Systemisch lösungsorientierte Arbeit im Familienrecht
"Gottesurteil", Holzschnitt aus dem 16. Jahrhundert
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Sollte sich eine der hier namentlich genannten Fachkräfte ungerecht oder in unzulässiger Weise behandelt fühlen, so kann sich diese zur Klärung ihrer Einwände direkt an mich wenden. Der direkte Weg erspart der betreffenden Fachkraft möglicherweise Anwalts- und Gerichtskosten in erheblicher Höhe, so wie sie etwa der Diplom-Psychologe Klaus Schneider im Rechtsstreit mit Peter Thiel vor dem Landgericht Berlin hinnehmen musste.
Zur Frage der Zitierfähigkeit familiengerichtlich eingeholter Gutachten - Urteil des Landgerichtes Berlin vom 07.11.2006 - 16 O 940/05 - Landgericht Berlin - Rechtsstreit Diplom-Psychologe Klaus Schneider gegen Peter Thiel - Veröffentlicht auch in: "Zeitschrift für das gesamte Familienrecht", 16/2007, 15.08.2007, S. 1324-1325
Auf Grund der an einigen Amts- und Landgerichten, so z.B. beim Landgericht Frankenthal und beim Landgericht Hamburg, möglicherweise in Einzelfällen stattfindenden Zensur und der Beschneidung der Informations- und Meinungsfreiheit zugunsten sich hier kritisiert sehender Fachkräfte, erkläre ich vorsorglich, dass es sich auf meiner Internetseite - wenn nicht eindeutig von mir als Tatsache vorgetragen - immer um meine persönliche, verfassungsrechtlich geschützte Meinung handelt, die als solche naturgemäß weder wahr noch falsch sein kann. Mithin wird von mir auch ausdrücklich erklärt, dass es sich bei meiner Meinung, dass an einigen Amts- und Landgerichten, so z.B. beim Landgericht Frankenthal und beim Landgericht Hamburg, Zensur ausgeübt wird und die Informations- und Meinungsfreiheit zugunsten sich hier kritisiert sehender Fachkräfte beschnitten wird, um meine persönliche Meinung, nicht aber um eine Tatsachenbehauptung handelt.
Peter Thiel
Systemischer Berater, Systemischer Therapeut / Familientherapeut (DGSF), Verfahrenspfleger (SPFW Brandenburg) und Umgangspfleger
25.10.2012
Schlüsselwörter:
BGB, Bürgerliches Gesetzbuch, FamFG, Familiengericht, Familienrecht, Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
Alles Recht ist eine Konstruktion
Recht ist eine Konstruktion oder wie Watzlawick es nennt, eine Wirklichkeit zweiter Ordnung. Gutachterliche Stellungnahmen und richterliche Urteile sind ebenfalls Wirklichkeiten zweiter Ordnung. Im besten Fall stimmen diese mit den Wirklichkeiten zweiter Ordnung der streitenden Verfahrensbeteiligten (Eltern) überein, Dies ist aber eher selten der Fall, da sich die Rechtspraxis noch immer als gläubige Instanz versteht, die Wahrheit und Unwahrheit, Recht und Unrecht zu entscheiden hätte.
Der Slogan "Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht", der wohl fälschlich Rosa Luxemburg zugeschrieben wird (vergleiche hierzu:. "Wir standen mit dem Bein im Knast. die Ost-Berliner Band Planlos im Gespräch", Tagesspiegel, 28.08.2005, S. 26), ist zum einen vom Gedanken der Pflicht durchdrungen und mutet damit recht protestantisch und preußisch an und eignet sich dadurch auch hervorragend für die Agitation von Rechtsextremen. Zum anderen, was hier mehr interessieren soll, ist er von der Idee durchdrungen, es gebe so etwas wie ein Recht an sich. Sozusagen ein Urrecht, das irgendwann begann, vielleicht mit dem Urknall oder mit der Erschaffung des Menschen durch Gott. Und dieses eherne Recht (vergleiche hierzu die Kritik von Karl Marx "Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei" an den Gedanken eines "Ehernen Lohngesetzes", dass auf Ferdinand Lassalle zurückgeht), wird nun angeblich zu Unrecht, dem es gälte Widerstand entgegenzusetzen. Nimmt man dagegen Recht als eine Wirklichkeitskonstruktion, dann ist es völlig verfehlt, eine Wirklichkeitskonstruktion als falsch zu bezeichnen, da sich eine Konstruktion ja gerade dadurch auszeichnet, dass sie weder falsch noch wahr sein kann, sondern dafür da ist, um einen Nutzen aus ihr zu erzielen. Auch die verschiedenen im Laufe der physikalischen Forschung entwickelten Atommodelle sind weder wahr noch falsch, sondern mehr oder weniger nützlich und plausibel.
Das Bundesverfassungsgericht selbst hat es erst vor kurzem verdeutlicht, dass das Recht eine Konstruktion ist, die je nach politischen, ideologischen oder persönlichen Bedarf so manipuliert werden kann, bis es für die jeweilig vorherrschenden Bedürfnisse "richtig" ist.
Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, das auch eine Konstruktion ist, heißt es:
Artikel 1 Absatz 1 Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Artikel 3 Absatz 2 Männer und Frauen sind gleichberechtigt.
Artikel 3 Absatz 3 Niemand darf wegen seines Geschlechts, ... benachteiligt oder bevorzugt werden.
Artikel 6 Absatz 2 Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuförderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
Das hindert jedoch sechs Richter am Bundesverfassungsgericht nicht daran, diese Vorgaben des Grundgesetzes für nichtverheiratete Väter und ihre Kinder faktisch als irrelevant zu erklären und bezüglich der sorgerechtlichen Diskriminierung nichtverheirateter Väter und ihrer Kinder zu behaupten, also zu konstruieren:
"Gemeinsame elterliche Sorge nichtverheirateter Eltern für nichteheliche Kinder
...
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass § 1626 a BGB derzeit im Wesentlichen verfassungsgemäß ist.
...
1. Die grundsätzliche Zuweisung des Sorgerechts an die Mutter des nichtehelichen Kindes ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und verstößt nicht gegen das Elternrecht des Vaters des nichtehelichen Kindes. Eltern ehelicher Kinder haben sich mit dem Eheschluss rechtlich dazu verpflichtet, füreinander und für ein gemeinsames Kind Verantwortung zu tragen. Im Unterschied zu diesen kann der Gesetzgeber bei nicht miteinander verheirateten Eltern eines Kindes auch heutzutage nicht generell davon ausgehen, dass diese in häuslicher Gemeinschaft leben und gemeinsam für das Kind Verantwortung übernehmen wollen und können. Es fehlen auch hinreichend tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Vater eines nichtehelichen Kindes bei dessen Geburt zusammen mit der Mutter in der Regel die Verantwortung für das Kind tragen will.
..."
Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -
Pressemitteilung Nr. 7/2003 vom 29. Januar 2003
zum Urteil des Ersten Senats vom 29. Januar 2003 - 1 BvL 20/99 und 1 BvR 933/01 -
Präsident Prof. Dr. Papier
BVR'in Jaeger
BVR'in Prof. Dr. Haas
BVR Dr. Hömig
BVR Prof. Dr. Steiner
BVR'in Dr. Hohmann-Dennhardt
BVR Prof. Dr. Hoffmann-Riem
BVR Prof. Dr. Bryde
Nicht nur beim Sorgerecht für nichtverheiratete Väter erklärt man mit dem §1626a BGB das Grundgesetz für billiges Papier, dem keine Relevanz zukäme, nicht anders ist es auch mit dem §1671 BGB, der einen Sorgerechtsentzug für einen Elternteil, hier für die Mutter und den Vater für rechtens erklärt, ohne das eine Kindeswohlgefährdung vorliegen würde, die einen solchen Eingriff in das verfassungsrechtliches Grundrecht nach Artikel 6 Absatz 2 rechtfertigen könnte.
§ 1671 BGB (Übertragung der Alleinsorge nach bisheriger gemeinsamer elterlicher Sorge bei Getrenntleben der Eltern)
(1) Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht nicht nur vorübergehend getrennt, so kann jeder Elternteil beantragen, daß ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt.
(2) Dem Antrag ist stattzugeben, soweit
1. Der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, daß das Kind das vierzehnte Lebensjahr vollendet hat und der Übertragung widerspricht, oder
2. zu erwarten ist, daß die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
(3) ...
Anders heißt es dagegen im Grundgesetz:
Artikel 6 Absatz 2 Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuförderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
Warum der Gesetzgeber auch nach der halbherzigen Kindschaftsrechtsreform von 1998 bis heute im Jahr 2006 meint, dass das Grundgesetz durch § 1671 BGB faktisch außer Kraft gesetzt werden soll, kann man nur damit erklären, dass damit einer Ideologie wie es denn sein müsste, ein höherer Rang als der tatsächlichen Vorgabe des Grundgesetz zugemessen wird.
Eltern, die sich dem Werden und Wachsen ihrer Kinder verbunden und verpflichtet fühlen, sind von einem gerichtlich angeordneten Sorgerechtsentzug nach §1671 BGB in ihrer Würde als Menschen direkt betroffen, denn man spricht ihnen in weiten Teilen das Recht ab, tatsächliche Verantwortung für ihre Kinder zu tragen. So wird auch die Formulierung des Grundgesetz
Artikel 1 Absatz 1 Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
für die betroffenen Eltern zu reiner Makulatur. Damit wird letztlich auch das Vertrauen der Menschen in den vermeintlich für alle geltenden Rechtsstaat erschüttert.
Wer meint, Recht, wäre eine objektive Größe befindet sich vielleicht in dem selben Glauben wie die sechs urteilenden Richter am Bundesverfassungsgericht, die in einigen ihrer Entscheidungen vermutlich Ideologie und Recht für ein und das selbe nehmen.
Ideologie wird laut Brockhaus definiert als:
"Die Gesamtheit der von einer Bewegung, einer Gesellschaftsgruppe oder einer Kultur hervorgebrachten Denksysteme, Wertungen, geistigen Grundeinstellungen (öfters auch in formulierter Form als ´Lehre` überliefert); im spezifischen Sinne: künstlich geschaffene Ideensysteme."
Wer hätte das gedacht, Recht ist in diesem Sinne Ideologie. Warum auch nicht, wenn es für die Ideologen und ihre Auftraggeber nützlich ist.
Paul Watzlawick äußert sich als Konstruktivist natürlich auch zu dem Phänomen der Ideologie:
"Die `reine` Wahrheit ist freilich axiomatisch, nicht probabilistisch, Zweifel sind unerwünscht. Auf die Frage, weshalb Kuba den Besuch seiner Gefängnisse durch das Internationale Rote Kreuz nicht gestattet, antwortet Fidel Castro der amerikanischen Fernsehreporterin Barbara Walters ganz einfach:
Wir erfüllen unsere Normen, unsere Prinzipien, was wir sagen, ist immer die Wahrheit. Wenn jemand diese Wahrheit in Zweifel ziehen möchte, soll er das tun, aber wir werden es nicht zulassen, daß jemand den Versuch unternimmt, unsere Realitäten zu überprüfen, daß jemand versucht, unsere Wahrheiten zu widerlegen."
Watzlawick, Paul: "Münchhausens Zopf oder Psychotherapie und `Wirklichkeit`", Verlag Hans Huber, 1988; Piper Verlag April 2005, S. 194/195
Fidel Castro und das Bundesverfassungsgericht, so weit entfernt und doch so nah.
In der Falle des Familienrechts
Familiengerichtliche Verfahren ziehen sich nicht selten oft über mehrere Jahre hin. Dies liegt mitunter weniger an den Betroffenen, sondern an der Logik des familiengerichtlichen Prozedere, in dem sich keine Konfliktlösungen und Entwicklungen ereignen, sondern Ping-Pong gespielt wird. Gegenseitige unergiebige Schuldzuweisungen der Eltern beherrschen die Szene und man fragt sich wie masochistisch so mancher Professionelle sein mag, der sich solches von den Eltern bieten lässt oder schlimmer noch, sie dazu - so wie das traditionelle familienrechtliche Prozedere, das heimlich immer noch dem Schuldprinzip anhängt - dazu einlädt.
Im folgenden ein Beispiel aus der familiengerichtlichen Praxis. Die Mutter hat beim Familiengericht beantragt, dem Vater das gemeinsam beiden Eltern zustehende Sorgerecht nach §1671 BGB einseitig zu entziehen:
Amtsgericht ...
In der Familiensache
mdj. A (Sohn)
Az.:
wird gebeten, nunmehr auch über den Antrag
auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe der Antragstellerin zu entscheiden.
Ferner wird Stellung genommen auf den
Schriftsatz der Gegenseite vom ....2003.
Zutreffend ist lediglich, daß die Parteien unter Mitwirkung des Jugendamtes im Juli 2003 eine Regelung bezüglich des Umganges getroffen haben.
Hieran hielt sich jedoch in erster Linie der Antragsgegner nicht. So tauschte er notwendige Informationen nicht wie vereinbart schriftlich aus, sondern ignorierte die schriftlichen Informationen der Antragstellerin und suchte, wie bereits vorgetragen, erheblichen persönlichen Kontakt.
Zur Stellungnahme des Antragsgegners zu den einzelnen Vorkommnissen ist anzumerken, daß diese nicht zutreffend sind. So hat an den Tagen ... und ....2003 der Antragsgegner zwar gehumpelt, aber trotzdem vor der Kita gestanden.
Der Antragsgegner wurde auch von Mitarbeitern der Kita des öfteren beobachtet, daß er vor der Kita stand, an Tagen, an denen er A nicht abholte. Sollte er dies weiter bestreiten, werden Mitarbeiter der Kita als Zeugen benannt, daß er dort des öfteren die Antragstellerin und das Kind abgefangen hat.
Am ....2003 hat der Antragsgegner nicht nur in dem Dönerladen Billard gespielt, sondern, wie so häufig, die Wohnung der Antragstellerin beobachtet. Dies wurde durch die Nichte der Antragstellerin beobachtet.
Beweis: Zeugnis der Frau ... , ... Str. ... in ... Berlin.
Frau ... kann auch Zeugnis darüber geben, daß sie öfter vorn Antragsgegner angerufen wurde und dieser öfter die Antragstellerin beobachtete.
Zum Beweis, daß am ... 2003 nicht etwa die Antragstellerin dem Antragsgegner Unterlagen über den Pkw entwenden wollte, sondern vielmehr dieser der Antragstellerin die Unterlagen wegnahm, kann Herr ... , welcher sich dort als Kaufinteressent eingefunden hatte, Zeugnis geben.
Beweis: Zeugnis des Herrn ... , ... , ... Berlin.
Keineswegs hat die Antragstellerin versucht, wieder eine Beziehung zum Antragsgegner aufzunehmen. Es ist vielmehr der Antragsgegner, der die Trennung der Kindeseltern nicht akzeptieren kann und deshalb die Antragstellerin verfolgt und diese sowie ihre Familie mit Anrufen belästigt.
So rief der Antragsgegner am ....2003 bei der Mutter der Antragstellerin an.
Es ist nicht zutreffend, daß die Konflikte zwischen den Eltern das Kind nicht betreffen. Vielmehr wird das Kind hin- und hergerissen, da es von den Konflikten, wie bereits dargestellt, vieles mitbekommt. Auf die Antragsschrift vom ....2003 wird hier verwiesen.
