Psyche

 

 

 

Für den Inhalt dieser Seite gilt das Urheberrecht. Zitierungen sind entsprechend Urheberrechtsgesetz § 51 mit Hinweis auf den Autor und die Fundstelle gestattet. Jede Verwendung außerhalb der Grenzen des Urheberrechts bedarf der vorherigen Zustimmung des Autors.

Sollte sich eine der hier namentlich genannten Fachkräfte ungerecht oder in unzulässiger Weise behandelt fühlen, so kann sich diese zur Klärung ihrer Einwände direkt an mich wenden. Der direkte Weg erspart der betreffenden Fachkraft möglicherweise Anwalts- und Gerichtskosten in erheblicher Höhe, so wie sie etwa der Diplom-Psychologe Klaus Schneider im Rechtsstreit mit Peter Thiel vor dem Landgericht Berlin hinnehmen musste.

Zur Frage der Zitierfähigkeit familiengerichtlich eingeholter Gutachten - Urteil des Landgerichtes Berlin vom 07.11.2006 - 16 O 940/05 - Landgericht Berlin - Rechtsstreit Diplom-Psychologe Klaus Schneider gegen Peter Thiel - Veröffentlicht auch in: "Zeitschrift für das gesamte Familienrecht", 16/2007, 15.08.2007, S. 1324-1325

Auf Grund der an einigen Amts- und Landgerichten, so z.B. beim Landgericht Frankenthal und beim Landgericht Hamburg, möglicherweise in Einzelfällen stattfindenden Zensur und der Beschneidung der Informations- und Meinungsfreiheit zugunsten sich hier kritisiert sehender Fachkräfte, erkläre ich vorsorglich, dass es sich auf meiner Internetseite - wenn nicht eindeutig von mir als Tatsache vorgetragen - immer um meine persönliche, verfassungsrechtlich geschützte Meinung handelt, die als solche naturgemäß weder wahr noch falsch sein kann. Mithin wird von mir auch ausdrücklich erklärt, dass es sich bei meiner Meinung, dass an einigen Amts- und Landgerichten, so z.B. beim Landgericht Frankenthal und beim Landgericht Hamburg, Zensur ausgeübt wird und die Informations- und Meinungsfreiheit zugunsten sich hier kritisiert sehender Fachkräfte beschnitten wird, um meine persönliche Meinung, nicht aber um eine Tatsachenbehauptung handelt.

 

Peter Thiel

Systemischer Berater, Systemischer Therapeut / Familientherapeut (DGSF), Verfahrenspfleger (SPFW Brandenburg) und Umgangspfleger 

07.02.2020

 

 

 

 

 

Schlüsselwörter: 

Angst, Depression, depressiv, Entwicklungspsychologie, Gesundheit, ICD-10, International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, klinische Psychologie, Krankheit, Neurose, Paranoia, paranoid, psychische Erkrankung, Psychohygiene, Psychologe, psychologisch, psycho-logisch, Psychiater, Psychiatrie, Psychoterror, Psychotherapeut, Schizophrenie, Tiefenpsychologie, tiefenpsychologisch, Verdrängung

 

 

 

 

Im folgenden finden Sie Ausführungen zu verschiedenen  Begriffen, die sich auf den "psychischen" Charakter des Menschen beziehen. 

Weitere Begriffe, die systemorientiert sind, finden Sie hier.

 

 

 

Angst

 

Neulich sah ich ein Haus. Es brannte. Am Dache

Leckte die Flamme. Ich ging hinein und bemerkte

Daß noch Menschen drin waren. Ich trat in die Tür

und rief ihnen zu, daß Feuer im Dach sei, sie also

auffordernd schnell hinauszugehen. Aber die Leute

Schienen nicht eilig. Einer fragte mich

Während ihm schon die Hitze die Braue versengte

Wie es draußen denn sei, ob es auch nicht regne,

Ob nicht Wind gehe, ob da ein anderes Haus sei

Und so noch einiges. Ohne zu antworten,

Ging ich wieder hinaus. Diese, dachte ich,

Müssen verbrennen, bevor sie aufhören zu fragen.

Wirklich, Freunde, wem der Boden noch nicht

So heiß ist, daß er ihn lieber mit jedem andern

Vertauschte, als daß er dabliebe,

Dem habe ich nichts zu sagen. ...

 

 

Bert Brecht; Gleichnis des Buddha vom brennenden Haus

 

 

 

Eine häufig anzutreffende resignative Redewendung lautet: Da kann man (ich) nichts machen. 

Oder: Die da oben machen ja doch was sie wollen.

Hinter dieser Haltung, die Brecht in seinem Gedicht meisterhaft beschrieben, mag die Grundüberzeugung stecken, scheitern zu wollen oder zu müssen. Für eine solche Haltung mag es viele Gründe geben. Letztlich geht es jedoch um das Thema Angst. 

Veränderungen, unbekannte und neue Situationen machen Angst, die ich vermeiden kann, wenn ich nichts verändere.  Leben ist jedoch Entwicklung und Veränderung, wer sich nicht verändern will, stagniert oder stirbt. Der Zusammenbruch der DDR im 40. Jahr ihres Bestehens ist dafür ein überzeugendes Beispiel. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, prophezeite Michael Gorbatschow wenige Monate vor der Implosion des verkrusteten Macht- und Staatsapparates in der DDR.

Wer da nun mein, dies wäre ein Phänomen die nur in realsozialistischen Systemen anzutreffen wäre, ist entweder hochmütig oder ein Narr. Die Angst vor der Neugestaltung ist eine universell anzutreffende Eigenschaft von Menschen.

Im Bereich familiengerichtlicher Auseinandersetzung ist das Thema Angst ein zentrales. Dies nicht nur bei den Eltern und bei dem Kind, sondern in der Regel auch bei den beteiligten Fachkräften, so dass eine Lösung von Problemen und Entwicklungsaufgaben häufig nicht stattfindet, sondern nur eine mehr oder weniger schlechte und dafür aber um so teurere und langwierige Verwaltung des Problems. So sind die meisten der sogenannten hochstrittigen familiengerichtlich ausgetragenen Konflikte auch der Angst der beteiligten Fachkräfte geschuldet, sich dem Konflikt zu stellen, Entscheidungen zu treffen, Risiken einzugehen und Verantwortung zu tragen.

Perls beschreibt die oft frustrierende Realität so: 

 

 

5. Soziale Angst vor der Neugestaltung

...

Wie wir schon in Kapitel 6 zu zeigen versucht haben, herrscht eine epidemische Angst vor der Spontanität. Sie ist das `Infantile par excellence, denn sie trägt der sogenannten `Realität` nicht Rechnung, sie ist unverantwortlich. Doch betrachten wir einmal das Sozialverhalten in einer normalen politischen Angelegenheit, um zu sehen, was diese Ausdrücke bedeuten. Hier ist eine Streitfrage, ein Problem, und da sind die Parteien, die sich bekämpfen: Das Problem wird so formuliert, wie es die Programme, die Sonderinteressen und die Geschichte dieser Parteien gebieten, und ihre Sichtweisen gelten nun als die einzig möglichen angesichts des Problems. Die Parteien bilden sich nicht aus der Realität der Problemlage heraus (außer in großen revolutionären Augenblicken), sondern das Problem wird nur dann als `real` angesehen, wenn es in dem von ihnen anerkannten Bezugssystem formuliert wird. Tatsächlich empfiehlt sich aber keine der gegensätzlichen Auffassungen spontan als wirkliche Lösung des wirklichen Problems, und man hat daher ständig nur die Chance, ´von zwei Übeln das kleinere` zu wählen. Natürlich erweckt eines solche Wahl keinerlei Enthusiasmus oder Initiative. Dies ist es, was man `realistisch` nennt.

Das schöpferische Angehen einer Schwierigkeit ist genau das Gegenteil: Es versucht, das Problem auf eine andere Ebene zu versetzen, durch Entdecken oder Erfinden einer neuen, dritten Alternative, die das wesentliche trifft und sich spontan empfiehlt.

Frederick S. Perls; Paul Goodman; Ralph F. Hefferline: “Gestalttherapie. Grundlagen“, dtv, 1979, S. 188/89

 

 

 

 

 

Autonomie

Der Mensch als gesellschaftsbezogenes Individuum bewegt sich im Spannungsfeld von Autonomie und Bezogenheit. Dies ist schon bei der Entwicklung des Embryos und Fötus im Mutterleib zu beobachten. Ab dem 22. Schwangerschaftstag beginnt der Herzschlag des Embryos autonom von der Mutter, während die Versorgung des Embryos (ab der 8./9. Schwangerschaftswoche des Fötus) mit Sauerstoff und Nahrung über die Plazenta und die Nabelschnur  der schwangeren Frau erfolgt.

Mit der Geburt nabelt sich das Kind im wahrsten Sinne des Wortes von der bisher beherbergenden Frau ab, die sich im Moment der Geburt von einer schwangeren Frau in eine nichtschwangere Frau und Mutter verwandelt, also von nun an so gut es eben geht, Elternfunktionen wahrnimmt. Mit der Geburt des Kindes wird aber nicht nur eine Mutter, sondern auch ein Vater geboren, der ebenfalls so gut es eben geht, Elternfunktionen wahrnimmt.

 

Auf dem Entwicklungsweg vom Säugling, zum Kind und Jugendlichen, bis hin zum jungen Erwachsenen sind vielfältige Übergangsprozesse zu bewältigen, die auf eine zunehmende Loslösung und Autonomie des Kindes von seinen Eltern hinauslaufen. Diese Entwicklungsprozesse können krisenhaft verlaufen oder sogar misslingen, so etwa bei einer magersüchtigen Tochter, die sich weigert erwachsen zu werden oder bei einem Sohn, der sich weigert die Rolle des Muttersohnes zu verlassen.

 

 

-----Ursprüngliche Nachricht-----

Von: ...

Gesendet: Freitag, 4. September 2009 22:10

An: ...

Betreff: Muttersohn

 

Hallo,

ich bin etwas verzweifelt.

Seit einem Jahr bin ich mit einem Man zusammen, der 48 Jahre alt ist und bis heute bei seinen Eltern lebt. Er lebt nicht nur in einem gemeinsamen Haus mit ihnen, sondern alle Lebensbereiche sind vermischt und er hat die Partnerrolle gegenüber seiner Mutter inne, während sein Vater eine passive Rolle hat. An unsere Beziehung hat er enorme Ansprüche und konkrete Vorstellungen, obwohl er noch nie in einer Beziehung gelebt hat (außer der zu seiner Mutter). Anstatt sich nun angesichts der neuen Beziehung zu mir eine eigene Wohnung zu suchen, bleibt er in dem Elternhaus, bezieht zwar ein eigenes Zimmer, wird aber weiter Küche und Bad teilen. Ich selbst wünsche mir als Voraussetzung für unsere Beziehung Privatsphäre, die bei mir gegeben ist, bei ihm aber nicht. Er möchte nicht allein leben und hofft darauf, aus dem Hotel Mama direkt mit mir zusammen ziehen zu können. Inzwischen denke ich, das beste ist, sich zu trennen, weil ich eine sehr undankbare Rolle in dem ganzen Stück habe. Ich kann und möchte seine übersteigerten Erwartungen nicht erfüllen, auf der anderen Seite darf ich aber keine eigenen Ansprüche stellen. Zudem denke ich, dass eine Loslösung von der Mutter, die Voraussetzung für eine Beziehung ist und dass mit dem Weiterwohnen dort dieser Schritt nicht vollzogen wird. Ich habe nun beschlossen mich mehr um meine Bedürfnisse zu kümmern und eigene Vorhaben zu verfolgen, da ich bei ihm nur gegen eine Wand rede. Wenn ein Mann sich nicht von der Mutter lösen will, habe ich als Frau keine Chance, oder? 

Gruß ...

 

Wer zu spät geht, den bestraft das Leben. Und so gibt es in der Entwicklung eines Menschen letztlich keine ewige Symbiose, denn entweder kommt es eines Tages zum großen Knall, der die Symbiose gewaltsam sprengt, oder die Symbiose wird durch den natürlichen Tod eines Beteiligten friedlich aber nicht unbedingt mit Happy End beendet. 

 

 

 

 

Sohn tötet Mutter durch Brandstiftung

Die Staatsanwaltschaft in Görlitz hat im Zusammenhang mit einem tödlichen Familiendrama ein Sicherungsverfahren gegen den 25-jährigen mutmaßlichen Täter beantragt. Ende Februar soll der Mann seine 51-jährige Mutter in der gemeinsamen Wohnung mit Benzin übergossen und dann angezündet haben. Die Frau starb. Doch der 25-Jährige ist anscheinend psychisch Krank und war so nicht in der Lage, sein Handeln zu steuern. Die Staatsanwaltschaft sagt damit aus, dass er zum Tatzeitpunkt schuldunfähig war.

Die Straftatbestände Mord wurden von dem Mann durch besonders schwerer Brandstiftung und versuchten Mordes in neun Fällen erfüllt, hieß es. Eine Anklage könnte jedoch nur bei schuldhaftem Handeln erfolgen. Ein psychiatrisches Gutachten geht davon aus, dass für die Allgemeinheit eine erhebliche Gefahr von ihm ausgeht. Deswegen kommt für die Staatsanwaltschaft auch nur die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus in Betracht, die in dem Sicherungsverfahren verhängt werden kann.

Der Mann ist ein ehemaliger Jura-Student. Er hatte vor seiner Tat Benzin an einer Tankstelle gekauft und dann dieses am 27. Februar in der Wohnung ausgegossen und angezündet. Vor ihrem Tod gelang es der Mutter noch den Polizeinotruf zu wählen. Der Mann, der arbeitslos ist wurde schon in die Psychiatrie gebracht.

News vom 03. Juli 2008

http://www.topnews.de/sohn-toetet-mutter-durch-brandstiftung-311375

 

 

 

 

 

Matthias Leder schildert elterliche Fürsorge aus einer systemtheroretischen Sicht. Das Zusammenprallen einer geringen Fürsorgebereitschaft, gekoppelt mit  einem starken Autonomiebedürfnis der Elternperson mit einer hohen empfundenen Bedürftigkeit des Kindes, kann in einem sich wechselseitig verstärkenden Prozesse schließlich dazu führen, das Kind von der Elternperson geschädigt wird (so z.B. beim sogenannten Schütteltrauma). 

 

Leder, Matthias: "Elterliche Fürsorge - ein vergessenes soziales Grundmotiv"; In: "Zeitschrift für Psychologie"; 212 (1), 10-24, 2004

 

 

 

 

 

Blinder Fleck

 

... Corporal Jones geht auf Patrouille in die Wüste. Er verliert den Weg, kommt aber endlich, erschöpft, im Camp an. Sein Freund Jimmy freut sich, ihn zu sehen, und platzt gleich mit der wichtigsten Neuigkeit heraus, dass während Jones` Abwesenheit dessen Beförderung durchgekommen sei. Jones starrt ihn mit glasigen Augen an, murmelt `Wasser` und sieht eine schmutzige Pfütze, die man gemeinhin übersehen würde, er fällt daneben auf die Knie und versucht sie aufzuschlürfen, steht aber im gleichen Augenblick würgend auf und taumelt zum Brunnen in der Mitte des Lagers. Später bringt ihm Jimmy die Sergeantenstreifen und Jones fragt: `Was soll ich damit? Ich bin kein Sergeant.` `Ich habe dir doch von deiner Beförderung erzählt, als du ins Lager kamst!` `Nein, das stimmt nicht` `Natürlich, sei doch nicht so blöde!` `Ich habe es nicht gehört.`

Er hat es wirklich nicht gehört. Er war in diesem Augenblick für alles taub und blind, außer für Wasser. Genau eine Stunde zuvor, in der Wüste, war er von einem feindlichen Flugzeug angegriffen worden. Er hatte schnell Deckung gesucht. Also hatte er das Flugzeug gehört. Das Wasser hatte nicht seine ganze Aufmerksamkeit verlangt.

Wir sehen hier die Hierarchie der Prioritäten: Die akute Bedrohung war stärker als der Durst, der Durst stärker als der Ehrgeiz. Alle verfügbaren Kräfte wurden für die dominante unvollendete Situation eingesetzt, bis diese vollendet war und die nächste Aufgabe Priorität beanspruchen konnte.

Frederick S. Perls; Paul Goodman; Ralph F. Hefferline: “Gestalttherapie. Grundlagen“, dtv, 1979, S. 62/63

 

 

Eine Eigenart lebender Systeme, also auch des Menschen, ist dass seine Wahrnehmungen beschränkt sind, sei es aus physiologischen Gründen, so z.B. bei der Blindheit oder einer besonderen Form der Farbenblindheit oder aus psychologisch erklärbaren Gründen.

Mit der aus physiologischen Gründen beschränkten Wahrnehmung tun sich die Menschen relativ leicht. Niemand käme auf die Idee die Wahrnehmung eines Menschen als gestört zu bezeichnen, nur weil dieser die Ultraschallgeräusche der Fledermäuse oder die Infraschallgeräusche von Elefanten nicht hört.

 

 

(04.06.2007)

Der Schall der Trompete

Wie Elefanten fremde Artgenossen erkennen

Elefanten können vertraute und fremde Artgenossen an den Erschütterungen unterscheiden, die sie mit ihren Rüsseln im Erdboden erzeugen. Dabei handelt es sich um sehr tiefe, für den Menschen nicht hörbare Schallwellen, die sich über die Erdoberfläche kilometerweit ausbreiten können. So warnen sich die Tiere gegenseitig vor Gefahren, wie Autoren um Caitlin O'Connel-Rodwell (Stanford-Universität im kalifornischen Palo Alto) jetzt im „Journal of the Acoustical Society of America“ berichten.

