kein heiliger Zweck, und könnte nicht auch die Presse den Grundsatz adoptieren und pochen: »Der Zweck heiligt die Mittel«?

Das Zensurgesetz ist also kein Gesetz, sondern eine Polizeimaßregel, aber sie ist selbst eine schlechte Polizeimaßregel, denn sie erreicht nicht, was sie will, und sie will nicht, was sie erreicht.

Will das Zensurgesetz der Freiheit als einem Mißliebigen prävenieren, so erfolgt gerade das Gegenteil. Im Lande der Zensur ist jede verbotene, d.h. ohne Zensur gedruckte Schrift eine Begebenheit. Sie gilt als Märtyrer, und kein Märtyrer ohne Heiligenschein und ohne Gläubige. Sie gilt als Ausnahme, und wenn die Freiheit nie aufhören kann, dem Menschen wert zu sein, um so mehr die Ausnahme von der allgemeinen Unfreiheit. Jedes Mysterium besticht. Wo die öffentliche Meinung sich selbst ein Mysterium ist, ist sie von vornherein bestochen durch jede Schrift, die formell die mystischen Schranken durchbricht. Die Zensur macht jede verbotene Schrift, sei sie schlecht oder gut, zu einer außerordentlichen Schrift, während die Preßfreiheit jeder Schrift das materiell Imposante raubt.

Meint es aber die Zensur ehrlich, so will sie die Willkür verhüten und macht die Willkür zum Gesetz. Sie kann keiner Gefahr vorbeugen, die größer wäre als sie selbst. Die Lebensgefahr für jedes Wesen besteht darin, sich selbst zu verlieren. Die Unfreiheit ist daher die eigentliche Todesgefahr für den Menschen. Einstweilen, von den sittlichen Konsequenzen abgesehen, so bedenkt, daß ihr die Vorzüge der freien Presse nicht genießen könnt, ohne ihre Unbequemlichkeiten zu tolerieren. Ihr könnt die Rose nicht pflücken ohne ihre Dornen! Und was verliert ihr an der freien Presse?

Die freie Presse ist das überall offene Auge des Volksgeistes, das verkörperte Vertrauen eines Volkes zu sich selbst, das sprechende Band, das den Einzelnen mit dem Staat und der Welt verknüpft, die inkorporierte Kultur, welche die materiellen Kämpfe zu geistigen Kämpfen verklärt und ihre rohe stoffliche Gestalt idealisiert. Sie ist die rücksichtslose Beichte eines Volkes vor sich selbst, und bekanntlich ist die Kraft des Bekenntnisses erlösend.

|61| Sie ist der geistige Spiegel, in dem ein Volk sich selbst erblickt, und Selbstbeschauung ist die erste Bedingung der Weisheit. Sie ist der Staatsgeist, der sich in jede Hütte kolportieren läßt, wohlfeiler als materielles Gas. Sie ist allseitig, allgegenwärtig, allwissend. Sie ist die ideale Welt, die stets aus der wirklichen quillt und, ein immer reicherer Geist, neu beseelend in sie zurückströmt.

Der Verlauf der Darstellung hat gezeigt, daß Zensur und Preßgesetz verschieden sind, wie Willkür und Freiheit, wie formelles Gesetz und wirkliches Gesetz. Was aber vom Wesen gilt, gilt auch von der Erscheinung. Was vom Recht beider gilt, das gilt von ihrer Anwendung. So verschieden Preßgesetz und Zensurgesetz, so verschieden ist die Stellung des Richters zur Presse und die Stellung des Zensors.

Unser Redner allerdings, dessen Augen zum Himmel gerichtet sind, sieht tief unter sich die Erde als einen verächtlichen Staubhügel, und so weiß er von allen Blumen nichts zu sagen, als daß sie bestaubt sind. So sieht er auch hier nur zwei Maßregeln, die in ihrer Anwendung gleich willkürlich sind, denn Willkür sei Handeln nach individueller Auffassung, individuelle Auffassung sei von geistigen Dingen nicht zu trennen etc. etc. Wenn die Auffassung geistiger Dinge individuell ist, welches Recht hat eine geistige Ansicht vor der anderen, die Meinung des Zensors vor der Meinung des Schriftstellers? Aber wir verstehen den Redner. Er macht den denkwürdigen Umweg, Zensur und Preßgesetz beide in ihrer Anwendung als rechtlos zu schildern, um das Recht der Zensur zu beweisen, denn da er alles Weltliche als unvollkommen weiß, so bleibt ihm nur die eine Frage, ob die Willkür auf Seite des Volkes oder auf Seite der Regierung stehen soll.

Seine Mystik schlägt in die Libertinage um, Gesetz und Willkür auf eine Stufe zu stellen und nur formellen Unterschied zu sehen, wo es sich um sittliche und rechtliche Gegensätze handelt, denn er polemisiert nicht gegen das Preßgesetz, er polemisiert gegen das Gesetz. Oder gibt es irgendein Gesetz, das die Notwendigkeit in sich trägt, daß es in jedem einzelnen Falle im Sinne des Gesetzgebers angewendet werden muß und jede Willkür absolut ausgeschlossen ist? Es gehört eine unglaubliche Kühnheit dazu, eine solche sinnlose Aufgabe den Stein der Weisen zu nennen, da nur die extremste Unwissenheit sie stellen kann. Das Gesetz ist allgemein. Der Fall, der nach dem Gesetze bestimmt werden soll, ist einzeln. Das Einzelne unter das Allgemeine zu subsumieren, dazu gehört ein Urteil. Das Urteil ist problematisch. Auch der Richter gehört zum Gesetz. Wenn die Gesetze sich selbst anwendeten, dann wären die Gerichte überflüssig.

|62| Aber alles Menschliche ist unvollkommen! Also: Edite, bibite! |Eßt und trinkt! (Aus einem deutschen Studentenlied)| Warum verlangt ihr Richter, da Richter Menschen sind? Warum verlangt ihr Gesetze, da Gesetze nur von Menschen exekutiert werden können und alle menschlichen Exekution unvollkommen ist? Überlaßt euch doch dem guten Willen der Vorgesetzten! Die rheinische Justiz ist unvollkommen wie die türkische! Also: Ebite, bibite!

Welch ein Unterschied zwischen einem Richter und einem Zensor!