Dies liegt in erster Linie auch daran, daß sich der Antragsgegner nicht an die Vereinbarungen zum Umgang hält. So hat die Antragstellerin noch nie eine schriftliche Information des Antragsgegners über das Kind erhalten. Vielmehr versucht er dies stets mündlich zu klären trotz der schriftlichen Vereinbarung Die schriftlichen Mitteilungen der Antragstellerin werden ignoriert
Das Kind ist zwischenzeitlich auch verhaltensauffällig. Im September wurden beide Kindeseltern zum Gespräch in die Kita gebeten, da A dort auffällig geworden ist. Er ist aggressiv, stört die Gruppe und schlägt auch Kinder. Die Erzieherin der Gruppe von A regte an, A psychologische Hilfe zukommen zu lassen Dies wird ab ....2004 durch die Antragstellerin realisiert. Sie nimmt hier die Hilfe des Jugendamtes in Anspruch.
Die Antragstellerin hat auch versucht, mit dem Antragsgegner ab ... 2003 gemeinsam bei der ... Beratungsstelle in .... in der ... Str. .. in .... Berlin eine Partnerschaftsberatung in Anspruch zu nehmen Auch hier kam es ständig zu Konflikten und der Antragsgegner äußerte `es solle alles bleiben, wie es ist`. Da außerdem die zuständige Mitarbeiterin der Beratungsstelle ihre Tätigkeit dort eingestellt hat und eine Verbesserung der Situation in den 2 Monaten der Inanspruchnahme der Beratungshilfe nicht erkennbar war, brach die Antragstellerin diese Bemühungen ab.
Die Antragstellerin vermutet, daß der Antragsgegner gar nicht wirklich Interesse an dem Kind hat, sondern dieses vielmehr dazu benutzt, der Antragstellerin das Leben schwer zu machen. So wurden Hinweise der Antragstellerin, daß das Kind seit September 2003 wieder einnäßt und sehr schlecht ißt, einfach abgetan. Wurde das Kind von dem Antragsgegner nach dem Umgang zurückgebracht, trug der Antragsgegner Arbeitssachen und die Antragstellerin vermutet hier, daß der Antragsgegner arbeiten war und daß A von Dritten betreut wurde, so z. B. am ....2003.
Ein langer angekündigter Urlaub mit ausdrücklichem Wunsch des Antragsgegners nach einem Kinderpaß für eine Fahrt nach ... wurde nicht wahrgenommen. Die Antragstellerin konnte nur mit Hilfe des Jugendamtes überhaupt herausbekommen, daß sie für A keine Urlaubssachen packen müßte, da der Antragsgegner ihr keinerlei Informationen gab, daß er nicht in den Urlaub fahren und somit A auch nicht betreuen würde.
Im ... 2003 hatte der Antragsgegner gleichfalls angegeben, er würde Zeit mit dem Kind verbringen und die Antragstellerin hatte aufgrund dieser Aussage das Kind in der Kita abgemeldet. Sie hat jedoch erfahren, daß A vom Antragsgegner in dieser Zeit trotzdem in die Kita gebracht wurde, so daß die Antragstellerin vermutet, daß der Antragsgegner kein Interesse an dem Kind hat.
Insgesamt ist festzustellen, daß sich die Konflikte der Eltern auf das Kindeswohl von A auswirken und dieser inzwischen verhaltensauffällig geworden ist.
Es ist der Antragstellerin weiterhin nicht zumutbar, sich während der gesamten Zeit, in der es notwendig sein wird, gemeinsame Entscheidungen für A zu treffen, dem Antragsgegner so Gelegenheit zu geben, mit ihr in Kontakt zu treten und sie so weiter zu behelligen. Die Übertragung des Sorgerechtes allein auf die Antragstellerin entspricht daher allein dem Wohl des Kindes.
Am ....2003 wurde unter Mithilfe des Jugendamtes nochmals eine Elternvereinbarung zwischen den Kindeseltern getroffen. Diese ist in Kopie dem Schriftsatz beigefügt. Unter Pkt. 3 ist ausdrücklich geregelt, daß der Kontakt zwischen den Kindeseltern brieflich zu erfolgen hat. Bereits eine Stunde nach Abschluß der Vereinbarung rief der Antragsgegner bei der Antragstellerin an, um mit dieser zu sprechen, es würde um A gehen. Dies zeigt, daß der Antragsgegner auch in Zukunft nicht bereit ist, sich an Vereinbarungen zu halten und insbesondere auf die Einhaltung des Schutzes der Privatsphäre der Antragstellerin zu achten.
Beglaubigte und einfache Abschrift anbei.
...
Rechtsanwältin
Aus dem Schriftsatz der Rechtsanwältin lässt sich folgendes entnehmen.
1. Die Mutter wird als Opfer definiert.
"Hieran hielt sich jedoch in erster Linie der Antragsgegner nicht. So tauschte er notwendige Informationen nicht wie vereinbart schriftlich aus, sondern ignorierte die schriftlichen Informationen der Antragstellerin und suchte, wie bereits vorgetragen, erheblichen persönlichen Kontakt."
Es gibt im gesamten Schriftsatz keinen einzigen Hinweis, dass die Mutter möglicherweise eigene Anteile an dem Konflikt hat. Das widerspricht jeder Erfahrung aus der Paar- und Familienberatung.
2. Es werden Argumente vorgetragen, die überhaupt nichts mit dem gemeinsamen Sorgerecht zu tun haben.
"Zum Beweis, daß am ... 2003 nicht etwa die Antragstellerin dem Antragsgegner Unterlagen über den Pkw entwenden wollte, sondern vielmehr dieser der Antragstellerin die Unterlagen wegnahm, kann Herr ... , welcher sich dort als Kaufinteressent eingefunden hatte, Zeugnis geben.
...
Am ....2003 hat der Antragsgegner nicht nur in dem Dönerladen Billard gespielt, sondern, wie so häufig, die Wohnung der Antragstellerin beobachtet. Dies wurde durch die Nichte der Antragstellerin beobachtet."
Für eventuelle Eigentumsdelikte ist das Strafrecht, nicht aber das Familienrecht die anzuwendende Rechtsnorm. Für den Schutz gegen unzulässige Beeinträchtigungen gibt es spezielle rechtliche Möglichkeiten, so z.B. nach dem Gewaltschutzgesetz. Für einen eventuellen Schutz des Kindes vor elterlich herbeigeführter Kindeswohlgefährdung greift §1666 BGB.
3. Die Mutter beantragt über ihre Rechtsanwältin dem Vater das Sorgerecht zu entziehen, begründet aber nicht, was die aus ihrer Sicht vorgebrachte Darstellung des Konfliktes mit der gemeinsamen elterlichen Sorge zu tun hätten, bei der es nach §1687 BGB ausschließlich um "Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung" sind, geht.
4. Mutter und Rechtsanwältin verwechseln offenbar den von ihnen beantragten Sorgerechtsentzug für den Vater mit bestimmten, dem Vater vorgeworfenen Handlungen, die, wenn sie denn so geschehen sein sollten, gar nichts mit dem Sorgerecht, bei dem es wie gesagt um "Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung" geht und eben nicht um ein spezielles, dem anderen Elternteil vorgeworfenes Verhalten.
5. Mutter und Rechtsanwältin verwechseln das Feld des Umgangsrechts mit dem Sorgerecht.
"Wurde das Kind von dem Antragsgegner nach dem Umgang zurückgebracht, trug der Antragsgegner Arbeitssachen und die Antragstellerin vermutet hier, daß der Antragsgegner arbeiten war und daß A von Dritten betreut wurde, so z. B. am ....2003."
Der Rechtsanwalt des Vaters antwortet im Schlagabtausch in der selben unfruchtbaren Weise - und wenn die Eltern nicht gestorben sind, dann streiten sie noch heute.
Beide Eltern, bzw. deren Anwälte, erhalten für dieses entwürdigende Prozedere der gegenseitigen Disqualifikation und Demontage Prozesskostenhilfe vom Staat. Das vielbeschworene Kindeswohl wird hier zur reinen Farce und gerät mit staatlicher Billigung und finanzieller Unterstützung vollends unter die Räder. Es fragt sich, warum die Steuerzahler/innen dafür aufkommen sollen, wenn sich Eltern über möglicherweise gegenseitig entwendete Autoschlüssel in die Haare bekommen? Eine richtige Finanznot scheint es im Berlin offenbar nicht zu geben, wenn so wie hier, die Justizkasse das Geld zum Fenster rauswerfen darf.
Dass sich Rechtsanwälte stellvertretend für die Eltern mit solcherart Vorwurfstiraden, Erbsenzählereien, Opfergesängen und Klageliedern bereitwillig zu beschäftigen scheinen, verwundert nicht, denn schließlich leben sie vom Streit der Eltern. Vernünftige und erfahrene Familienberater und Familientherapeuten würden sich wohl keine 10 Minuten solche gegenseitigen Schuld- und Anklagekampagnen wie der oben geschilderten anhören. Statt dessen würden sie so intervenieren, dass die destruktive und kreisförmige Kommunikation der Eltern gestoppt, irritiert und verändert wird.
Nicht aber so beim traditionellen familiengerichtliche Prozedere. Vorhandene Kommunikationsstörungen der Eltern oder des Familiensystems werden häufig mit einem immensen, teils steuerfinanzierten Aufwand im Gang gehalten. Prozesskostenhilfe wird ausgereicht, ohne die Eltern vorher zur Inanspruchnahme einer Mediation, einer Familienberatung oder Familientherapie zu verpflichten. Missverständnisse zwischen den Eltern, die man in einer normalen einstündigen Familienberatung klären könnte, werden bei dieser Art von Konfliktverwaltung leicht zu brisanten Explosivladungen. Statt destruktive Kommunikationsstörungen aufzulösen, werden in der Folge immer neue Helfer, die sich an der Aufrechterhaltung der Kommunikationsstörung zu beteiligen scheinen, eingesetzt. Wer schon einmal an einer Gerichtsverhandlung mit beiden Elternteilen, deren Anwälten, dem Familienrichter, dem Verfahrenspfleger, dem Gutachter, dem Mitarbeiter des sozialpädagogischen Dienstes des Jugendamtes und möglicherweise auch noch dem Vormund vom Jugendamt teilgenommen hat, wird dies vielleicht bestätigen können. Die Sprachlosigkeit der Eltern wird professionell verfestigt. Letztlich sind alle Beteiligten einschließlich der Familienrichter erschöpft und ausgebrannt, zynisch oder resigniert. Um die verfahrene Situation doch noch zu "lösen", wird dann oft dem "schlechteren" Elternteil das elterliche Sorgerecht nach §1671 BGB entzogen oder der Umgang zeitlich befristet ausgesetzt.
Obwohl eine Kindeswohlgefährdung gar nicht vorlag, denn sonst wäre das Gericht nach §1666 BGB vorgegangen, müssen die Kosten für den ungewollten Sorgerechtsentzug nach §1671 BGB die betroffenen Eltern tragen, gerade so, als ob sie den Staat darum gebeten hätten, ihnen das Sorgerecht zu entziehen und nun dafür korrekterweise zur Kasse gebeten werden.
Wenn in einem familiengerichtlichen Verfahren Eltern als Parteien bezeichnet werden, trägt dies sicher nicht dazu bei, dem Kind beide Eltern zu erhalten. Hier geht es nicht um den Streit zweier Gläubiger um die Konkursmasse eines Schuldners, diese kann man sicher als Parteien bezeichnen, sondern um Eltern und ihre gemeinsamen Kinder. Dies erfordert auch vom Familienrichter den notwendigen sprachlichen Respekt gegenüber den Eltern.
Wird beim Familiengericht ein Antrag auf Umgangsregelung gestellt, dauert es nicht selten mehrere Monate bis überhaupt ein erster Anhörungstermin anberaumt wird. Auch das Berliner Kammergericht benötigt mitunter vier Monate für die Ansetzung eines Termin in der Beschwerde zum zwischen den Eltern strittigen Aufenthaltsbestimmungsrecht. Inzwischen eskalieren die Familienkonflikte im faktisch rechtsfreien Raum, greift das Faustrecht, sind die Kinder, um die es angeblich geht, dem eskalierenden Krieg der Eltern ausgeliefert, bleibt die Sicherung des Kindeswohls durch den staatlichen Wächter eine leere Worthülse.
In einer Umgangsrechtssache wird bei einem für einen für den 23.09.04 anberaumten Termin infolge Fernbleibens einer der streitenden Eltern ein Ersatztermin für Februar 2005 in Aussicht gestellt wird. Währenddessen passiert selbstredend kein Umgang zwischen dem Kind und seinem von Kontaktabbruch betroffenen einen Elternteil. Mit der Idee des Rechtsstaates auf Wahrung der rechtlichen Interessen seiner Bürger dürfte das nichts rein weg gar nichts zu tun haben. Der an der Wahrung seiner rechtlichen interessierte Elternteil kann hier nur noch Dienstaufsichtsbeschwerde erheben in der vagen Hoffnung, dass das irgendwie auf positive Resonanz stößt. Ob diese Hoffnung erfüllt wird erscheint zweifelhaft, mit Sicherheit wird jedoch seine Beliebtheit bei der betreffenden Richterin, die schließlich über sein Anliegen urteilen soll und von der er in gewissen Sinn abhängig ist, gegen Null gehen.
Während auf der einen Seite eine Verschwendung von Ressourcen für fragwürdige Gutachten und unsinnige gerichtlich ausgetragene Konflikte zu beobachten ist, dauert es auf der anderen Seite monate- und manchmal jahrelang bis die Beteiligten zu ihrem Recht, kommen, dessen Umsetzung dann nicht zuletzt oft auch deswegen scheitert, weil angeblich keine finanziellen Ressourcen vorhanden sind. Kein Wunder, das Geld braucht man ja für einen sich selbst genügenden Betrieb, der ähnlich wie ein Paternoster, sich zwar ständig bewegt, doch nach einer Weile immer wieder am gleichen Ort ankommt.
Familienrichter und Justizminister müssen sich nicht wundern, wenn der Aktenstau sich nicht auflöst, sondern angesichts der gesellschaftlichen Tendenz zur Individualisierung und schnelleren Trennung von Eltern die Aktenberge eher immer größer werden. Manches löst sich dann auf "natürlichem" Weg durch Wegzug der Eltern, Resignation und Kontaktabbruch der Betroffenen oder Tod. Das Bemühen, Familienkonflikte mit konventionellen Methoden zu entscheiden oder zu verwalten und mit immer mehr oder wenigstens gleichbleibenden Personal immer mehr familiengerichtliche Anträge zu bewältigen, führt zu hohen Krankenständen in den Gerichten und zum partiell zu beobachtbaren Kollaps. Familiengerichte und Helfersysteme sind in so weit, ein Fall für die Systemische Beratung, Systemisches Coaching oder Supervision. Oder wenn sie es denn lieber psychoanalytisch hätten - für die Couch.
Schuld, Schulden und Unrecht im Familienrecht
Zentrale Streitfrage im üblichen familienrechtlichen Konflikt ist nicht das Thema Kindeswohl, sondern das Thema Schuld. Die Fokussierung auf das sogenannte Kindeswohl dient in der Regel nur als Mittel zum Zweck Schuld zuzuweisen oder zur Verschleierung der wahren Absicht, Schuld auszugleichen. So z.B. wenn ein Elternteil dem anderen Elternteil das gemeinsame Kind vorenthält - natürlich nur deswegen wie ersterer behauptet, weil diese dem Wohl des Kindes dient.
