Expertise zum 45-seitigen Gutachten des Diplom-Pädagogen Jürgen Brand (nicht Brandt, wie im Beweisbeschluss des Gerichtes genannt) vom 13.04.2010

 

 

(geringfügig überarbeitet am 18.12.2010)

 

 

Familiensache: X (Mutter) und Y (Vater)

Kind: A (Tochter) - geboren am ... .2008 (im Beweisbeschluss nicht aufgeführt)

Verfahrensbeistand des Kindes: nicht bestellt

 

Amtsgericht Wipperfürth - Aktenzeichen: 10 F 586/09

Richter: Herr Dr. Krause

Mitwirkendes Jugendamt: Kreisjugendamt Gummersbach

 

 

Erarbeitung der Expertise durch Peter Thiel

...

 

 

 

 

Beweisfrage von Richter Krause - Amtsgericht Wipperfürth - laut Beschluss vom 15.12.2009:

 

„Zu der Frage, ob die von beiden Eltern jeweils begehrte Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf sich dem Wohle des Kindes am besten entspricht soll Beweis erhoben werden durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens eines Sachverständigen.

Zum Sachverständigen wird bestellt,

Herr Dipl- Pädagoge Jürgen Brandt

Praxis für Systemanalyse und Familientherapie,

Hochdahler Straße

Markt 15 in

40678 Erkrath.“

 

 

 

 

Vorbemerkung

Die vom Gericht gestellte Beweisfrage

 

"..., ob die von beiden Eltern jeweils begehrte Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf sich dem Wohle des Kindes am besten entspricht."

 

 

ist von dem als Gutachter beauftragten Diplom-Pädagogen Jürgen Brand nicht zu beantworten, da eine juristische Fragen so wie sie hier gestellt ist, nicht von einem wie auch immer qualifizierten oder nichtqualifizierten Gutachter, sondern vom Gericht selbst zu beantworten ist.

Der vom Gericht als Gutachter ernannte Diplom-Pädagoge Jürgen Brand hat sich nur zu Sachfragen äußern, für die er qualifiziert ist und die das Gericht nicht aus eigener Sachkunde beantworten kann. Für den Diplom-Pädagogen Jürgen Brand wären das auf Grund seiner Qualifikation in erster Linie pädagogische Fragen. Für psychologische Fragen würde man einen Psychologen beauftragen, für psychiatrische einen Psychiater, für sozialpädagogische einen Sozialpädagogen, etc. pp.

Herr Brand, der in der Vergangenheit bereits mehrmals als Gutachter an verschiedenen Familiengerichten beauftragt wurde, hätte den juristischen Charakter der Beweisfrage erkennen können und auf Grund seiner Unzuständigkeit für die Beantwortung juristischer Fragen das Gericht um Korrektur bitten müssen. Das Gericht hätte dann Gelegenheit gehabt, die möglicherweise in der Eile des Tagesgeschäftes getroffene fehlerhafte Formulierung im Beweisbeschluss zu korrigieren. Leider ist dies nicht geschehen, im Gegenteil. Einmal auf dem falschen Weg geht Herr Brand diesen konsequent bis an ein ungutes Ende, in dem er schließlich dem Gericht vorschlägt, dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht für seine Tochter zu entziehen. Herr Brand formuliert seinen Vorschlag euphemistisch:

 

"Aus Sachverständigensicht wird empfohlen, der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen." (Gutachten S. 43)

 

 

 

 

 

Beantwortung der Beweisfrage

Unabhängig von der Frage der Korrektheit und Zulässigkeit der Beweisfrage hat der Diplom-Pädagoge Jürgen Brand aber auch den Inhalt der vom Gericht gestellten Fra-ge offenbar nicht erkannt. Das Gericht fragte:

"..., ob die von beiden Eltern jeweils begehrte Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf sich dem Wohle des Kindes am besten entspricht."

 

 

Doch anstatt eine der fünf möglichen Antworten zu geben:

 

1. Die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf die Mutter entspricht dem Wohle des Kindes am besten

2. Die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf den Vater entspricht dem Wohle des Kindes am besten

3. Es entspricht dem Wohle des Kindes am besten, wenn weder der Mutter noch dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen wird.