Der Zensor hat kein Gesetz als seinen Vorgesetzten. Der Richter hat keinen Vorgesetzten als das Gesetz. Aber der Richter hat die Pflicht, das Gesetz für die Anwendung des einzelnen Falles zu interpretieren, wie er es nach gewissenhafter Prüfung versteht; der Zensor hat die Pflicht, das Gesetz zu verstehen, wie es ihm für den einzelnen Fall offiziell interpretiert wird. Der unabhängige Richter gehört weder mir noch der Regierung. Der abhängige Zensor ist selbst Regierungsglied. Bei dem Richter tritt höchstens die Unzuverlässigkeit einer einzelnen Vernunft, bei dem Zensor die Unzuverlässigkeit eines einzelnen Charakters ein. Vor den Richter wird ein bestimmtes Preßvergehen, vor den Zensor wird der Geist der Presse gestellt. Der Richter beurteilt meine Tat nach einem bestimmten Gesetz; der Zensor bestraft nicht allein die Verbrechen, er macht sie auch. Wenn ich vor Gericht gestellt werde, so klagt man mich der Übertretung eines vorhandenen Gesetzes an, und wo ein Gesetz verletzt werden soll, muß es doch vorhanden sein. Wo kein Preßgesetz vorhanden ist, kann kein Gesetz von der Presse verletzt werden. Die Zensur klagt mich nicht der Verletzung eines vorhandenen Gesetzes an. Sie verurteilt meine Meinung, weil sie nicht die Meinung des Zensors und seiner Vorgesetzten ist. Meine offene Tat, die sich der Welt und ihrem Urteil, dem Staat und seinem Gesetz preisgeben will, wird gerichtet von einer versteckten, nur negativen Macht, die sich nicht als Gesetz zu konstituieren weiß, die das Licht des Tages scheut, die an keine allgemeinen Prinzipien gebunden ist.

Ein Zensurgesetz ist eine Unmöglichkeit, weil es nicht Vergehen, sondern Meinungen strafen will, weil es nichts anderes sein kann als der formulierte Zensor, weil kein Staat den Mut hat, in gesetzlichen allgemeinen Bestimmungen auszusprechen, was er durch das Organ des Zensors faktisch ausüben kann. Darum wird auch die Handhabung der Zensur nicht den Gerichten, sondern der Polizei überwiesen.

Selbst wenn die Zensur faktisch dasselbe wäre als die Justiz, so bleibt dies erstens ein Faktum, ohne eine Notwendigkeit zu sein. Dann aber gehört |63| zur Freiheit nicht nur was, sondern ebensosehr, wie ich lebe, nicht nur, daß ich das Freie tue, sondern auch, daß ich es frei tue. Was unterschiede sonst den Baumeister vom Biber, wenn nicht, daß der Biber ein Baumeister mit einem Fell, und der Baumeister ein Biber ohne Fell wäre?

Unser Redner kömmt zum Überfluß noch einmal auf die Wirkungen der Preßfreiheit in den Ländern, wo sie wirklich existiert, zurück. Da wir dies Thema schon weitläufig abgesungen, so berühren wir hier nur noch die französische Presse. Abgesehen davon, daß die Mängel der französischen Presse die Mängel der französischen Nation sind, so finden wir das Übel nicht, wo der Redner es sucht. Die französische Presse ist nicht zu frei; sie ist nicht frei genug. Sie unterliegt zwar keiner geistigen Zensur, aber sie unterliegt einer materiellen Zensur, den hohen Geldkautionen. Sie wirkt daher materiell, eben weil sie aus ihrer wahren Sphäre in die Sphäre der großen Handelsspekulationen hineingezogen wird. Zudem gehören zu großen Handelsspekulationen große Städte. Die französische Presse konzentriert sich daher auf wenige Punkte, und wenn die materielle Kraft, auf wenig Punkte konzentriert, dämonisch wirkt, wie nicht die geistige?

Wenn ihr aber durchaus die Preßfreiheit nicht nach ihrer Idee, sondern nach ihrer historischen Existenz beurteilen wollt, warum sucht ihr sie nicht da auf, wo sie historisch existiert? Die Naturforscher suchen durch Experimente ein Naturphänomen in seinen reinsten Bedingungen darzustellen. Ihr bedürft keiner Experimente. Ihr findet das Naturphänomen der Preßfreiheit in Nordamerika in seinen reinsten, naturgemäßesten Formen. Wenn aber Nordamerika große historische Grundlagen der Preßfreiheit hat, so hat Deutschland noch größere. Die Literatur und die damit verwachsene geistige Bildung eines Volkes sind doch wohl nicht nur die direkten historischen Grundlagen der Presse, sondern ihre Historie selbst. Und welches Volk in der Welt kann sich dieser unmittelbarsten historischen Grundlagen der Preßfreiheit rühmen, wie das deutsche Volk?

Aber, fällt unser Redner wieder ein, aber wehe um Deutschlands Moralität, wenn seine Presse frei würde, denn die Preßfreiheit bewirkt »eine innere Demoralisation, die den Glauben an eine höhere Bestimmung des Menschen und mit ihr die Grundlage wahrer Zivilisation zu untergraben suche«.

Demoralisierend wirkt die zensierte Presse. Das potenzierte Laster, die Heuchelei, ist unzertrennlich von ihr, und aus diesem ihrem Grundlaster fließen alle ihre anderen Gebrechen, denen sogar die Anlage zur Tugend fehlt, ihre, selbst ästhetisch betrachtet, ekelhaften Laster der Passivität. Die Regierung hört nur ihre eigene Stimme, sie weiß, daß sie nur ihre eigene Stimme hört und fixiert sich dennoch in der Täuschung, die Volksstimme zu |64| hören, und verlangt ebenso vom Volke, daß es sich diese Täuschung fixiere. Das Volk seinerseits versinkt daher teils in politischen Aberglauben, teils in politischen Unglauben, oder, ganz vom Staatsleben abgewendet, wird es Privatpöbel.

Indem die Presse jeden Tag von den Schöpfungen des Regierungswillens rühmt, was Gott selbst erst am sechsten Tag von seiner eigenen Schöpfung sagte: »Und siehe da, es war alles gut«, indem aber notwendig ein Tag dem anderen widerspricht, so lügt die Presse beständig und muß sogar das Bewußtsein der Lüge verleugnen und die Scham von sich abtun.

Indem das Volk freie Schriften als gesetzlos betrachten muß, so gewöhnt es sich, das Gesetzlose als frei, die Freiheit als gesetzlos und das Gesetzliche als das Unfreie zu betrachten. So tötet die Zensur den Staatsgeist.

...

Karl Marx/ Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 1. Berlin/DDR. 1976. S. 28-77.

http://www.mlwerke.de/me/me01/me01_060.htm

 

 

 

 

Wer da meint, die Zensur wäre in der Bundesrepublik des dritten Jahrtausend abgeschafft, der ist schwer auf dem Holzweg und sollte sich deshalb ab und an mal in der Zeitung informieren, solange dies noch frei schreiben darf::

 

"Vorauseilende Zensur. 

Wie ein medizinischer Fachverlag dem Druck der Pharmaindustrie nachgab und eine kritische Artikelserie stoppte"

Werner Bartens in: "Süddeutsche Zeitung", 19.09.2006, S. 18

 

 

 

Wen es wundert, dass die Zensur in Deutschland noch immer weit verbreitet ist, der braucht nur einmal im Strafgesetzbuch (34. Auflage, 2000) nachschlagen, ob dort die Zensur - also die Unterdrückung der Meinungs- und Informationsfreiheit - unter Strafe gestellt ist.  Im Sachwortverzeichnis fehlt das Stichwort Zensur. Statt dessen findet man im Strafgesetzbuch allerlei Paragraphen mit denen man bei Bedarf die Meinungs- und Informationsfreiheit unterdrücken kann. 