An diesem Spiel um die Schuldfrage beteiligen sich in der Regel nicht nur die Eltern als Hauptprotagonisten, sondern mehr oder weniger involviert auch das Helfersystem. Dies geschieht zum einen aus der Unkenntnis heraus, worum es wirklich geht. zum anderen auch aus der eigenen emotionalen Verstrickung der Helfer und ihrer Ohnmacht nicht zu wissen, wie der Konflikt gelöst werden kann, mithin Schuld aufgelöst werden kann.
Dem Gesetzgeber un das Familiengericht "löst" anhaltende Elternkonflikte bis heute mit der Ent-sorgung eines Elternteils durch den verfassungswidrigen §1671 BGB. Verfassungswidrig ist dieser Paragraph, so wie auch der noch üblere §1626a BGB deshalb, weil im Grundgesetz Artikel 6 deklariert wird.
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
Artikel 1 Satz 1 Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Artikel 3 Satz 2 Männer und Frauen sind gleichberechtigt.
Artikel 3 Satz 3 Niemand darf wegen seines Geschlechts, ... benachteiligt oder bevorzugt werden.
Artikel 6 Satz 1 Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.
Artikel 6 Satz 2 Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuförderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
Im Grundgesetz wird also nicht deklariert, dass ein Elternteil entsorgt, mithin aus der elterlichen Verantwortung ausgeschlossen werden sollte, nur weil es Probleme in der Kommunikation der Eltern gibt. Im Grundgesetz wird auch nicht deklariert, dass der nichtverheiratete Vater aus der elterlichen Sorge ausgesperrt bleiben soll, nur weil dies die Mutter des gemeinsamen Kindes so wünscht.
Dass das Bundesverfassungsgericht bis heute nicht in der Lage war, die Verfassungswidrigkeit der beiden Paragraphen festzustellen, macht die Lage nicht besser, sondern zeigt nur, wie wenig ernst die dortige Richter die Verfassung nehmen. Denn dass die Bundesrichter das Grundgesetz nicht kennen, wird man als Grund für deren Missachtung von Artikel 6 nicht annehmen dürfen, eher dürfte es darum gehen die eigene Ideologie für allgemeinverbindlich zu erklären und die Aussagen des Grundgesetzes nur dann heranzuziehen, wenn es der eigene Weltsicht dient.
Die Justiz mit ihrer insgesamt schwerfälligen Struktur und Mentalität vermag nur selten konstruktiv und zeitnah zu reagieren, geschweige denn eine Lösung des elterlichen Konfliktes um Schuld und Unschuld herbeizuführen. Nicht selten herrscht die Tendenz vor, das Spiel der Eltern um Schuld und Unschuld mitzumachen und sich dabei getreu dem alten Grundsatz teile und herrsche einem der beiden Elternteile parteilich zuzuwenden. Der Versuch des Ausgleiches zwischen den Eltern bleibt oft unberücksichtigt oder wird von Gericht nur sehr unprofessionell gehandhabt, in dem etwa der Richter oder ein Gutachter die Eltern zu mehr Konsens ermahnen, ohne dass eines solche Mahnung bei einem Elternteil wirklich etwas bewirkt.
Im Bereich der Strafjustiz wird ein Ausgleich mit dem Täter-Opfer Ausgleich (TOA) probiert. Im familiengerichtlichen Verfahren findet dagegen oft kein Ausgleich statt, mit dem Ergebnis, dass die Verfahren nicht selten jahrelang ungelöst andauern und die Richter dann behaupten, der Konflikt ließe sich nicht lösen. Wenn die Justiz sich aber als unfähig erweist Konflikte zu lösen oder Ausgleich herbeizuführen, dann greift, wie im Fall des Michael Kohlhaas, nicht selten die Selbstjustiz und das Faustrecht. Kurz gesagt es herrscht Rosenkrieg. Frauen und Männer nehmen sich da nichts. Wer da meint, Frauen wären das friedfertigere Geschlecht, der sitzt einen Irrtum auf. Als fachkundiger Außenstehender kann man oft nur den Kopf schütteln und meinen, man lebe nicht im Rechtsstaat sondern nach den ungeschriebenen Regeln des wilden Westens.
In familiengerichtlichen Verfahren geht es wie gesagt, ausgesprochen oder unausgesprochen um das Thema Schuld. Bis in die siebziger Jahre des vorigen Jahrhundert galt im Scheidungsverfahren noch das sogenannte Schuldprinzip. Es war zwingend vorgeschrieben, dass einer der beiden Eheleute vom Gericht als schuldig am Scheitern der Ehe gesprochen wurde. Dem schuldig gesprochen Elternteil wurde automatisch das Sorgerecht für sein Kind aberkannt. Das in Schuldkategorien verhaftete Denken dieser Zeit wurde erst 1977 durch das sogenannte Zerrüttungsprinzip abgelöst. Man kann sicher sagen, dass der Kalte Krieg im Familienrecht wenigstens bis 1977 andauerte und einigen Hunderttausend Männern, Frauen und Kindern die Lebensperspektiven kurzfristig oder langfristig zerstört hatte. Wahrscheinlich kann man aber erst der Kindschaftsrechtsreform von 1998 davon sprechen, dass die Philosophie des Kalten Krieges im Familienrecht ernsthaft erschüttert wurde, wenngleich wir bis heute in der familiengerichtlichen Praxis nicht selten auf versprengte Truppenteile dieses alten Denkens stoßen und es noch immer einige Mühe macht, sich mit diesen auseinander zu setzen.
Auch wenn das Schuldprinzip im Familienrecht abgeschafft wurde, heißt das natürlich nicht, dass es nun keine inoffiziellen Schuldprinzipien mehr gäbe. Dies ist zum einen so, weil Menschen, Eltern genau so wie mitunter bedauerlicherweise auch Fachkräfte, immer auch in Schuldkategorien denken. Mitunter ist Menschen im Familienkonflikt auch tatsächlich schweres Leid zugefügt worden oder Unrecht geschehen, daher nimmt es kein Wunder, wenn hier auch die Schuldfrage gestellt wird. Das Familienrecht ist zwar offiziell kein Schuldrecht und auch kein Strafrecht, mit dem Schuld gesühnt werden soll, in der Praxis kann man aber nicht selten beobachten, dass das Schuldprinzip mehr oder weniger offen, und das nicht nur von den Betroffenen, sondern nicht selten auch von den Fachkräften eingeführt und gehandhabt wird.
Der als Gutachter tätige Diplom-Psychologe Josef A. Rohmann schreibt:
"... Wesentliches dreht sich um Gerechtigkeitskonten - zwischen den Generationen oder zwischen den Partnern. Die Sekretärin, die ihrem Mann das Studium finanziert, um später von ihm abserviert zu werden, oder das Kind, das von seinem Vater einfach zurückgelassen wird und von ihm nie eine verständliche Erklärung, geschweige denn Abbitte erfährt, diese Personen sind verständlicherweise eher verbittert und und haben andere Vorstellungen von dem, was recht und billig ist, als was die öffentliche Meinung für korrekt ansieht. Wenn in systemischer Sicht Probleme eigentlich eine Lösung in sich aufzeigen, dann besteht diese in den Beispielen in einem Eingestehen von Schuld und einem Versuch zum Ausgleich - und nicht darin, diesen Leuten moralisch so lange einzutrichtern, was Familiensachwalter für gut und geboten halten, bis sie es verstanden haben - oder aber ganz dicht machen."
Rohmann, A. Josef: "Systemorientierte Perspektiven und Ansätze in der Familienrechtspsychologie", In: "Praxis der Rechtspsychologie", Juni 2004, S. 15
Wenn man der Darstellung der kindlichen und weiblichen Opferperspektive auch noch die männliche Opferperspektive, an der es Herrn Rohmann womöglich etwas mangelt, hinzusetzt, dann kann man der Darlegung von Rohmann zustimmen. In menschlichen Beziehungen geht es häufig um nichtmaterielle "emotional" begründete Schulden und auch die materiellen Schulden sind hier in der Regel immer mit emotionalen Schulden verknüpft. In familiengerichtlich ausgetragenen Konflikten stehen emotionale Schulden gewöhnlich im Mittelpunkt und es geht gerade nicht, wie meist gebetsmühlenartig von einem oder beiden Elternteilen vorgetragen, um das sogenannte Kindeswohl. Kränkungen, Ärger und Wut sollen kompensatorisch mit Umgangseinschränkungen, Umgangssperren oder Sorgerechtsaberkennung des vermeintlich schuldigen Elternteils verrechnet werden. Ist ein Elternteil mit einem solchen Ansinnen erfolgreich, so wird er gegenüber dem anderen Elternteil, aber auch gegenüber dem gemeinsamen Kind schuldig.
Ausgrenzende Forderungen werden natürlich nicht als solche offen vorgetragen, sondern als dem Kindeswohl dienend getarnt, so z.B. in einem Antrag auf Aberkennung des Sorgerechtes für den angeblich erziehungsunfähigen oder kooperationsverweigernden Elternteil. Bedauerlicherweise lädt der Gesetzgeber mit dem im Widerspruch zu Artikel 6 Satz 2 Grundgesetz stehenden §1671 BGB, durch den eine Aberkennung des Sorgerechtes juristisch erst ermöglicht wird, streitwillige Eltern zur Ausgrenzung des anderen Elternteils und damit indirekt zur Schädigung des gemeinsamen Kindes ein. So entsteht Schuld nicht nur bei dem auf Ausgrenzung bedachten Elternteil, sondern auch bei denjenigen, die die entsprechende Gesetzgebung zu verantworten haben.
Man kann davon ausgehen, dass viele über einen längeren Zeitraum in familiengerichtlichen Verfahren arbeitenden professionellen Helfer (Verfahrenspfleger, Familienberater, Sozialarbeiter, Gutachter, Rechtsanwälte und Familienrichter) eigene persönliche Erfahrungen mit Trennung und Scheidung gemacht haben, sei es als Kind, Jugendlicher oder später selbst in der Elternrolle. Von daher werden vom Helfer oft Schuldkonten aus der eigenen Herkunftsfamilie mit in die professionelle Tätigkeit geschleppt, die mangels des eigentlichen Zielfeldes, z.B. des eigenen Vaters, der einen verlassen hat oder von dem man meint, er hätte einen verlassen, auf Väter projiziert, die, in familiengerichtliche Verfahren verwickelt, zufällig gerade das Blickfeld des Helfers kreuzen. Von daher könnte man z.B. vermuten, dass der oben zitierte Josef A. Rohmann das Beispiel des in seinen Augen schuldig gewordenen Vaters nicht zufällig benutzt, sondern damit eine eigene Erfahrung in verfremdeter Form erzählt.
Die Hineinnahme von eigenen nicht geklärten Schuldkonten in eine professionelle familiengerichtliche Tätigkeit ist natürlich Gift für die zumeist notwendige Neutralität und Allparteilichkeit des Helfers. Statt dessen wird der Konflikt zusätzlich aufgeheizt, so wie wir es bei Waffenlieferungen in Krisengebiete kennen.
Rohmann ist zuzustimmen, dass Trichterpädagogik wohl das letzte ist, was Menschen bewegen kann, eine bestimmte Haltung aufzugeben. Trichterpädagogik bewirkt lediglich, dass sich die Ohren des beschallten Menschen verschließen. Dies ist wohl auch ein Grund, warum so viele familiengerichtliche Appelle an die Vernunft und Einsicht der Betroffenen (Eltern) reine Zeitverschwendung oder rituelle Handlungen zur Selbstberuhigung der Appellanten sind. Wirksamer wird da eher eine Komposition aus Verständnis, Empathie für alle Betroffenen und wo nötig auch geeignete Formen von Zwang gegenüber eines oder mehrerer Betroffener sein. Wenn wir ohne Formen von Zwang auskommen könnten, dann bräuchte es auch keiner Kontrollen in öffentlichen Verkehrsmitteln mehr, dann würde jeder Mensch sein Ticket bezahlen und alles wäre gut.
Rohmann will in seinem obigen Beispiel "Eingestehen von Schuld und einem Versuch zum Ausgleich" erreichen. Damit legt er fest, was denn die Schuld sei und was nicht, wer die Schuld trägt und wer nicht. Die "beschuldigten" Beteiligten im familiengerichtlichen Verfahren sehen das wohl oft anders. Der Vater, dem aus seiner Sicht seit vier Jahren das eigene Kind von der Mutter entfremdet wird, meint, die Schuld läge bei der Mutter, die Mutter meint, die Schuld liege beim Vater, weil er seit vier Jahren "die Familie", bestehend aus Mutter und Kind, mit familiengerichtlichen Anträgen bombardiert, in der Lokalpresse Anzeigen an seinen elfjährigen Sohn inseriert und ständig bei der Lehrerin in der Schule anruft und sich nach dem Leistungsstand seines Sohnes erkundigt, auf Elternabend erscheint und die Mutter vor den Augen der anderen Eltern in große Peinlichkeiten versetzt.
Die Annahme von Schuld, so denn der Vorwurf berechtigt erscheint, korrespondiert oft mit der Fähigkeit des Schuldigen oder der Schuldigen zur Einsicht in die eigene Verantwortung und die Folgen seines Tun`s für die davon Betroffenen. In familiengerichtlichen Verfahren, wird oft das Einräumen eigener Schuld vermieden und statt dessen die Schuld einseitig auf den anderen Elternteil projiziert. Selbst bei langjähriger Umgangsvereitelung durch einen Elternteil, wird von diesem in einer Meisterleistung von Verdrängung und Wirklichkeitskonstruktion das Bild der eigenen Unschuld und der Schuld des anderen Elternteils aufrecht erhalten.
Andererseits: "Eingestehen von Schuld und einem Versuch zum Ausgleich", wie es Rohmann vorschlägt, ist eine gute Idee, wenn sie mit den Wirklichkeitskonstruktionen des Betreffenden in Einklang zu bringen ist. Dies ist häufig in Paarberatungen und Paartherapie der Fall, da hier die beiden Partner noch ein Interesse an einem wie auch immer herstellbaren Ausgleich haben, denn die Idee der Versöhnung liegt ihnen noch sehr nahe. In hochkonflikthaften familiengerichtlichen Verfahren dürfte dies jedoch vorerst eine reine Utopie sein, hier hofft von den Streitenden niemand mehr auf Versöhnung, es geht nur noch um Sieg und Niederlage, Satisfaktion und Demütigung. Die Helfer täten daher gut daran, nicht auf einseitige Schuldeingeständnisse zu insistieren, dies ruft bei den "Beschuldigen" immer den nicht unberechtigten Verdacht der Befangenheit des Helfers hervor und bei den vom Helfer "Freigesprochenen" stärkt es die Pose des Siegers oder der Siegerin und damit die Weiter-So-Mentalität.
Zwischen einem nichtverheirateten Vater und einer Mutter kommt es nach einer Trennung zu strittigen und eskalierenden Auseinandersetzungen bezüglich des gemeinsamen Kindes. Trotz nachhaltiger Bemühungen seitens des Vaters bricht der Kontakt zu seinem Kind infolge des eskalierenden Konfliktes und der massiven Ab- und Ausgrenzungsbestrebens der Mutter ab. Der Vater erfährt in ihn traumatisierender Form seine Rechtlosigkeit in der Bundesrepublik. Er muss dabei die Erfahrungen machen, dass der Staat, den er als Rechtsstaat offeriert bekommen hat, für ihn kein Recht anbietet. Er ist als Vater in Deutschland eine weitgehend rechtlose Person.