Elefanten benutzen ihren Rüssel, um Töne im Infraschallbereich – dieser liegt unterhalb der hörbaren Tonhöhen – zu erzeugen, die über die Luft und durch den Boden übertragen werden. Die im Boden übertragenen Schallwellen nehmen die Tiere mit besonderen Zellen in Beinen und Rüssel wahr.

Es war bereits bekannt, dass sich Elefanten mit solchen Infraschalltönen verständigen können. Das Team um O'Connel-Rodwell nahm nun die Rufe von Elefanten in Kenia und Namibia auf, mit denen sich die Tiere gegenseitig vor Löwen warnen. Die Forscher wandelten die Töne in Infraschallwellen um und spielten sie namibischen Elefanten vor, die gerade an einem Wasserloch tranken.

Kamen die Warnrufe nun von Elefanten, die ebenfalls in Namibia zu Hause sind, so erstarrten die Tiere zunächst, drängten sich dann zusammen und verließen schließlich eilig das Wasserloch. Die Schallwellen der kenianischen Elefanten nahmen die namibischen Artgenossen dagegen zwar wahr, reagierten aber kaum darauf. Ebenso ignorierten sie künstlich erzeugte Erschütterungen, die ähnliche Eigenschaften wie die aufgenommenen Schallwellen hatten.

Warum die Elefanten unterschiedlich auf die Schallwellen verschiedener Artgenossen reagieren, ist noch unklar. Vermutet wird, dass die Tiere nur den Tönen trauen, die sie ihnen bekannten Elefanten zuordnen können. So schützen sie sich davor, auf Scheinwarnungen zu reagieren, denn jede Flucht kostet wertvolle Energie. ddp

http://www.tagesspiegel.de/wissen-forschen/archiv/04.06.2007/3308587.asp

 

 

 

Mitunter suchen Laien wie Fachleute auch dort Lösungen gesucht, wo auch bei intensiven Suchen keine gefunden werden können. 

 

Unter einer Straßenlaterne steht ein Betrunkener und sucht und sucht. Ein Polizist kommt daher, fragt ihn, was er verloren habe, und der Mann antwortet: "Meinen Schlüssel."

Nun suchen beide. Schließlich will der Polizist wissen, ob der Mann sicher ist, den Schlüssel gerade hier verloren zu haben, und jener antwortet: "Nein, nicht hier, sondern dort hinten - aber dort ist es viel zu finster."

Paul Watzlawick: "Anleitung zum Unglücklichsein", Serie Pieper, München, 1983, S. 27

 

 

Bei der - wie im Beispiel vom verlorenen Schlüssel - aus psychologisch erklärbaren Gründen beschränkten Wahrnehmung - werden Menschen schnell als gestört bezeichnet, nur weil sie etwas nicht sehen können oder wollen, was andere sehen. Dabei hat der suchende Mann sicher gute Gründe, seinen Schlüssel nicht an der Stelle zu suchen, wo er ihn verloren hat, denn dort ist es finster und die Suche sicher anstrengend oder auch gefährlich. Ähnlich wie dieser suchende Mann verhalten sich tagtäglich Millionen von Menschen in Deutschland bis hoch hinauf in die Regierung und das Bundesverfassungsgericht. Wer wollte da meinen, diese wären alle krank? Wer wollte diese Kranken alle heilen, wenn die vorgeblichen Heiler, insbesondere die im halbstaatlich-bürokratischen medizinisch-therapeutischen Komplex, selbst an dieser "Krankheit" leiden, dort zu suchen, wo sie nichts finden können?

 

 

 

 

 

Charakter

Das Wort Charakter stammt von dem griechischen Wort χαρακτήρ (sprich: charaktér) ab und bezeichnete ursprünglich den Prägestempel für Münzen und Siegel sowie die Prägung selbst. Im Übertragenen Sinne benennt der Charakter das Erkennungs-Merkmal einer Person oder eines Gegenstandes.

Charaktertypen bezeichnen seit der Antike in unterschiedlichen Definitionen Ausprägungen der Persönlichkeiten von Menschen. Sie versuchen, Eigenschaften von Einzelpersonen einem bestimmten Typus zuzuordnen und dabei vor allem angeborene Eigenschaften der körperlichen und seelischen Verfassung zu beschreiben.

In veraltetem Gebrauch findet sich für Typen von Charakteren auch das Wort Gemüt bzw. Gemütsart.

In der Antike unterschied die Humoralpathologie der Hippokratiker, aufbauend auf der Vier-Elemente-Lehre des Empedokles, vier verschiedene Charaktere: den Melancholiker, Choleriker, Sanguiniker und Phlegmatiker.

In der Psychoanalyse bezeichnet der Begriff Charakter einen Typus im Erleben und Verhalten sowie ein jeweiliger Satz vorherrschender Abwehrmechanismen aus dem Ich-Anteil. Die Charaktere gehen fließend ineinander über, es gibt jedoch eine mengenmäßige Konzentration auf bestimmten Strukturelementen.

* narzisstischer Charakter (frühe orale Phase)

o vorherrschende Abwehrmechanismen: Spaltung, Entwertung / Idealisierung, Verleugnung, Projektive Identifikation

o Erleben und Verhalten: Übersteigertes Machtbedürfnis und Selbstwertgefühl, Entwertung anderer Menschen

* schizoider Charakter (frühe orale Phase)

o vorherrschende Abwehrmechanismen: Sublimierung, Rationalisierung, Intellektualisierung, Affektisolierung

o Erleben und Verhalten: Distanzbedürfnis, Angst vor Nähe

* depressiver Charakter (orale Phase)

o vorherrschende Abwehrmechanismen: Autoaggressionen, Reaktionsbildung, Introjektion

o Erleben und Verhalten: Abhängigkeit von anderen Menschen, Minderwertigkeitsideen und -gefühle, Passivität

* zwanghafter Charakter (anale Phase)

o vorherrschende Abwehrmechanismen: Reaktionsbildung, Rationalisierung, Affektisolierung

o Erleben und Verhalten: Kontrollbedürfnis, Sparsamkeit, Eigensinn, Genauigkeit

* hysterischer Charakter (ödipale / elektrale Phase)

 

Von Wilhelm Reich stammt der Begriff der Charakteranalyse.

Von Ron Kurz und Alexander Lowen, die sich als Körpertherapeuten verstehen, sind andere Charaktermodelle entwickelt worden, so etwa der Schizoide, der Orale, der Psychopath, der Masochist und der Rigide.

Aus konstruktivistischer Sicht sind Charaktere Wirklichkeitskonstruktionen, das heißt vom Menschen erfundene Wirklichkeitsbeschreibungen und Modelle. Daher sind solche Klassifizierungen mit einiger Vorsicht zu benutzen. Bedauerlicherweise benutzen nicht wenige Fachkräfte, insbesondere Psychologen und Psychiater solche Klassifikationen  zur Stigmatisierung und Abwertung von Menschen.

In Romanen, Erzählungen und Spielfilme finden wir oft bestimmte Charaktertypen künstlerisch dargestellt, so etwa den Psychopath in "No Country For Old Man":

 

 

No Country For Old Men

Ein Film von Joel and Ethan Coen / USA 2007, 122 Min.

Verstörend brutales Road-Movie durch das texanisch-mexikanische Grenzgebiet

Mit einem Humor schwärzer als schwarz schwankt dieser texanische Krimi der Brüder Coen zwischen reiner Metaphysik und schonungslosem chirurgischem Einblick und veranschaulicht mit Perfektion, was es heißt, „kaltblütig“ zu sein. Der Tod im Vormarsch mit der Sauerstoffflasche in der Hand lässt im Geist eine unauslöschliche Spur zurück.

 

 

 

 

 

Projektion

Tiefenpsychologisch geht man davon aus, dass bestimmte Affekte, wie etwa Neid und Eifersucht, nicht offen ausgedrückt werden, da es gesellschaftliche oder individuell verinnerlichte Gründe und Verbote gibt, diese auszudrücken. So etwa wenn Herr Meier in einer kleinen asbestbelasteten Laube wohnt und auf dem nebenanliegenden Grundstücck, auf dem bis dato ebenfalls eine baufällige Asbesethütte stand, ein neuer Eigentümer ein luxeriös anmutendes Haus gebaut hat. In Folge dieses neuen Vergleichs entstehen naturgemäß Minderwertigkeitsgefühle bei Herrn Meier, wenn er keine anderen Möglichkeiten hat, die Ungleichheit auszubalancierten, wie es etwas Diogenes in der Tonne beim Auftreten von Alexander dem Großen gelungen sein soll: Geh mir aus der Sonne. 

"Die Juden sind unser Unglück" (Heinrich von Treitschke, 1879), kann in so fern als eine auf Ausgleich zielende Reaktion auf den gesellschaftlichen Erfolg "der Juden" im Deutschen Reich und Preußen verstanden werden.

Nun sind Neid und Eifersucht Affekte, die alle Menschen betreffen, unabhängig von ihrer poltischen Grundüberzeugung. In der heutigen Zeit zeigt sich das am Aufblühen der als "rechts" im politischen Spektrum verorteten AFD: Die Ausländer nehmen uns alles weg.

Auf der anderen Seite des für den durchschnittlichen Kleingeist nach einem simplen rechts-links Schemas gestrickten Parteienspektrum, sind es "die Reichen und Superreichen", die ins Visier geraten. Der Übergang von links nach rechts ist dabei oft schmal, wie es der deutsche Nationalsozialismus zeigt, der sich dem Namen nach als sozialistische" Bewegung verstand, also einer Bewegung die "Ungerechtigkeiten" ausgleichen wollte, sei es das "Schanddiktat von Versaille" oder das Agieren des kosmopolitischen "Weltjudentums", dass nichts anderes im Blick hatte, als alles "Deutsche" und "Christliche" zu unterdrücken, wenn nicht sogar zu versklanen. Hitler verstand es. die Affekte der Menschen von der eigenen Kapitalistenklasse umzulenken, auf einen kollektiv erfundenen Feind.

Heute ist es nicht nur die AFD, die solche Affekte bedient, sondern auch Teile der sogenannten "Linken", dort insbesondere das "sozialistische Prekariat", die ihre vergleichsweise recht eingeengten materielle und psychosoziale Lage auf einen Schuldigen projizieren, auf "die Reichen und Superreichen". So formt sich denn - wie zur Zeit der fanzösischen Revolution - eine neue Protestwegung.

 

 

Der Großteil der Bevölkerung im Ancien régime war an Aufklärungsdenken und Politisierung wenig interessiert, am Brotpreis umso mehr. Die Bauern, die vier Fünftel der Bevölkerung stellten, hatten 1788 infolge der Kleinen Eiszeit eine schlimme Missernte erlitten und danach einen harten Winter durchlebt. Die klimatischen Extrema dieser Dekade könnten auch durch den Vulkanausbruch vom 8. Juni 1783 auf Island verstärkt worden sein. Während es den Bauern am Nötigsten fehlte, sahen sie die Speicher der weltlichen und geistlichen Grundherren, denen sie Abgaben zu entrichten hatten, noch gut gefüllt. Es kam zu Protesten und Forderungen nach Verkauf zu einem „gerechten Preis“, als die Getreidepreise stark gestiegen waren. Auch die kleinen Leute in den Städten wurden von den Preissteigerungen der Lebensmittel hart getroffen. Zur Jahresmitte 1789 war Brot teurer als zu jedem anderen Zeitpunkt des 18. Jahrhunderts in Frankreich und kostete das Dreifache des Preises der besseren Jahre. Handwerker in Städten mussten etwa die Hälfte ihres Einkommens allein für die Brotversorgung ausgeben. Jede Preissteigerung wirkte existenzbedrohend und ließ die Nachfrage nach anderen Gütern des täglichen Bedarfs sinken. „Nun erreichten Unzufriedenheit und Erregung auch diejenigen, die von der öffentlichen Auseinandersetzung um die Finanzmisere und die Funktionsunfähigkeit des Staates noch nicht unmittelbar erreicht und mobilisiert worden waren. Die wirtschaftliche Not, die infolge der Teuerung und Unterproduktion die städtischen Konsumenten und dann auch Handel und Gewerbe betraf, brachte die ‚Massen’ auf die politische Bühne.“[7]

https://de.wikipedia.org/wiki/Franz%C3%B6sische_Revolution


 

Prekariat, das ist in erster Linie nicht eine materiell bestimmte Klasse, sondern eine psychologisch bestimmte Klasse. So lebte etwa Karl Marx in materiell sehr prekären Verhältnissen, ist aber alles andere als Mitglied des Prekariats, sondern ein Mann der Tat, auch wennn man aus heutiger Sicht nicht alles begrüßen muss, was ihn damals umtrieb. Emanzipation liegt dem Prekariat fern, daher wechselt es auch ohne Probleme die politischen Lager von links nach rechts oder rechts nach links, grad wie es der Zeitgeist gerade sinnvoll erscheinen lässt. Das Prekariat will ohne eigene Anstrengung versorgt werden. Der Alkoholiker ist ein gutes Beispiel dafür, das was er im Leben nicht bekommt, dafür muss ersatzweise die Weinflasche herhalten. Naturgemäß ist die Weinflasche mit dieser Aufgabe überfordert und so braucht es weiterer Weinflaschen, bis sich der Organismus eines Tages auflöst.

Selbstgerechtigkeit und Minderwertigkeitsgefühl gehen einher mit der Projektion, denn wenn man es nicht selbst ist, der die beklagten Umstände zu verantworten hat, dann können es nur die anderen sein. Fließt dies noch mit Hass zusammen, dann haben wir als Prototypen Hitlers Chefankläger Roland Freisler oder Stalins Chefankläger Andrei Januarjewitsch Wyschinski, beide unterschiedliche politische Lager bedienend, aber im Charakter gleich.

 

 

 

 

 

 

Krankheit

Ein in Laien- und Fachkreisen beliebter Begriff ist der der "Krankheit" oder im speziellen "der psychischen Krankheit". Im Sinne des radikalen Konstruktivismus handelt es sich bei Phänomen wie dem einer sogenannten Krankheit um eine Wirklichkeitskonstruktion. Das soll nicht bedeuten, dass Menschen nicht an "Krankheiten" leiden oder sogar sterben würden. "Die Krankheit" selber ist aber eine reine Konstruktion. Aus verschiedenen real vorhandenen und beobachtbaren Phänomenen, so z.B. der chemischen Zusammensetzung von Körperflüssigkeiten, dem vermehrten Auftreten von Viren oder Bakterien, dem Verrutschen einer Bandscheibe wird ein Krankheitsbild und damit "die Krankheit" konstruiert, diese wird dann als Grippe, Angina oder Bandscheibenvorfall bezeichnet.

Oft wird auch das Verhalten von Menschen zu einer Krankheit erklärt. So erklärt sich die Erfindung der verschiedensten "Geisteskrankheiten", heute bezeichnet man diese in Anpassung an die moderne Zeit als "psychische Erkrankungen". So galt bis 1973 Homosexualität als Krankheit im Sinne der Internationalen Klassifikation von Erkrankungen (International Classification of Deseases, ICD). Seit 1973 ist diese Krankheit auf einem Schlag ganz plötzlich völlig verschwunden. Die Heilung von Millionen an Homosexualität "erkrankten" Menschen geschah ganz einfach dadurch, dass man diese "Krankheit" aus dem offiziellen Krankheitsregister strich. Der Konstruktivist und Psychotherapeut Paul Watzlawick hat uns dankenswerter Weise auf diese plötzliche Massenheilung aufmerksam gemacht.

 

Vergleiche hierzu auch:

"Zur `Therapie` von Homosexualität"; In: "report psychologie"; 05/2006, S. 244-246

 

Bedauerlicherweise zählt Geldknappheit nicht zu den vom etablierten Medizinbetrieb anerkannten Krankheiten, obwohl doch jeder weiß, dass Geldsorgen das körperliche und seelische Wohlbefinden sehr beeinträchtigen können. Gelegentlich sprengen sich sogar Leute in die Luft, weil sich der Gerichtsvollzieher zur Zwangsvollstreckung in der Wohnung des Schuldners angekündigt hat. Umgekehrt kann jeder Mensch, der Schnupfen hat zum Arzt gehen, dort kostenlos 10 Minuten Redezeit bekommen und wird eventuell sogar noch mit einem Rezept versorgt, dass die sogenannten Gesundheitskosten in die Höhe treibt und die Bundesgesundheitsministerin zu der Überlegung veranlasst, durch welche raffinierten Verordnungen der Staat die anscheinend bisher ungebremste Tablettensucht der Deutschen in den Griff kriegen kann. Da haben es die Bundestagsabgeordneten schon wesentlich schwerer, im Hohen Haus einmal 10 Minuten Redezeit eingeräumt zu bekommen. Die sogenannten Hinterbänkler müssten meist vier Jahre schweigen auf ihrem Stuhl sitzen, während die Leithirsche und Leithirschkühe der jeweiligen Fraktionen sich mit lächerlichen 10 Minuten zufrieden gegen müssen. Glücklicherweise haben unsere Abgeordneten genügend Geld, um sich bei einem guten Psychotherapeuten einmal in Ruhe aussprechen zu können.