 

Man kann sich bei heutigen "rechtsstaatlich" verbrämten Tendenzen zur Unterdrückung der Meinungs- und Informationsfreiheit durchaus an die Zeiten in der verflossenen DDR erinnern, allerdings kam man dort bei zuviel Renitenz etwas schneller als heute ins Gefängnis, so z.B. Elke Wirth, weil sie SED-Funktionäre mit beißendem Spott überzog. 

 

vergleiche hierzu:

Bärbel Bohley / Gr. Praschel / R. Rosenthal (Hrg.): "Mut, Frauen in der DDR"; Herbig Verlag München, 2005 

 

Spott und Satire ist etwas was die vermeintlich Mächtigen überhaupt nicht mögen, denn der Spott trifft sie an ihrer empfindlichen Stelle, ihrer Hybris, ihrem Überlegenheitswahn und ihrem latenten Kleinheitsgefühl.

 

 

"Außer Frage steht, daß sich die Justiz der Kritik wegen ihrer Urteile stellen muß. Auch scharfer Protest und überzogene Kritik sind durch die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit gedeckt. ... "

Rudolf Wassermann, Präsident des Oberlandesgerichts a. D., In: NJW 1998, 730, 731

 

 

 

Recht hat er der Herr Wassermann. Doch wenn es ernst wird, sind solche schönen Sätze bloße Makulatur. Der Richterstaat weiß, wie er sich unbequeme Kritiker möglichst vom Halse schaffen kann. Schließlich hat der Richter immer recht und der normale Bürger immer Unrecht, wenn er auf einen Richter und dessen Meinung trifft. 

 

Im Bereich einer auch öffentlich geführten Diskussion zu sogenannten Sachverständigengutachten finden wir hier nun derzeit die befremdliche Situation vor, dass nach dem Willen einiger Gutachter und bedauerlicherweise auch nach dem Willen einiger Richter vom Amtsgericht Berlin-Charlottenburg und dem Landgericht Berlin, sowohl die Informationsfreiheit als auch die Meinungsfreiheit eingeschränkt werden soll. Dies nicht etwa mit der Begründung, dass das Persönlichkeitsrecht von Verfahrensbeteiligten betroffen wäre, dies wäre nachvollziehbar, ist doch deren Recht grundgesetzlich abgesichert, sondern mit der Berufung auf das Urheberrecht, das es verbiete, ohne die Zustimmung eines Gutachters, sich öffentlich mit dessen Gutachten auseinander zusetzen. 

Und damit man womöglich gleich weiß, was Sache ist und wo womöglich der Hammer hängt, teilt Dr. Scholz, Vorsitzender Richter am Landgericht Berlin noch vor einem angesetzten Anhörungstermin und einer Verkündung eines erst daraufhin erfolgenden Beschlusses in einem Berufungsverfahren in einem Schreiben vom 30.03.2006 mit: 

 

"Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Teilurteil des Amtsgerichts Charlottenburg vom ... zurückzuweisen. 

... Aus Gründen der Kostenersparnis wird angeregt, die Rücknahme der Berufung zu erwägen."

 

 

Man könnte nun meinen, dies wäre eine neue Methode beim Berliner Landgericht um die Zahl der gerichtlichen Verfahren zu vermindern und der möglicherweise überquellenden Aktenberge Herr zu werden. Man könnte aber auch glatt auf den Gedanken kommen, dass ein solcher diskreter "Hinweis" rechtsstaatlich in keiner Weise erlaubt sei und schon gar nicht einem Vorsitzenden Richter am Landgericht Berlin, doch wer einen solchen Gedanken öffentlich äußern würde und sei es auch nur rhetorisch, der riskiert sicherlich die ewige Verdammnis und darüber auch noch die Heranziehung zu den Kosten einer höchstrichterlich veranlassten Abmahnung. 

 

So manche heutige gerichtliche Gepflogenheiten erscheinen leicht als starker Tobak und dürfte zumindest den ehemaligen Bürgern der 1989 infolge innerer Auszehrung implodierten DDR sehr bekannt vorkommen, galt doch dort die Honeckersche Devise: Eine freie Diskussion ist nicht erlaubt, denn das schadet erstens dem Sozialismus und zweitens könne der Klassenfeind eine solche Diskussion für seine sozialismusfeindlichen Zwecke ausnutzen. 

Da aber doch der eine oder andere das Honeckersche Verbot missachtete, galt es die unbequemen Kritiker mundtot zu machen. Der Physik-Professor und Dissident Robert Havemann bekam daher Hausarrest in seinem Haus in Grünheide und ein Strafverfahren wegen angeblicher Devisenvergehen - der spätere PDS-Frontmann Gregor Gysi war sein damaliger Strafverteidiger. Der Philosoph Rudolf Bahro wurde, weil er sein Buchmanuskript "Die Alternative", das er in der DDR nicht hätte veröffentlichen können, in den Westen schmuggeln ließ, der Spionage bezichtigt, eingesperrt und später vorzeitig aus der Haft in die BRD entlassen. 

 

Vergleiche hierzu auch:

Rolf Henrich: "Der vormundschaftliche Staat"; Kiepenheuer, Leipzig und Weimar, 1990

 

 

 

Auch der Autor dieser Internetseite musste sich - wenn auch sicher nicht mit Robert Havemann oder Rudolf Bahro zu vergleichen, 1988/89 als Student vor der FDJ-Leitung der Sektion Mathematik der Humboldtuniversität verantworten, da er ohne deren Genehmigung eigene Diskussionsbeiträge an die im Flur der dritten Etage im Hauptgebäude Unter den Linden befindliche Wandzeitung geheftet hatte. Die DDR ging wenig später den Bach hinunter, getreu dem von Gorbatschow geäußerten Satz: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben". 

Schließlich bekamen die DDR-Bürger wonach sie in ihrer Mehrheit verlangten, einen abgefederten Anschluss an die Bundesrepublik Deutschland - euphemistisch auch als Wiedervereinigung bezeichnet, grad wie in dem Witz von den beiden Gurken, die sich beide wiedervereinen wollen und schließlich als Gurkensalat in einer Schüssel enden. Wie sagte doch Willy Brand so schön: Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört.

Fortan lebten die biederen DDR-Bürger in einer vergrößerten Bundesrepublik Deutschland, ein Staat von dem die Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley nicht ganz unzutreffend sagte "Wir wollten Recht und bekamen den Rechtsstaat". Seither sind 15 Jahre vergangen. Erich Honecker ist geächtet im chilenischen Exil gestorben, Erich Mielke beendete seine Tage in einer 2-Raumwohnung in Berlin-Hohenschönhausen.