Im Gegensatz zur Mutter hat er faktisch kein Elternrecht und ein Teil der zuständigen Fachkräfte stehen der Mutter parteiisch bei der Ausgrenzung des Vaters zur Seite stehen oder verharren in selbst gewählter Hilflosigkeit. Anstatt das erlebte Trauma zu verdrängen, Alkohol zu trinken oder in die Depression zu gehen, beginnt der Vater ein Jurastudium und macht parallel eine Ausbildung in Mediation. Später beginnt er als Familienrichter zu arbeiten, schreibt Fachaufsätze und bemüht sich, die strittigen Eltern, die tagtäglich vor seinen Richtertisch treten, dabei zu unterstützen, die schwere Lebenskrise in die sie sich befinden, zu meistern, damit sie ihren Kinder auch zukünftig verlässliche Eltern sein können. Er unterstützt die Reformbemühungen im deutschen Kindschaftsrecht, infolgedessen ihm, dessen Kind inzwischen längst erwachsen ist, im Jahr 1998 wenigstens ein Teil seiner Rechtlosigkeit als früheres Unrecht bescheinigt.
Ein fiktiver Fall
Ein fiktiver, aber in der Realität ähnlich vorkommender Fall
(vgl. z.B. Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 19.08.2004 - 35 F 11083/04-65, veröffentlicht in FamRZ 2005, Heft 5, S. 387)
Ein nichtverheirateter Vaters betreut seit fünf Jahren seinen siebenjährigen Sohn überwiegend allein. Die Mutter hat nur gelegentlich Umgangskontakte, weil sich sich mit der Betreuung des Sohnes überfordert sieht. Obwohl die Mutter den Sohn kaum betreut, nimmt sie das staatliche Kindergeld in Anspruch. Der Vater verzichtet darauf, weil er nicht riskieren will, dass die Mutter dies zum Anlass nimmt, den Wechsel des Sohnes in ihren Haushalt zu fordern. Eines Tages erklärt die Mutter dem Vater, dass der Sohn von nun an bei ihr wohnt und es nur noch Umgangskontakte zwischen Vater und Kind geben wird. Der Vater geht zum Jugendamt und bekommt dort mitgeteilt, dass das völlig rechtens wäre, da die nichtverheiratete Mutter nach § 1626a BGB das alleinige Sorgerecht hat. Ob der Vater das Kind längere Zeit allein betreut hat, spielt nach bundesdeutschen Recht keine Rolle. Zwei Wochen später verreist der Vater nach Spanien und nimmt den Sohn mit. Daraufhin erstattet die Mutter in Deutschland Strafanzeige, der Vater wird polizeilich gesucht und bald darauf in Spanien verhaftet. Das Kind wird zur Mutter nach Deutschland gebracht. In dem darauffolgenden Strafverfahren erhält der Vater nach § 235 StGB ein Jahr Freiheitsstrafe.
Juristisch ist alles klar. Der Vater hat nach deutschen Recht zu Unrecht seinen Sohn mit ins Ausland genommen. Dies gilt als internationale Kindesentführung. Der Vater sieht das naturgemäß ganz anders. Er sieht sich durch den deutschen Staat in seinem Erziehungsrecht verletzt. Ihm ist Unrecht geschehen und er beschließt sich durch die Instanzen zu klagen. Bei allen deutschen Gerichten bis hin zum höchsten Gericht hat er keinen Erfolg. Sie gegen ihm Unrecht. Der Vater klagt daraufhin beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, das ihm in der Folge Recht gibt und die Bundesrepublik zu 200.000 Euro Haftentschädigung und Schadensersatz, zu zahlen an den Vater, verurteilt. Wer sich hier an Michael Kohlhaas erinnert fühlt, liegt völlig richtig. Nur dass der fiktive Fall unseres Vaters die antiquierte und absurde deutsche Rechtsrealität im Jahr 2005 widerspiegelt und nicht die des 16. Jahrhunderts, in der der historische Hans Kohlhase lebte, dem Heinrich von Kleist 1810 in seiner Novelle "Michael Kohlhaas" ein literarisches Denkmal setzte.
Den nichtverheirateten Vätern in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik wurden staatlicherseits jahrzehntelang elementare und selbstverständliche Grundrechte bezüglich ihrer Kinder verweigert. Erst 1998 wurden die schlimmsten rechtlichen Diskriminierungen beseitigt, andere Diskriminierungen, wie die Ausgrenzung aus der elterlichen Sorge wurden bis heute beibehalten. Von Unrechtsbewusstsein bei führenden Politiker/innen bis heute keine Spur, im Gegenteil. Von der Bundesfamilienministerin nicht ein Wort des Bedauerns und die Überlegung wie hier Wiedergutmachung geleistet werden könnte. Wahrscheinlich gilt in Deutschland das ungeschriebene Gesetz, dass erst 45 Jahre vergehen müssen, bis die am Unrecht aktiv oder passiv Beteiligten ihren Einfluss verlieren und andere Menschen in die verantwortlichen Positionen kommen, die bereit sind das geschehene Unrecht anzuerkennen und Wiedergutmachung in Gang zu bringen.
Einer derjenigen, denen nichtverheiratete Väter und ihre Kinder in Deutschland schwerste Schuldvorwürfe machen können, ist stellvertretend für eine insgesamt der Ausgrenzung von Vätern zuarbeitenden Profession, Professor Dr. Reinhart Lempp, geboren am 21.Oktober 1923 in Esslingen, Wehrdienst in nationalssozialistischen Deutschland, ehemaliger Medizinprofessor und Mitarbeiter am sogenannten Tübinger (Gutachten)Institut für Kinder- und Jugendpsychiatrie, der sich bis in die achtziger Jahre hinein an nicht unmaßgeblicher Stelle für die rechtliche Ausgrenzung nichtverheirateter Väter und ihrer Kinder eingesetzt hat und der noch bis heute schamlos von einigen offenbar unverbesserlichen Gutachtern in ihren Literaturverzeichnissen geführt und damit auch geehrt wird.
Noch im Jahr 1989 legte Lempp seine ausgrenzenden Auffassungen in einem Aufsatz unter dem Titel "Zur Umgangsbefugnis des nichtehelichen Vaters" dar, wozu ihm auch noch die als renommiert und seriös geltende "Zeitschrift für das gesamte Familienrecht" eine Publikationsmöglichkeit verschaffte.
Lempp, Reinhart: "Zur Umgangsbefugnis des nichtehelichen Vaters"; In: "Zeitschrift für das gesamte Familienrecht", 1989, Heft 1, S. 16-17
Schon der von Lempp gewählte Begriff "Umgangsbefugnis" lässt erahnen, wessen Geistes Kind er ist. Ungeachtet seiner Verantwortung für die Diskriminierung von Vätern und ihren Kindern wird Lempp von seinen Schülern, so z.B. dem an der Psychosomatischen Universitätsklinik Heidelberg, Abteilung Medizinische Psychologie, tätigen Professor Jochen Schweitzer, der eigenartigerweise auch noch als führender systemischer Familientherapeut gilt - man könnte fast an dem humanistischen Ansatz der systemischen Familientherapie zweifeln - verehrt. Man fragt sich, wie wenig Schüler von ihrem eigenen Doktorvater wissen müssen oder wenn sie es wissen, wie wenig Achtung sie vor Vätern und deren Kindern haben.
ausführlich zum Thema Schuld hier
Es geht auch anders
Nah ist
Und schwer zu fassen der Gott.
Wo aber Gefahr ist, wächst
Das Rettende auch.
Hölderlin
Für die erstmalige Regelung des Umgangsrechts und der Umgangspflicht des nichtehelichen Vaters mit seinem Kind bedarf es grundsätzlich keiner Beiordnung eines Rechtsanwalts, wenn nicht im konkreten Fall besondere Schwierigkeiten aufgetreten sind. Prozesskostenhilfe ist daher nicht zu bewilligen.
urteilt das OLG Köln in seinem Beschluss vom 10.09.2003 - 14 WF 143/03, veröffentlicht in "FamRZ", 2004, Heft 4, S. 289-90
Prozesskostenhilfe ist dann zu verweigern, wenn die Eltern es bisher unterlassen haben, eine gemeinsame Elternberatung oder Mediation wahrzunehmen
Amtsgericht Bochum, Beschluss vom 20.12.2002 - 59 F 335/03, In: "FamRZ", 2003, Heft 11:
Entsprechend § 121 Abs. 2 ZPO ist in Kindschaftssachen im Allgemeinen keine Beiordnung eines Rechtsanwaltes von Nöten.
OLG Oldenburg, Beschluss vom 20.8.2001 - 12 WF 126/01 und 127/01, veröffentlicht in: "Das Jugendamt", 3/2002
Keine Prozesskostenhilfe wegen "mutwilliger" Einleitung eines Umgangsverfahrens ohne vorherige Kontaktierung des Jugendamtes
Oberlandesgericht Brandenburg, Beschluss vom 25.02.2003 - 9 WF 23/03, veröffentlicht in: "Das Jugendamt", 7/2003
Dem kann man nur zustimmen. Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum die Steuerzahler den über Rechtsanwälte ausgetragenen Elternstreit finanzieren sollen, ohne dass erhebliche Gründe vorliegen, die im Einzelfall die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sinnvoll erscheinen ließen. Viele Rechtsanwälte dürften mit solchen Beschlüssen ihre Probleme haben, den ein Gutteil ihrer Kanzleieinnahmen ist oft staatlich finanziert.
Dass der Wandel im Gange ist, darauf deuten viele Anzeichen hin, wenngleich es verfehlt wäre, nun zu denken, alles gute würde im Selbstlauf passieren, zu groß scheinen die Verlockungen zu sein, es beim alten Selektionsmodell zu belassen. So z.B. die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht vom 1.3.2004 - 1 BvR 738/01 - www.bundesverfassungsgericht.de
Oder die Erfahrungen im Bereich des Amtsgericht Cochem www.ak-cochem.de, die zeigen, dass keinem Elternteil das Sorgerecht nach §1671 entzogen werden muss, wenn die beteiligten Fachprofessionen Familiengericht, Jugendamt, Familienberatungsstelle und Rechtsanwälte es ernst mit der schönen und anderswo nur als Lippenbekenntnis gemeinten Programmatik halten: Eltern bleiben Eltern, trotz Trennung und Scheidung.
Bei den im Bundestag vertretenen Parteien ist es momentan die ansonsten eher konservativ orientierte CDU und CSU, die diesen Gedanken aufgreifen ("Kampf ums Kind - es geht auch anders" - Der Cochemer Weg - Arbeitskreis Trennung und Scheidung zeigt neue Wege auf - Fachgespräch der CDU-Landtagsfraktion NRW am 5.11.2004, Einführung in das Thema: Michaela Noll, Mitglied des Deutschen Bundestages, CDU/CSU Fraktion, während die anderen im Bundestag vertretenen Parteien sich öffentlich weiterhin zum Selektionsmodell bekennen, bei der ein Elternteil sorgerechtlich ausgegrenzt wird, sobald die Eltern miteinander in stärkere Konflikte verstrickt sind.
Der Cochemer Weg zeigt, dass Professionelle sich erfolgreich dafür engagieren können, Eltern dabei zu unterstützen verlorengegangene Kompetenzen wieder zu erlangen oder zu erlernen, anstatt sich an Elternausgrenzungen zu beteiligen oder sie sogar selbst zu initiieren und voranzutreiben, so wie es bedauerlicherweise ein Teil der professionellen Fachszene noch immer tut. Die Praxis der Elternselektion ist der für die Fachkräfte einfachere Weg, es bedarf dafür nur entsprechender gerichtlicher Beschlüsse, Sorgerechtsentzug nach §1671 BGB und Ausschluss des Umgangs nach §1684 BGB. Ethisch vertretbares Handeln wählt dagegen den schwierigeren Weg, Eltern zu fördern und zu fordern, damit sie ihren Kind gute Eltern sein können.
Das Beispiel aus dem Gerichtsbezirk Cochem (Cochemer Weg) zeigt, dass es mit einer anderen Haltung gegenüber Trennungsfamilien und mit einer guten Zusammenarbeit der beteiligten Fachprofessionen möglich ist, ohne gerichtliche Aberkennung des Sorgerechts nach 1671 BGB auszukommen. Was in Cochem möglich ist, sollte auch woanders machbar sein. Schließlich ist es auch eine Aufforderung an den Gesetzgeber zur ersatzlosen Streichung von §1671 BGB.
Stellvertretend für den humanistisch-lösungsorientierten Teil der Fachszene findet man bei Alberstötter (2004):
"... Aus diesen Zahlen lässt sich unschwer folgern, dass in den Fällen, in denen um das Sorgerecht gestritten, bzw. erbittert gekämpft wird, auch nach einer Sorgerechtsentscheidung Auseinandersetzungen um den tatsächlichen Umgang wahrscheinlich sind. Man kann davon ausgehen, dass eine Sorgerechtsentscheidung nicht notwendigerweise zu einer Beruhigung der Situation führt. Es kann im Gegenteil passieren, dass im Verlauf der zum Teil über Jahre geführten Auseinandersetzungen eine Chronifizierung des Konfliktes stattfindet. Die betreffenden Eltern haben dann aufgrund der Enttäuschungen über die Beziehung und infolge der Verletzungen in den (juristischen Folgekämpfen große Schwierigkeiten bei der Realisierung des Umgangsrechtes. Der `verewigte Konflikt` überschattet dann den tatsächlichen Umgang." S.90
Alberstötter, Ulrich: "Hocheskalierte Elternkonflikte - professionelles Handeln zwischen Hilfe und Kontrolle"; In: "Kind-Prax", 03/2004, S. 90-99
Der §1666 BGB (Kindeswohlgefährdung) ist rechtlich völlig ausreichend, den notwendigen rechtlichen Schutz des Kindes vor gefährdenden Eltern zu sichern. Der Schutz der Eltern untereinander ist durch Familienberatung, Familientherapie oder das Strafrecht zu sichern. Das Argument, der §1671 BGB wäre deshalb notwendig, weil Eltern die nicht mehr konstruktiv miteinander kommunizieren können oder wollen, einem Elternteil das Sorgerecht auf diesem Weg entzogen werden muss, damit der dann alleinsorgeberechtigte Elternteil die notwendigen Entscheidungen für das Kind treffen kann, scheint auf den ersten Blick stimmig zu sein. Tatsächlich ist es aber so: Ist die Kommunikation der Eltern so nachhaltig gestört und gelingt es nicht diese Störungen zu beheben, so ist das Kindeswohl immer gefährdet. Ist aber das Kindeswohl gefährdet, greift §1666 BGB. Es bleibt daher zu hoffen, dass §1671 BGB baldmöglichst ersatzlos gestrichen wird.
Dass es auch anders geht, ist nicht erst seit heute bekannt. Familienberatung auch im gerichtlichen Zwangskontext, Mediation, Begleiteter Umgang, Familientherapie und Umgangspflegschaften, um nur einiges zu nennen, bewirken mehr als staatliche Zuschüsse zum Rechtsstreit und Elternkrieg oder gutgemeinte, schlechte und manchmal auch üble Vorträge von Rechtsanwälten sowie Erbsenzählereien traditioneller Gutachter. Die familiengerichtliche Praxis tut sich noch schwer mit dem erforderlichen Wandel, doch es besteht auch Hoffnung. Wenn man sich ansieht, wie lange es in Deutschland gedauert hat, überlebende Zwangsarbeiter aus der Zeit des Nationalsozialismus zu entschädigen, währenddessen die überlebenden NS-Täter im Westen Deutschlands jahrzehntelang hohe Staatspensionen für ihr mörderisches Tun erhielten, so relativiert sich die Forderung nach einem schnellen Wandel selektionsorientierter Familiengerichtsbarkeit hin zu einer am Menschen orientierten Gerichtspraxis, die sich als Dienstungsunternehmen für Menschen in schwierigen Lebenslagen begreift.