4. Es entspricht dem Wohle des Kindes am besten, wenn beiden Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen wird und auf einen Pfleger übertragen wird.

5. Weiß ich nicht.

 

 

 

gibt Herr Brand eine „Empfehlung“ ab. Das Gericht hat aber nicht nach einer „Empfehlung“ gefragt, sondern nach einer Antwort auf seine Beweisfrage. Eine solche Antwort ist aber - so weit zu sehen – von Herrn Brand an keiner Stelle gegeben worden.

Weiß ich nicht, ist nebenbei gesagt, sicher die beste aller möglichen Antworten, denn bei dieser Antwort kann der Gutachter nichts falsch machen und braucht auch keine lange Begründung dafür abzugeben, dass er nichts weiß. Es reicht völlig aus, wenn er erklären würde: Angesichts der Fülle der widersprüchlichen Informationen bin ich mit meinem Latein am Ende.

 

Der Diplom-Pädagoge Jürgen Brand, der seine Postanschrift hochtrabend mit „Praxis für Systemanalyse und Familientherapie“ bezeichnet, hat aber offenbar Probleme die Frage des Gerichtes, die keine Bitte um die Abgabe einer Empfehlung war, zu verstehen. Womöglich befindet sich Herr Brand noch in der Übungsphase, Systeme analysieren zu wollen. Dies sollte er dann aber auch kenntlich machen, etwa mit der wohl treffenden Bezeichnung „Übungspraxis für Systemanalyse und Familientherapie“.

In diesem Fall sollte er aber seine Übungsversuche nicht am lebenden Menschen außerhalb eines Ausbildungssettings oder ohne begleiteten Supervisor unternehmen, es sei denn die Beteiligten hätten ausdrücklich ihr Einverständnis erklärt, sich Herrn Brand für Übungszwecke zur Verfügung zu stellen. Ein solches Einverständnis darf man aber im familiengerichtlichen Verfahren sicher nicht unterstellen.

 

 

 

 

Die Beweisfrage vom Kopf auf die Füße stellen

Damit der ganze Aufwand den das Gericht und der als Gutachter beauftragte Diplom-Pädagogen Jürgen Brand bisher betrieben haben, nun nicht völlig umsonst war, könnte man in entgegenkommender Weise den Beweisbeschluss des Gerichtes und die Antwort von Herrn Brand uminterpretieren in:

 

Welche Betreuungsregelung dient dem Wohle des Kindes am besten?

 

 

Dies ist eine sinnvolle Frage, denn die Eltern leben getrennt und können sich zur Zeit über eine Regelung der Betreuung ihres Kindes nicht einigen. Betreuung und Umgang des Kindes mit seinen Eltern sind hier synonym zu verwendende Begriffe.

Für die Regelung der Betreuungszeiten durch das Gericht bedarf es aber keines gerichtlichen Eingriffs in die Elterliche Sorge. Es ist also nicht nötig, dass das Gericht dem einen oder dem anderen Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzieht. Es reicht völlig aus, wenn das Gericht die Betreuung des Kindes durch seinen Eltern gemäß §1684 BGB in Verbindung mit §1697a BGB regelt.

 

 

§ 1684 BGB Umgang des Kindes mit den Eltern

(1) Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt.

(2) Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Entsprechendes gilt, wenn sich das Kind in der Obhut einer anderen Person befindet.

(3) Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln. ...