Nazitäter in der BRD der Nachkriegsjahre wurden bedeutend besser behandelt als die vergleichsweise harmlose senile Führungsriege der DDR. Nazimörder und Schreibtischtäter erhielten in der BRD jahrzehntelang üppige Pensionen. Ideologische Hardliner wie Hans-Dieter Schütt, zu DDR-Zeiten Chefredakteur der Zeitung "Junge Welt") haben nach 1989 immerhin über ihre Verfehlungen nachgedacht und sich, soweit zu sehen auch verändert. Peter Thiel ging und geht seinen nicht immer einfachen, mitunter auch etwas verschlungenen Weg weiter, getreu dem Motto: Die Hunde bellen, die Karawane zieht ihren Weg. 

 

Heutigentags kennt man die Einschränkung der Meinungsfreiheit eher aus Ländern wie z.B. der Türkei oder Weißrussland und man wundert sich, dass die Verhältnisse in diesen Ländern und Deutschland sich mitunter näher zu sein scheinen, als man bisher glauben wollte.

 

 

16.12.2005

Eine Frage der türkischen Ehre

Vor dem Gesetz: Heute beginnt in Istanbul der Strafprozess gegen den Schriftsteller Orhan Pamuk

Von Thomas Seibert

Er wolle endlich wieder an seinen Schreibtisch zurück, hat Orhan Pamuk vor Beginn seines Gerichtsprozesses in Istanbul gesagt. Der wichtigste zeitgenössische Schriftsteller der Türkei arbeitet an einem neuen Buch. Eine Liebesgeschichte soll es werden, Ende nächsten Jahres soll sie auf dem Markt sein. Der Strafprozess, der an diesem Freitag vor dem Amtsgericht im Istanbuler Stadtteil Sisli beginnt, hat Pamuk ins Scheinwerferlicht der internationalen Politik gerückt. Sein Fall ist zum Symbol der Auseinandersetzung zwischen Reformern und Nationalisten in der Türkei geworden. Der Streit wird von der EU genau beobachtet, und er wird auch dann noch nicht beendet sein, wenn Pamuk, wie allgemein erwartet wird, dem Gefängnis entgeht. Dem Gesetz nach drohen ihm bis zu drei Jahre Haft.

...

http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/16.12.2005/2239579.asp

 

 

 

 

Nun geht es in Deutschland zugegebenermaßen noch nicht ganz so komfortabel wie in der Türkei zu, man kennt in Deutschland derzeit noch kein Gesetz der Art „Beleidigung des Türkentums, Verunglimpfung der Republik, der Regierung, des Parlaments, der Justiz, der Armee und der Polizei" dass renitente Zeitgenossen unter Strafe stellt. Zugegebener Maßen gab es dass in Deutschland aber von 1933 bis 1945 schon einmal, was uns zeigt, dass Deutschland früher kein Musterländle war und die Deutschen sich in der Vergangenheit recht anfällig für totalitäres Gedankengut zeigen. Was damals war, kann kann auch heute in Deutschland wider werden und dann braucht es auch nicht des umständlichen gerichtlichen Rückgriffs auf das Urheberrecht von Gutachtern, um die Meinungsfreiheit in den staatlichen Würgegriff zu bekommen.

 

Man mag am Amtsgericht Charlottenburg Probleme mit der Meinungsfreiheit haben, so dass man meint, diese mit der Krücke des Urheberechts erschlagen zu müssen, gottlob scheint das anderenorts auch anders zu gehen, so dass man nicht völlig meinen muss, der demokratische Rechtsstaat wäre zu Gunsten des oligarchischen Richterstaates abgeschafft.

 

Vergleiche hierzu:

Bernd Rüthers: "Methodenrealismus in Jurisprudenz und Justiz"; In: "Juristenzeitung", 2006, Heft 2, S. 53

 

 

 

Kritik an Ahmadiyya rechtens

SIEG FÜR MEINUNGSFREIHEIT UND TOLERANZ

Der Versuch der Ahmadiyya-Sekte, Kritiker mit Hilfe deutscher Gerichte mundtot zu machen, ist ein weiteres mal gescheitert. Damit dürfen sachlich begründete "Parallelen zu nationalsozialistischem Gedankengut beziehungsweise mafiosen Strukturen" der Ahmadiyya gezogen sowie deren Standard-Behauptungen mit wissenschaftlichen Methoden widerlegt werden. Das ist auch ein Sieg für die Toleranz, die keine Einbahnstrasse sein kann, sondern auch für Ahmadiyya gilt.

 

Das Schreiben der Staatsanwaltschaft im Wortlaut:

______________________________________

Staatsanwaltschaft beim Landgericht Frankfurt am Main

7.2.2003 - Az.: 6100 Js 239185/02

Das Ermittlungsverfahren gegen Dr. Hiltrud SCHRÖTER

wegen Verdachts der Beschimpfung von Bekenntnissen pp. gem. § 166 StGB (Strafanzeige des Ahmadiyya Muslim Jamaat e.V. in Frankfurt am Main vom 24.9.2002)

wird eingestellt

Gründe:

Die als pädagogische Mitarbeiterin an der Universität Frankfurt am Main tätige Beschuldigte befasst sich in ihren wissenschaftlichen Arbeiten u.a. auch mit dem Anzeigeerstatter und dem von ihm vertretenen religiösen Inhalten und hat in diesem Zusammenhang auch verschiedene Schriften veröffentlicht.

Gegenstand der Strafanzeige ist einmal der Inhalt des am 22.2.2002 in Schlüchtern anlässlich eines Vortrags verteilten Thesenpapiers "Ahmadiyya-Bewegung des Islam" sowie des am 15.3.2002 im Verlag Hänsel-Hohenhausen erschienenen gleichnamigen Buches. Die Beschuldigte setzt sich hierin in wissenschaftlicher Form mit den Inhalten der Religionsgesellschaft auseinander und zieht - nach Darstellung entsprechender Zitate - unter anderem Parallelen zu nationalsozialistischem Gedankengut beziehungsweise mafiosen Strukturen.

Entgegen der Ansicht des Anzeigeerstatters liegt hierin kein "Beschimpfen" im Sinne von § 166 StGB. Hierfür reicht weder eine ablehnende Haltung noch eine scharfe Kritik aus. Durch die von der Beschuldigten herausgestellten und sodann bewerteten einzelnen Aussagen unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt wesentlich von dem der Entscheidung des OLG Celle vom 8.10.1985 zugrundeliegenden (NJW 1986,1275, 1276). Der Beschuldigten geht es, wie in den Texten ohne weiteres erkennbar wird, um eine Auseinandersetzung in der Sache, die auch mit harten Formulierungen geführt werden darf, zumal die Thematik gegenwärtig von besonderem öffentlichen Interesse ist (Stichwort: "lslamismus"). Auch der Anzeigeerstatter scheint dies letztlich so zu sehen, wie die ins Internet gestellte "Entgegnung" seines Sprechers Hübsch zeigt.