Trotz erheblicher Kommunikationsdefizite kommt die Übertragung des alleinigen elterlichen Sorge auf den betreuenden Elternteil nicht in Betracht, wenn nicht vorher das Angebot einer Erziehungs- und Familienberatungsstelle in Anspruch genommen wurde.
Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg, Beschluss vom 2.8.2002 - 139 F 16885/01, veröffentlicht in "Das Jugendamt" 9/2002, S. 417-418
Rückübertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Eltern nach Inanspruchnahme von Familientherapie
Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg, Beschluss vom 5.6.2003 - 159 F 11853/01, veröffentlicht in "FamRZ" 2004, Heft 2, S. 134
Doch so geht es leider auch
Anlässlich des beabsichtigten Auszugs der Mutter aus dem gemeinsamen Haushalt beantragen Vater und Mutter am 4.7. bzw. 11.07. 03 das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht. Mit Beschluss vom 21.07.03 überträgt das Amtsgericht Kusel der Mutter vorläufig das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht und begründet dies mit der Begründung, "dass die persönliche Kontinuität, d.h. der Erhalt der Hauptbezugsperson, höher zu gewichten sei als die räumliche Kontinuität." (S. 8). Dies muss verwundern, woher nimmt das Gericht seine Gewissheit, dass die Mutter die Hauptbezugsperson wäre, mit der das Gericht präjudizierend der Mutter Gelegenheit gibt, mit dem Kind den bisherigen gemeinsamen Haushalt zu verlassen?
Erst drei Monate später ergeht durch das Amtsgericht ein Auftrag zur Erstellung eines Gutachtens. Ende Januar 2004 liegt dieses dann vor, inzwischen lebt die Tochter auf Grund der vorläufigen Anordnung der zuständigen Richterin schon seit sechs Monaten im Haushalt der Mutter. Dass diese sechs Monate auf die Entwicklung der Vater-Kind, bzw. Mutter-Kind-Beziehung und der Beziehung der Eltern zueinander nicht ohne erhebliche Auswirkungen geblieben ist, dürfte auf der Hand liegen (vgl. Heilmann 1998).
Innerhalb des systemischen Ansatzes gibt es verschiedene interessante Arbeits-, Methoden- und Verständnisansätze, die auch für eine prozess- und systemisch-lösungsorientierte Arbeit im Familienrecht nutzbar gemacht werden können.
So z.B.
Struktureller Ansatz
Konflikt als Chance
Salvatore Minuchin
Struktur: Hierarchie, Grenzen und Autorität
Literatur: Minuchin, S., Fishmann, C. (1983): Praxis der strukturellen Familientherapie
Mehrgenerationaler Ansatz
Die Balance von Geben und Nehmen
Ivan Boszormenyi-Nagy
Literatur: Boszormeny-Nagy, I.; Spark, G.M. (1981). Unsichtbare Bindungen. Die Dynamik familiärer Systeme
Erfahrungs- und wachstumsorientierter Ansatz
Heilung durch Begegnung
Virginia Satir
Selbstwert und Kommunikation
Carl Whitaker
Die symbolisch erfahrungsorientierte Perspektive
Whitaker, C. A.; Napier, A.Y. (1998). Die Bergers. Beispiel einer erfolgreichen Familientherapie
Strategischer Ansatz
Die Lösung ist das Problem
Paul Watzlawick, Jay Haley
Zirkulärer Ansatz
Symptome als Fähigkeiten
Mailänder Team, Selvini-Pallazzoli, M., Heidelberger Gruppe
Selvini-Pallazzoli, M. (1981). Paradoxon und Gegenparadoxon
Narrativer Ansatz
Nichts ist wahr ohne sein Gegenteil
Michael White, Harry Goolishian
Lösungs- und ressourcenorientierter Ansatz
Vom Problem zur Lösung
Milton H. Erickson, Steve des Shazer
Phänomenologischer Ansatz
Versöhnung durch Würdigung
Bert Hellinger; Gunthardt Weber
Es erstaunt wie unberührt von solchen systemischen Ansätzen an einigen Familiengerichten offenbar geurteilt wird.
Das Oberlandesgericht Naumburg, dessen Rechtssprechung im Fall Görgülü in recht unrühmlicher Weise Gegenstand von Erörterungen und Urteilen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte war:
In ungewöhnlich scharfer Form wurde der 14. Senat des OLG Naumburg (Anmerkung: RiOLG Deppe-Hilgenberg, RiOLG Kawa, RiOLG Materlik) von den Karlsruher Richtern am Bundesverfassungsgericht gerügt:
„Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt unter anderem dann vor, wenn sich eine Entscheidung bei der Auslegung und Anwendung einer Zuständigkeitsnorm so weit von dem sie beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen, also willkürlich ist. Diese Voraussetzungen dürften hier erfüllt sein. Der bisherige objektive Verfahrensablauf legt die Vermutung nahe, dass sich das OLG bei seiner Entscheidung von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen ...“
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Dezember 2004 - 1 BvR 2790/04 -
Außerdem rügten die Verfassungshüter, dass das OLG Naumburg zum wiederholten Male nicht die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrecht aus Strasbourg beachtet habe.
urteilt in einem anderen Verfahren, in dem die Mutter des Jungen X beantragt hatte, die notwendige Einwilligung des getrennt lebenden Vaters in die von der Mutter und ihrem neuen Partner gewünschte Namensänderung des Jungen auf den Namen des neuen Partners der Mutter gerichtlich ersetzen zu lassen. Das OLG folgte dem Antrag der Mutter und führte zur Begründung an:
"... Der mittlerweile 12 Jahre alte Junge und die Kindesmutter haben als verständliches Motiv für die gewünschte Namensänderung das gute Verhältnis des Kindes zu seinem Stiefvater und die über einen einheitlichen Namen auch äußerlich eindeutig dokumentierte Zugehörigkeit des Kindes zur neuen Familie genannt. Darüber hinaus hat T., in seinen Worten, sinngemäß plausibel dargelegt, dass die Beziehung zu seinem Vater einen irreparablen Schaden dadurch erlitten habe, dass dieser, wie sich herausstellte, völlig unmotiviert, aber für das Kind emotional hochgradig verletzend, die Vaterschaft für den Jungen klageweise in Abrede gestellt hat. Nimmt man nun hinzu, dass der Junge in der Vergangenheit lange Zeit in begründeter Angst vor dem Vater gelebt und sich regelmäßig unter dem Tisch versteckt hat, nachdem dieser ende 1997 die Mutter mit einem Messer attackiert und ihn, darob laut schreiend, grob geschlagen hatte - ein traumatisches Erlebnis, das psychisch zu verkraften dem Jungen bis heute nicht gelungen zu sein scheint -, lässt es dem Wohl des Kindes nachgerade zwingend geboten erscheinen, mit der Aufgabe des bisherigen Namens die damit jederzeit wieder präsent werdende düstere Erinnerung an den Vater tunlichst zu löschen und mit der Annahme des neuen Ehenamens seiner Mutter und des ihm wohlvertrauten Stiefvaters nicht nur verständlicherweise seine Integration in den neuen harmonischen Familienverband, nach außen hin deutlich zu machen, sondern auch und vor allem sein anderenfalls auf Dauer wenigstens latent bedrohtes psychisches Gleichgewicht zu bewahren oder wiederzuerlangen."
OLG Naumburg, Beschluss vom 19.07.2004 - 14 WF 38/04 (AG Wernigerode - 2 F 64/02), veröffentlicht in "OLG-Report. Brandenburg, Dresden, Jena, Naumburg, Rostock, 5/2005, s. 96-97)
In dem vorstehenden Urteil finden wir eine Reihe wohl naiv laienpsychologischer, von Wunschdenken geprägter oder auf dem "gesunden Menschenverstand" beruhender Ansichten darüber, was denn richtig sein, in juristische Form gegossen, die an der fachlichen Kompetenz der urteilenden Richter einigen Zweifel aufkommen lassen.
1. "Gesunder Menschenverstand"
Das vorstehende Urteil scheint nach unserer Ansicht ein klassisches Beispiel für den sogenannten "gesunden Menschenverstand" zu sein. Der "gesunde Menschenverstand", bei den Nationalsozialisten nannte man diesen noch "gesundes Volksempfinden", ist das, was der einfache Mann oder die einfache Frau, von der Straße für gewöhnlich denken. Auf der Titelseite der BILD-Zeitung bekommen wir häufig Beispiele dieses gesunden Menschenverstandes offeriert. In dem vorliegenden Fall sagt der gesunde Menschenverstand wahrscheinlich, dass der Vater ein übler Verbrecher ist, der hinter Gitter gehört. Er hat sein Recht verwirkt Vater zu sein oder seinem Sohn seinen Namen zu geben.
So ähnlich sahen das möglicherweise auch die Richter, nur das sie den Vater nicht einsperren lassen, das ginge im Familienrecht auch nicht, sondern dass sie das Namensband zwischen Vater und Sohn juristisch zerschneiden.
Das ganze wirkt auch noch unlogisch, denn die Richter führen als Grund für diese Zerschneidung auch noch an:
"dass die Beziehung zu seinem Vater einen irreparablen Schaden dadurch erlitten habe, dass dieser, wie sich herausstellte, völlig unmotiviert, aber für das Kind emotional hochgradig verletzend, die Vaterschaft für den Jungen klageweise in Abrede gestellt hat."
Das heißt, der Sohn hat es offenbar als schwere Kränkung seitens seines Vaters erlebt, dass dieser - nahe liegt in solchen Fällen eine narzisstische Kränkung des Vaters - seine Vaterschaft zur Disposition stellen wollte. Wäre der Sohn nur das, was die Richter noch zur Begründung für den Namensentzug anführen, nämlich vom Vater traumatisiert und daher nur noch wünschend, diesen Vater zu vergessen und loszuwerden, dann wäre es völlig unverständlich, warum der Sohn die Vaterschaftsanzweiflung durch den Vater als kränkend erlebt haben soll. Im Gegenteil, der Sohn müsste in einem solchen Fall sich gerade zu darüber gefreut haben, dass er auf diese Weise den ungeliebten Vater juristisch gesehen für immer hätte loswerden können.
Die urteilenden Richter haben ihrem "gesunden Menschenverstand" wohl auch vollständig für ausreichend betrachtet, denn in dem Beschluss findet sich an keiner Stelle ein Hinweis, dass sie einen psychologischen Gutachter, den man ja in der Regel mehr psychologische Kompetenz als einem Richter zutraut - auch wenn dies oft leider nicht auch tatsächlich der Fall ist - mit einer Klärung einer solch schwierigen Frage betraut hätten.
2. Wunschdenken I
Ein Traum heilt, wenn man nur alles auslöscht, was an das Trauma erinnern könnte.
Wenn dem so wäre, hätte man nach dem 2. Weltkrieg den Flugverkehr der Alliierten von Westdeutschland nach Westberlin unterbinden müssen, da sich die Berliner Bevölkerung an die alliierten Bombenangriffe auf Berlin erinnert fühlen musste. Das Trauma heilt jedoch nicht durch Verdrängung, dies führt bestenfalls zur Neurose, eine Volkskrankheit unserer Tage, sondern durch einen Prozess aktiver Auseinandersetzung und Neuintegration der traumatisierenden Erlebnisse.
Bekanntermaßen versuchen neue Machthaber oft die Symbole der alten Macht zu liquidieren und erhoffen sich damit einen Neubeginn. Dies kann, wenn die alten Symbole für Angst und Schrecken stehen, so z.B. die Symbole der Nazidiktatur, sinnvoll sein, um zu zeigen, dass die Macht gebrochen ist. Dies ersetzt aber nicht die notwendige Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte, die im westlichen Nachkriegsdeutschland jahrzehntelang mehr oder weniger gescheut wurde und in der ein Teil der nationalsozialistischen Eliten nahtlos Aufnahme im Staatsapparat des Wirtschaftswunderlandes Bundesrepublik Deutschland fanden. In der DDR ließ Walter Ulbricht das Berliner Stadtschloss als Symbol der verhassten Hohenzollern sprengen, eine Tat für die man ihn im Westen mit Recht als Kulturbarbaren brandmarkte.
3. Wunschdenken II.
Der Sohn wäre jetzt in "den neuen harmonischen Familienverband" integriert, so die urteilenden Richter. Hier ist sicher der Wunsch der Vater des Gedanken, vielleicht auch der Wunsch der Richter, die vielleicht meinen, diese erhoffte harmonische Familie selbst nicht gehabt zu haben. Bekanntermaßen wird heutzutage jede dritte Ehe geschieden. Zu Beginn jeder Ehe oder Partnerschaft kann man in der Regel wohl immer Harmonie beobachten, Bekanntermaßen hält das oft nicht lange, man schaue sich bloß Joschka Fischer und Gerhard Schröder an. Die Harmonie endet bei mindestens jeder dritten Ehe in Disharmonie.
4. Sekundärtraumatisierung durch Ausstoßung eines Familienmitgliedes.
In der Berliner Morgenpost vom 4.4.2005 finden wir einen Aufsatz über Harald Juhnke:
Der Pfiffikus aus dem Weddinger Kiez
Harry Heinz Herbert Juhnke ging schon früh selbstbewußt seinen Weg. Als Jo Herbst ihn ins Theater mitnahm, fand Juhnke die Leidenschaft seines Lebens. Serie, Teil 2
Von Bernd Philipp
Es war nicht in Schöneberg und auch nicht im Monat Mai, sondern in Charlottenburg im Monat Juni, genau: am 10. Juni 1929. Berlin war beflaggt. Die Stadt hatte sich geschmückt. Im Reichstag ertönte die Nationalhymne, die Herren und Damen aus Politik und der Gesellschaft hatten sich feingemacht, um ihn zu begrüßen. Es sollte ein würdiger Empfang werden für - nein, nicht für den neuen Erdenbürger Harry Heinz Herbert Juhnke, der in der Charlottenburger Frauenklinik zur Welt kommt, sondern für den ägyptischen König Fuad, der an diesem Tag Berlin besucht. "Wär ja ooch 'n bisken viel der Ehre für mich jewesen", scherzte Juhnke später, "aber der festliche Rahmen hätte mir schon jefallen..."
...
Vater Herbert ist inzwischen Archivar im Berliner Polizeipräsidium. Die Familie zieht zwei Ecken weiter in die Fordoner Straße, nur einen Steinwurf entfernt von der Panke. Volksschule, Oberschule in der Badstraße. Mit zehn Jahren wird er zwangsläufig Pimpf bei der Hitler-Jugend. In seinen Memoiren "Die Kunst, ein Mensch zu sein" erinnert sich Juhnke: "Für mich wurden Jungvolk und Hitler-Jugend Verwirklichung von Abenteuern mit Kameraden. Am liebsten wäre ich gleichzeitig Trommler und Wimpelträger gewesen. Immerhin wurde ich Anführer, trug eine Affenschaukel, versäumte kein Zeltlager, keine Schnitzeljagd. Und als eines Tages gar Goebbels meine Schule besuchte und mir - neben anderen - die Hand drückte, glaubte ich, ausgezeichnet worden zu sein. Was mich freilich nicht daran hinderte, auf sogenannten Heimabenden der HJ besagten Herrn lautstark und gestenreich zu kopieren. Gelächter und Applaus gefielen mir..."