Im Jahr 1906 erfand der bis dahin recht unbekannte Dr. Alois Alzheimer eine neue Krankheit, Sie dürfen raten, welche Krankheit er erfunden hat. Richtig geraten, er hat die Alzheimererkrankung erfunden. Bekanntlich werden Erfindungen oft nach ihrem Erfinder benannt, so z.B. der Dieselmotor, der Ottomotor, der Röntgenapparat oder die Guillotine, mit der man während der Französischen Revolution Menschen aus dem Diesseits in das Jenseits beförderte. Manchmal gibt es allerdings auch Erfindungen, die nicht nach ihrem Erfinder benannt werden, so z.B. die Thermoskanne, die nicht von einem Herrn Thermos erfunden wurde, sondern von einem recht unbekannten Herrn Burger, der in der heutigen Berliner Pankower Wilhelm-Kuhr-Straße seine Glaswerksstatt unterhielt.

Die Erfindung von Dr. Alzheimer wurde jedoch - verdientermaßen - fortan nach ihrem Erfinder als Alzheimererkrankung bezeichnet . Während Dr. Alzheimer im Jahr 1906 erst eine Patientin mit der von ihm erfundenen Krankheit behandeln konnte, waren es hundert Jahre später in Deutschland schon 1 Millionen Alzheimer-Patienten (vergleiche www.alzheimer-forschung.de), denen der etablierte Medizinbetrieb bei der Bewältigung der 1906 erfundenen Krankheit zur Seite stand.

 

Retzer, Clement und Fischer nehmen die Fragwürdigkeit des Krankheitsbegriffes aus der Sicht von Psychotherapeuten auf:

 

"... die Kassenfinanzierung kann nur unter einer bestimmten Bedingung stattfinden. Der Therapeut hat die begrenzende Hauptspielregel des Dritten (der Krankenkasse) zu akzeptieren und zu bestätigen. Diese Hauptspielregel ist, dass er sich ausschließlich mit Phänomenen befassen darf, die zurzeit als Krankheiten definiert sind, oder dass er sie selbst so definiert, um sich dann damit befassen zu dürfen. Diese Krankheiten müssen dann noch einem Einzelklienten zugeschrieben werden, der dann als Kranker auftreten kann und entsprechend zu behandeln ist. Gleichzeitig gilt es aber auch noch eine zweite Spielregel zu beachten und zu bedienen, nämlich nur die anerkannten Spielzüge im Rahmen der Dienstleistung Psychotherapie durchzuführen, d. h., glaubhaft bekanntzugeben, dass man sich nur der derzeit anerkannten Verfahren bedienen wird.

Diese Bedingungen machen das ursprüngliche Dreiecksverhältnis zwischen Therapeut, Klienten und Krankenkasse in gewisser Weise wieder zu einem dyadischen Dienstverhältnis zwischen Therapeut und Krankenkasse. Der Preis des Kassenhonorars ist die Zustimmung und Einhaltung des gerade aktuellen Krankheitskonzeptes und die glaubhafte Vermeidung gerade nicht (oder noch nicht) akzeptierter Methoden und Verfahren." (S.94)

Arnold Retzer, Ulrich Glement, Hans Rudi Fischer: "Welche Rolle spielt Geld in der Psychotherapie"; In: "Familiendynamik", 1/2006; S. 92-97

 

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes wird unter "Krankheit" ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geistzustand verstanden, der ärztlicher Behandlung bedarf oder - zugleich oder ausschließlich - Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (vergleiche "Patientenrecht", 2004, Heft 3, S. 89). Stellen wir uns einmal vor, ein Mensch ist hoch verschuldet. Er kann daher nicht einschlafen, bekommt angesichts der ihn bedrängenden Gläubiger Panikattacken, nun soll nach Auffassung des Bundessozialgerichtes hier ein Arzt mit einer "ärztlichen Behandlung" helfen. Warum nicht gleich darauf warten, dass Jesus kommt und mit drei Laibern Brot ein ganzes Volk speist? Wie wäre es denn damit, statt einen Arzt wegen überschuldungsbedingter körperlich-seelischer Symptomatik zu konsultieren, mal eine Schuldnerberatungsstelle aufzusuchen und eine Privatinsolvenz zu beantragen. Solches Denken ist den Richtern am Bundessozialgericht möglicherweise recht fremd. Vielleicht deshalb, weil sie noch nie überschuldet waren.

Hat ein Mensch eine Krankheit oder besser gesagt, ist ihm von amtlich zugelassener Stelle mitgeteilt worden, dass er im Besitz einer Krankheit sei - erst dann ist ja eine Krankheit gesellschaftlich akzeptiert - so muss die Krankheit bekämpft werden. Die Krankheit erscheint dabei als etwas zufälliges, nicht zum betreffenden Menschen gehöriges, das bekämpft und entfernt werden muss. Systemisch ist ein solcher Krankheitsbegriff höchst problematisch, man möchte fast sagen, seine Verwendung mutet selbst schon krankhaft an, doch so man dieses sagt, tappt man schon selber in die Falle des leichtsinnigen Sprachgebrauches. 

In der Bundesrepublik Deutschland stellen selbst Schwangerschaft und Geburt eine Krankheit dar, genauer gesagt eine Frauenkrankheit, denn Männer können bekanntlich nicht an Schwangerschaft und Geburt erkranken.

Da Schwangerschaft und Geburt nach der amtlichen Definition eine Krankheit darstellen, ist natürlich auch Arzt und ein Krankenhaus und auch eine Krankenkasse vonnöten, die das alles finanziert. Und damit der ganze Krankenhausbetrieb sich auch richtig lohnt, wird das Bauch aufscheiden genannt Kaiserschnitt), neuerdings auch ganz modern das Bauch aufreißen der schwangeren Frau industriemäßig betrieben. Sehr zum Wohl des medizinisch-industriellen Komplexes.

 

Kein Anspruch auf Erstattung von Kosten in Geburtshäusern

Für gesetzlich krankenversicherte Schwangere besteht bei einer stationären Entbindung im Geburtshaus kein Anspruch auf Übernahme der Betriebskosten. Die Bundesregierung weist jedoch in ihrer Antwort (16/1794) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (16/1597) darauf hin, dass sie eine gesetzliche Regelung anstrebt, „mit der den Krankenkassen die Möglichkeit eingeräumt wird, einen Zuschuss zu den Betriebskosten bei ambulanten Entbindungen in Geburtshäusern vertraglich zu regeln“.

Die Linke hatte in ihrer Anfrage Bezug auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 21. Februar 2006 genommen, wonach Kosten, die einer Frau im Geburtshaus entstehen, bis auf die reinen Hebammenkosten nicht von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden müssen. Dem Urteil zufolge ist die Pflege in einer allein von Hebammen geleiteten Einrichtung nicht gleichwertig, so die Regierung.

Sie schreibt, die Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für stationäre Entbindung und Hebammenhilfe hätten im Jahr 2005 bei rund 2,1 Milliarden Euro gelegen. Für das Jahr 2006 werde die Entbindung im Krankenhaus mit rund 1.551 Euro pro Fall kalkuliert.

Die Kosten für eine Kaiserschnittentbindung lägen bei 2.755 Euro pro Fall. In den Finanzstatistiken der gesetzlichen Krankenversicherung würden die Ausgaben für Entbindungen nicht gesondert für Hausgeburten, Geburtshäuser oder für ambulante oder stationäre Geburten in Krankenhäusern aufgeschlüsselt.

Nach Angaben der Regierung finden gut 98 Prozent aller Geburten in Deutschland im Krankenhaus statt. Von den im Jahr 2003 in Deutschland geborenen 709.420 Kindern seien 699.795 im Krankenhaus und 9.625 außerhalb des Krankenhauses zur Welt gekommen.

Der Anteil der außerklinisch geborenen Kinder liege seit Jahren konstant bei etwa 1,5 Prozent, heißt es weiter. Davon würden rund 44 Prozent zu Hause und 43 Prozent in einem Geburtshaus geboren. Dazu, wie sich dies in anderen Ländern der Europäischen Union verhält, gibt es der Regierung zufolge keine offiziellen Angaben. In den Niederlanden sei aber bekannt, dass zirka 33 Prozent der Geburten außerklinisch stattfänden.

Die Regierung betont, dass Deutschland im internationalen Vergleich zu den Ländern mit der geringsten Säuglingssterblichkeit gehöre. Nach Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für das Jahr 2003 liege die Säuglingssterblichkeit je 1.000 Lebendgeborene in Deutschland bei 4,2.

Lediglich in Finnland und Schweden mit 3,1 sowie Norwegen mit 3,4 und Frankreich mit 3,9 sei die Rate „in nennenswerter Größenordnung niedriger“.

Quelle: Heute im Bundestag vom 14.6.2006

 

 

 

 

Schließlich stellt in Deutschland sogar das Sterben eines Menschen eine Art Krankheit dar. So vermeldete der Nachrichtensender n-tv sinngemäß:

Schwere Stunden für Franz Beckenbauer. ... Seine Mutter ist nach kurzer Krankheit im Alter von 92 Jahren entschlafen. (12.01.2006)

 

Keiner käme auf die Idee den Schlaf eines Menschen als Krankheit zu bezeichnen. Ist ein Mensch aber depressiv, dann wird er als krank dargestellt, obwohl die Depression systemisch gesehen genau so viel Sinn macht wie der Nachtschlaf eines Menschen. Bevor die Psychiatrie im ausgehenden 19. Jahrhunderts auf den Plan trat, gab es viele "psychische Krankheiten" gar nicht, nicht etwa weil die Menschen der damaligen Zeit keine Probleme gehabt hätten, sondern schlicht deswegen, weil niemand da war, der diese als Krankheit bezeichnet hätte.

 

Was denn nun eine "Krankheit" sein soll, darüber schweigt sich der Gesetzgeber offenbar aus, wahrscheinlich weiß er selber nicht, was denn nun eine Krankheit sei. In §27 SGB V informiert er immerhin darüber, was für Ansprüche Versicherte haben, wenn sie eine "Krankheit" ihr eigen nennen können.

http://www.sozialgesetzbuch.de/gesetze/05/index.php?norm_ID=0502700

 

1958 gab es eine Auseinandersetzung zwischen einem Landgericht und dem Bundesgerichtshof. Das Landgericht folgte einem Gutachter, der den Angeklagten bescheinigte, "ein in seiner Gesamtpersönlichkeit gestörter Psychopath" zu sein, "der kein Gefühl für mitmenschliche Beziehungen habe, gefühlskalt sei, höhere ethische Bindungen, insbesondere eines Pflichtgefühls unfähig und äußerst egozentrisch sei."  und der diesen Störungen wegen des Ausmaßes und der Häufung Krankheitswert zusprach.

Der 5. Strafsenat des BGH entschied gegenteilig und stützte sich dabei auf folgende Begründung: "Persönlichkeitsfehler der genannten Art seien nicht selten und fänden sich vor allem bei einem großen Teil der Rechtsbrecher."

 

Zitiert nach Theune, Werner: "Die Beurteilung der schweren anderen seelischen Abartigkeit in der Rechtsprechung und ihre Vereinbarkeit mit dem Schuldprinzip", In: "Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft", 2002, Heft 2, S. 303/304)

 

 

So ähnlich hat es offenbar auch der Vorsitzende Richter Guido Lex am Landgericht Rostock bei dem wegen Vergewaltigung und Ermordung der 16 Jahre alten Carolin aus dem Ostseebad Graal-Müritz verurteilten Maik S gesehen. Maik S. wurde vom Landgericht Rostock am 15.11.2005 zu lebenslänglicher Haft verurteilt, anschließende Sicherheitsverwahrung wurde angeordnet (Tagesspiegel 16.11.2005). Maik S. war erst wenige Tage vor der Tat aus der Haft entlassen worden. Er hatte eine siebenjährige Strafe wegen einer Vergewaltigung am gleichen Ort komplett abgesessen. 

Der Vorsitzende Richter Guido Lex sagte bei der Urteilsbegründung, Maik S. sei brutal, rücksichtslos und ichbezogen. Krank sei er allerdings nicht, eine Therapie deshalb wahrscheinlich aussichtslos.

Pech für Maik S., dass er nach hier herrschender Meinung nicht als krank angesehen wurde. Wäre er einen Tag vor seiner Tat zum Psychiater gegangen und hätte diesem mitgeteilt, dass er Tötungsphantasien hätte, dann hätte der Psychiater selbstverständlich festgestellt, dass Maik S. psychisch krank sei und deshalb eine Behandlung unbedingt notwendig sei.

Wäre Maik S. nach der Tat von einem Gutachter als "psychisch krank", "alkoholkrank", Schizophrener, Borderliner, Psychotiker und was es sonst noch an psychiatrischen Etikettierungen gibt, diagnostiziert, also konstruiert worden, so wäre er nicht verurteilt worden, sondern hätte die nächsten Jahre im Maßregelvollzug in einer weitaus beschaulicheren psychiatrischen Anstalt seine Tage verbringen dürfen und hätte jeden Tag seines steuerfinanzierten Aufenthaltes in der Psychiatrie den Psychiatern danken können, die sich den Begriff der psychischen Erkrankung ausgedacht haben.

Da Maik S. aber nach Ansicht des Vorsitzenden Richters nicht krank sein soll, dann muss er wohl ein ganz normaler gesunder Mensch sein, so einer wie Du und ich, oder auch wie der Vorsitzende Richter Guido Lex. Das wirft einige Fragen auf. So z.B die, ob man dann jeden "gesunden" Menschen überhaupt noch auf die Straße lassen darf oder gar in das Amt eines Vorsitzenden Richters? Auch "nicht kranke", also "gesunde" Menschen können ja Tötungshandlungen begehen.

Wenn Maik S. aber kein "gesunder" und normaler Mensch ist und das kann man bei einem Menschen, der ein 16-jähriges Mädchen vergewaltigt und ermordet sicher annehmen, dann muss er unnormal sein, oder mit anderen Worten (psychisch) krank, was letztlich nichts anderes als eine Umschreibung des Begriffes unnormal ist. Wenn Maik S. aber unnormal und damit krank ist, dann gehört er nicht in den Strafvollzug, sondern in den Maßregelvollzug, wo es nicht nur um Strafe, Sühne und präventive Abschreckung geht, sondern auch um Therapie, als eine Form der Hilfe für schuldig gewordene Menschen.  

 

Besonders klug erscheinende Leute im Bundesjustizministerium haben sich folgende Sprachschöpfung ausgedacht:

 

"(3) Die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit wird durch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeuten), soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien nach § 92 durchgeführt. ..."

Bundesgesetzblatt 1998 Teil I Nr. 36, S. 1316

 

Den Menschen gibt es in dieser Formulierung nicht mehr, es gibt nur noch eine Krankheit, die zu behandeln ist. Man kann leicht zu der Vermutung kommen, dass die Autoren solcher Texte selbst einen dringenden psychotherapeutischen Behandlungsbedarf haben könnten, wenn sie schon soweit gekommen sind, dass ihnen das menschliche Subjekt bei ihrer Paragraphenschöpfung abhanden gekommen ist. Vermutlich leiden sie an Depersonalisation, denn sie haben den Menschen verloren. Es gibt kein Ich und kein Du sondern nur noch eine Krankheit, die behandelt werden muss.

Bertolt Brecht hat einmal gesagt: Was ist der Überfall auf eine Bank, gegen die Gründung einer Bank.

Man kann vielleicht auch sagen: Was ist die "psychische Erkrankung eines Menschen gegen die Gründung eines Ministeriums zur Behandlung psychisch kranker Menschen. 

 

Wie problematisch der Krankheitsbegriff ist, sei an einem Beispiel erläutert. Eine Mutter trägt vor Gericht vor, dass die Tochter vom Vater sexuell missbraucht worden wäre. Der Vater trägt vor, die Mutter wäre psychisch krank. Gleichzeitig erstattet er jedoch Strafanzeige gegen die Mutter wegen des nach seiner Meinung ungerechtfertigten und verleumderischen Missbrauchsvorwurf. Der Vaters erstattet also eine Strafanzeige gegen eine Frau, die nach seiner Meinung psychisch krank ist und daher für ihre Äußerungen gar nicht haftbar gemacht werden kann, wenn sie denn tatsächlich psychisch krank wäre.

 

 

 

 

 

 

Neurose

Mit der Neurose ist es so eine Sache. Je nach vertretenen Standpunkt hat man sie oder hat sie nicht. So hätte man z.B. vor dem Weihnachtsfest 2004 einen Mensch, der am Strand der Ostsee steht und auf das Meer hinausguckt, ob da nicht eine meterhohe Welle auf ihn zurollt, vor der er, wenn er sie denn rechtzeitig erblickte, noch mit dem startbereiten Motorrad fliehen kann, wohl als Neurotiker definiert. Nach dem Weihnachtsfest 2004, als in Südostasien ein Tsunami 300.000 Menschen, darunter auch viele Deutsche in den Tod riss, dürfte man auch in Deutschland vorsichtiger mit Etikettierungen wie die des Neurotikers sein, denn wer weiß, vielleicht hat der Mann, der da am Ostseestrand steht und auf das Meer hinausschaut ja ganz passable Gründe, eben dies zu tun. Wer da aber meint es gäbe keine akzeptablen Gründe andauernd prüfend auf das Meer zu gucken, der wird vielleicht die Diagnose stellen, der Mann würde unter einer Angstneurose (Phobie) und einer Zwangsneurose leiden.