(Oberstaatsanwalt Claude)

 

3.

http://www.pro-schluechtern.de/texte/schroeter/

 

http://de.wikipedia.org/wiki/Ahmadiyya

 

 

 

 

Die Tätigkeit von Gutachtern, die ihrerseits als Helfer des Richters als dem zuständigen Vertreter der staatlichen Rechtspflege und damit letztlich im öffentlichen Auftrag tätig sind, ist jahrzehntelang faktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit gelaufen. Öffentlich Kritik zu äußern traute sich bisher kaum jemand. Die Betroffenen nicht, weil sie, wohl nicht zu Unrecht, negative Folgen im Gerichtsverfahren befürchteten, die progressiven Fachkräfte, von denen eine solche Kritik hätte kommen können, nicht, weil sie wohl zu recht oder unrecht seitens ihrer konformeren Kollegen den Vorwurf der Nestbeschmutzung befürchteten oder auch Angst vor dem Versuch rechtlicher Sanktionierungen seitens der kritisierten Gutachter hatten. Dass eine solche Angst nicht völlig unbegründet ist, zeigt der Fall des Autors dieser Internetseite, der von dem sich kritisiert fühlenden Gutachter W. unter dem offenkundig damit in keinem sachlichen Zusammenhang damit stehenden Deckmantel des Urheberrechts verklagt wurde. Ob solche Attacken auf die Dauer Erfolg haben werden, wird man sehen müssen. Es wäre allerdings für den Rechtsstaat und die Demokratie sehr fatal, wenn sich solche Rechtsauffassungen in Deutschland durchsetzen würden.

  

Es gab und gibt zwar veröffentlichte Aufsätze in Fachzeitschriften zum Thema Gutachten, die aber nur wenig Einblick in konkrete kritikwürdige Zustände der Tätigkeit von Gutachtern geben. Eine der wenigen löblichen Ausnahmen war und ist Uwe-Jörg Jopt, Professor an der Universität Bielefeld, der bereits 1992 in seinem Buch "Im Namen des Kindes. Plädoyer für die Abschaffung des alleinigen Sorgerechtes" den etablierten selektionsorientiert arbeitenden Gutachtern empfindlich auf die Zehen getreten ist. Dass sich in der Bundesrepublik Deutschland die Geheimniskrämeratmosphäre für Gutachter so lange Zeit fast unangefochten gehalten hat - man fühlt sich an die Meinungsunfreiheit in der DDR erinnert - dürfte auch dem nachwirkenden Zeitgeist  der 1945 zusammengebrochenen nationalsozialistischen Diktatur und dem fortwirkenden Zeitgeist der 50er Jahre (Unter den Talaren, Muff von Tausend Jahren) geschuldet sein.

 

 

"Meinungs- und Pressefreiheit haben für die Entfaltung des Einzelnen und die Festigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung seit je her ein besonderes Gewicht. ...

Zu den schwierigsten Problemen des Presse- und Äußerungsrechts gehört die Auslegung inkriminierter Äußerungen und deren Zuordnung zu den Bereichen der Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung. Bereits auf dieser Stufe ist dem Grundrecht der Meinungsfreiheit Geltung zu verschaffen. Die Auslegung einer Äußerung durch die Fachgerichte unterliegt daher der uneingeschränkten Überprüfung durch das BVerfG. Nach den von ihm aufgestellten Grundsätzen ist eine Aussage im Zweifel als Meinungsäußerung einzustufen; das gilt insbesondere dann, wenn sich tatsächliche und wertende Elemente in ihr untrennbar miteinander vermischen."

Soehring, Jörg; Seelmann-Eggebert: "Die Entwicklung des Presse- und Äußerungsrechts in den Jahren 2000 bis 2004", In: "Neue Juristische Wochenschrift", 9/2005, S. 571/572-573

 

Bertram, Günter: "Meinungsfreiheit oder ´political correctness`?", In: "Recht und Politik", S. 1/2005, S. 33-37 

 

 

 

 

 

"... kommt der auch durch Art. 5 I GG geschützten Freiheit der Meinungsäußerung, der Presse- und der Rundfunkfreiheit ein hoher Rang zu. Dies hat das BVerGE seit jeher betont (...). Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Bedeutung umfassender und wahrheitsgemäßer Informationen der Bürger, welche namentlich der Presse und dem Rundfunk obliegt und Grundvoraussetzung des Prozesses demokratischer Meinungs- und Willensbildung ist. Information und Meinungsfreiheit gewinnen bei einem Konflikt mit anderen Rechtsgütern besonderes Gewicht, wenn sie Angelegenheiten betreffen, welche die Öffentlichkeit wesentlich berühren (vgl. ...)."

 

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3.12.1986 - 1 BvL 15/84

veröffentlicht in "NJW", 1986, Heft 19

 

 

 

Das Recht auf freie Meinungsäußerung erlaubt auch, dass jemand Gewalt gegen Kinder in der familiären Erziehung für legitim hält und dies auch öffentlich bekundet. Dieses Recht auf freie Meinungsäußerung gilt natürlich auch für Generalstaatsanwälte. 

 

"Klaps-Ermittlungen eingestellt

Berlin- Das Ermittlungsverfahren gegen Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge wegen umstrittener Äußerungen zur Kindererziehung ist eingestellt - kein Verdacht einer Straftat. Karge hatte auf einer CDU-Veranstaltung gesagt, in der Familienerziehung lasse er sich einen Klaps nicht verbieten. Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann hatte Karge daraufhin angezeigt. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft habe Karge aber nur seine private Haltung kundgetan und nicht zielgerichtet zu Straftaten aufgefordert."

"BZ", 29.11.2005, S. 8

 

 

 

Die Meinungsfreiheit ist verfassungsrechtlich sogar dann geschützt, wenn sie bis an die Grenze der Schmähkritik geht. In den USA soll, soweit zu hören, die Meinungsfreiheit sogar darüber hinaus geschützt sein. Dass dies neben der generellen Frage nach der Diskussionskultur auch konkrete negative Aspekte zur Folge hat, wie die Veröffentlichungen rassistischer und neofaschistischer Webseiten aus den USA zeigen, sei hier angemerkt. 

 

In Deutschland ist es zwar zulässig einen internationalen Konzern als "Jobkiller" zu bezeichnen, nur weil die die Konzernleitung beschlossen hat, einen Standort aufzugeben und der Logik der kapitalistischen Marktwirtschaft folgend ganz legal in einem anderen Land weiterzuproduzieren. 

 

 

-----Ursprüngliche Nachricht-----

Von: Buendnis 90 / Die Gruenen [mailto:versendung@gruene-berlin.de]

Gesendet: Dienstag, 29. November 2005 15:27

An: Verteiler

Betreff: Samsung Aktion

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

die Firma Samsung Berlin kämpft ums Überleben. Der Konzern will, nachdem er reichlich Fördergelder abgegriffen hat, das Berliner Werk in Oberschöneweide jetzt schließen und nach Ungarn gehen - wahrscheinlich um dort wieder reichlich Förderung zu bekommen.