 

 

 

§ 1697a BGB Kindeswohlprinzip

Soweit nicht anderes bestimmt ist, trifft das Gericht in Verfahren über die in diesem Titel (Anm.: §1626 bis 1698b) geregelten Angelegenheiten diejenige Entscheidung, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

 

 

 

Es wäre im übrigen auch völlig unsinnig, einem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen, denn damit wäre in keiner Weise klargestellt, wie denn nun die zukünftige Betreuung des Kindes organisiert werden sollte. Vielmehr wäre es so, dass der dann allein aufenthaltsbestimmungsberechtigte Elternteil dem anderen Elternteil diktieren könnte, wann er oder sie mit dem Kind zusammen sein darf und wann nicht. Dies hätte zur Folge, dass der nunmehr nicht mehr aufenthaltsbestimmungsberechtigte Elternteil beim Familiengericht einen Regelungsantrag nach §1684 BGB stellen müsste und das Gericht dann schließlich doch über die konkrete Form der Betreuung des Kindes durch seine Eltern (Umgangsregelung) beschließen müsste. Man könnte daher meinen, die Familienrichter am Amtsgericht Wipperfürth würden sich langweilen und sich daher über jedes zusätzlich eröffnete Verfahren freuen.

 

Der Mutter käme ein ihr gerichtlich eingeräumtes alleiniges Aufenthaltsbestimmungsrecht in ihrem Alleinvertretungsanspruch sicher sehr entgegen, hat sie doch schon bei der Exploration durch den Gutachter erklärt:

 

„Sie habe ihm ein Besuchsrecht eingeräumt.“ (Gutachten S. 20)

 

 

Nun ist es aber so, dass es der Mutter gar nicht zusteht, dem Vater ein „Besuchsrecht“ einzuräumen, denn beide Eltern sind gleichberechtigt. Der Mutter steht es also nicht zu, im Stile eines Vormundes dem Vater ein „Besuchsrecht“ einzuräumen. Zum anderen ist es aber auch schon von Gesetzes wegen so, dass jeder Elternteil und auch das Kind ein Umgangsrecht hat. Genau so unsinnig wäre es auch, wenn die Mutter dem Vater einräumen würde, dass dieser wählen oder einen Vertrag abschließen dürfe.

Man könnte daher meinen, die Mutter lebe in einer Phantasiewelt, in der es ihr zustünde über die Belange des Vaters zu bestimmen. Was die Belange des Kindes betrifft, sind beide Eltern von Gesetzes wegen verpflichtet, die elterliche Sorge in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohle des Kindes auszuüben. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen sie versuchen, sich zu einigen.

 

 

§ 1627 BGB (Ausübung der elterlichen Sorge)

Die Eltern haben die elterliche Sorge in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohle des Kindes auszuüben. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen sie versuchen, sich zu einigen.

 

 

Erst wenn ein Einigungsversuch zwischen den Eltern nachhaltig scheitert, ist das Familiengericht gegebenenfalls die richtige Anlaufstelle, um strittige Fragen zu entscheiden. Das Familiengericht kann die Eltern aber auch vor einer gerichtlichen Beschlussfassung dazu anhalten, einen außergerichtlichen Weg der Konfliktlösung auszuprobieren.

 

Vergleiche hierzu:

Bode, Lutz: "Moderator Gericht. Kooperation oder Delegation im gerichtlichen Verfahren"; In "Kind-Prax" 5/2001, S. 139-144

Carl, Eberhard: "Im Familiengerichtsverfahren: Den Eltern die Verantwortung für die Lösung der Konflikte zurückgeben"; In: "Familie, Partnerschaft, Recht", 4/2004, S. 187-190

 

 

 

 

Betreuungsmodelle

Legt man das verfassungsrechtlich gesetzte Primat der Betreuung des Kindes durch seine Eltern zugrunde, gibt es im Grundsatz drei Modelle den Umgang des Kindes mit seinen Eltern zu regeln:

 

1. Betreuung des Kindes im Paritätmodell

2. Betreuung des Kindes überwiegend durch die Mutter

3. Betreuung des Kindes überwiegend durch den Vater

 

 

Der Diplom-Pädagoge Jürgen Brand behauptet, dass die Betreuung des Kindes im Paritätmodell „nicht den psychischen Entwicklungsnotwendigkeiten“ des Kindes entsprechen würde:

 

„Die momentane Aufenthaltsregelung war zwar dahingehend sinnvoll, keine Vorentscheidung getroffen zu haben. Sie entspricht jedoch nicht den psychischen Entwicklungsnotwendigkeiten des Kindes, sondern orientiert sich eher an den Bedürfnissen und Belangen der Erwachsenen.“ (Gutachten S. 44)