Eine Zukunft als Bäckerbursche kann sich Harry allerdings nicht vorstellen. Sein Berufswunsch: Jagdflieger, Perspektive: Ritterkreuzträger. Keimende Leidenschaft: Kino. Hans Albers als "Baron Münchhausen" hat es ihm angetan, der charmante Draufgänger, dem die Frauenherzen zufliegen. Auch Viktor de Kowa mit seiner eigenartigen Eleganz.
1944 - Harry ist 15 - meldet er sich als Offiziersbewerber bei der Luftwaffe und erlebt das Kriegsende in Polen. ...
http://morgenpost.berlin1.de/ausgabe/2005/04/04/berlin/745174.html
Was kann uns diese kurze Darstellung sagen? Der Weg zur Täterschaft ist oft nicht weit. Hätte der Krieg noch etwas länger gedauert, hätte Harry Juhnke, sich womöglich noch seinen Traum erfüllen können, als angehender Jagdflieger der Deutschen Luftwaffe für den Abschuss einer bestimmten Anzahl feindlicher Flieger zum Ritterkreuzträger zu werden. Womöglich wäre Juhnke dann selbst abgeschossen worden und hätte eine schwere Zeit als Kriegsgefangener erlebt, vielleicht wäre er auch, so wie viele andere Kriegsgefangene in der Gefangenschaft gestorben. Es kam aber anders.
... erlebt das Kriegsende in Polen. Schlägt sich durch nach Berlin und ist bald wieder da, wo er hingehört: in seinem Weddinger Kiez. Für Leute, die pfiffig sind und organisieren können, beginnt im zerbombten Berlin jetzt eine große Zeit. Für Leute, die pfiffig sind und organisieren können, beginnt im zerbombten Berlin jetzt eine große Zeit. Der Schwarzmarkt blüht. Harry kennt sich aus. Weiß, wer was loswerden will und wer was braucht. Geschlechtskranke Russen zum Beispiel wollen amerikanisches Penicillin, das er bei den Franzosen besorgt...
Der Handel floriert. Bald läuft Harry richtig schnieke rum, und die Eltern staunen und mutmaßen, woher ihr Sohn das Geld haben könnte, um sich so einzukleiden. Ein Nachbar sagt: "Aus dem wird mal was ganz Tolles!"
Das Schicksal hat es gut gemeint. Juhnke ist nicht, wie so viele andere deutsche Männer zum Mörder anderer Menschen geworden, sondern zu einem der beliebtesten und erfolgreichsten Schauspieler und Entertainer im Nachkriegsdeutschland. Den schmalen Grat zwischen Gut und Böse, Zwischen Licht und Dunkelheit, zwischen Engel und Teufel, zwischen Mister Jekyll und Mister Hyde aus der Erzählung "Der seltsame Fall des Doctor Jekyll und des Herrn Hyde" von Robert Louis Stevenson, gilt es zu bedenken, wenn wir über ausgestoßene und geächtete Menschen sprechen. Wir wissen nicht, was die Väter und Großväter, Mütter und Großmütter der am Oberlandesgericht Naumburg urteilenden Richter in der Zeit des Nationalsozialismus getan haben. Waren es Mitläufer, Täter oder Opfer?
Wer von euch noch nie gesündigt hat, der soll den ersten Stein auf sie werfen, sagt Jesus Christus zu den Gesetzeslehrern und Pharisäern (Die Bibel, Johannes 8).
Jesus und die Ehebrecherin
(8) Dann gingen sie alle nach Hause. Jesus aber ging zum Ölberg. Am nächsten Morgen kehrte er sehr früh zum Tempel zurück. Alle Leute dort versammelten sich um ihn. Er setzte sich und begann, zu ihnen zu sprechen. Da führten die Gesetzeslehrer und Pharisäer eine Frau herbei, die beim Ehebruch ertappt worden war. Sie stellen sie so, daß sie von allen gesehen wurde. Dann sagten sie zu Jesus: `Diese Frau wurde ertappt , als sie gerade Ehebruch beging. In unserem Gesetz schreibt Mose vor, daß eine solche Frau gesteinigt werden muss. Was sagst du dazu?`
Mit dieser Frage wollten sie ihn eine Falle stellen, um ihn anklagen zu können. Aber Jesus bückte sich nur und schrieb mit dem Finger auf die Erde. Als sie nicht aufhörten zu fragen, richtete Jesus sich auf und sagte zu ihnen` Wer von euch noch nie gesündigt hat, der soll den ersten Stein auf sie werfen.` Dann bückte er sich wieder und schrieb auf die Erde. Als sie das hörten, zog sich einer nach dem anderen zurück, die Älteren gingen zuerst. Zuletzt war Jesus allein mit der Frau, die immer noch dort stand.
Er richtete sich wieder auf und fragte sie: ´wo sind sie geblieben? Ist keiner mehr da, um dich zu verurteilen?` `Keiner, Herr`, antwortete sie. `Gut sagte Jesus, `ich will dich auch nicht verurteilen. Du kannst gehen; aber tu es nicht wieder!´
Statt einen juristischen Rahmen für einen möglicherweise sehr schwierigen Prozess der Versöhnung zwischen Vater und Sohn, Sohn und Vater, gegebenenfalls begleitet durch professionelle Unterstützung zu setzen, haben die Richter vom OLG Naumburg offenbar den entgegengesetzten Weg gewählt. Vertiefung und Zementierung der Spaltung und des Zerwürfnisses zwischen Vater und Sohn. Die anstehende Aufgabe für Vater und Sohn ist damit sicher ein schlechter Dienst getan, die Aufgabe bleibt erhalten, nur wird sie so vielleicht erst sehr später oder tragischerweise überhaupt nicht mehr gelingen.
Bert Hellinger hat in seiner von ihm phänomenologisch genannten Perspektive die These von einer unbewußten Identifikation mit Personen, die aus dem System ausgeschlossen sind aufgestellt und und auf die unterbrochene Hinbewegung zu Vater und Mutter aufmerksam gemacht. Hellinger sieht einen Teil seines Ansatzes darin, den ausgestoßenen Familienmitglieder wieder einen Platz im Familiensystem zu geben.
Der Hamburger Familientherapeut Otto Felix Hanebutt, stellt die These auf, dass die Tabuisierung von Tätern des Dritten Reiches und die fehlende kritisch-verstehende Auseinandersetzung, die die wünschenswerte Balance von Distanzierung und Identifizierung ermöglichen kann einen Teil der Familienmitglieder in der zweiten und dritten Generation eine Hinwendung zu rechtskonservativen Werten nehmen lässt.
"Die vaterlosen 68er und ihr Erbe"
Otto Felix Hanebutt
ISBN 3-89670-306-4
€ 24,90
Carl Auer-Systeme Verlag
In dem Film
A. I. - Künstliche Intelligenz
In der Regie von Steven Spielberg
USA 2001
geht ein künstlich hergestellter Junge, der über menschliche Gefühle verfügt, auf der Suche nach seiner ihm verloren gegangenen (Pflege)Mutter.
Und der Mediziner und Psychosomatiker Prof. Dr. med Hubert Speidel schreibt:
"In den Studien von Claus Bahne Bahnson über koronare Herzkrankheit und Krebsleiden zeigte sich die Bedeutung früher Eltern-Kind-Beziehungen. Er ... fand, dass überdurchschnittlich viele Väter von Koronarkranken vorzeitig gestorben waren; in den meisten Fällen was das Kind beim Tod des Vaters zwischen fünf und 17 Jahre alt gewesen."
Speidel, Hubert: "Herzschmerz und Leidenschaft", In: "Balint-Journal" (Zeitschrift der Deutschen Balintgesellschaft), 2005, S. 1-9
Man kann vermuten, dass die Idee der Richter vom OLG Naumburg
" ...-, lässt es dem Wohl des Kindes nachgerade zwingend geboten erscheinen, mit der Aufgabe des bisherigen Namens die damit jederzeit wieder präsent werdende düstere Erinnerung an den Vater tunlichst zu löschen und mit der Annahme des neuen Ehenamens seiner Mutter und des ihm wohlvertrauten Stiefvaters nicht nur verständlicherweise seine Integration in den neuen harmonischen Familienverband, nach außen hin deutlich zu machen, sondern auch und vor allem sein anderenfalls auf Dauer wenigstens latent bedrohtes psychisches Gleichgewicht zu bewahren oder wiederzuerlangen."
genau das Gegenteil bewirkt, was von den Richtern, in vielleicht wohlmeinender Absicht bezweckt war. Der Vater dürfte inzwischen wohl, wenn nicht physisch, so doch wenigstens psychisch für den Sohn für lange Zeit oder für immer gestorben sein und die urteilenden Richter dürften diesen "Tod" befestigt haben. Ein funktionierender persönlicher Kontakt zwischen Vater und Sohn scheint bei Kenntnis der üblichen Praxis hier kaum vorstellbar Es wäre sicher interessant diesen Fall in zehn Jahren erneut zu betrachten und sich dann die Frage zu stellen, ob das Hohe Haus in Naumburg seinerzeit nicht doch von allen guten Geistern verlassen war.
Zielgruppe systemisch lösungsorientierter Arbeit im Familienrecht
Jährlich gibt es bundesweit schätzungsweise ca. 5.000 bis 10.000 bei den Gerichten anhängige strittige Sorgerechtsfälle, ca. 30.000 Umgangsrechtsverfahren, davon ca. 5.000 hochstrittige. In ca. 12.000 Fällen, sind Maßnahmen wegen Gefährdung des Kindeswohls (§§1666, 1666a BGB) Gegenstand des familienrechtlichen Verfahrens. Hinzu kommen ca. 500 Fälle, die eine Herausnahme oder Wegnahme des Kindes von den Pflegeeltern (§ 1632 Abs. 4 BGB) zum Inhalt haben (siehe auch "Das Jugendamt" 3/2001 und Balloff 1999). Nicht mitgezählt sind die Fälle, die aus verschiedenen Gründen gar nicht das Familiengericht erreichen, sondern die schon im Vorfeld auf der Strecke bleiben.
In den meisten dieser Fälle ist die Bestellung eines Verfahrensbeistandes (Anwalt des Kindes) als Interessenvertreter des Kindes durch das Familiengericht sinnvoll und notwendig.
In hochstrittigen Umgangsfällen kann, wenn auch ein Begleiteter Umgang im Rahmen der Aufgabe der Jugendhilfe nicht sinnvoll erscheint, die Bestellung eines Umgangspflegers durch das Gericht notwendig werden.
Wer auch immer in hochstrittigen Verfahren eingesetzt wird, Verfahrenspfleger, Umgangspfleger oder ein Gutachter, mit konventionellen Lösungsversuchen, z.B. Statusdiagnostik, kausalem Denken, Täter-Opfer-Schematas und daraus resultierenden einseitigen Schuldzuschreibungen, wird dieser regelmäßig scheitern, das Familiensystem bleibt destabil, eskaliert oder einzelne Mitglieder werden mit beträchtlichen Folgen auf Dauer ausgegrenzt.
Im Vorfeld einer familiengerichtlichen Auseinandersetzung befinden sich die streitenden Eltern in der Regel im Paarkonflikt. Durch die Beauftragung von Rechtsanwältin zur Sicherung vermeintlicher Rechtspositionen und die Anrufung des Familiengerichtes unter Hinzuziehung von Jugendamtsmitarbeitern, Verfahrenspflegern und Gutachtern wird häufig aus dem Paarkonflikt ein Gruppenkonflikt, aus der Paardynamik eine Gruppendynamik. Durch "Übertragung" und "Gegenübertragung" in der alle Beteiligten nach Kräften mitwirken artet das Ganze mitunter in seiner Dynamik in Form einer symbolischen Massenschlägerei aus, wie Anfang Juni 2003 im Berliner Tiergarten real geschehen.
Klappstühle und Fleischspieße als Waffen
Grillfest brutal
Riesen Polizei-Einsatz im Tiergarten
B.Z. 3.6.03
Mitte - Es wurde heiß auf dem Grillplatz, ganz heiß: Erst war es nur ein lapidarer Kinderstreit. Doch dann prügelten sich in einer wilden Massenschlägerei drei Großfamilien auf dem Grillplatz im Tiergarten. Klappstühle flogen, Grillspieße wurden zu Schwertern und es hagelte Faustschläge. Riesen-Einsatz für die Polizei.
Drei Familien, die aus dem Libanon stammen, hatten bis 19 Uhr nahe der John-Foster-Dulles-Allee friedlich nebeneinander gegrillt. Bis ein 6-jähriger Junge weinend zu seinen Eltern rannte: "Mir hat einer mit 'nem Stock ins Gesicht gehauen." Das andere Kind, dessen Identität die Polizei nicht ermitteln konnte, gehörte wohl zum anderen Clan - zwischen den Familien entbrannte eine hitzige Massenschlägerei. Mit Knüppeln, Klappstühlen, Gürteln und Grillspießen bewaffnet gingen 30, 40 Leute aufeinander los. Am Ende hatte der 19-jährige Bruder des geschlagenen Kindes mehrere Wunden am Po - von einem Grillspieß. Einer seiner Gegner, 35, wurde zu Boden gestoßen und brach sich das Bein. Dessen Verwandte, 16 und 21, wiederum prügelten mit Klappstühlen auf eine 42-jährige Frau ein.
Die Polizei rückte mit einem Großaufgebot von 60 Beamten an. Nachdem sich die Gemüter beruhigt hatten, wurden acht Anzeigen wegen Körperverletzung geschrieben. Eine Hundertschaft hielt noch bis gegen 22 Uhr Wache im Park, um etwaige Rachegelüste im Keim ersticken zu können.
Eine ähnliche Situation findet sich auch in der Bildergeschichte von "Vater und Sohn" von E.O. Plauen.
Aus: e.o. plauen "Vater und Sohn" in Gesamtausgabe Erich Ohser © Südverlag GmbH, Konstanz, 2000
Auch im familiengerichtlichen Verfahren laufen häufig subtile "Massenschlägereien" ab. Die Waffen heißen "Schriftsätze", "Antragsteller" und "Antragsgegner", "Beiordnung eines Anwalts wegen des Gebots der Waffengleichheit.". Das ganze unter der Fahne des Kindeswohls. Die Eltern dreschen, verstärkt durch ihre häufig aus Steuermitteln finanzierten Anwälte aufeinander ein, es wird denunziert, gelogen und verleumdet, dass sich die Balken biegen. Richter, Jugendamtsmitarbeiter, Verfahrenspfleger und Gutachter kommen dazu und wenn sie unreflektiert sind, geschieht es zum Schluss wie bei der Schlägerei im Tiergarten, alle dreschen aufeinander ein und keiner weiß eigentlich mehr worum es am Anfang mal ging.
Dies sind die Fälle, die als angeblich unlösbar gelten und deren Aktendicke nach Metern misst. Lösungsversuche wurden inzwischen aufgegeben. Resigniert, achselzuckend oder zynisch werden nur noch die Akten verwaltet.