Anläßlich der Regierungserklärung morgen will die gesamte Belegschaft vor dem Reichstag demonstrieren. Renate Künast wird ein Grußwort halten, die Abgeordnetenhausfraktion wird mit einem Transparent "Samsung - Jobkiller" vorort sein.

Treffpunkt ist Mittwoch, 30.11.2005, 14.00 Uhr, Ebert- Ecke Scheidemannstr. ggü Reichstag.

Wir würden uns freuen, wenn Ihr Euch zahlreich beteiligen würdet. Jeder Arbeitsplatz ist es wert.

Stachlige Grüße

Volker Ratzmann, MdA

Frakionsvorsitzender

 

 

 

Doch einen selektiv arbeitenden Gutachter als "Elternkiller" zu bezeichnen, kann strafrechtliche Verfolgung nach sich ziehen. Das ganze nennt man Schutz des Persönlichkeitsrechtes des betreffenden Gutachters und da Konzerne keine Persönlichkeitsrechte haben, darf man sie im Gegensatz zu natürlichen Personen beschimpfen wie man will. So dürfte es auch nicht strafbar sein, die Firma Degussa in Anspielung an deren Beteiligung an der Verwertung von Gold aus jüdischen Besitz, bzw. den Gebissen der in den KZ`s ermordeten Juden in der NS-Zeit als Zahngoldprofiteur zu bezeichnen.

 

 

"Für kritische Wirtschaftsberichtserstattung gelten keine Besonderheiten. Insbesondere ist auch die kritische Bewertung eines Unternehmens oder eines Produkts zulässig (161 Vgl. BGH, NJW 2005, 279). So musste ein Mediziner, der unter seinem Namen vertriebene hoch dosierte Vitaminpräparate anpries, sich die Bezeichnung `Scharlatan` und `Pfuscher` gefallen lassen (162 OLG Karlsruhe, NJW-RR, 2002, 1695 = AfP 2002, 533; s. auch BGH, NJW 2002, 1192 = AfP 2002, 169 - Käsevergleich). Nicht zu beanstanden war auch die Bezeichnung zweier für den Strukturvertrieb von Immobilien verantwortlichen Brüder als `Immobilienhaie` und die Beschreibung ihrer Selbstdarstellung als `blanker Hohn` (163 OLG Frankfurt a.M., AfP 2000, 576) oder die Bewertung eines Investoren-Clubs als `Vermögensvernichter` (164 BVerG, NJW-RR, 2004, 1710). Wo aber tatsächliche Bezugspunkte für eine wertende Kritik fehlen, kann auch kritische Produktberichtserstattung bereits unterhalb der Schwelle der Schmähung unzulässig sein."

Soehring, Jörg; Seelmann-Eggebert, Sebastian: "Die Entwicklung des Presse- und  Äußerungsrechts in den Jahren 2000 bis 2004", In: NJW 9/2005, S. 579

 

 

 

Speziell zum Thema Meinungsfreiheit und Justiz äußert der Justizminister des Landes Rheinland/Pfalz Herbert Mertin in einem Interview für die "Zeitschrift für Rechtspolitik":

 

Frage ZRP

"Vor allem Richter waren ja einmal sehr dünnhäutig, wenn sie in den Medien kritisiert wurden. Und wie ist es heute - wie gelassen gehen sie mit Kritik um?

Mertin: ... Die Richterinnen und Richter gewöhnen sich zunehmend an einen offenen und freien Umgang mit den Medien - was schon deshalb beachtlich ist, weil es an keiner juristischen Fakultät ein Unterrichtsfach `Öffentlichkeitsarbeit` gibt. Aber die meisten haben gemerkt, dass ein zeitgemäßes Verständnis von den realen Verhältnissen der heutigen Meinungs- und Mediendemokratie und ein Eingehen darauf unverzichtbar sind. Es ist eine wichtige Aufgabe der Gerichte und Staatsanwaltschaften, ihre Entscheidungen verständlich zu begründen und dann offensiv zu vertreten - gerade auch gegen Kritik. Die verfassungsrechtlich garantierte richterliche Unabhängigkeit schützt sie zwar vor Eingriffen durch die erste und zweite Gewalt. Vor zulässiger Kritik durch die Medien schützt die Verfassung nicht; und sie soll das auch gar nicht. Unabhängige und gefestigte Richterpersönlichkeiten können damit umgehen."

In: "Zeitschrift für Rechtspolitik", 6/2005, S. 205

 

 

Ein interessantes inzwischen schon historisches Beispiel zum Thema Meinungsfreiheit finden wir in einem Nachruf für Ursula Schaar:

 

 

Ursula Schaar

Ein Nachruf von Michael Cramer

Ursula Schaar ist tot. Sie starb im Alter von fast 82 Jahren am 28. April 2005. Für die `Alternative Liste für Demokratie und Umweltschutz` (AL), dem Vorläufer von Bündnis 90/Die Grünen, für die sie von 1981-83 in der ersten Abgeordnetenhaus-Fraktion saß - und auch für die GEW-Berlin - repräsentierte Ursula Schaar die zahlenmäßig sehr kleine Eltern-Generation der aufmüpfigen 68er Bewegung.

Die vorgezogenen Neuwahlen vom Mai 1981 haben die politische Landschaft in West-Berlin gewaltig verändert. Die durch den sprichwörtlich gewordenen `roten Filz` und zahlreiche Skandale (u.a. Garski-Skandal) arg gebeutelte SPD musste den Wahltermin akzeptieren, weil CDU und AL ein entsprechendes Bürgerbegehren initiierten. Die SPD befand sich nach jahrzehntelanger Regierungsbeteiligung erstmals auf den Oppositionsbänken wieder. Die AL übersprang mit 7,2 % souverän die 5 %-Hürde und zog mit neun Abgeordneten erstmals ins Berliner Abgeordnetenhaus ein.

Der neue Regierende Bürgermeister hieß Richard von Weizsäcker, aus Rheinland-Pfalz brachte er Hanna-Renate Laurin als neue Schulsenatorin mit. Ursula Schaar stand ihrer gleichaltrigen Kombattantin an Lebenserfahrung um nichts nach; was die Schulpraxis in einem Nordneuköllner multikulturellen Bezirk betraf, hatte sie natürlich große Vorteile, die sie für die benachteiligten Kinder in der Berliner Schule sehr gut zu nutzen verstand.

`Mit und gegen den Strom´ war das von ihr selbst gewählte Motto ihres Lebens. Das galt für die SPD, die GEW Berlin und auch für die Grünen. Sie stritt mit uns gegen die von der SPD zu verantwortenden Berufsverbote und Unvereinbarkeitsbeschlüsse, gegen den Napalm-Krieg der USA in Vietnam. Sie unterstützte die Hausbesetzerbewegung, die sich nach dem Motto `Instand besetzen statt Kaputtbesitzen` für eine andere Wohnungspolitik einsetzte.