 

 

Den Nachweis seiner Behauptung bleibt Herr Brand - so weit zu sehen - jedoch schuldig. Wäre dies tatsächlich so, wie Herr Brand vorträgt, dann hätte Herr Brand doch sicher schon eine Schädigung des Kindes feststellen müssen, denn seit dem Beschluss des Gerichtes am 15.12.2009 bis zur Fertigstellung des Gutachtens am 13.04.2010 betreuen die Eltern ihre Tochter in annähernd je hälftiger Zeit. Im übrigen könnte man meinen, dass Familiengericht hätte fahrlässig gehandelt, als es im Weg der einstweiligen Anordnung eine paritätische Betreuung des Kindes durch seine Eltern anordnete. Dies ist aber sicher nicht der Fall, so dass man annehmen kann, es handle sich bei der Behauptung der Herrn Brand um eine Phantasie, der nicht schon deswegen Wahrheitswert zukommt, nur weil auch andere Leute der gleichen Phantasie anhängen.

 

Vergleiche hierzu:

Schweitzer, Jochen: "Unglücklich machende Familienideale. Ihre Dekonstruktion in der Psychotherapie", In: "Psychotherapeut", 2004, Heft 1, S. 15-20

 

 

Nun könnte es aber sein, dass Herr Brand meint, die derzeitige annähernd paritätische Regelung würde erst in der Zukunft „nicht den psychischen Entwicklungsnotwendigkeiten“ des Kindes entsprechen. Aber auch findet sich aber - so weit zu sehen - weder einen Beweis, noch eine plausible Begründung, die eine solche Behauptung stützen würde.

Würde man aber dennoch der Präferenz des Diplom-Pädagoge Jürgen Brand für die Mutter folgen, dann hätte Herr Brand z.B. wenigstens so antworten können:

 

Den Wohl des Kindes dient es am besten, wenn es überwiegend im Haushalt seiner Mutter leben würde und von dieser überwiegend betreut wird.

 

Eine solche Behauptung müsste allerdings – wie schon gesagt – erst noch bewiesen werden. Die von Herrn Brand vorgetragenen Argumente sind dafür nicht ausreichend.

Im übrigen wäre auch noch zu spezifizieren, wie denn eine Betreuungsregelung konkret aussehen soll, wenn sich das Kind überwiegend bei der Mutter (oder auch beim Vater, so wie es hier vom Unterzeichner als eine gute Möglichkeit angesehen wird) aufhält.

Zu denken wäre dabei etwa an eine Regelung 4 Tage (Mutter) : 3 Tage (Vater), so wie sie das Gericht am 15.12.2009 im Wege der einstweiligen Anordnung bereits getroffen hat und die von den Eltern seither erfolgreich praktiziert wird. Oder eine Regelung 5 Tage : 2 Tage, die sich von einer paritätischen Betreuung durch beide Eltern dann schon deutlich unterscheiden würde. Denkbar wäre auch, den Wechsel des Kindes von einem Elternteil zum anderen in größeren Abständen zu regeln, so etwa im 14-Tage-Rhythmus 8 Tage : 6 Tage.

Über alle diese Möglichkeiten scheint Herr Brand leider nicht nachgedacht zu haben. Statt dessen empfiehlt er - ganz im Stil der 70-er Jahre - dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen. Eine solche Empfehlung zu geben, auch wenn sie von der Beweisfrage des Gerichtes gedeckt scheint, ist, wie schon ausgeführt, nicht Aufgabe eines Gutachters, sondern wäre im Falle einer Notwendigkeit, so etwa bei der Frage eines Umzuges der Mutter in das Ausland oder anderen entscheidungserheblichen Tatsachen, gegebenenfalls vom Gericht selbst zu entscheiden.