Vom Problem zur Lösung
Im traditionellen familiengerichtlichen Verständnis liegt die Definitionsmacht dafür "was das Problem ist", in erster Linie beim Familienrichter, in zweiter Linie bei den anderen professionellen Fachkräften wie Verfahrenspfleger, Gutachter, Jugendamtsmitarbeiter. Weiter tiefer in der Hierarchie der Definitionsmacht stehen die Rechtsanwälte und ganz unten befinden sich die, um die es eigentlich geht, die Eltern und das Kind. Traditionelle familiengerichtliche Arbeit führt zwangsläufig bei den Betroffenen zu Gewinnern und Verlierern. Früher oder später führen die ungelösten und weiter die Gerichte beschäftigenden Fälle, bei den befassten Familienrichtern, Verfahrenspflegern, Gutachtern und Jugendamtsmitarbeitern zu verstecken und offenen Ärger, narzisstischer Kränkung ("wieso ist dieser Vater, diese Mutter so widerborstig, obwohl ich mir so viel Mühe gemacht habe"). Resignation, Zynismus, Arroganz machen sich breit. Mit der Folge, dass der Konflikt von da an nur noch recht und schlecht verwaltet oder konserviert wird, die Akten werden dicker und dicker, so dass bald gar keiner mehr hineinsehen will. Eventuell wird vom Richter der Umgang zeitlich befristet oder auf Dauer ausgeschlossen oder einem Elternteil das Sorgerecht entzogen, was häufig eine Kapitulation des Richters (und der anderen Professionellen), vor der ihm unlösbar erscheinenden Aufgabe öffentlich bekannt gibt. Damit dies möglichst nicht eintritt, müssen die Fachkräfte mit ihren eigenen Begrenzungen, Projektionen, Allmachtsphantasien, mit den Phänomen von Übertragung und Gegenübertragung verantwortungsvoll und selbstreflektiv umgehen. Dazu können sie gegebenenfalls Supervision, kollegiale Fallbesprechung oder Balint-Arbeit nutzen.
Systemisches Denken und Handeln heißt Verlagerung des Blickes vom Problem auf die Lösung. Häufig besteht ein Teil des Problems, dass die Konfliktbeteiligten auf das Problem starren wie das Kaninchen auf die Schlange. Aus einer Fixierung auf das Problem erwächst aber keine Lösung. Allerdings kann die Fixierung auf ein Problem auch ein Versuch zur Lösung eines Problems sein. Dies kann man zum Beispiel in hochstrittigen, schon über Jahre bei Familiengerichten anhängigen Familienkonflikten beobachten, wo die Aufrechterhaltung des Konfliktes von beiden Elternteilen oder auch nur von einem dazu genutzt wird, mit dem anderen Elternteil nicht wirklich in Kontakt kommen zu müssen, auch nicht mit Unterstützung einer professionellen Beratung. Zu viel Angst schwingt bei einem oder beiden Elternteilen mit, dass noch so vieles anderes zur Sprache kommen könnte, als das, was jeder von ihnen als das Problem (z.B. "der Vater ist unzuverlässig", "die Mutter vereitelt den Umgang") definiert.
Geht es um Kontaktvermeidung zwischen den Parteien (z.B. Mutter und Vater), so können die vielfältigen Bemühungen von Mediatoren, Familienrichtern, Gutachtern und Rechtsanwälten um Konfliktbeilegung gar keinen Erfolg haben, so lange sie nicht sehen und beachten, dass es vorrangig um ganz andere Dinge als um den Umgang oder den Kindesunterhalt geht. Rechtsanwälten und Kinderpsychiatern mag es möglicherweise recht sein, wenn der Konflikt nicht gelöst wird, denn so ist, auf Kosten der Betroffenen, auf Jahre hinaus wenigstens ihr Lebensunterhalt gesichert.
Systemisch-lösungsorientierte Arbeit beteiligt sich nicht am Elternkrieg durch einseitige Parteinahme. Statt dessen werden geeignete konfliktlösende Interventionen entwickelt und vorgenommen und Hilfen zur Förderung der elterlichen Kompetenz angeboten. Staatliche Eingriffe in die Pflicht und das Recht der Eltern, Verantwortung für ihre Kinder wahrzunehmen und persönlichen Kontakt mit ihnen zu pflegen, sind nur als Ultima Ratio zu verstehen und auf das Notwendigste zu begrenzen.
Der systemische Ansatz im familienrechtlichen Verfahren besteht nicht darin, einen besseren und einen schlechteren Elternteil zu suchen oder zu bestimmen, sondern soweit als möglich das Funktionieren des Familiensystems zu verstehen, positive Funktionen und Ressourcen des bestehenden Familiensystems zu erkennen, zu stabilisieren und zu stärken und konstruktive Veränderungen des Systems dort zu unterstützen, wo das alte System an seine Grenzen angelangt ist. Eine solche ressourcen- und lösungsorientierte Sicht schließt ein, dass ein Sorgerechtsentzug für einen Elternteil nur als ultima ratio verstanden werden kann. Ein Sorgerechtsentzug ist von daher nur zulässig, wenn dadurch größeres Übel vermieden werden kann. Dies ist bei Anträgen nach §1671 BGB in der Regel nie der Fall. Daher ist ein Sorgerechtsentzug nach diesem Paragrafen in der Regel auch nie eine Lösung, im Gegenteil durch die Einteilung in Gewinner (Sorgerechtsinhaber) und Verlierer (sogenannter Nichtsorgberechtigter, was übrigens nach dem Grundgesetz eigentlich gar nicht möglich sein kann) verliert das Kind seine bisher gleichwertigen Eltern und erlebt diese zukünftig als mächtigen und ohnmächtigen Elternteil. Auch die Verhandlungsbasis der Eltern wird durch einen Sorgerechtsentzug zerstört. Gewinner brauchen nicht mehr verhandeln, Verlierer haben nichts mehr zu verhandeln.
Ein Sorgerechtsentzug mag daher ausschließlich nach § 1666 a sinnvoll erscheinen. Gleichzeitig ist ein solcher Sorgerechtsentzug nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur so lange wie nötig aufrecht zu erhalten. Haben sich die Bedingungen innerhalb des Familiensystems oder der betreffenden Eltern verbessert oder stabilisiert, so ist der Sorgerechtsentzug aufzuheben und betreffenden Person wieder in das volle elterliche Recht und Verantwortung zu setzen.
Systemisch lösungsorientierte Arbeit im Familienrecht, gibt einen Teil der Definitions- und Gestaltungsmacht wieder an die Betroffenen zurück, in dem es sie auffordert und dabei unterstützt, in die Konfliktlösung zu gehen. Denn letztlich wissen nur die Betroffenen die Lösung. Durch Ermächtigung und in Kontaktbringen der Betroffenen wandelt sich Ohnmacht, Erstarrung, Aktionismus und Statistenstatus zu Eigenverantwortung, Gestaltungskraft und Lebendigkeit. Eine solche Sicht schließt ein, dass Rechtsanwälte keine wesentliche Funktion bei der Lösung von Familienkonflikten besitzen, da ihre Rolle kontradiktorisch ist und sie in der Regel keine Ausbildung in konfliktlösenden Verfahren (z.B. Mediation) besitzen. Sie sind daher in der Regel keine Garanten des Kindes- und Elternwohls. Dies trifft auch auf Fachanwälte im Familienrecht zu, da auch auf den von ihnen besuchten Ausbildungslehrgängen eine entsprechende Kompetenzvermittlung nicht stattfindet. Die Arbeit von Anwälten hat daher lediglich dort Sinn, wo es um die Feststellung und Durchsetzung materieller Dingen, wie Unterhalt, Zugewinnausgleich, Scheidungsfolgevereinbarungen, Versorgungsausgleich und die Abwicklung des staatlicherseits vorgesehenen Scheidungsverfahrens geht. Alles andere ist im wesentlichen elterliche Beauftragung eines Anwalts zur Kriegsführung und Abgabe und Delegation der eigenen elterlicher Verantwortung auf den Anwalt.
Aufgabe der Fachkräfte ist es, den Rahmen zu setzen, in dem sich eine Konfliktlösung ereignen und entwickeln kann. Beispielhaft hierzu der Beschluss des Oberlandesgerichtes Stuttgart vom 26.07.2000 - 17 UF 99/00 zur Anordnung von Familientherapie durch die Beteiligten.
Es stellt einen Irrtum dar, wenn behauptet wird, das Gericht könne Eltern nicht zur Teilnahme an einer Familientherapie verpflichten. Das Gegenteil ist der Fall. Nach §1666 BGB (Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls) ist das Gericht sogar verpflichtet, die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Befinden sich Eltern miteinander im erbitterten Krieg ist das Kindeswohl immer gefährdet, sei es durch den massiven Konflikt, den das Kind miterleben muss, sei es durch den drohenden oder eingetretenen Verlust eines Elternteils.
In der Fachdebatte um das Gewaltschutzgesetz gilt es inzwischen als allgemein anerkannt, dass das Kindeswohl gefährdet ist, wenn es Gewalt der Eltern untereinander miterleben muss. Bei massiven und chronifizierten Umgangskonflikten tut man in Teilen der Fachwelt noch immer so, als ob hier eine Kindeswohlgefährdung nicht anzunehmen wäre und lediglich ein Sorgerechtsentzug nach §1671 das letzte Mittel der Wahl sein würde, mit der Folge, dass dann in vielen Fällen der Kontakt des Kindes zum "nichtsorgeberechtigten" Elternteil entgültig abbricht. Die Fachwelt hat sich in all den vergangenen Jahrzehnten so an diese jährlich in die Tausende gehenden Kontaktabbrüche gewöhnt, dass es fast den Anschein hat, dass es ein Teil der Helferszene als Verlust empfinden würde, wenn es gelänge, die Zahl der entgültigen Kontaktabbrüche auf einige Hundert pro Jahr zu senken. Erfolglosigkeit als Programm, scheint eigenartigerweise manchen Professionellen als heimliche Leitidee zu begleiten.
Beraterische oder (familien)therapeutische Interventionen oder auch Begleiteter Umgang, nicht aber obligatorischer und auf Dauer angelegter Sorgerechtsentzug gehören immer zu den ersten Mitteln der Wahl, wenn es gilt, bestehende Kindeswohlgefährdung bei Umgangsrechts- und Sorgerechtskonflikten zwischen verfeindeten Eltern abzuwenden (vgl. §1666 BGB).
§ 1666 BGB (Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls)
(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen durch mißbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten eines Dritten gefährdet, so hat das Familiengericht, wenn die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
(2)... (3)... (4)...
Erfolgt keine angemessene fachliche Intervention kann das als unterlassene Hilfeleistung nach §323 Strafgesetzbuch gewertet werden.
§ 323c Unterlassene Hilfeleistung.
Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
Konfliktbewältigung und Problemlösung im Familienrecht
Ähnlich wie bei vergeblichen Lösungsversuchen des Neun-Punkte-Problems ist es in vielen familienrechtlichen Konflikten. Die Wahrnehmung der Konfliktparteien (Mutter und Vater) ist häufig auf bestimmte, ihnen vertraute oder erwünschte Muster beschränkt. Daher sehen sie die Lösung nicht oder wollen sie nicht sehen, obwohl sie für einen außenstehenden Unbeteiligten scheinbar auf der Hand liegt.
Dass die Konfliktlösung in hochstrittigen Fällen so schwer fällt hat verschiedene Ursachen, so z.B.:
1. Extreme Polarisierungen zwischen den Beteiligten. Massive Gefühle von Kränkung. Schuldprojektionen, Rache- und Vernichtungswünsche
2. "Psychische" Beeinträchtigung und Störungen von Beteiligten, Störungsbilder die mit Begriffen wie Borderline, Paranoia, Zwänge, Schizophrenie, psychotische Störung, Persönlichkeitsstörungen, Angststörungen chiffriert werden.
3. Parteilichkeit und Befangenheit bei professionell Beteiligten wie z.B. Richter, Gutachter, Verfahrenspfleger, Jugendamtsmitarbeiter
4. Inkompetenz professionell Beteiligter wie z.B. Richter, Gutachter, Verfahrenspfleger, Jugendamtsmitarbeiter
5. Konfliktkonservierende und verschärfende Strukturen und Abläufe innerhalb des familiengerichtlichen Verfahrens (z.B. Verfahrensdauer, fehlerhafte Vorentscheidungen).
Es ist sinnvoll, Konflikte aus einer systemischen Perspektive zu betrachten. Das heißt, es gibt keine simplen Ursache-Wirkung-Kausalitäten, sondern ein komplexes, sich bedingendes System von Interaktionen der Beteiligten, eingebettet in einen übergeordneten Rahmen, wie z.B. Loyalitätsverpflichtungen und Verstrickungen mit der Herkunftsfamilie, soziale, finanzielle, rechtliche und andere Aspekte. Das Kind steht inmitten des Konfliktes, der ursprünglich nicht sein Konflikt ist, sondern der der Eltern, des Vaters und der Mutter. Das Kind ist kein bloßer Spielball im Streit der Erwachsenen, aber es hat auch häufig deutlich eingeschränkte Wahlmöglichkeiten, da es im Interesse seines physischen und psychischen Überlebens auf die Unterstützung wenigstens eines Elternteils angewiesen ist. Das Kind hat aber auch Macht, denn die Eltern und zu oft leider auch professionelle Fachkräfte verleihen ihm die Rolle eines Entscheiders und Zeugens und missbrauchen damit das Kind. Die verliehene Macht kann zu Grandiosität und Allmachtsphantasien des Kindes oder Jugendlichen führen, der tiefe Abgrund liegt unmittelbar daneben.
In der Schilderung hochkonflikthandelnder Eltern geht es angeblich um das Wohl des Kindes, tatsächlich ist dies jedoch meist nicht der Fall, denn sonst würden sich die Eltern um eine Konfliktlösung bemühen. Tatsächlich geht es um die ungelösten Paarkonflikte der Eltern, um Macht und Ohnmacht, Exklusivität und Ausschließlichkeitsansprüche gegenüber dem Kind. Hinter diesen wirklichen Themen verbirgt sich oft ein ungelöster Konflikt mit der eigenen Herkunftsfamilie und hinter der Fassade des besorgten Elternteils versteckt sich ein verletztes, brüchiges und gefährdetes Selbst. Die alten und neuen ungelösten Konflikte binden die Energien der Eltern, die sich daher ihrem Kind gar nicht in der Weise zuwenden können wie sie es vorgeben zu tun oder tun zu wollen.
Bei hochstrittigen familienrechtlichen Konflikten, egal ob dabei vordergründig um das Umgangsrecht oder das Sorgerecht gestritten wird, gibt es meist mehrere häufig eindimensionale Problemdefinitionen der Beteiligten.
So sieht zum Beispiel eine Mutter das Problem darin, dass der Umgang dem Kind schade, weil der Vater unzuverlässig ist und mit dem Kind nicht richtig umgeht. Außerdem mische sich der Vater ständig in ihr Leben ein. Deshalb müsse sie zum Schutz des Kindes und zur Vermeidung von Eskalationen mit möglichen negativen Folgen für das Kind den Umgang einschränken oder reglementieren.
Der Vater trägt vor, die Mutter manipuliere das Kind und vereitele den Umgang, deshalb muss er zum Schutz des Kindes vor der Vereinnahmung durch die Mutter einen Antrag auf Umgangsregelung beim Familiengericht stellen.
Der Professionelle sieht das Problem in der nicht erfolgten Konfliktbearbeitung zwischen den ehemaligen Partnern und in ihrem Unvermögen, Elternebene und Paarebene zu trennen.