Neurotische Menschen gibt es erst seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, genauer gesagt seit 1780. Vor diesem Jahr gab es überhaupt keine Neurosen. Das lag daran, dass der Begriff der Neurose erst um 1780 von W. Cullen eingeführt wurde (vgl. Arnold; Eysenck, Meili "Lexikon der Psychologie", 1997). Was aber nicht definiert ist, das gibt es als Wirklichkeitskonstruktion auch nicht, denn wir können nichts denken, für das uns eben der Begriff fehlt. Natürlich wird es vor 1780 gewisse Verhaltensweisen von Menschen gegeben haben, für die die heutige Schulpsychiatrie den Begriff Neurose verwenden würde. So etwa bei Christoph Kolumbus, der sich partout in den Kopf gesetzt hatte, auf dem Seeweg in Richtung Westen von Europa nach Indien zu kommen. Kolumbus versuchte in Portugal sein Vorhaben umzusetzen. Verhandlungen mit Johann II. von Portugal blieben aber ergebnislos. Vermutlich hatte sich der Herrscher davon überzeugt, mit Kolumbus einen neurotischen Menschen vor sich zu haben, dem nicht zu trauen sei. Kolumbus übersiedelte nach Spanien und trug 1486 Isabella von Kastilien, am 17. April 1492 unterzeichneten Ferdinand II. und Isabella einen Vertrag mit Kolumbus über eine Expedition nach Ost-Asien, wohin Kolumbus zwar nie gelangt, aber dafür Amerika "entdeckte".

Die alten Griechen sollen statt des Begriffes der Neurose, den Begriff der Geisteskrankheit (hier allerdings die 7deutsche Übersetzung dafür) verwendet haben. Eine Neurose ist also eine Geisteskrankheit oder anders gesagt, eine Geisteskrankheit ist eine Neurose. Diese Erklärung führt nun auch nicht gerade dazu, nun zu wissen, was eine Neurose denn eigentlich sein soll. Wenn man die Bedeutung eines Begriffs nicht kennt, kann man in einem Lexikon nachgucken, dazu sind diese ja erklärtermaßen da. Natürlich kann man Lexika auch dazu benutzen, anderen Leuten auf den Kopf zu hauen, das nennt man aus systemischer Sicht einen Perspektivenwechsel vornehmen oder Refraiming (Umdeutung).

So schaut man z.B. voller Hoffnung in das "Lexikon der Psychologie", der Herausgeber Wilhelm Arnold; Hans Jürgen Eysenck und Richard Meili:

 

Arnold, Wilhelm; Eysenck, Hans-Jürgen; Meili, Richard: "Lexikon der Psychologie"; Augsburg 1997

 

Dort, so könnte man nun meinen, würden einen die drei Professoren darüber aufklären, was denn eine Neurose sei. Doch so richtig fündig wird man leider nicht, wenn man in deren Lexikon die immerhin vierseitigen Ausführungen zu diesem Thema liest. Wir erfahren zwar, dass im 19. Jahrhundert sich diverse Psychiater mit dem Thema Neurose beschäftigt haben sollen, im 20. Jahrhundert dann natürlich Siegmund Freud und C.G. Jung, Alfred Adler und viele andere in der psychoanalytischen Tradition denkende Psychotherapeuten wie Ferenczi, Jones, Fenichel, Rank, Stekel, Reich, Horney, Sullivan, wobei die Lexikonautoren resignierend und sicher zutreffend feststellen: "Keine dieser psychoanalytischen Therapien war aber besonders erfolgreich.". Schließlich besprechen die Autoren die Theorie der Konditionierung und Verhaltenstherapie - wir wissen dann aber immer noch nicht, was eine Neurose denn nun sei. Aber immerhin wir sprechen darüber, wie eine Neurose entstanden sein könnte, ohne zu wissen was eine Neurose denn nun eigentlich wäre.  

Da geht es uns wohl auch nicht besser als dem Frager der wissen will, was Intelligenz sei und die wenig erhellende Antwort erhält: 

 

"Intelligenz ist die geistige Fähigkeit, die mit Intelligenztests gemessen wird."

aus Watzlawick, Paul; Nardone, Giorgio: "Kurzzeittherapie und Wirklichkeit"; Piper Verlag, München, 1999, S. 26

 

 

Dass man in einem Lexikon der Psychologie keine wie auch immer geartete Definition findet, was eine Neurose sei, mag nun schon selbst neurotisch erscheinen, ohne dass wir an dieser Stelle schon zu sagen wüssten, was wir unter dem von uns verwendeten Begriff neurotisch denn nun meinten. Woher sollen wir das auch wissen, wenn uns das noch nicht einmal die genannten Professoren in ihrem dreibändigen Lexikon mitteilen. Doch man kann es sich ja leicht machen und jemanden auf der Straße fragen, was er denn unter neurotisch verstehe. Da bekommt man vielleicht Antworten wie: neurotisch = komisch = verrückt = psychisch krank = gestört = geisteskrank = etc. Alles Begriffe, die sich an einer vermeintlich festgestellten Normalität orientieren. 

Doch was ist normal? "Wollt Ihr den totalen Krieg" rief Propagandaminister Dr. Josef Goebbels am 18. Februar 1943 versammelten NS-Anhängern im Berliner Sportpalast zu und die dort versammelte Menge rief "Ja". Man stelle sich nur vor, einer der Anwesenden hätte "Nein" gerufen", so wie es z.B. am 2. Dezember 1914 Karl Liebknecht als einziger Abgeordneter im Deutschen Reichstag tat, in dem er gegen die Bewilligung der Kriegskredite stimmte. Liebknecht kam zwar deswegen nicht in die Psychiatrie aber etwas später, im Jahr 1916 wegen "Hochverrats" ins Zuchthaus. Und ist Michael Kohlhaas, die literarische Gestalt aus der gleichnamigen Erzählung von Heinrich von Kleist ein Neurotiker gewesen oder nicht eher ein früher und zu ehrender Vertreter antitotalitären Widerstandes, ähnlich wie z.B. Hans und Sophie Scholl vom Widerstandskreis Weiße Rose? Heutzutage wird im Bundestag sogar schon über offizielle Denkmäler für im Kampfeinsatz "gefallene" Bundeswehrsoldaten nachgedacht, warum sollte man da nicht auch mal ernsthaft an ein Denkmal für Michael Kohlhaas denken. Vielleicht direkt vor dem Bundeskanzleramt, damit die politisch Verantwortlichen, immer wieder daran erinnert werden, wie sensibel und verantwortungsvoll sie mit der ihnen vom Volke auf Zeit verliehenen Macht umgehen müssen, damit es nicht dazu kommen braucht, dass eines Tages ein Michael Kohlhaas an ihre Stelle tritt. 

 

Ergiebiger als die dürftigen Ausführungen zum Begriff der Neurose bei Arnold; Eysenck, Meili scheinen die Ausführungen bei Perls zu sein:

 

"...

5. Selbstvergewaltigung: Voreiliges Befrieden

Wir sagen also, die Neurose besteht nicht aus einem aktiven Konflikt, es sei dies ein innerer oder äußerer, ein Konflikt eines Triebs mit einem anderen oder der sozialen Normen mit den animalischen Bedürfnissen oder der persönlichen Bedürfnisse (zum Beispiel Ehrgeiz) sowohl mit den sozialen Normen wie mit den animalischen Bedürfnissen. Alle diese Konflikte sind mit der Integration des Selbst verträglich, und es sind sogar Mittel zu dieser Integration. Die Neurose ist vielmehr das voreilige Befrieden des Konflikts; sie ist Verklammertsein, Waffenstillstand oder Taubheit zwecks Vermeidung weiteren Konflikts, und sie äußert sich sekundär als Bedürfnis, in kleinen Scharmützeln zu siegen, wie um die grundsätzliche Demütigung ungeschehen zu machen. Sie ist, kurz, Selbstvergewaltigung. Wir wollen zwei Phasen ihrer Befriedigung unterscheiden: 1. die Befriedigung über das Aufhören des Konflikts und 2. die Befriedigung, sich zu unterdrücken.

Nehmen wir an, das Selbst sei nicht imstande, sich mit einer Lösung des Konflikts zu identifizieren; es verzweifelt an der Lösung und hat keine Aussichten als die auf ewiges Leiden und eine schimpfliche Niederlage. In unseren Familien und in unserer Gesellschaft muß dies oft so sein, denn eine schöpferische Lösung ist hier meist unmöglich. Ein Erwachsener, der die Lage durchschaut, leidet vielleicht weiter, aber das Kind gibt hier notwendig auf. Wir wollen die Bedeutung der Resignation untersuchen.

Im Augenblick extremen Konflikts und extremer Verzweiflung hilft sich der Organismus damit, daß er unempfindlich wird, am augenfälligsten durch Ohnmacht, häufiger durch ein taubes Gefühl, eine Lähmung oder irgendeine andere Art zeitweiliger Verdrängung. Wenn aber die augenblickliche Krise vorüber ist, ohne daß die Umstände für eine Lösung jetzt günstiger geworden wären, so wird weiterer Konflikt vermieden, das Selbst greift nicht mehr an, und die erträglichere Situation der Verdrängung wird permanent; man hat resigniert. Aber die Figur enthält nun einen leeren Fleck, denn der allgemeine Kontext der Bedürfnisse, Gelegenheiten, Schwierigkeiten und so weiter ist noch der gleiche, jedoch fehlt das sich behauptende Selbst, das im Konflikt den Mittelpunkt einnahm. Dieser leere Fleck wird nun ausgefüllt durch die Identifizierung mit einer anderen Person, nämlich derjenigen, die den Konflikt unerträglich gemacht und einen zum Aufgeben gezwungen hat. Dies ist meist ein gefürchteter und geliebter Mensch; der Konflikt wird aufgegeben teils aus Furcht vor ihm und teils, weil man von ihm nicht mißbilligt werden möchte — und dieser Mensch wird nun »man selber«. Das heißt, anstatt sich an das Selbst zu halten, das man in der unbekannten Lösung des Konflikts werden würde, introjiziert man dieses andere Selbst. Indem man sich mit ihm identifiziert, leiht man ihm die Kraft der eigenen Aggressionen, die nun von der Verfolgung der eigenen Bedürfnisse entbunden sind. Die Aggressionen werden retroflektiv gegen die eigenen Bedürfnisse gekehrt: Sie lenken die Aufmerksamkeit von ihnen ab, spannen die Muskeln gegen deren Reizungen, nennen solche Bedürfnisse töricht oder bösartig, bestrafen sie und so weiter. Gemäß den Normen des introjizierten Menschen entfremdet man sich und kämpft gegen das konflikthafte Selbst. Dies fällt uns leicht, denn unser kindlicherer und sozialerer Teil, der einer der Kontrahenten in dem Konflikt war, kann sich mit der introjizierten Autorität verbünden; nützliche aggressive und repressive Haltungen sind naheliegend und leicht zu erlernen. Es ist leicht, jede Gelegenheit der Versuchung zu meiden, wenn man erst einmal eingewilligt hat, brav zu sein; es ist leicht, eine Triebregung als bösartig und einem selbst fremd anzusehen, wenn man sich mit jenen identifiziert hat, die sie so ansehen.

...

 

6. Selbstvergewaltigung: Befriedigung, sich zu unterdrücken

Sehen wir uns nun den Frieden an, der hergestellt worden ist. Wir müssen unterscheiden zwischen positivem und negativem Frieden. Wenn sich der Konflikt ausgetobt hat und mit der Verhinderung und Assimilation der kriegführenden Parteien zu einer schöpferischen Lösung gekommen ist, so tritt eine Erleichterung des Leidens ein und die vollständige Erregung des neugeschaffenen Ganzen. Dies ist positiv. Es gibt nichts zu erobern oder zu vergewaltigen, denn die möglichen Opfer sind ja verschwunden, sie sind zerstört und assimiliert. Im positiven Frieden herrscht paradoxerweise die Freude des Sieges, ohne daß sich jemand besiegt fühlt; das stärkste Gefühl ist das des Erwachens neuer Möglichkeiten, denn es gibt jetzt eine neue Gestalt. So wird die Siegesgöttin immer geflügelt dargestellt, auf Zehenspitzen, den Blick nach vorn gerichtet.

Auch in einer vernichtenden Niederlage ist ein positiver Frieden, wenn man bis an seine Grenzen gegangen ist, seine Kräfte erschöpft und den äußersten Zorn nicht zurückgehalten hat. Denn durch Wut und Trauerarbeit wird das Bedürfnis nach dem Unmöglichen vernichtet. Das neue Selbst ist düster, aber ein ganzes, das heißt, sein Lebensspielraum ist unter den neuen Bedingungen verengt, aber es hat den Sieger nicht in sich aufgenommen und sich nicht mit ihm identifiziert. Péguy hat zum Beispiel schön gezeigt, wie in der griechischen Tragödie die Gedemütigten stärker sind als die arroganten Sieger.

Der Friede der Unterdrückung dagegen, wenn das Opfer noch existiert und beherrscht werden muß, ist als Friede eine Negation:

Die Leiden des Kampfes sind vorbei, aber die Figur des Gewahr-Seins enthält keine neuen Möglichkeiten, denn nichts ist gelöst worden; Sieger und Besiegter und ihr Verhältnis zueinander beschäftigen weiterhin die Zeitungen. Der Sieger ist auf der Hut, der Besiegte verbittert. In sozialen Kriegen sehen wir, daß ein solcher negativer Friede nicht von Dauer ist; zu vieles ist unerledigt geblieben. Wie kommt es, daß sich bei der Selbstvergewaltigung die Befriedung überhaupt als dauerhaft erweist und das siegreiche Selbst jahrzehntelang den entfremdeten Teil seiner selbst unterdrücken kann? Denn jeder natürliche Trieb ist doch zählebig; er kann entfremdet, aber nicht vernichtet werden. Wir müßten erwarten, daß er zu stark sei, um sich lange von Furcht oder dem Bedürfnis nach Zuneigung im Zaum halten zu lassen. Warum fängt der Konflikt nicht beim ersten günstigen Wechsel in der Situation gleich wieder an?

Der Grund ist, daß das Selbst nun eine mächtige positive Befriedigung aus seiner Identifizierung mit der starken Autorität schöpft. ..."

 

Perls, Frederick S.; Goodman, Paul; Hefferline, Ralph F.: Gestalttherapie Grundlagen. dtv, 1979, S. 153-156

 

 

Mit der Perls`schen Definition:

 

"Die Neurose ist vielmehr das voreilige Befrieden des Konflikts; sie ist Verklammertsein, Waffenstillstand oder Taubheit zwecks Vermeidung weiteren Konflikts"

 

kann man schon etwas anfangen, denn jeder und jede hat hierbei schon Erfahrungen gesammelt, einen Konflikt nicht bis zu seinem prinzipiell unbekannten Ende (das es ja nicht gibt) auszutragen, sondern einen pragmatischen Waffenstillstand zu finden.

Der von Perls verwendete Begriff "voreilig" ist allerdings selbst eine Konstruktion. Denn was ist voreilig und was ist nicht voreilig. Ist das beharrliche Werben eines Mannes um die Gunst der von ihm geliebten Frau gesund oder neurotisch? Handelt der Mann, der im Streit mit seiner Partnerin, nachgibt, vernünftig oder befriedet er "voreilig" einen wichtigen Konflikt?

Wie auch immer, wir können sicher beruhigt von uns sagen: Wir alle sind Woddy Allen, der bekennende Stadtneurotiker, wir alle sind Don Quijote, der gegen Windmühlenflügel kämpfende Ritter von der traurigen Gestalt. Das zu meinen kann sehr beruhigend sein, denn dann können wir trotz gewisser Eigenarten, die wir in bestimmten Situationen zeigen, für andere Menschen dann wohl doch nicht so unsympathisch sein. 

 

Der radikale Konstruktivismus (Ernst von Glaserfeld, Heinz von Foerster, Paul Watzlawick, u.a.) befreit uns glücklicherweise weitestgehend von der Notwendigkeit, eine Definition des Begriffes Neurose finden zu müssen. Das kann schon an sich ein heilsamer Schritt sein, denn nun brauchen wir nicht mehr zu überlegen, ob wir denn nun Neurotiker seien oder nicht, sondern wir können uns statt dessen die Frage stellen, was will ich im meinem Leben verändern und was nicht. Vielleicht ist es für jemanden sehr sinnvoll, gegen Windmühlenflügel zu kämpfen, warum sollt er es dann nicht tun, andere sammeln Briefmarken oder Kochrezepte, gehen auf eine Party für Tupperware oder sind Mitglied einer politischen Partei, ohne dass sie deswegen auf die Idee kämen, sie könnten neurotisch  sein. Ein Briefmarkensammler, den es mitsamt seiner Briefmarken zu einem tief im afrikanischen Dschungel lebenden Stamm verschlagen würde, hätte dort vermutlich große Probleme, den versammelten Eingeborenen verständlich zu machen, was es mit den eigenartigen kleinen Papierschnipseln auf sich hat, die er in eigenartigen Behältnissen aufbewahrt. Möglicherweise würden die Eingeborenen meinen, er müsse vom bösen Geist besessen sein und es wäre sicher sehr heilsam für ihn in einer Feuerlaufzeremonie über glühende Steine zu wandeln. Was im übrigen mit Sicherheit helfen würde, denn von nun an würde der gute Mann sich um seine schmerzenden Füße kümmern und nicht mehr um seine Briefmarkensammlung.