 

 

 

 

 

Die Präferenz des Diplom-Pädagogen Jürgen Brand

Die Präferenz des Gutachters für die Mutter ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass er mit ihr eine gemeinsame Schwingungsebene gefunden hat, mit dem Vater dagegen nicht. Der männliche Retter in der weiblichen Not, ist bekanntlich das Kernthema vieler Romane und Spielfilme. So trägt z.B. Herr Brand mit der Mutter mitschwingend und dennoch spekulativ vor:

 

„Es ist davon auszugehen, dass Frau X , die jahrelang auch im Haus ihrer Mutter gewohnt hat, und heute wieder wohnt, sich in dem Wohnort des Vaters, wo er sich zu Hause fühlt, nicht hat integrieren können. Neben ihren Beobachtungen, bezogen auf das Verhalten des Vaters und seinen familiären Anbindungen, muss sie sich zunehmend allein und nicht heimisch gefühlt haben. Ihr hieraus empfundenes Unwohlsein hat zu ihrem Trennungsbegehren geführt.“ (Gutachten S. 34)

 

 

Um seine Präferenz für eine überwiegende Betreuung des Kindes im Haushalt der Mutter zu stützen, behauptet der Diplom-Pädagoge Jürgen Brand:

 

„Die Empfehlung zum Aufenthalt des Kindes im Haushalt der Mutter orientiert sich sehr stark daran, dass sie sich stärker als der Vater in Betreuungszeiten einbinden lässt und weniger in Betreuungszeiten eigenen Interessen nachgeht, sondern als Bezugsperson für A stärker zur Verfügung steht. Auch ist die Kindesmutter tendenziell eher in der Lage, die Belange des Kindes und seine Entwicklungsnotwendigkeiten zu erkennen, als der Kindesvater.“ (Gutachten S. 44)

 

 

Diese Behauptung ist wohl mehr Dichtung als Wahrheit, denn sowohl die Mutter als auch der Vater arbeiten in Vollzeit, die Mutter arbeitet zwar in Teilheimarbeit 2 Tage in der Woche zu Hause, muss aber dennoch ihre Arbeitsleistung erbringen. Die passt natürlich nicht mit den Bedürfnissen eines knapp zweijährigen Kindes zusammen, dass die Aufmerksamkeit einer Betreuungsperson absorbiert. Der Vater hingegen kann eine familieninterne Betreuung des Kindes durch die Großmutter, den Großvater und gegebenenfalls auch durch die Schwägerin sicherstellen, die mit dem Kind vertraut sind.

Für die Behauptung des Gutachters, der Vater würde in der Betreuungszeit eigenen Interessen nachgehen findet sich - soweit zu sehen - kein Beleg. Im übrigen ist es für die Vitalität der Eltern eines kleinen Kindes auch notwendig, für eine überschaubare Zeit auch einmal eigenen Interessen nachgehen zu können, so etwa an einem Yogakurs oder einem Sportkurs teilzunehmen oder sich mit Freunden zu verabreden. Ein Elternteil dem dies nicht möglich ist, kommt schnell an seine persönlichen Grenzen mit nachteiligen Folgen für das Wohl des Kindes. Der Vater verfügt auf Grund seiner guten familialen Verbindung zu seinen Eltern und deren Bereitschaft ihren Sohn bei der Betreuung der Enkeltochter zu unterstützen, über genau dieses unterstützende Feld.

 

Auch die Behauptung von Herrn Brand:

 

„Auch ist die Kindesmutter tendenziell eher in der Lage, die Belange des Kindes und seine Entwicklungsnotwendigkeiten zu erkennen, als der Kindesvater.“

 

dürfte dem Bereich der Legenden zuzuordnen sein, folgt man den Ausführungen des Vaters gegenüber dem Unterzeichnenden:

 

„Sie (die Mutter) ist, außer zur Arbeit, aus unserem Haus nicht mehr raus gegangen. Die Kindesmutter hat trotz diverser Einladungen von anderen jungen Müttern, die sie schon seit über 10 Jahren kennt, keine einzige angenommen. Meine Tochter ist durch dieses Verhalten nicht mit anderen Kindern in Kontakt gekommen.

Die Kindesmutter hat meine Tochter im Laufstall immer wieder auf den Rücken gelegt, obwohl meine Tochter sich aufrichten wollte und konnte. Das alles vor dem Hintergrund von Schäden an der Wirbelsäule.