Sie stritt auch für `Atomkraft? - Nein Danke!` Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie wir als Neuköllner SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen nach Bonn zur großen Anti-AKW-Demo am 14. Oktober 1979 fuhren und in meiner Heimatstadt Ennepetal übernachteten. Nur so war es zu Mauerzeiten möglich, von West-Berlin aus rechtzeitig zum Demo-Beginn zu kommen. An dieser Demonstration nahmen übrigens mehr als 100 000 Demonstrantlnnen teil.

Die Menschenrechte - insbesondere das Recht auf freie Meinungsäußerung - verteidigte sie, auch und gerade wenn sie die Meinung der anderen nicht teilte. In der `Liga für Menschenrechte fand sie einen weiteren Rahmen für ihr Engagement. Beim Einfordern von demokratischen Freiheiten blieb sie `zweiäugig“ - in der DDR und Osteuropa fand sie nur die Dissidenten interessant.

Als die GEW Berlin 1977 aus der GEW Bund und aus dem DBG rausgeschmissen wurde, weil sie sich als Einheitsgewerkschaft und nicht als sozialdemokratische Richtungsgewerkschaft verstand, blieb Ursula Schaar nicht in der GEW Berlin, sondern trat in die neu gegründete GEW im DGB ein. Es muss ihr schwer gefallen sein, denn inhaltlich vertrat sie die Position der GEW Berlin im Kampf gegen alle von Unvereinbarkeitsbeschlüssen und Berufsverboten Betroffenen, unabhängig von ihrer parteipolitischen Zuordnung. Und gerade in ihrem `Heimatbezirk` Neukölln, der sich durch den rechtssozialdemokratischen Volksbildungsstadtrat Böhm zur Hochburg der Berufsverbote entwickelt hatte, wurde in dieser Frage sehr kontrovers diskutiert.

Nach der 1979 erfolgten Fusion der gespaltenen GEW Berlin wurde sie per Urabstimmung in Neukölln zur Bezirksvorsitzenden gewählt. Sie hatte die Fähigkeit, uns aufbrausende und freche Youngsters gewähren zu lassen und uns Schutz zu geben. Niemals werde ich vergessen, wie der Stadtrat in den Gesprächen mit der Bezirksleitung immer wieder versuchte, Ursula Schaar auf seine Seite zu ziehen. Niemals ist ihm das gelungen. Wie eine Glucke ihre Küken, so beschützte sie uns immer wieder vor den Drohgebärden dieses Stadtrats.

Es waren bewegte Zeiten und Ursula ging zusammen mit der Bezirksleitung voller Elan und nach dem Motto `freche Lehrer jammern nicht` an die Arbeit. Die Bezirksinfos wurden herausgegeben, die Missstände an der Neuköllner Schule publik gemacht und die Beschränkung der Meinungsfreiheit öffentlich artikuliert. Neben dem Einsatz für bessere Bedingungen der benachteiligten Schüler waren die Themen auch immer wieder die politischen Disziplinierungs- und Einschüchterungsversuche durch den Stadtrat. Auch der Kampf gegen das `Plakettenverbot` hatte in Neukölln seine Urheberschaft. KollegInnen der 9. Sonderschule weigerten sich, bei einem Stadtratsbesuch die Plakette `Atomkraft? -Nein Danke!` abzunehmen und wurden mit einem Plakettenverbot belegt. Die von den KollegInnen dagegen angestrengte Klage war erfolgreich: Der damalige Arbeitsrichter Peter Strieder entschied zugunsten der Meinungsfreiheit, der liberale Schulsenator Walter Rasch akzeptierte diese erstinstanzliche Entscheidung.

Den größten Erfolg verzeichnete die GEW Neukölln aber im Juni 1980 mit der Herausgabe der Broschüre `Schwarzbuch Böhm - dieser Stadtrat muss weg`. In nicht weniger als 16 Fällen hing das Damoklesschwert vom Berufsverbot über Neuköllner Kolleginnen und Kollegen. Als 1. Vorsitzende übernahm Ursula Schaar die Verantwortung zusammen mit ihren Vorstandsmitgliedern. Das Bezirksamt stellte Strafantrag und das Amtsgericht Tiergarten verurteilte die Herausgeber zu einer Geldstrafe von mehr als 30 000 DM. Daraufhin haben sich 200 Neuköllner LehrerInnen solidarisch und öffentlich zur Herausgabe des Schwarzbuchs bekannt.

Die Berufungsverhandlung wurde ein voller Erfolg für die GEW Neukölln. Der Richter stellte das Verfahren gegen eine Geldbuße von 50 DM für das Berliner Frauenhaus ein, worin die Presse eine schallende Ohrfeige für den Stadtrat und die ihn bis zuletzt stützende SPD sah. Erst nach diesem peinlichen Verfahren erklärte der Stadtrat in den nach dem Scheitern des Stobbe-Senats notwendig gewordenen vorgezogenen Neuwahlen, dass er nicht wieder kandidieren würde. Stadtrat Böhm trat ab und Ursula Schaar zog als schulpolitische Sprecherin für die AL ins Abgeordnetenhaus ein.

...

 

aus: "Stachlige Argumente" - Zeitschrift von Bündnis 90 / Die Grünen; 4/2005, S. 46-47

 

 

 

 

 

 

Anmerkung zum Thema "Berechtigtes Interesse"

Im Zusammenhang mit der Meinungs- und Informationsfreiheit wird gelegentlich die Meinung vertreten, dass die Öffentlichkeit nicht immer ein Recht darauf hätte, wahre Mitteilungen über eine Person zu erfahren, 

 

"... sondern nur solche, an deren Kenntnisnahme die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse hat."

Kammergericht, Urteil vom 28.04.1987 - 9 U 1052/87 (NJW 1989, 397)

 

 

Wer bestimmt nun aber darüber, wann die Öffentlichkeit ein "berechtigtes Interesse" hat und wann nicht? Darüber soll offenbar nach Ansicht des Berliner Kammergerichtes - das ist das für Berlin zuständige Oberlandesgericht - nicht die Öffentlichkeit selbst bestimmen, sondern das Kammergericht, das sich so in einer Art Zensurbehörde zu gefallen scheint. 