Als Konstruktivisten müssen wir uns nicht auf fruchtlose tiefenpsychologische Spekulationen über das Wesen der Neurose einlassen, sondern wir können vereinbaren: Neurotisch ist das, was wir als neurotisch ansehen. So vermeiden wir Peinlichkeiten wie sie der traditionelle geschulte Psychologenverstand immer wieder und unermüdlich präsentiert. So z.B. der am 9.6.2000 im Alter von nur 62 Jahren plötzlich und unerwartet verstorbene Wilfried Wieck, der in den 80-er und 90-er Jahren mit seinen Büchern "Männer lassen lieben" und "Wenn Männer lieben lernen", die Männer wachrütteln und in der Art eines Missionars auf den rechten Weg weisen wollte. 

In dem von Wiecks Lebensgefährtin Irmgard Hülsemann nach Wiecks Tod in dem Buch "Zwischen Sehnsucht und Erstarrung. Die Erotik des Mannes", 2002 Kreuz-Verlag, auf den Weg gebrachten Veröffentlichung nachgelassener Schriften von Wilfried Wiek, lesen wir zu Thema verschiedener "Reaktionstypen" der Eifersucht von Männern:

 

"... Der Mann versucht bei drohendem Verlust der Partnerin um die Beziehung zu kämpfen und um die Frau zu werben: eine recht seltene aber sehr gesunde Form der Eifersucht.

... Manche entwickeln überhaupt keine Eifersucht, auch nicht, wenn die Partnerin eine Beziehung mit einem Dritten unterhält. Das erscheint mir neurotisch. En solcher Mann ist wohl schon sehr abgestumpft und ignorant." (S. 217/18)

 

 

Nun könnte man dagegen halten und meinen, ein Mann der "bei drohendem Verlust der Partnerin um die Beziehung" kämpft und um die Frau wirbt, obwohl diese nicht mehr mag, wäre ein Stalker und damit im politisch korrekten Sinne ein neurotischer und straftatverdächtiger Mann. Ein der Mann, der jedoch keine Eifersucht entwickelt, wäre dagegen genau der softige Typ von Mann, den sich die feministische Bewegung seit Jahrzehnten erträumt und als gutmütigen Kuschelhasen und Plastinat auf dem Küchenbord sitzen hätte.

 

 

 

 

 

Psychische Erkrankung - "Psychische Krankheit" 

 

Hauptverhandlung beim Amtsgericht Rastatt am 26.07.2006

Datum: 18.07.2006

Kurzbeschreibung: Strafverfahren gegen zwei Igeltöter

Hauptverhandlung gegen Rastatter Igeltöter

am Mittwoch, dem 26. Juli 2006, um 13.15 Uhr beim

Amtsgericht - Jugendrichter - Rastatt, Herrenstraße 18, 76437 Rastatt, Sitzungssaal 139:

 

Zwei 18jährige Schüler aus Rastatt sind wegen tierquälender Tiertötung angeklagt. Die beiden Angeklagten sollen am 07.05.06 in Rastatt einen ausgewachsenen männlichen, lebenden Igel gefunden und sich entschlossen haben, ihn in die Luft zu sprengen.

Einer der Angeklagten habe dem Igel einen sogenannten A-Böller in den Mund gesteckt, der andere Angeklagte habe den Böller gezündet. Als der Igel sich nach der Detonation noch zuckend bewegt habe, sei ein weiterer Böller in den After des Tieres eingeführt und zur Explosion gebracht worden.

Da es sich bei den beiden Angeklagten um Heranwachsende handelt, ist die Hauptverhandlung öffentlich.

 

Hinweis zu den gesetzlichen Vorschriften

§ 17 Tierschutzgesetz

Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer ...

1. ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet oder

2. einem Wirbeltier

a) aus Roheit erhebliche Schmerzen oder Leiden oder

b) länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt.

 

http://www.stabaden-baden.de/servlet/PB/menu/1200947/index.html?ROOT=1175607

 

 

Sind die Rastatter Igeltöter psychisch krank? Das könnte man jedenfalls annehmen, wenn man die folgende Meldung über eine Mutter liest, die den eigenen Sohn mit verunreinigten Spritzen "behandelte". So gibt es also nicht nur die "psychische Erkrankung" mit dem abenteuerlich klingenden Namen Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom, sondern auch die "psychische Erkrankung" mit dem phantasievollen Namen Rastatter Igeltöter-Syndrom.

 

 

Eigenen Sohn mit verunreinigten Spitzen gequält?

Am Donnerstag beginnt der Prozess gegen eine 39-Jährige, die ihren Sohn angeblich mit Spritzen umbringen wollte. Die Mutter litt vermutlich unter dem "Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom". 

Berlin - Sie galt als fürsorglich und schlief im Krankenhaus, um sich um ihren kleinen Sohn zu kümmern. Der Zustand des Jungen aber blieb einfach nicht stabil. Mehrfach musst er wegen lebensbedrohlicher Blutvergiftungen durch Darmbakterien behandelt werden. Die Ursache schien rätselhaft. Bis eine Krankenschwester gebrauchte Einwegkanülen bei der Mutter sah. Heike S. soll versucht haben, ihren damals 19 Monate alten Sohn mit verunreinigten Spritzen zu ermorden. Sie litt vermutlich unter dem „Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom“. Ab Donnerstag steht sie vor Gericht.

Sie soll ihren Jungen zwischen dem 6. Oktober und dem 7. November 2007 in 14 Fällen Spritzen injiziert haben, die mit Fäkalien verseucht waren. Das war laut Anklage zu einem Zeitpunkt, als der Kleine aufgrund einer Virusinfektion und seines allgemein schlechten Gesundheitszustands in einer Kinderklinik lag. Heike S. betreute das Kind, schlief mit ihm im selben Zimmer. Musste er wegen eines Fieberschubes auf die Intensivstation verlegt werden, ging es ihm bald besser. Das hatte die Ärzte im Laufe der Wochen bereits stutzig gemacht.

Als das Kind im November während einer neuerlichen lebensbedrohlichen Situation wieder einmal auf die Intensivstation verlegt wurde und die Tasche von Heike S. geöffnet auf dem Boden stand, soll eine Krankenschwester gebrauchte Einwegspritzen entdeckt haben. Die Mutter injizierte ihrem Jungen den Ermittlungen zufolge ihre eigenen Exkremente in die Blutbahn. Sie habe aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch und grausam gehandelt. War es das „Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom“, das die Mutter trieb? Dabei handelt es sich um eine seltene psychische Krankheit, bei der die Patienten – zumeist Mütter – ihren Kindern absichtlich Schmerzen zufügen, sie heimlich krank machen, um ihnen dann helfen zu können und dadurch Anerkennung zu bekommen oder eine seelische Krise abzuwenden. 1977 wurde diese Erkrankung in England das erste Mal beschrieben.

Als der schreckliche Verdacht in der Welt war, informierte die Klinik umgehend die Behörden. Per richterlichen Beschluss wurde die Mutter von ihrem Sohn getrennt. Es hätten handfeste Indizien dafür vorgelegen, dass das Wohl des Kindes in Gefahr war, hieß es. Nachdem chemische und DNA-Analysen den Verdacht erhärteten, beantragte die Staatsanwaltschaft Haftbefehl gegen die Mutter. Ende Mai letzten Jahres wurde Heike S. festgenommen. Obwohl von einer Persönlichkeitsstörung ausgegangen wird, soll sie nicht schuldunfähig sein. K. G.

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 21.04.2009)

http://www.tagesspiegel.de/berlin/Prozess-Kindesmisshandlung;art270,2778339

 

 

Gibt es womöglich auch noch andere interessante psychische Erkrankungen, wie etwa das Schwarzfahrer-Syndrom, das Steuerhinterzieher-Syndrom, das Jürgen Möllemann-Syndrom (Springen mit ungeöffnetem Fallschirm). das Brigitte-Zypries Syndrom (Angst vor heimlichen Vaterschaftstests), das Politiker-Dummgequatsche-Syndrom und das Psychologen-Psychopathen-Schnulli-Sydndrom? Oder ist das ganze Gequatsche über dieses und jenes Syndrom nicht selber schon ein Syndrom mit dem Namen Syndromgequatsche-Syndrom?

Dem in der Alltagssprache verwendeten Begriff der "psychischen Krankheit" liegt das beschränkte Verständnis der westlichen (Schul)medizin zugrunde. Danach erkranken Menschen an einer "ansteckenden Krankheit", an einer "unheilbaren Krankheit" oder eben auch an einer "psychischen Krankheit". Verantwortlich sind böse Bakterien und Viren. Im Falle einer "psychischen Krankheit" fällt dem traditionellen Mediziner die Ursachenbestimmung schon schwerer, denn es ist ihm trotz millionenschwerer intensiver Suche bisher noch nicht gelungen "psychische Krankheiten" auslösende Bakterien und Viren zu finden, für die die Schulmedizin als Gegenmittel dann geeignete Medikamente entwickeln würde. 

Im "Lexikon der Psychologie" von Wilhelm Arnold; Hans-Jürgen Eysenck; Richard Meili findet man erstaunlicherweise weder den Begriff "psychische Erkrankung" noch den der "psychische Krankheit". Man kann daraus den logischen Schluss ziehen, dass es somit auch keine "psychischen Erkrankungen" und keine "psychischen Krankheiten" geben kann, denn sonst hätten die drei honorigen Professoren darüber sicher etwas mitgeteilt. Auch der Begriff der "psychischen Störung" wird nicht aufgeführt. 

Immerhin teilen die drei Professoren wenigstens kurz mit, was sie unter dem Begriff der "Krankheit" verstehen", diese wäre ein:

 

"regelwidriger Verlauf der leiblichen, seelischen oder geistigen Lebensvorgänge. Medizinisch-biologisch: Störung der Homöostase; macht u.U. medizinische Behandlung bzw. Pflege notwendig und/oder hat Arbeitsunfähigkeit (vorübergehend/dauernd) zur Folge."

Arnold; Hans-Jürgen Eysenck; Richard Meili: "Lexikon der Psychologie"; Augsburg 1997

 

 

Wie man sehen kann, ein völlig mystisch-spekulativer Text, denn wer legt fest, was "regelwidrig" ist? Ist der Wutausbruch bei einem Kind regelwidrig und das Kind deshalb krank? Ist ein Bundestagsabgeordnete "krank", der einen Parlamentskollegen in der Debatte als Arsch bezeichnet und damit gegen die im Bundestag geltenden Regeln verstößt? Ist die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler- Gmelin "krank" gewesen, als sie in offenbar regelwidriger Weise den amerikanischen Präsidenten Georg Bush in eine inhaltliche Verbindung mit Adolf Hitler brachte?

 

 

Vergleich mit Hitler? Wirbel um Herta Däubler- Gmelin

Auslöser der ganzen Debatte war ein Bericht im Lokalteil des "Schwäbischen Tagblatt" über eine Diskussion Däubler-Gmelins mit etwa 30 Metallgewerkschaftern in ihrem Wahlkreis im baden-württembergischen Derendingen. Nach kurzer Zeit seien die Teilnehmer auf das Thema Irak gekommen. Im Verlauf des Gesprächs habe die Ministerin gesagt, Bush wolle mit einem Irak-Krieg vor allem von innenpolitischen Problemen ablenken.

Sie wurde mit den Worten zitiert: "Das ist eine beliebte Methode. Das hat auch Hitler schon gemacht." Auch die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher habe 1982 einen Krieg gegen Argentinien um die Falkland-Inseln geführt, um die Wahlchancen ihrer Partei zu verbessern. Damit wolle sie aber auf keinen Fall Bush mit Hitler vergleichen, habe sie betont, als einige Zuhörer raunten. "Ich habe Bush nicht mit Hitler gleichgesetzt", wurde sie zitiert.

Däubler-Gmelin habe die USA weiter kritisiert. Mit Blick auf die Todesstrafe habe sie gesagt: "Die haben ein lausiges Rechtssystem." Wenn die heutigen Gesetze gegen Insider-Geschäfte bereits in den 80er-Jahren gegolten hätten, als der jetzige US-Präsident noch Manager bei Erdölfirmen gewesen sei, "dann säße Bush heute im Gefängnis".

Das Bundesjustizministerium wies den Bericht zurück, da ein falsches Bild gezeichnet werde. Die Mininisterin habe immer vor Vergleichen zwischen Politikern und Nationalsozialisten gewarnt und dies auch bei der Diskussionsrunde getan. Der Ministeriumssprecher sagte, Däubler-Gmelin sei die Diskussionsrunde als intern angekündigt worden. Sie habe nicht gewusst, dass auch Journalisten teilgenommen hätten.

Der Autor des Berichts blieb indes bei seinen Angaben. "Es ist alles so, wie ich es aufgeschrieben habe", sagte der Journalist Michael Hahn. Der Betriebsratsvorsitzende der Walter AG, Bernd Melchert, sagte, Däubler-Gmelin habe ähnliche Methoden bei Bush und Hitler beschrieben. "Sie hat also keinen Vergleich Bushs mit dem Hitler gemacht."

erschienen am 20. Sep 2002 in Politik

http://www2.abendblatt.de/daten/2002/09/20/71494.html

 

 

Ist gar die Mitgliedschaft in der SPD schon als eine Krankheit zu bezeichnen, da höchsten fünf Prozent der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland Mitglied in der SPD sind, es sich bei SPD-Mitgliedern mithin um eine Minorität handelt? 

Übernimmt man die Definition von "Krankheit" von Wilhelm Arnold; Hans-Jürgen Eysenck; Richard Meili, dann sind wir eigentlich fast ständig krank. denn wir verstoßen dauernd gegen Regeln, sei es, dass wir zu spät nach Hause kommen und unsere Partnerin mit uns schimpft, sei es dass wir mit dem Fahrrad auf dem Gehsteig fahren oder gar wie Pippi Langstrumpf rückwärts laufen oder unserem Chef nicht nach dem Munde reden, sondern regelwidrig unsere eigene Meinung äußern. Auch der Hitlerattentäter Claus Graf Schenk von Stauffenberg, wäre dann krank gewesen, denn er verstieß gegen die herrschenden Regeln im NS-Staat, die da zum Bespiel hießen "Unsere Ehre heißt Treue". Und der Generalsstab im Stalingrader Kesser unter Generalfeldmarschall Paulus wären dann gesund gewesen, denn sie folgten in einer Art Nibelungentreu den Anweisungen des Führers Adolf Hitler bis kaum noch jemand von den befehligten deutschen Soldaten am Leben war.

Unser Leben ist dauerhaft von "Störungen der Homöostase" (des Gleichgewichtes) geprägt, sei es, dass wir durstig, hungrig oder müde werden. Erst mit dem Tod tritt der Zustand völliger Entropie ein, der keine Regulierung der Homöostase mehr erfordert. So gesehen ist nur der Tod ein Zustand völliger Gesundheit.

 

Paul Watzlawick wurden auf einer Reise nach Indien in Bombay sogenannte Swamis, das sind weise und hochgeachtete Männer, vorgestellt, In Deutschland würden diese Männer mit der psychiatrischen Diagnose der katatonen Schizophrenie bedacht und vom Sozialpsychiatrischen Dienst betreut werden.

 

wiedergegeben nach Paul Watzlawick: "Vom vermeintlichen Sinn des Unsinns", Baseler Psychotherapietage 1998, Video, www.auditorium-netzwerk.de

 

 

"Im Herbst 2002 erkrankte meine Frau an einer Psychose." schreibt ein Mann an die Beratungsstelle. Gerade so, als ob eine Psychose eine ansteckende Krankheit wäre, an der man erkranken könnte. "Die Psychose" wird personifiziert und mystifiziert. 

Wenn ein Mensch stirbt, stirbt er für den Schulmediziner nicht einfach, sondern er stirbt an einer Krankheit, z.B. Krebs oder Herzinfarkt. Ist keine Krankheit da, wird dem Schulmediziner schlecht, denn er ist zwanghaft und muss alles in Schubladen einordnen können, sonst meint er den Überblick zu verlieren und womöglich auch noch den Verstand. Und dann wäre er ein Fall für seine Kollegen aus der ebenso schulmedizinisch orientierten Psychiatrie, die dann meinen, ihr Kollege hätte eine seltsame "psychische Krankheit".

Etwas moderner dann schon das Verständnis, jemand würde an bestimmten Verhältnissen "erkranken", so z.B. wegen Mobbing im Betrieb oder in der Familie oder wegen ungeklärter familiärer Konflikte. Hier wird ein psychosomatisches Verständnis von "Krankheit" eingebracht, was dem traditionellen Schulmediziner heute leider noch immer ein Buch mit sieben Siegeln zu sein scheint. 

 

 

"Wir wollen das `Selbst` als System der ständig neuen Kontakte definieren. Als solches ist das Selbst von flexibler Vielfalt, denn es verändert sich mit den vorherrschenden Bedürfnissen und den andrängenden Umweltreizen; es ist das System der Reaktionen; ...

Die Beschreibung psychischer Gesundheit und Krankheit ist einfach. Es geht um die Identifizierungen und Entfremdungen des Selbst: Wenn ein Mensch sich mit seinem schöpferischen Selbst identifiziert, seine eigene schöpferische Spannung und das Streben nach der zukünftigen Lösung nicht blockiert, wenn er umgekehrt abspaltet, was nicht organisch zu ihm gehört und daher nicht lebendige Spannung erzeugen kann, was vielmehr die Gestalt/Hintergrund-Schöpfung eher zerbricht, dann ist er psychisch gesund, denn er wendet seine beste Kraft auf, und er wird in schwierigen Lebensumständen das Beste tun, was ihm möglich ist. Wenn er aber im Gegensatz dazu sich selbst fremd wird und auf Grund falscher Identifizierungen seine eigene Spontanität zu besiegen versucht, dann macht er sein Leben trübe, wirr und peinigend. Das System der Identifizierungen und Entfremdungen werden wir das `Ich` nennen."