Die Kindesmutter wollte meine Tochter um 12 Uhr aus dem Mittagsschlaf holen, um ihr das Mittagessen zu geben, weil es ja Essenszeit ist. Ich habe ihr den Weg ins Kinderzimmer versperrt, um das zu verhindern. Versuche ihr klar zu machen, dass das nicht in Ordnung und sinnvoll ist, sind gescheitert.

Beim füttern des Kindes hat die Kindesmutter, obwohl A erkennbar angezeigt hat, dass sie nichts mehr will, versucht ihr noch Löffel reinzustopfen. ...

u.s.w.

All diese Dinge habe ich dem Gutachter Brand wiederholt erzählt.

Auch habe ich ihm erzählt, dass ich derjenige war, der meine Tochter auf den Stand anderer Kinder, was die Motorik anbelangt, gebracht habe. Ich habe Krabbel- und Laufübungen gemacht und ihr gezeigt wie das funktioniert. Ich war derjenige, der A mit anderen Kindern z.B. auf dem Spielplatz in Kontakt gebracht habe.

Ich habe dafür gesorgt, dass meine Tochter auch ihren Großvater, ihre Großmutter Onkel, Tante u.s.w. kennengelernt hat.

Die sozialen Kontakte habe ich gepflegt, um nicht innerhalb einer Beziehung isoliert zu sein.“

 

 

 

 

Die Situation des Kindes

Der Diplom-Pädagoge Jürgen Brand schweigt sich - wie schon gesagt - über die einzig relevante Frage, einer dem Wohl des Kindes am besten entsprechenden Betreuungsregelung aus. Statt dessen fabuliert Herr Brand:

 

„A benötigt für ihre zukünftige Entwicklung beide Eltern. Jedoch ist aus Entwicklungspsychologischer Sicht die zur Zeit praktizierte Hälfte-Hälfte-Regelung nicht mit dem Wohl des Kindes vereinbar, da ein Zuviel an Hin und Her die psychische Entwicklung des Kindes beeinträchtigt.“ (Gutachten S. 43)

 

Die Annahme des Herr Brand, dass das Kind beide Eltern benötigen würde, ist allgemein verbreitet, aber dennoch spekulativ, denn wenn wir an viele Kinder denken, die ohne Vater oder ohne Mutter aufgewachsen sind, so etwa der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder oder der Philosoph Rudolf Bahro, so kann man sicher nicht behaupten, deren Entwicklung wäre misslungen.

 

Nehmen wir aber den Satz

 

„A benötigt für ihre zukünftige Entwicklung beide Eltern“

 

als ein Werturteil, so kann sich der Unterzeichnende diesem Werturteil voll anschließen. In einem Werturteil, das sich auf das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland bezieht, ist aber kein Platz für die Idee, dass Mütter die wertvolleren Elternteile seien und ihnen deswegen eine Präferenz in der Kinderbetreuung eingerichtet werden müsste. Vielmehr ist aus der Perspektive des Grundgesetzes eine gleich große Wichtigkeit von Mutter und Vater für das gemeinsame Kind festzustellen.

 

Vergleiche hierzu auch:

Fthenakis, Wassilios E.: "Engagierte Vaterschaft. Die sanfte Revolution in der Familie.", Leverkusen 1999

 

 

Aus dieser Perspektive ist einer paritätischen Betreuung des Kindes durch seine Eltern generell der Vorrang einzuräumen, wenn es nicht wichtige das Kindeswohl betreffende Gründe gibt, die diesem Grundsatz im Einzelfall entgegenstehen.

Ein solcher wichtiger Grund könnte sein, dass das Kind mit einer konkreten Betreuungssituation überfordert ist oder ein Elternteil Einschränkungen aufweist, die einer kindeswohlorientierten Betreuung im Wege stehen, so etwa bei einem Schichtarbeiter, dem es nicht möglich ist, seinem Kind in den relevanten Betreuungszeiten zur Verfügung zu stehen oder einem psychisch labilen oder depressiven Elternteil, der mit der Betreuung seines Kindes überfordert ist.