Das Kammergericht obliegt es in dieser Lesart letztlich, festzustellen, ob es ein öffentliches Interesse gäbe oder nicht. Damit zieht Richterwillkür in die Demokratie ein. Alle großen öffentlich bekannt werdenden Skandale fangen in der Regel damit an, dass es jemanden gibt, der an einer Verschleierung bestimmter Zustände Interesse hat und jemanden, der - aus welchen Gründen auch immer - an einer Aufdeckung Interesse hat. Denken wir hier nur an den Berliner Bankenskandal. Mit der Definition des Kammergerichtes versehen, hängt es also vom Berliner Kammergericht ab, ob die Öffentlichkeit etwas vom Bankenskandal erfahren kann oder nicht. So etwas nannte man früher Zensur und man fragt sich, ob das Berliner Kammergericht im Jahr 1987 der damals noch existierenden DDR, in der die SED über die Interessen ihrer Bürgerinnen und Bürger zu bestimmen versuchte, seine Aufwartung machen wollte. 

Wenn solches die Oberhand gewinnen sollte, wären wir wieder bei den Zuständen im Jahr 1842 angelangt, über die bereits Karl Marx, der ein größerer Demokrat war als viele der heutigen Politiker, in seinen "Debatten über Preßfreiheit und Publikation der Landständischen Verhandlungen".

 

 

 

 

 

Satire, Schmähungen, Schmähkritik, Beleidigung

In Deutschland gilt das Recht auf Satire - aber nur gegenüber dem polnischen Nachbarn, wenn dieser zufällig eine Kartoffelnase hat.

 

Deutsch-polnische Beziehungen

Warnung aus Warschau

Ein Kommentar von Harald Martenstein

Das polnische Volk hat jetzt vor allem Solidarität verdient. Polen wird ganz offensichtlich von Wahnsinnigen regiert. Diese wurden aufgrund geringer Wahlbeteiligung nur von rund 20 Prozent der Polen gewählt, die Mehrheit der Polen kann nichts dafür. Die oppositionellen Polen haben ihrem Ministerpräsidenten übrigens den Spitznamen „Stalin“ gegeben. „Stalin“, der sich über die deutschen Medien ärgert, speziell eine Karikatur im Tagesspiegel, äußerte sich dieser Tage folgendermaßen: „Ich warne die deutschen Regierenden. Deutschland darf keine Äußerungen tolerieren, die zum Schlimmsten führen können: zu einem Unglück in Europa und damit auch zu einem Unglück, das die Deutschen selbst betreffen wird.“

Ersteres könnte man als Kriegsdrohung verstehen – offen ist nur, ob gegen Deutschland oder gegen den Tagesspiegel. Denn was sonst sollte wohl gemeint sein mit dem „Schlimmsten“? Was ist wohl das „Schlimmste“? Zum ersten Mal seit 1945 droht ein Staat des demokratischen Europa seinem Nachbarn – und Bündnispartner! – verklausuliert mit Gewalt. Wegen einer Karikatur! Ist das schon Irrsinn, Herr Doktor, oder geht das noch als Dummheit durch? Der Deutschen-, Liberalen-, Schwulen- und Krankenschwesternhasser Jaroslaw Kaczynski (die polnischen Schwestern streiken zur Zeit) ist mental einfach nicht in der Lage zu begreifen, was eine freie Presse ist. Er verlangt, dass in Deutschland die Zensur wiedereingeführt wird, dass verboten wird, ihn zu verspotten. Genau dies gehört aber zum Wesen der Demokratie, die Herrschenden müssen Spott ertragen, auch grenzüberschreitend. Was hat George W. Bush in allen möglichen Ländern nicht alles wegstecken müssen! König Kartoffel aber denkt wie die fanatischen Muslime. Polen ist der Iran Europas, regiert von Fundamentalisten, die Drohungen ausstoßen.

Die Antwort kann nur heißen: mehr Spott. Demokratie muss man eben lernen. Was die deutsche Kriegsschuld betrifft, die in Deutschland Schulstoff ist und jeden Tag im Fernsehen vorkommt, so dient sie der gekränkt explodierenden und dabei Schwaden von Vorurteil, Wirrnis und Dumpfheit freilassenden Königskartoffel von Warschau nur dazu, Vorteile herauszuschlagen. Als Nächstes werden sie verlangen, dass Miroslav Klose und Lukas Podolski bei der nächsten EM für Polen Fußball spielen, dass alle Klaus-Kinski-Filme als „polnisch“ gewertet werden und dass wir ihnen, damit Jaroslaw endlich eine Braut hat, Katja Ebstein ausliefern, die in Wahrheit Karin Witkiewicz heißt. Vor allem das Letztere wird Deutschland nie zulassen.

Der Tagesspiegel 29.06.2007

http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Titelseite-Polen-Kaczynski-Martenstein;art692,2330200

 

 

 

Wer durch das Beispiel des Berliner Tagesspiegels animiert, auf die Idee käme, man könne nun auch in Deutschland ungestraft behaupten, das Land würde von Wahnsinnigen regiert werden und dann vielleicht unbedachter Weise noch Namen nennen würde, sei es der des verstorbenen Jürgen Möllemanns, der amtierenden Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) oder des Vorsitzenden Richters am Bundesverfassungsgericht Hans-Jürgen Papiers, nur weil diese ein recht abenteuerliches und eigentümliches Verständnis vom Grundgesetz zeigten, was in der Privatwirtschaft zu einer sofortigen Versetzung in die Lohnbuchhaltung führen würde, der müsste gewärtigen, dass dafür die zuständige Staatsanwaltschaft kein Verständnis zeigen würde. Die Staatsanwaltschaft mag das nämlich gar nicht, wenn ungekrönte Könige und Königinnen wie z.B. Herr Papier und Frau Zypries  mit Spott bedacht werden. Nächstens kommt noch jemand daher und lästert über die " Schwaden von Vorurteil, Wirrnis und Dumpfheit freilassenden Königskartoffel" aus Karlsruhe. Dass Herr Papier und Frau Zypries sich beißenden Spott über die Jahre redlich verdient haben, zählt im Auge des deutschen Staatsanwaltes nicht. Er ist für die Wahrung der Staatsräson zuständig und diese verbietet es nun mal, einen Verfassungsrichter oder eine Justizministerin zu schmähen, ganz gleich ob sie es brauchen oder nicht.

 

 

 

 

Exkurs zum Thema Urheberrecht

In meinem Aufsatz zum Thema Urheberrecht beleuchte ich die Absurdität des deutschen Urheberrechtes und seine verheerenden Folgen für die Informationsfreiheit. Bezüge des Urheberechtes zu Fragen gutachterlicher Tätigkeit werden von mir beleuchtet.

Meinen Aufsatz zum Thema "Urheberrecht" finden Sie hier.

 

 

 

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

1. Vorbemerkung

2. Allgemeines

3. Kosten

4. Beweisbeschluss

5. Auswahl und Ernennung eines Gutachters (Sachverständigen)

6. Kompetenzen und Professionalität eines Gutachters

7. Einzelfragen

8. Tatsachenfeststellung

9. Sprache

10. Beantwortung der Beweisfrage

11. Auseinandersetzung mit der Arbeit des Gutachters

12. Gutachten im familiengerichtlichen Verfahren: Beratung - Coaching - Begleitung - Analyse - Expertise

 

 

 


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