Perls, Frederick S.; Hefferline, Ralph F.; Goodman, Paul: "Gestalttherapie Grundlagen", dtv / Klett-Cotta, 1979, S. 17/18

 

 

Systemisch können wir Krankheit als ein funktionales Symptom betrachten und als sinnvoll für das System bestehend aus Klient und Umwelt.  Dies schließt nicht aus, dass der Klient an "der Krankheit" leidet, lebensgefährlich erkrankt ist oder sogar stirbt. Diese These mag insbesondere bei schweren Erkrankungen als provozierend empfunden werden. Der Versuch der Heilung ist im allgemeinen sinnvoll und humanistisch. Moderne Apparatemedizin zur Lebensverlängerung um jeden Preis und chemotherapeutische "Behandlungen" "krebskranker" Menschen, scheinen dagegen reine Alibiveranstaltungen zu sein, die die Hilflosigkeit der Helfer verschleiern sollen und dabei noch immense Kosten verursachen, die letztlich dem kranken Menschen nicht nützen. 

Die Anerkennung von "Krankheit" als Symptom ist nicht gleichbedeutend, sich damit schicksalsgläubig abzufinden. Die ersatzlose Eliminierung des Symptoms wie es die Schulmediziner anstreben und was sie oft wohl mit Symptomverschiebung auch erreichen, entspricht einem reduktionistischen Verständnis der Welt. Systemisch geht es darum, auch in der "Krankheit" den Sinn und Zweck für den Kranken und seine Umwelt zu erkennen. Die "Krankheit", im besonderen die "psychische Erkrankung" ist eine Lösung. Wenn wir diese - oft zu Recht - nicht mögen, müssen wir uns nach einer besseren Lösung umsehen. Systemische Beratung und Therapie bieten dafür interessante Möglichkeiten an.

 

 

Wut auf Schaben

Ein Alkoholkranker gestand, die Mülldeponie in Bernau mit dem Feuerzeug angezündet zu haben

Katrin Bischoff

BERNAU. Er trank eine große Flasche Schnaps leer, dann stieg er auf sein Fahrrad. Kurz vor Mitternacht hielt der 47-jährige Uwe N. ein Einweg-Feuerzeug an einen Plastiksack mit Müll und entfachte so in Bernau (Barnim) einen der größten Deponiebrände in Brandenburg, dessen Rauchschwaden bis Berlin zogen. Am Dienstag legte der Invalidenrentner bei der Polizei ein umfassendes Geständnis ab. Von einem Haftbefehl bleibt der alkoholkranke Mann jedoch verschont.

"Er war zunächst nur ein Zeuge", sagte Axel Hetke, Erster Kriminalhauptkommissar in Eberswalde, am Donnerstag. Hetke leitete die Brand-Ermittlungsgruppe mit Spezialisten aus Bernau und Eberswalde. Uwe N. habe in der Nacht vom 9. zum 10. September als Schaulustiger bei den Feuerlöscharbeiten an der von der Firma Geab betriebenen Deponie zugesehen. "Und wie in solchen Fällen üblich, haben wir von allen Schaulustigen zunächst die Personalien aufgenommen und sie dann zu einem Gespräch eingeladen", sagte Hetke.

Keine Erinnerung an die Uhrzeit

Schon bei seiner ersten Vernehmung habe sich Uwe N. in Widersprüche verwickelt. "Er gab an, dass er in jener Nacht vom hellen Schein des Feuers angelockt worden wäre. Doch er hat auch Dinge erzählt, die vor dem Brand geschehen sind", sagte Hetke. Am Dienstag sei Uwe N. dann zu einer zweiten Vernehmung zur Polizei bestellt worden. Zu der sei der psychisch labile Mann dann zusammen mit seinem vor einiger Zeit gerichtlich bestellten Betreuer, der ihn bei Behördengängen begleitet, erschienen.

N. habe sofort zugegeben, das Feuer gelegt zu haben. In seiner 90 Minuten dauernden Aussage habe er angegeben, täglich von der Schabenplage gelesen zu haben, die von der Mülldeponie ausgegangen sein soll. Das habe ihn in Wut versetzt. "Er ist zwar selbst kein Betroffener, seine Wohnung liegt ungefähr einen Kilometer von dem von Schaben geplagten Gebiet entfernt", sagte der Kripo-Beamte. Doch an jenem Abend habe Uwe N. zu Hause gesessen, getrunken und sei dann wie getrieben aufs Rad gestiegen. "Die genauen Uhrzeiten bekam der Mann wegen seines Alkoholkonsums nicht mehr zusammen", sagte Hetke. Doch es bestehe kein Zweifel, dass Uwe N. den Brand gelegt habe.

Gegen den 47-jährigen gelernten Kabelhersteller wurde jedoch kein Haftbefehl beantragt. "Wir gehen zwar von einem dringenden Tatverdacht aus", sagte Michael Neff, der Sprecher der Staatsanwaltschaft in Frankfurt (Oder). Doch es gebe keinen Haftgrund. Der Mann habe einen festen Wohnsitz. Er werde betreut. "Es gibt aus unserer Sicht auch keine Verdunklungs- oder Wiederholungsgefahr", sagte Neff. Uwe N. müsse mit einer Anklage wegen Brandstiftung rechnen.

Auf der Deponie am Rande von Bernau war ein 30 000 Quadratmeter großer Müllberg in Flammen aufgegangen, die Rauchschwaden führten sogar in Berlin zu starken Geruchsbelästigungen. Die Feuerwehr war tagelang im Einsatz, um die Flammen zu löschen. Bei den Ermittlungen stellte sich heraus, dass der Betreiber doppelt so viel Müll wie erlaubt auf dem Gelände deponierte. Das Landesumweltamt untersagte daraufhin den Betrieb der Anlage. "Wir werden nunmehr mit der Geab einen öffentlich-rechtlichen Vertrag abschließen und liegen dabei in den letzten Zügen", sagte Helmut Geisler vom Landesumweltamt. Der Vertrag beinhalte auch, dass der zu viel angehäufte Müll abgefahren werden muss. "Und zwar ziemlich schnell", sagte Geisler.

Kosten von 300 000 Euro

Unklar ist bis heute, wer die Kosten für die Brandbekämpfung übernehmen muss. Der Tatverdächtige Uwe N. werde bei einer Verurteilung wohl kaum in Regress genommen werden können, hieß es am Donnerstag. "Es gibt eine eindeutige Rechtsauffassung. Bei einem so genannten Großschadensereignis wie in diesem Fall muss der Landkreis die Kosten übernehmen", sagte Wolfgang Brandt, der Sprecher des brandenburgischen Innenministeriums. Nur wenn das Feuer als Brand klassifiziert worden wäre, hätte die Stadt Bernau die Einsatzkosten zahlen müssen. Und die liegen immerhin bei 300 000 Euro.

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/brandenburg/499466.html

 

 

Der der 47-jährige Uwe N. hat Glück gehabt, er gilt als psychisch krank und alkoholkrank

Anders dagegen bei dem wegen Vergewaltigung und Ermordung der 16 Jahre alten Carolin aus dem Ostseebad Graal-Müritz verurteilten Maik S. Dieser wurde vom Landgericht Rostock am 15.11.2005 zu lebenslänglicher Haft verurteilt, anschließende Sicherheitsverwahrung wurde angeordnet (Tagesspiegel 16.11.2005). 

Maik S. war erst wenige Tage vor der Tat aus der Haft entlassen worden. Er hatte eine siebenjährige Strafe wegen einer Vergewaltigung am gleichen Ort komplett abgesessen. Der Vorsitzende Richter Guido Lex sagte bei der Urteilsbegründung, Maik S. sei brutal, rücksichtslos und ichbezogen. Krank sei er allerdings nicht, eine Therapie deshalb wahrscheinlich aussichtslos. Pech für Maik S., dass er nach herrschender Meinung nicht als krank angesehen wird. Wäre er als "psychisch krank", "alkoholkrank", Schizophrener, Borderliner, Psychotiker und was es sonst noch an psychiatrischen Etikettierungen gibt, diagnostiziert, also konstruiert worden, so wäre er nicht zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden, sondern wäre in die vergleichsweise komfortable und teuere Psychiatrie eingewiesen worden. Dort hätte er dann die nächsten Jahre seine Tage verbringen dürfen und hätte jeden Tag seines steuerfinanzierten Aufenthaltes in der Psychiatrie den Psychiatern danken können, die sich den Begriff der psychischen Erkrankung ausgedacht haben. Wenn Maik S. aber nach Ansicht des Vorsitzenden Richters nicht krank ist, dann muss er wohl ein ganz normaler Mensch sein, so einer wie Du und ich, oder auch wie der Vorsitzende Richter Guido Lex. Wenn Maik S. aber kein normaler Mensch ist und das kann man bei einem Menschen, der ein 16-jähriges Mädchen vergewaltigt und ermordet sicher annehmen, dann muss er unnormal sein, oder mit anderen Worten psychisch krank, was letztlich nichts anderes als eine Umschreibung des Begriffes unnormal ist.

 

Günstiger als für Maik S., der "nur" einen Menschen tötete, wird es sicher für Steffi B. ausgehen, die in Plön ihre fünf Söhne im Alter von drei bis neun Jahren getötet hat. Sie wird im Gegensatz zu Maik S. ganz sicher nicht ins Gefängnis kommen, da sei die heilige Jungfrau Maria vor und im übrigen waren es ihre eigenen Söhne, die sie getötet hat und das wird man einer deutschen Mutter doch wohl zubilligen dürfen. Ein bisschen nach außen demonstrierte "Fassungslosigkeit" von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) und Innenminister Ralf Stegner (SPD) macht sich da auch ganz gut, derweil man wieder zur Tagesordnung übergeht.

 

 

06.12.07, 00:04

Schleswig Holstein

Psychisch Kranke tötet offenbar fünf Söhne

Tragödie in Schleswig-Holstein: Eine psychisch kranke Frau hat anscheinend ihre Kinder im Alter von drei bis neun Jahren umgebracht. Die 31-Jährige wurde in die geschlossene Psychiatrie gebracht.

Die Polizei fand die fünf Kinderleichen am Mittwochnachmittag in einem Einfamilienhaus in der Gemeinde Darry im Kreis Plön. Die Jungen sind Opfer einer Gewalttat geworden, wie die Polizei in Kiel am Abend mitteilte. Der Tat dringend verdächtig sei die 31-jährige Mutter der Kinder, die sich mittlerweile in einem psychiatrischen Krankenhaus befinde. Nach derzeitigem Erkenntnisstand dürfte das Motiv in einer psychischen Erkrankung der Frau zu suchen sein.

Zum Auffinden der fünf Kinderleichen wollte die Polizei keine Angaben machen. Die Mutter habe „selbst auf den Tod hingewiesen“, sagte ein Polizeisprecher. Die Spurensicherung war am Abend in dem Haus angelaufen und sollte noch mehrere Stunden dauern. Die Leichen der Kinder wurden gegen 23.30 Uhr aus dem Haus abtransportiert.

Die Frau wohnte mit den Kindern alleine dort. Medienberichten zufolge soll sie vor der Tat die Kinder mit Tabletten betäubt und erstickt haben. Dies wollte der Kieler Oberstaatsanwalt Uwe Wick zunächst nicht bestätigen. Am Donnerstagmorgen sollten alle Leichen obduziert werden, vorher wolle er zu den Umständen des Todes keine Angaben machen, betonte er.

Nach Informationen der ARD-„Tagesthemen“ wurde die 31-Jährige in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik in einen künstlichen Schlaf versetzt. Sie soll sich am Nachmittag zunächst einem Arzt anvertraut und ihm die Tat berichtet haben. Nach Angaben von Nachbarn war die Mutter erst vor einigen Monaten in den Ort gezogen.

Lehrern der örtlichen Grundschule soll ein verwahrloster Zustand der beiden älteren Kinder aufgefallen sein. Nach Angaben des Bürgermeisters von Darry, Olaf Arnold, stand die Familie unter der Betreuung des Jugendamtes. Nach ARD-Angaben hatten Mitarbeiter des Jugendamtes am Mittwoch an der Tür geklingelt, weil die Kinder in der Schule gefehlt hätten. Es habe aber niemand geöffnet. Die fünf Kinder sollen von zwei verschiedenen Vätern stammen. Der Vater von dreien der Kinder lebe in Berlin, der Vater der beiden anderen wohne in Schleswig-Holstein.

Mit Trauer und Betroffenheit reagierte die Landesregierung auf die Familientragödie. „Die furchtbare Tat wirft viele Fragen auf, die wir zurzeit nicht beantworten können. Wir stehen mit Fassungslosigkeit vor fünf jungen Menschen, die jetzt tot sind“, sagten Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) und Innenminister Ralf Stegner (SPD) in Kiel. Erst die Untersuchungen der nächsten Tage könnten die Hintergründe des furchtbaren Ereignisses erhellen.

http://www.focus.de/panorama/welt/schleswig-holstein_aid_228442.html

 

 

Die Zeitungsmeldung deutet den mutmaßlichen weiteren Verlauf an. Staatsanwaltschaft und Gericht werden zu der Auffassung gelangen, die Frau wäre zum Zeitpunkt der Tat psychisch krank gewesen, was nicht anderes heißt, sie wäre für ihre Taten nicht verantwortlich. Woher wollen aber Staatsanwaltschaft und Richter wissen, in welchem Zustand die Frau zum Zeitpunkt der Tat gewesen wäre, wenn sie doch naturgemäß in dieser Zeit gar keinen Kontakt mit der Frau hatten und daher nur rückwärts geschaut meinen können, so oder so wäre es tatsächlich gewesen. So gesehen könnte man meinen, auch die NS-Kriegsverbrecher wären allesamt psychisch krank gewesen, denn sonst hätten sie zweifellos all ihre grausamen Taten nicht begehen können.

Und so wie hier vorausgesagt, behauptet die ermittelnde Staatsanwaltschaft laut Spiegel Online am selben Tag (06.12.2007): "Steffi B. ist seit längerem psychisch krank". Wer diese Diagnose stellt, wird in der Meldung nicht mitgeteilt. Es habe zwar seit geraumer Zeit eine intensive Begleitung der Familie durch sozialpsychiatrische Fachleute gegeben, sagte der Landrat von Plön, Volkram Gebel, wobei die Leiterin des Gesundheitsamtes keine akute Gefährdung und der sozialpsychiatrische Dienst am 16.08.2007 keine Hinweise auf eine psychiatrische Erkrankung festgestellt habe. Die Staatsanwaltschaft behauptet aber ganz im Gegenteil "Steffi B. ist seit längerem psychisch krank". Wem soll man denn hier noch glauben. Wahrscheinlich bastelt es sich jeder so, wie er es grad braucht, was eindrucksvoll die Konstruiertheit einer "psychischen Erkrankung" zeigt.

Wenn sich nach ein paar Wochen die mediale Aufmerksamkeit gelegt hat, wird wieder Ruhe im Dorf einziehen, in das die Mutter mit ihrem Ehemann und den Kinder erst drei Monate vorher gezogen war. Die Akten werden geschlossen und alle werden von sich sagen können, dass sie keine Fehler gemacht haben. Fehler machen immer nur die anderen.

 

Wenn Steffi B., die fünf Menschen getötet hat, psychisch krank wäre, warum dann nicht auch der 17 Jahre alte Messerstecher Erol A., der "nur" einen Menschen auf dem Gewissen hat? Warum wird dieser als Straftäter bezeichnet wird und Steffi B, der man schon fast einen Massenmord vorwerfen kann, als psychisch krank?

 

 

15. Juni 2007, 09:07 Uhr

Von Michael Behrendt und Jens Anker

Messerstecher vom Tegeler See in Haft

Nach den tödlichen Messerstichen auf einen 23-Jährigen aus Reinickendorf hat ein Richter Haftbefehl gegen den 17 Jahre alten mutmaßlichen Täter erlassen – wegen Mordes aus Heimtücke. Dass der Beschuldigte wegen einer Messerstecherei bereits vorbestraft ist, gibt Anlass zur Kritik am Umgang mit Straftätern.

Nach den tödlichen Messerstichen auf einen 23-Jährigen aus Reinickendorf hat ein Richter am Donnerstag Haftbefehl gegen den 17 Jahre alten Erol A. erlassen – wegen Mordes aus Heimtücke. Dem Türken wird vorgeworfen, Darius E. in einem Moment in den Rücken gestochen zu haben, als er "arg- und wehrlos" war. Im Internet haben Freunde von Darius E. inzwischen eine Nachrufseite installiert.

Der junge Mann war am frühen Dienstagabend an einer Badestelle am Tegeler See erstochen worden, als er einem älteren Herrn zu Hilfe eilen wollte, der von Erol A. und zwei Begleitern angegriffen worden war. Der bislang nicht identifizierte Badegast hatte die drei sowie deren zwei Freundinnen aufgefordert, ihren Müll nicht wegzuwerfen.