 

Der Diplom-Pädagogen Jürgen Brand trägt nun vor:

 

„Jedoch ist aus Entwicklungspsychologischer Sicht die zur Zeit praktizierte Hälfte-Hälfte-Regelung nicht mit dem Wohl des Kindes vereinbar, da ein Zuviel an Hin und Her die psychische Entwicklung des Kindes beeinträchtigt.“ (Gutachten S. 43)

 

Das Gericht hat mit einstweiliger Anordnung vom 15.12.2009 den Umgang des Kindes mit seinen Eltern so geregelt, dass das Kind von Donnerstag 17 Uhr bis Sonntag 17 Uhr vom Vater betreut wird und von Sonntag 17 Uhr bis Donnerstag 17 Uhr von der Mutter. Offenbar meint Herr Brand, dies wäre „ein Zuviel an Hin und Her“, das nach seiner Ansicht die psychische Entwicklung des Kindes beeinträchtigen würde.“ Herr Brand beruft sich dabei auf die Entwicklungspsychologie, bleibt aber den Nachweis schuldig, an welche Stelle sich nach seiner Ansicht die Entwicklungspsychologie damit beschäftigt hätte, in welchem Betreuungsmodell ein knapp zweijähriges Kind von seinen getrennt lebenden Eltern günstigenfalls betreut werden sollte.

Herr Brand führt auch keine selbst ermittelten Tatsachen an, die seine Behauptung stützen würden. Es handelt sich daher offenbar um einen Glaubenssatz des Herrn Brand, nicht aber um Wissen. Den Glauben mag Herr Brand aber dem Pastor auf der Kanzel überlassen, bei der Beweisermittlung des Gerichtes ist der Glauben jedoch fehl am Platze.

 

Vergleiche hierzu:

R. Siegier; J. DeLoache, N. Eisenberg: Entwicklungspsychologie im Kindes und Jugendalter/ München: Elsevier (2005)

Watzlawick, Paul: "Die erfundene Wirklichkeit". Wie wir wissen, was wir zu wissen glauben. Beiträge zum Konstruktivismus", 1985, Piper Verlag, München

 

 

Doch selbst wenn man unterstellen würde, die Behauptung des Herrn Brand wäre wahr, dann hieße dies nicht automatisch, die paritätische Betreuung des Kindes durch seinen Eltern zu kappen und durch ein fragwürdiges, den fünfziger Jahren verhaftetes Residenzmodell zu ersetzten, bei der die Tochter nach dem Vorschlag des Gutachters (Gutachten S. 43) nur noch an 2 Tagen von 14 Tage vom Vater betreut wird.

 

für diese antiquierten Ansichten stellvertretend:

Arntzen, Friedrich: "Elterliche Sorge und persönlicher Umgang mit Kindern", Beck, 2. Auflage, 1994

Ell, Ernst: "Psychologische Kriterien bei der Regelung des persönlichen Umgangs", Deutscher Studien Verlag 1990

 

 

Wäre nun tatsächlich festzustellen, dass die Frequenz des Wechsels des Kindes aus dem Haushalt des Vaters in den Haushalt der Mutter mit einem Wechsel pro Woche zu hoch wäre, dann könnte man dem ganz einfach dadurch begegnen, dass der Wechsel des Kindes zukünftig im Woche-Woche Rhythmus stattfindet.

 

Vergleiche hierzu:

Gutjahr, Jens: "Gerichtliche Entscheidungen über die elterliche Sorge und das Umgangsrecht im Zusammenhang mit dem Wechselmodell; In: "Familie, Partnerschaft, Recht"; 07/2006, S. 301-305

 

 

 

 

Peter Thiel, 28.06.2010

...

 

 

 

 

Literatur:

 

...

 

 

 

 

Siehe hierzu auch die Expertise von Peter Thiel vom 15.11.2010 zum Schreiben des Verfahrensbeistandes Patrick Bühren vom 07.10.2010 an das Oberlandesgericht Köln - II-12 UF 84/10

 

 

 

 


home