Darius E. wurde die Klinge bis zum Heft in den Körper gerammt. Sie verletzte eine Hauptschlagader. Das Opfer soll noch aufgestanden sein und die Flucht ergriffen haben, sei dann aber nach wenigen Metern zusammengebrochen und verblutet. Alle Rettungsversuche blieben erfolglos.

Der Beschuldigte äußert sich nicht zu den Vorwürfen

„Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ordnete der Ermittlungsrichter am Amtsgericht den Vollzug der Untersuchungshaft wegen des dringenden Tatverdachts des Mordes, der gefährlichen Körperverletzung und der Beteiligung an einer Schlägerei an“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Michael Grunwald. Darius E. hatte nach Angaben eines Ermittlers dem 17-jährigen Erol A. gerade den Rücken zugedreht, als ihm mit dem Klappmesser in den Rücken gestochen wurde. Der Beschuldigte hat sich vor dem Haftrichter zu den Tatvorwürfen nicht geäußert.

...

 

Forderung nach härterem Umgang mit Straftätern

Der mutmaßliche Täter ist wegen einer Messerstecherei bereits vorbestraft. Erol A. war erst im April dieses Jahres wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer einjährigen Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt worden, weil er zwei Menschen mit einem Messer verletzt hatte. Innerhalb der Polizei wächst jetzt die Kritik an der Entscheidung des damaligen Richters, dem Jugendlichen Bewährung zu gewähren. „Wir fangen die Täter ein, die Justiz lässt sie laufen, und später sterben Menschen“, sagte ein Kriminalbeamter. Ein anderer forderte einen härteren Umgang mit Straftätern und weniger Toleranz.

Dass Erol A. nicht in Haft saß, liegt nach Angaben des Berliner Justizsprechers Söhnke Volkens an den juristischen Vorgaben. „Die Bewährung kann nur widerrufen werden, wenn nachgewiesen ist, dass der Beschuldigte weitere Straftaten verübt hat“, sagte Volkens. Ein Verdacht, sogar eine Anklage, reiche dafür nicht aus. Rechtlich gelten auch Angeklagte noch als unschuldig. Erst nach einer rechtskräftigen Verurteilung kann der zuständige Richter den Antrag auf Widerruf der Bewährung auf den Weg bringen. Allerdings kann der Richter die Bewährung schon dann widerrufen, wenn ein Täter ein umfassendes und glaubhaftes Geständnis abgelegt hat.

Die Richter ließen sich täuschen

Nach Informationen von WELT ONLINE hatte Erol A. nach der damaligen Straftat sofort ein Antiaggressionsseminar absolviert und offenbar auf diese Weise die Richter davon überzeugt, sich von nun an im Griff zu haben. Eine falsche Darstellung, wie sich nun zeigte. Die Justizverwaltung wollte sich am Donnerstag nicht zu den tödlichen Stichen äußern. Es sei ein „tragischer Fall“, sagte Justizsprecherin Barbara Helten lediglich.

...

http://www.welt.de/berlin/article947887/Messerstecher_vom_Tegeler_See_in_Haft.html?page=3

 

 

War Adolf Hitler gar kein Massenmörder, sondern vielleicht nur psychisch krank und damit nach offizieller Lesart "schuldunfähig"? Er hätte dann gar keinen Suizid begehen oder den Galgen in Nürnberg fürchten müssen, sondern sich nur auf die dauerhafte Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik einzustellen gehabt. Womöglich hätte er dann nach seiner Einweisung in die geschlossene Psychiatrie intensive therapeutische Gespräche mit einem kompetenten jüdischen Psychoanalytiker, der womöglich kurz vorher aus einem KZ befreit wurde, führen können und wäre noch nachträglich geheilt worden? Wäre Adolf Hitler dann nach 10 Jahren Therapie geheilt und mit guter Prognose versehen aus der Psychiatrie entlassen worden, hätte er gleich in die CDU unter Konrad Adenauer eintreten können und dort sicher ein paar alte NS-Parteigenossen wiedergetroffen, die wegen fehlender Therapiemöglichkeiten noch nicht geheilt waren, aber vielleicht durch den zum Christdemokraten gewandelten Adolf Hitler wertvolle Anregungen zur Vertiefung ihrer demokratischen Gesinnung hätten gewinnen können.

 

Vergleiche hierzu: 

 Günther Hesse: "Hitlers neuropsychiatrische Störungen"; In: "Psychologie und Geschichte", H 1/2 - Juni 2001

 

 

 

Die Konstruktion einer psychischen Erkrankung dient gesellschaftlich oder individuell gewünschten Zielen oder Zwecken. So etwa die einer Legitimation für die dauerhafte Unterbringung eines Menschen in der Psychiatrie (bei angeblicher Schuldunfähigkeit) oder in einem Gefängnis (bei angeblicher Schuldfähigkeit).

Wenn man dies als sinnvoll bejahen würde, dann taucht die Frage auf, der denn gesellschaftlich legitimiert sei, eine "psychische Erkrankung" festzustellen (also zu konstruieren), darf das jeder oder jede oder nur ausgewählte Personen. Wenn dies jeder dürfte, hätten wir den totalen Denunziationsstaat, so wie ihn Stanislaw Lem in einer seiner Geschichten vom Piloten Pirx beschreibt.

In einigermaßen demokratisch verfassten Staaten werden Menschen, die eine Ausbildung als Psychiater abgeschlossen haben (eine reglementierte Ausbildung, die Welt und die Menschen nach einem relativ feststehenden Kanon zu beurteilen), legitimiert anderen Menschen eine "psychische  Erkrankung" zu diagnostizieren oder eine solche Diagnose auszuschließen. Ein solcher Kanon (Gesamtheit, der für ein bestimmtes Fachgebiet, geltenden Regeln und Vereinbarungen) ist z.B. die sogenannte ICD-10.

 

ICD-10

Internationale Klassifikation der Krankheiten

10. Revision

www.dimdi.de/static/de/klassi/diagnosen/icd10/index.htm

 

 

In der Praxis wartet man aber die rituelle "Feststellung" einer psychischen Erkrankung durch einen dafür gesellschaftlich legitimierten Psychiater (in älteren Kulturen wäre es der Häuptling, der Schamane oder eine weise Frau), sondern konstruiert schon mal selber drauf los, dass diese/r oder jede/r psychisch krank sei. Das wird dann in der Öffentlichkeit so oft wiederholt, bis schließlich wie in den sogenannten Missbrauchsprozessen von Worms alle, einschließlich des erst später hinzugezogenen Psychiaters glauben, es wäre tatsächlich so, wie es anfänglich nur von einer Jugendamtsmitarbeiterin, einem Journalisten oder einem Politiker behauptet wurde.

Dass es dann und wann noch Leute wie die Kinderbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Marlene Rupprecht, gibt, die über Verstand verfügen, wo andere lediglich einen Kopf auf dem Hals haben, lässt hoffen, dass diese Republik noch nicht völlig dement ist.

 

Politische Reaktionen auf Plauen und Darry

Hätten Behörden den Tod der Kinder verhindern können?

Berlins Innensenator Ehrhart Körting 

Nach Ansicht von Berlins Innensenator Körting lassen sind solche Taten nicht mit absoluter Sicherheit verhindern. ]

Fälle getöteter Kinder wie die in Schleswig-Holstein und Sachsen lassen sich nach Ansicht von Politikern auch durch staatliche Maßnahmen nicht völlig ausschließen. "Politik wäre unehrlich, wenn wir sagen würden, solche Taten ließen sich mit absoluter Sicherheit verhindern", sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Berlins Innensenator Ehrhart Körting, im Morgenmagazin von ARD und ZDF.

"Wir brauchen eine bessere Vernetzung vor Ort"

Die Kinderbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Marlene Rupprecht, erklärte im RBB-Inforadio, gesetzlich gebe es keine Lücken. "Was wir brauchen ist eine bessere Vernetzung vor Ort, des Gesundheitsdienstes, der Gesundheitsämter." Im Kinder- und Jugendhilfegesetz "steht ganz eindeutig drin, dass alle zusammenarbeiten müssen". Rupprecht räumte aber ein, dass man auch damit einen Fall wie den der möglicherweise psychisch gestörten Mutter in Darry in Schleswig-Holstein nicht ganz ausschließen könne.

Kritik an finanzieller Ausstattung

Eine Schaukel im Garten des Hauses, in dem fünf Tote Kinder gefunden wurden. (Foto: dpa) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Schaukel im Garten des Hauses, in dem fünf Tote Kinder gefunden wurden. Der Fall hat eine neue Debatte über Kinder- und Jugendhilfe ausgelöst. ]

Kritik übte die SPD-Politikern an der finanziellen Ausstattung mancher Kinder-und Jugenddienste. Die Mitarbeiter müssten im Notfall Situationen mit hohem Gefährdungspotenzial richtig einschätzen können und brauchten deshalb eine sehr gute Ausbildung. "Hier müssen sich Kommunalpolitiker manchmal fragen lassen, ob sie dafür Geld zur Verfügung stellen."

"Keine Einzelfälle"

Ähnlich äußerte sich auch die Deutsche Kinderhilfe. Der Vereins-Vorsitzende Georg Ehrmann kritisierte, dass die Kinder- und Jugendhilfe finanziell im Schnitt um 15 Prozent heruntergefahren worden sei. Hinzu komme ein "gesellschaftliches Grundproblem", so Ehrmann im Bayerischen Rundfunk. Kinder würden "in die Ecke geschoben und als Störenfriede wahrgenommen. Es herrsche ein Klima, "in dem keiner hinschaut und Kinder nicht als positiv wahrgenommen werden." Die jüngsten Vorfälle seien auch keine "bedauernswerten Einzelfälle", sondern Zeichen für eine "Strukturkrise".

Stand: 06.12.2007 11:40 Uhr

http://www.tagesschau.de/inland/kinderschutz2.html

 

 

Die Kinderbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Marlene Rupprecht spricht vernünftiger Weise von einer "möglicherweise" psychisch gestörten Mutter und nicht von dem angeblichen Faktum einer "psychischer erkrankten" Mutter. 

Dass die Mutter, die ihre fünf Söhne tötete, im allgemeinen Sprachverständnis "psychisch gestört" ist, ist allerdings wieder so trivial, dass man es eigentlich gar nicht sagen müsste. Ein "gestörtes" Verhalten an den Tag zu legen, heißt aber nicht, dafür nicht verantwortlich zu sein. Andernfalls könnte jeder unwidersprochen mit dem Auto bei Rot über die Kreuzung fahren und so sein gutes Recht auf seine Störung durchsetzen zu können.

 

 

 

 

 

 

Psychische Störung

Störungen haben Vorrang, heißt es in der Gestalttherapie. Das klingt vernünftig, denn wenn mir der Bauch vor Hunger knurrt, dann rückt im Allgemeinen das Interesse am Geschlechtsverkehr in den Hintergrund.

Hunger ist - man muss es ehrlich sagen, eine psychische Störung ersten Ranges. Daher können Roboter auch nicht "psychisch gestört" sein, weil ihnen - das ist trivial - die Psyche fehlt. Roboter können aber gestört sein, so etwa wenn das Sprachprogramm im Eimer ist und sie ständig rufen: Ich habe eine psychische Störung. 

Wer gestört ist und wer nicht, das bestimmen in Deutschland Psychiater und Gutachter. Wie im alten Rom, heben oder senken sie den Daumen. Zum Glück wird man heute nicht mehr in der Arena von wilden Tieren zerfleischt, sondern nur noch etikettiert, isoliert oder auch weggesperrt. Der Fall Gustl Mollath, der es zu einiger Berühmtheit geschafft hat, ist hier nur die Spitze des Eisberges.

Die "Störungssuche" läuft auf Hochtouren und der u.a. für das Oberlandesgericht Brandenburg - 15 UF 31/10 als Gutachter tätige Diplom-Psychologe Michael Wiedemann sucht eifrig mit und wer lange genug sucht, findet oft auch etwas, ansonsten wäre die ganze Suche ja auch für die Katz

Zitat Oberlandesgericht Brandenburg - 3. Familiensenat - 15 UF 31/10 - im Beschluss vom 11.02.2013: 

 

"Der Sachverständige hat sein Gutachten unter dem 28.09.2010 erstattet. Es bescheinigt dem Vater eine paranoide Persönlichkeitsstörung mit Krankheitswert ..."

 

Herr Wiedemann ist aber nicht nur für sein emsiges Suchen nach "psychischen Störungen bekannt, auch sein indiskretes Interesse zum Geschlechtsverkehr der Eltern gilt als vorbildlich und völlig störungsfrei, wohl weil noch nie ein Gutachter oder Psychiater dieses merkwürdige Interesse des Herrn Wiedemann näher untersucht hat.

 

„Das Element der sexuellen Entwicklung wurde vom Sachverständigen damit eingeleitet, dass ein Beginn nötig sei. Dies sei die indiskreteste Frage, nämlich das Alter des ersten Geschlechtsverkehrs. Der Kindesvater gab als Antwort, dass dies den Sachverständigen nichts angehe.“ 

Diplom-Psychologe Dr. Michael Wiedemann, Gutachten für Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg - 141 F 3086/08, Richterin Dr. Vesting - vom 01.06.2008, S. 22

 

Wo er recht hat, hat er Recht, der "Kindesvater". Herr Wiedemann hätte auch "Vater" schreiben können, stellen wir uns nur vor, der "Heilige Vater" in Rom würde von Herrn Wiedemann mit "Heiliger Kindesvater" bezeichnet, das wäre ein klarer Fall für die Irrenanstalt. Fragt sich nur, ob es im Vatikan auch eine Irrenanstalt gibt. 

Gutachter sind zum Glück definitionsgemäß nicht irre, noch irren sie sich (von vielen Einzelfällen abgesehen). Irre sind immer die anderen, die Bösen, die mit der "Psychischen Störung". Und das es so viele Gestörte gibt, muss es auch viele Gutachter und Psychiater geben, die die Gestörten aufspüren und so es geht mollathisieren (Schöne Neue Welt).

 

Herr Wiedemann erläutert dem naiven Leser freundlicherweise wie das geht, mit der "Begutachtung von psychisch gestörten Eltern im Familienrecht".

 

Michael Wiedemann: Begutachtung von psychisch gestörten Eltern im Familienrecht; In: Kindschaftsrecht und Jugendhilfe, 1/2013, S. 6-16

 

Dort lesen wir solche literarischen Kostbarkeiten wie: 

 

"Prinzipiell ist die Schizophrenie eine Störung, die durch genetische, biologische und soziale Elemente gestaltet ist.

 

Herr Wiedemann verleiht einem von Menschen geschaffenen Konstrukt, denn nichts anderes ist "die Schizophrenie" den Rang einer Störung. Grad so als wenn er bescheinigt:

 

Prinzipiell ist die Schizophrenie bei Engeln eine Störung, die durch genetische, biologische und soziale Elemente gestaltet ist.

 

 

Da "die Schizophrenie" als Wirklichkeitskonstruktion etwas ist, was es real (Wirklichkeit erster Ordnung) nicht gibt, scheint es, als ob Herr Wiedemann halluziniert, da er ja etwas sieht, was es real nicht gibt. Wer nun aber meint Herr Wiedemann wäre "gestört", irrt sich, denn auch gottgläubige Menschen halluzinieren (einen Gott), den es real nicht gibt und es ist strafrechtlich verboten, sie deswegen als "gestört" zu bezeichnen (üble Nachrede).

 

§ 186 Üble Nachrede

Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__186.html

 

 

Eine psychische Störung - was immer das auch sei, scheint etwas anderes zu sein als eine psychische Krankheit, sonst müssten - einer Studie der Techniker Krankenkasse zufolge - 30 Prozent der Bundesbürger schon einmal psychisch krank gewesen sein. Frauen wären danach sogar noch öfter psychisch krank gewesen, als Männer, was das sexistische Vorurteil, Frauen wären generell etwas durch den Wind, stützen könnte. Vielleicht ist es aber einfach so, dass Männer erst gar nicht zum Arzt gehen, so dass ihnen die nutzlose Diagnose einer "psychischen Störung" oder einer "psychischen Krankheit" erspart bleibt und somit die sozialversicherungspflichtigen Betragszahler entlastet werden.

 

Techniker Krankenkasse: Psychische Störungen häufiger als vermutet

11.06.2008 17:18

Berlin (dpa) - Psychische Leiden sind einer Studie zufolge verbreiteter als bisher angenommen. Dem Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse zufolge wurde bei mehr als jedem fünften Erwerbstätigen 2006 bei einem Arztbesuch mindestens einmal die Diagnose «Psychische Störung» gestellt. Diese Daten zeigten, dass psychische Erkrankungen deutlich häufiger vorkämen als bisherige Auswertungen von Krankschreibungen und Arzneimittel-Rezepten vermuten ließen, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse, Christoph Straub, am Mittwoch in Berlin. Besonders betroffen seien Frauen und Menschen in den Stadtstaaten.

Bei fast jeder dritten Frau zwischen 15 und 65 Jahren wurde der Studie zufolge mindestens einmal eine psychische Diagnose gestellt, bei den Männern dagegen nur bei nahezu jedem Sechsten. Auch gibt es ein deutliches West-Ost-Gefälle. In Ostdeutschland seien durchweg weniger psychische Störungen diagnostiziert worden als im Bundesdurchschnitt, hieß es. Besonders häufig waren psychische Erkrankungen in Bremen, Hamburg und Berlin. In der Hauptstadt war mit 27,4 Prozent mehr als jeder vierte Erwerbstätige betroffen. 

 

 

 

 

 

 

Psychoanalyse

 

"So gilt die Psychoanalyse in einer bekannten, sarkastischen Definition als die Krankheit, für deren Behandlung sie sich hält - ein Aphorismus, der ihr paradoxes, selbstrückbezügliches Wesen sehr gut umreißt, ..." 

(Aphorismus von Karl Kraus, aufgegriffen von Paul Watzlawick; John H. Weakland; Richard Fisch: "Lösungen. Zur Theorie und Praxis menschlichen Wandels", Verlag Hans Huber, Bern; 1974/1992/1997/2001/2003, S. 93)

 

Als Sachwalter der Gefühle fühlt sich die Psychoanalyse, bzw. tiefenpsychologische Psychotherapie berufen. Diese forschen tief im Innern des Menschen nach den verdrängten oder unbewussten Gefühlen, so die spekulativen Behauptungen ihrer Vertreter/innen.

Und wenn so ein Psychoanalytiker so richtig ins spekulieren gekommen ist, was er bekanntlich sehr gut kann und deshalb auch von den Krankenkassen die höchsten Stundensätze mit gut 90 € bekommt, dann bläst er seine Spekulationen auch gleich noch unter des gläubige Volk, bzw. traktiert seinen ahnungslosen Patienten mit seinen Glaubensätzen.

So sagt der Analytiker zu seinem als Opfer auserkorenen Patienten - zur Not tut es aber auch ein anderer Mensch, der gerade vorüberkommt:

 

Du leidest daran, dass Du Deine Gefühle nicht wahrnimmst. Das bereitet Dir Probleme, aber ich bin da und kann Dir helfen. Du musst nur auf mich hören, dann wirst Du bald Deine Gefühle fühlen.

 

Der Patient spürt nun tief in sich hinein, ohne allerdings auf die verdrängen Gefühle zu stoßen. Da er aber seinen Analytiker, der viele Jahre Lehranalyse hinter sich hat und dafür und für sonstige analytische Belehrungen eine Unmenge von Geld ausgeben hat, nicht enttäuschen will, sinniert unser Patient nach, welchen Gefühl der Analytiker gerne sehen will. Als er merkt, der Analytiker will ihn gerne traurig sehen - vermutlich damit der Analytiker ihn dann aufmuntern kann und so seine Wichtigkeit beweist - aktiviert der Patient seine Traurigkeitsgefühle, grad so wie man beim Lachyoga die Lachgefühle aktiviert. 

Nun sind alle froh, der Patient und der Analytiker. Doch die Freude hält nicht lange an. Der Analytiker will nun in noch tiefere Bewusstseinsschichten seines Patienten eindringen. Dies hat etwas phallisch-eindringendes, gut möglich, dass der Analytiker ein wenige erfreuliches Sexualleben hat und sein Bedürfnis nach Penetration nun ins analytische sublimiert.

Unser Patient  / unsere Patientin ist willig. Schließlich ist er / sie als gelernter Deutscher mit christlichem Fundament zur Bereitschaft zu Leiden großgezogen worden. Der Patient kommt so immer mehr ins Leiden, was den Analytiker immer mehr anspornt, in tiefere Bewusstseinsschichten seines geliebten und gehassten Patienten einzudringen. 

Dies würde nun mit fortschreitender Eskalation zu einem manischen Rausch des Analytikers oder zur völligen Erschöpfung und Depression seines Patienten führen. Doch glücklicherweise ist der Patient nur drei mal die Woche für je eine Stunde bei seinem Analytiker, so dass ihm zwischendurch genügend Zeit zur Erholung für die nächsten Therapiestunde bleibt.

 

 

 

 

 

Psychotherapie

Dem Worte nach geht es in der Psychotherapie um die Therapie - laut Duden Fremdwörterbuch gleichbedeutend mit Heilbehandlung - der menschlichen Psyche. Um eine solche "Heilbehandlung der Psyche" durchführen zu wollen, bedarf es der Konstruktion der Begriffe "gesund" und "krank", "normal" und "unnormal" oder "normal" und gestört". Ferner muss bei der Verwendung des Begriffes "Psychotherapie", der Mensch als zergliedertes Wesen aufgefasst werden, in einer landläufig bekannten Fassung ist dies eine Dreiteilung des Menschen in Körper, Seele und Geist. Seele und Geist könnten unter dem Begriff der Psyche subsummiert werden. Psychotherapie würde sich dann um die Therapie von Seele und Geist kümmern, während der Körper des Menschen eine zu vernachlässigende Ansammlung von Materie wäre. „Cogito ergo sum (lat. ich denke, also bin ich)“. Dieser, von René Descartes methodisch formulierter Schluss, den er im Anschluss an seinen radikalen Zweifel an die eigene Erkenntnisfähigkeit als nicht weiter zu kritisierendes Fundament in seinem Werk Discours de la méthode (1637) formuliert setzte, spiegelt sich in der traditionellen Auffassung von Psychotherapie als einer "Behandlung" der Seele und des Geistes wieder. 

In der traditionellen Psychotherapie will man den als "krank" etikettierten oder sich selbst als krank ansehenden Menschen heilen. Während dies die klassische Psychoanalyse über die "Seele" und den "Geist" erreichen wollte, wenden sich neuere ganzheitliche und therapeutische Schulen dezidiert dem "Körper", "Geist" und "Seele" zu und auch die Umwelt und die Interaktion mit ein. Fasst man die Welt und den Menschen als Einheit auf, so wie von Perls bereits in der Gestalttherapie schon 1951 beschrieben:

 

Das menschliche Organismus/Umwelt-Feld ist natürlich nicht nur ein physikalisches, sondern auch ein soziales Feld. Also müssen wir in jeder Humanwissenschaft, sei es in der Physiologie, der Psychologie oder der Psychotherapie, von einem Feld sprechen, in dem zumindest soziokulturelle, sinnliche und physische Fakten interagieren. Der Ansatz dieses Buches ist "ganzheitlich" in dem Sinne, daß wir um einzelnen versuchen, jedes Problem als Ereignis in einem sozialen, sinnlichen und physischen Feld zu betrachten. Von daher können zum Beispiel historische und kulturelle Faktoren nicht als erschwerende oder verändernde Bedingungen einer einfacheren biophysischen Situation gelten, sie wohnen vielmehr jedem Problem inne, so wie es sich uns darstellt.

 

Frederick S. Perls; Paul Goodman; Ralph F. Hefferline: “Gestalttherapie. Grundlagen“, dtv, 1979

Titel der amerikanischen Originalausgabe: Gestalt Therapy. Excitement und Growth in the Human Personality. The Julian Press, New York 1951

 

 

und führt man dies in einer zeitgemäßen systemisch-konstruktivistischen Sichtweise weiter, so kommt man davon ab, den Menschen als eine in Segmente zerfallende Monade zu betrachten. Statt dessen rücken die Interaktionen zwischen dem Individuum und der Umwelt, einschließlich der anderen menschlichen Individuen in den Mittelpunkt der Betrachtung und Veränderung.

 

 

Epirrhema

 

Müsset im Naturbetrachten

immer eins wie alles achten;

Nichts ist drinnen, nichts ist draußen:

 

Denn was innen, das ist außen.

So ergreifet ohne Säumnis

Heilig öffentlich Geheimnis

Freuet euch des wahren Scheins,

Euch des ernsten Spielens:

Kein Lebendiges ist ein Eins

Immer ists ein Vieles.

 

Johann Wolfgang Goethe

 

 

Im radikal-konstruktivistischen Verständnis (Watzlawick) - den wir uns hier anschließen - wird neben einem systemischen Verständnis auch auf die Konstruiertheit von Begrifflichkeiten und Begriffssystemen, wie zum Beispiel dem manierierten Theoriegebäude der Psychoanalyse - um so umständlicher gebaut, um so größer die Suggestion therapeutischer Wirksamkeit - aufmerksam gemacht . Dem traditionellen Ansatz, man hätte erkannt wie die Wirklichkeit wirklich sei und man könne darauf aufbauend "die richtige" Psychotherapie entwickeln, wird im konstruktivistischen Ansatz entgegengestellt, das zu verwenden, was nützt. Oder um in einem Bild zu bleiben, nicht die prinzipiell für unbeantwortbar gehaltene Frage beantworten zu wollen, wie das Türschloss beschaffen sei, das ich aufschließen will - also die Frage zu beantworten, wie die Wirklichkeit wirklich ist - sondern den Schlüssel zu finden, der passt, also dem Klienten hilft ein Problem oder einen drängenden Konflikt zu lösen.

 

Der Begriff Psychotherapie war zu Beginn des 20. Jahrhunderts völlig unbekannt. Mittlerweile ist ein riesiger Psychotherapiemarkt entstanden, wobei die größten Marktsegmente von einem halbstaatlich-bürokratischen krankenkassenfinanzierten Versorgungs- und Limitierungssystem gehalten und kontrolliert werden. Es liegt auf der Hand, dass es in einem solchen bürokratischen Versorgungssystem in nicht unerheblichem Maße um die Bedürfnisse der Bürokratiemitglieder nach Macht, Ressourcen und Kontrolle geht. Da aber die Menschen nicht ganz so dumm sind, wie sie die Bürokratie gerne hätte, müssen ständig Suggestionen gesetzt werden, dass nur die Bürokratie in der Lage sei, das Seelenheil der Menschen zu sichern. Dies war in der DDR nicht anders, wo ein riesiger Propagandaapparat in Gang gehalten wurde, der die Menschen davon zu überzeugen suchte, dass ihr Seelenheil nur vom Partei- und Staatsapparat gesichert werden könnte. 

Die DDR-Schriftsteller Johanna und Günter Braun haben dies schon 1972 in einer verfremdeten Geschichte meisterhaft dargestellt.

 

Johanna Braun, Günter Braun: Der Irrtum des Großen Zauberers, Verlag Neues Leben 1972, DDR

 

 

Karl Eduard von Schnitzler, Chefkommentator beim DDR-Fernsehfunk, warnte jeden Montag Abend in seiner Sendung "Der Schwarze Kanal" , die sozialistischen Staatsbürger vor dem Unbill und der Lüge in der kapitalistischen Ausbeutergesellschaft, insbesondere in der imperialistischen BRD. Genützt hat dies schließlich nicht, Sudel-Ede, wie Karl Eduard von Schnitzler vom Volksmund bösartig genannt wurde, verlor seinen Posten und wurde überdies sogar aus der SED-PDS ausgeschlossen.

Doch man solle nicht glauben, es gäbe heute keine Warnungen vor den Verführungen finsterer, unseriöser und geldgieriger Mächte mehr, wogegen man sich aber dadurch absichern könnte, dass man seinen Psychotherapeuten nach "den Wirkungen und Nebenwirkungen und nach kontrollierten Studien" oder einem "Behandlungsplan", fragt, denn, so die Psychologin Isabelle Heuser in einer Art Zirkelschluss: "Jeder Psychotherapeut muss bei der Krankenkasse einen Behandlungsplan einreichen.". Womit wir inhaltlich wohl wieder bei der staatlichen Planwirtschaft und Zuteilungswirtschaft der DDR wären. Wie diese im Jahr 1989 gestrandet ist, lässt sich mittlerweile in jedem Lehrbuch der neueren Geschichte nachlesen. 

 

 

Was sollte man beachten, wenn man doch eine Psychotherapie beginnen möchte?

Eine gute Psychotherapie soll Strategien vermitteln, wie man mit den Widrigkeiten des Lebens umgehen kann. Auch bei Psychotherapien muss man, wie bei Medikamenten, nach den Wirkungen und Nebenwirkungen und nach kontrollierten Studien fragen. Ich bin immer wieder erstaunt darüber, dass selbst Frauen in leitenden beruflichen Positionen eine Psychotherapie beginnen, ohne sich mit dem Therapeuten darüber zu unterhalten, was das Ziel ist und in welchem Zeitraum es zu erreichen ist. Jeder Psychotherapeut muss bei der Krankenkasse einen Behandlungsplan einreichen. Ich rate meinen Patienten grundsätzlich, sich diesen Plan in Kopie geben zu lassen. Das steht ihnen zu. Vor allem aber sollte man in der Zielsetzung realistisch bleiben. Eine Rundum-Erneuerung darf man von einer Therapie nicht erwarten, aber man kann sein Verhalten in einzelnen Punkten ändern. Auf diese wenigen Ziele sollte man zusteuern.

 

Sie warnen unter anderem vor Psycho-Gurus. Was ist an ihnen so gefährlich?

Psycho-Gurus helfen auf die Dauer nicht. Sie haben allenfalls zunächst einen Placebo-Effekt, vor allem, weil man sie selbst zahlen muss. Sie haben aber auch die Tendenz, ihre Klienten an sich zu binden: Sie machen abhängig. Wenn ich Ihnen die Geschichten erzählen würde, die ich in meiner Sprechstunde gehört habe, würden Sie mir wahrscheinlich nicht glauben. Da wird Frauen im Extremfall geraten, viermal in der Woche für drei Stunden in die Psychotherapie zu gehen – auf unbestimmte Zeit.

...

ISABELLA HEUSER (54) ist Psychologin und Psychiaterin und leitet die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité, Campus Benjamin Franklin.

http://www.tagesspiegel.de/berlin-extra/archiv/04.06.2007/3237785.asp

 

 

 

Einer "Therapie nach Behandlungsplan" ist für jeden kreativen Geist ein Ding der Unmöglichkeit. Von daher haben Vertreter der Gestalttherapie immer darauf zu achten, nicht als Bettvorleger staatlicher Psychotherapie benutzt zu werden. Eine solche begrüßenswerte Haltung hat aber zur Folge, aus den gut gefüllten staatlichen Futtertöpfen nichts zum essen zu bekommen und sich der Mühe zu unterziehen, ohne den staatlichen Alimentierungs- und Disziplinierungsbetrieb sein Leben zu meistern.

 

Der Logik krankenkassenfinanzierter Psychotherapie entspricht es durchaus, Behandlungen nach Plan durchzuführen, denn die Mittel verwaltende Krankenkassenbürokratie steht unter dem ständigen Druck der Rechtfertigung der verausgabten Mittel. Behandlungspläne und restriktive Ausgrenzung therapeutischer Schulen wie der Gestalttherapie oder der Systemischen Therapie dienen dem Ziel, sich selbst und den "Patienten" Qualität zu suggerieren, wo bestenfalls Eintönigkeit und Phantasielosigkeit waltet. Heraus kommt dabei eine schwerfällige und überteuerte Therapieindustrie, die die Sicherheitsbedürfnisse und das Desinteresse an tatsächlicher Veränderung von "Patienten" und Krankenkassenbürokratie bedient. 

Man muss jedoch eingestehen, dass das Bedürfnis vieler Menschen in der "freiheitlich-demokratischen Markwirtschaft", nach Planungssicherheit und staatlicher Versorgung trotz gegenteiliger Beteuerungen ungeheuer groß ist. In der DDR war das trotz allgemeiner Systemunzufriedenheit auch nicht viel anders. Und so wird der medizinisch-bürokratische Komplex und die ihn stabilisierenden gesetzlichen Regelungen immer wieder durch die an ihm leidenden Menschen selbst am Leben gehalten. Oder wie es Bertolt Brecht so treffend beschrieben hat:

 

Im Gleichschritt der Trommeln marschieren die Kälber

das Fell für die Trommeln liefern sie selber.

 

 

 

Literatur

J. Blech: "Die Krankheitserfinder. Wie wir zu Patienten gemacht werden", Frankfurt/Main, Fischer, 2003

Thorwald Dethlefsen; Rüdiger Dahlke: "Krankheit als Weg. Deutung und Be-Deutung der Krankheitsbilder"; Goldmann Verlag, 1990

M. H. Erickson; E. L, Rossi: Hypnotherapie: Aufbau - Beispiele - Forschungen. Pfeiffer, München, 1999

Lawrence Kohlberg: Die Psychologie der Moralentwicklung. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1996

Jean Piaget; Bärbel Inhelder: Die Psychologie des Kindes. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1996

A. Trojan: "Psychisch krank durch Etikettierung?: Die Bedeutung des Labeling-Ansatzes für die Sozialpsychiatrie"

Karl Marx und die psychologische Wissenschaft (gekürzt). In: Sowjetwissenschaft. Gesellschaftswissenschaftliche Beiträge, (1969), 5, 450-464; auch in: Psychologische Studientexte, Unterstufe. Berlin 1972, 13-18; Psychologische Studientexte. Oberstufe. Berlin 1972, 11-16. Mit anderer Überschrift, aber ungekürzter Übersetzung in: A. Sjöhlund (Hrsg.), Einführung in die marxistische Psychologie. Kopenhagen 1974, 47-66 [im Original: Voprosy psichologii, (1968), 5, 3-16]

Irmgard Fuchs: Tiefenpsychologie und Revolte: Zur Humanisierung des Alltagslebens. 2004, Königshausen u. Neumann - https://books.google.de/books?id=0OWwrYwlyRYC&pg=PA42&lpg=PA42&dq=emp%C3%B6rung+tiefenpsychologie&source=bl&ots=vyOx-TBlaS&sig=ACfU3U1R41Br5MUagEAOZFme-CBRFUI0lA&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwiblfrdrr_nAhVJilwKHb_zDGsQ6AEwAXoECAkQAQ#v=onepage&q=emp%C3%B6rung%20tiefenpsychologie&f=false


 

 


home