Ein Versuch einer Konfliktbewältigung in einem Streit um den Umgang kann z.B. darin bestehen, dass sich die Konfliktparteien (Vater und Mutter) auf ein mehr oder weniger stark begrenztes, mit Auflagen verbundenes Umgangsrecht einlassen. Das kann von jeder Partei auch als das jeweils "kleinere Übel" im Vergleich zum höchstmöglichen Übel empfunden werden. In diesem Rahmen bleibend kann versucht werden, das bleibende Übel möglichst klein zu machen, also zu minimieren. Die Widersprüchlichkeit der Sachlage aber, das Problem als solches, bleibt bestehen, im günstigsten Fall verringert sich die Intensität des Konfliktes. Häufig bleibt es aber bei einer Unterdrückung und damit Konservierung des Konfliktes, der beim geringsten Anlass neu eskalieren kann.
Brecht hat dies so beschrieben:
Verehrtes Publikum, jetzt kein Verdruß;
Wir wissen wohl, das ist kein rechter Schluß.
Vorschwebte uns: die goldene Legende.
Unter der Hand nahm sie ein bitteres Ende.
Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen
Den Vorhang zu und alle Fragen offen.
Bertolt Brecht "Der gute Mensch von Sezuan", Epilog
So wie im Epilog von Brechts Stück "Der gute Mensch von Sezuan" ging und geht es bei vielen familienrechtlich ausgetragenen Konflikten von Eltern und anderen Beteiligten zu. Nicht wenige gerichtliche Verfahren, bei denen der elterliche Krieg tobt, enden wie das sprichwörtliche Hornberger Schiessen. Der Volksmund sagt dazu auch "Außer Spesen nichts gewesen." Auch wenn man sich auf einen Kompromiss geeinigt hat, der Konflikt schwelt weiter, der Groll sitzt offen oder versteckt und wartet auf die erst beste Gelegenheit sich zu äußern.
Der Begründer der Gestalttherapie Frederick Perls beschreibt das so:
"Der Friede der Unterdrückung ..., wenn das Opfer noch existiert und beherrscht werden muß, ist als Friede eine Negation: Die Leiden des Kampfes sind vorbei, aber die Figur des Gewahrseins enthält keine neuen Möglichkeiten, denn nichts ist gelöst worden; Sieger und Besiegter und ihr Verhältnis zueinander beschäftigen weiterhin die Zeitungen. Der Sieger ist auf der Hut, der Besiegte verbittert. In sozialen Kriegen sehen wir, daß ein solcher negativer Friede nicht von Dauer ist; zu vieles ist unerledigt geblieben." (Perls S. 155)
Der unerledigten Konflikte gibt es viele, meistens führen sie in die Verbitterung, Depression und Rachegelüste, in seltenen Fällen in den offenen Gewaltausbruch wie im Fall des Amokläufers von Erfurt Robert Steinhäuser (vgl. "Der Spiegel", 6.6.2002)
Für jedes Problem gibt es eine Lösung
Dies folgt aus der oben angeführten Definition eines Problems. Anfangszustand (1) und gewünschter Endzustand (2) müssten bekannt sein und es existiert eine Barriere, die die Transformation von (1) nach (2) zunächst verhindert. Fehlt eine der drei Komponenten, so handelt sich es nicht um ein Problem. Eventuell um eine Aufgabe oder um reines Wunschdenken, z.B. wenn sich ein Kind seinen verstorbenen Elternteil wieder lebendig wünscht.
In der Regel geht es im hochstrittigen Familienkonflikt, entgegen anderslautender Bekundungen der Konfliktparteien, nicht um das Kindeswohl und das Ob und Wie der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung - denn sonst würden die Streitenden professionelle familienberaterische Unterstützung in Anspruch nehmen - sondern um andere Themen, z.B. einen Machtkampf zwischen den Parteien (Vater und Mutter), um erlittene Kränkungen, den Wunsch nach Vergeltung und um ungeklärte familiäre Verstrickungen. Dies sieht man spätestens dann, wenn einer oder beide Elternteile sich weigern, qualifizierte Beratung in Anspruch zu nehmen oder wenn versucht wird, die Berater als Verbündete im Kampf gegen den anderen Elternteil zu gewinnen, nicht jedoch das Problem zu lösen.
Hellinger erzählt dazu eine kurze und treffende Geschichte, ob diese von ihm selbst stammt oder einen Ursprung hat ist hier nicht bekannt:
"Da war mal einer, der war hungrig und dann durfte er sich an einen reich gedeckten Tisch setzen. Doch er sagte: ´Das kann doch nicht wahr sein!´, und hat weiter gehungert."
Bert Hellinger "Ordnungen der Liebe", S. 56
In hochstrittigen Konflikten geht es den Streitenden nicht um eine Lösung, sondern um Sieg oder Niederlage.
Bei massiven, familienrechtlich ausgetragenen Konflikten der Eltern wird mitunter einer der Kontrahenten, meist der Vater, aus dem System entfernt. Dies geschieht juristisch durch Sorgerechtsentzug und / oder durch Ausschluss des Umgangsrechts. Gelöst wurde damit natürlich gar nichts. Im Gegenteil, die Folge ist mehr als nur ein schwerer Kollateralschaden. Das Kind hat einen Elternteil verloren, ein Elternteil sein Kind. Der Volksmund sagt zu solchen "Lösungen" zutreffend: "Operation gelungen, Patient tot."
Will man den Konflikt tatsächlich lösen, müssen die dahinterstehenden und verdeckten Motive beleuchtet und dafür eine Lösung entwickelt werden. Die Entwicklung einer Lösung braucht ihre Zeit. In einem Fall reicht dafür eine Stunde, in einem anderen Fall braucht es ein Jahr. Wenn dies getan ist, braucht es auch keiner Umgangs- oder Sorgerechtsregelung mehr, weil die Eltern dann in eigener Kompetenz ihre Regelungen zeitnah und situationsangemessen treffen können.
Lösungsorientierte Arbeit gibt sich nicht mit faulen Kompromissen zufrieden, wenn auch leider manchmal nicht mehr zu erreichen ist. Sie nimmt keinen bemerkenswerten Kollateralschaden in Kauf und sucht statt dessen per Umstrukturierung der Sachlage die Aufhebung des bestehenden Problems herbeizuführen, indem das Familiensystem in der Konfrontation, Auseinandersetzung und Lösungsentwicklung auf eine neue Stufe gehoben wird, wobei Vater, Mutter, Kind und andere wesentliche Mitglieder des Systems in einer Neuorganisation ihrer Beziehungen ihren Platz finden.
Mit der Benennung wesentlicher Motive des Konfliktes ist auch schon die Richtung der Lösung des Konfliktes skizziert. Es geht bei einer Lösung nicht in erster Linie darum, eine mehr oder weniger akzeptable Regelung des Umganges oder der Wahrnehmung der elterlichen Sorge zu finden, wenn gleich dies auch wichtige Teilbereiche einer Konfliktlösung sein können, die auch vertrauensbildenden Charakter haben können. Solche begrenzten Lösungsversuche verbleiben auf der Ebene des Kompromisses, was möglicherweise auch akzeptabel sein kann, jedoch keine Lösung darstellt. Die Lösung des Konfliktes besteht darin, dass sich Vater und Mutter in einer Form des gegenseitigen Respekts und der Achtung vor der Rolle des jeweils anderen Elternteils gegenüber dem gemeinsamen Kind und damit zu ihrer elterlichen Kompetenz finden. Von dieser Position aus, lassen sich im Prinzip alle Fragen des Umgangs und der Wahrnehmung der elterlichen Sorge klären.
Bei nicht vorhandener oder verlorengegangener elterlicher Kompetenz besteht das Ziel lösungsorientierter Arbeit darin, diese Kompetenz herzustellen oder wieder herzustellen. Dies ist eine Folgerung, die sich psycho-logisch aus dem objektiven Bedürfnis eines Kindes nach kompetenten Eltern herleitet. Seinen Niederschlag hat dies juristisch im Grundgesetz Artikel 6 gefunden, "Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die ihnen zuförderst obliegende Pflicht.". Ebenso in §1626 BGB und §1 SGB VIII
Ein Sorgerechtsentzug nach §1671 BGB ist keine Lösung, da ein Kollateralschaden (Verlust eines mündigen Elternteils) in Kauf genommen wird. Ein Sorgerechtsentzug bei Kindeswohlgefährdung nach §1666 BGB kann legitim und notwendig sein, wenn damit erheblicher Schaden vom Kind abgewendet werden kann. Lösungsorientierte Arbeit wird sich jedoch auch hier mit dem notwendigen und erfolgten Sorgerechtsentzug nicht zufrieden geben, sondern versuchen, die verloren gegangene oder bisher nicht vorhandene elterliche Kompetenz wieder herzustellen oder neu zu entwickeln. Dies kann z.B. geschehen, in dem der Elternteil, dem das Sorgerecht entzogen werden musste, eine Therapie beginnt und in deren Verlauf, er/sie seine/ihre elterliche Kompetenz ausreichend entwickelt. Parallel dazu ist mit dem anderen Elternteil und vor allem mit dem Kind zu arbeiten, um eingetretene schädigende Wirkungen aufzuheben, bzw. das gestörte Eltern-Eltern-Verhältnis und Eltern-Kind-Verhältnis so zu verändern, so dass im Fall der Herstellung elterlicher Kompetenz des Elternteils, dem das Sorgerecht entzogen werden musste, eine förderliche Begegnung neu möglich werden kann. Ist dies beides geschehen, kann dieser Elterteil auch wieder in seine juristische Elternverantwortung eingesetzt werden.
Familienrecht und Strafrecht
Das Familienrecht ist kein Strafrecht. Im Familienrecht kann es daher auch nicht darum gehen, einen Sorgerechtsentzug nach §1671 oder §1666 BGB oder die Aussetzung des Umgangs nach §1684 BGB als Mittel der Bestrafung zu missbrauchen. Auch wenn mitunter manche Verhaltensweisen von Eltern, so z.B. bei Misshandlung, Vernachlässigung, emotionalen und körperlichen Missbrauch und Umgangsvereitelung beim Außenstehenden den Wunsch nach Bestrafung des betreffenden Elternteils aufkommen lassen mögen, ist das Familienrecht nicht der geeignete oder dafür vorgesehene Rechtsraum, Bestrafungsgedanken nachzugehen. Dass die im Trennungsgeschehen involvierten Eltern oft verdeckten oder offenen Bestrafungswünschen gegenüber dem anderen anhängen und diesen so gut es eben geht oder zugelassen wird auch versuchen Ausdruck zu verleihen, weiß jeder, der professionell mit Trennungseltern arbeit.
Zeitgemäße und humanistisch orientierte professionelle Tätigkeit im Familienrecht - und dazu gehört auch die Tätigkeit von Familienrichtern und Gutachtern - besteht nicht darin, Bestrafungswünsche zu unterstützen, sondern den Eltern und ihren Kindern bei der Suche und Findung einer Konfliktlösung und neuen sinnvollen Perspektiven Hilfen anzubieten. Dabei können auch familiengerichtliche Beschlüsse eine geeignete Hilfe darstellen.
Kompetenzen und fachliche Anforderungen an systemisch-lösungsorientiert arbeitende Professionelle
Damit lösungsorientierte Arbeit gelingen kann, bedarf es geeigneter Arbeitsmethoden und einem angemessenen Zusammenspiel der beteiligten Professionellen und der Durcharbeitung der Konflikte der streitenden Parteien, anstelle ihrer Unterdrückung oder Vermeidung. Benötigt werden Zeit und finanzielle Mittel, mitunter auch im erheblichen Umfang. Fehlt eine dieser Komponenten, so kann eine Lösung nicht gelingen.
Den professionell Verfahrensbeteiligten muss die von Werner Heisenberg erkannte Gesetzmäßigkeit bewusst sein: Der Beobachter ist "in the picture". Das heißt, Subjekt und Objekt dürfen nicht getrennt werden. Familienberater, Verfahrenspfleger, Gutachter und Familienrichter sind im Zeitraum des familienrechtlichen Verfahrens mit den beteiligten Eltern und Kindern Mitglied eines neuen gemeinsamen Systems. Es gibt keine objektive Beobachtung des Systems von außen, etwa von einem Gutachter, die nicht auch Auswirkung auf das System und seine Mitglieder selbst hat. Die kritiklose Verwendung sogenannter objektiver psychologischer Testdiagnostik stellt einen Versuch dar, Objektivität zu suggerieren und damit Verantwortlichkeit für die eigene Tätigkeit zu vermeiden.
Dem Familiengericht kommt im Rahmen lösungsorientierter Arbeit eine wichtige Rolle zu. Das Familiengericht setzt, wenn nicht anders möglich, durch Beschlüsse und Anordnungen den erforderlichen Rahmen für die Konfliktbearbeitung. Die nun möglichen fachlichen Interventionen können Begleiteter Umgang, einzeln oder zu zweit stattfindende professionell begleitete Elterngespräche, Einrichtung einer Umgangspflegschaft, Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrecht und andere geeignete Interventionen sein. Die Interventionen stellen keinen Selbstzweck dar, sondern sind Mittel zum Zweck die elterliche Kompetenz und Kommunikation herzustellen.
Die Arbeit mit hochkonflikthaften (Trennungs)Familien, Eltern und ihren Kindern, erfordert von den beteiligten Professionellen kommunikative, beraterische und mediative Kompetenz, emotionale Belastbarkeit und eine ausreichende Befähigung zur Selbst- und Fremdreflexion. Notwendig sind gute Kenntnisse des Kindschafts- und Familienrechts, der Entwicklungspsychologie, der Bindungstheorie und der Familiendynamik. Bei Bedarf und Notwendigkeit sollte Supervision wahrgenommen werden. Eine Ausbildung in systemischer Familientherapie ist sehr zu empfehlen, da andernfalls die Gefahr sehr hoch ist, die familiäre Dynamik und ihre Auswirkungen nicht zu erkennen und Gefahr zu laufen, in einseitiger Parteinahme stecken zu bleiben, anstatt lösungs- und systemorientiert zu arbeiten.
Stellen Professionelle aktuelle Grenzen ihrer Kompetenz im vorliegenden Konfliktfall fest, so sollten sie nach Möglichkeiten suchen, ihre Kompetenzen zu erweitern, z.B. durch Supervision, kollegiale Intervision oder durch eine adäquate Weiter- und Fortbildung. Kann dies, egal aus welchen Gründen, nicht geleistet werden, sollte sich der beteiligte Professionelle nicht scheuen, eine Übernahme des Falls abzulehnen und sich aus der Mitarbeit am konkreten Fall zurückzuziehen oder entbinden zu lassen. Nichts wäre hier falscher als nach dem Motto "Augen zu und durch", weiter zu machen wie bisher.
Verfahrenspfleger und Gutachter werden durch den Richter bestellt. Um eine finanzielle Abhängigkeit und damit die Gefahr von Gefälligkeitsgutachten oder -stellungnahmen zu minimieren, sollten Verfahrenspfleger und Gutachter neben ihrer Tätigkeit für das Familiengericht über eine zweite finanzielle Einkommensquelle verfügen. Denkbar sind hier zum Beispiel eine Tätigkeit als Familienberater, Familientherapeut, Psychotherapeut, Sozialpädagoge, Sozialarbeiter, Tätigkeit an einer Hochschule oder Fachhochschule und ähnliches.
Literatur:
Derleder, Peter: "Das Jahrhundert des deutschen Familienrechtes" In: "Kritische Justiz", 1/2000, S. 1-21
Luhmann, Niklas: "Das Recht der Gesellschaft"; Suhrkamp Taschenbuch, 1995
Rexilius, Günter: "Psychologie im Familienrecht - Überlegungen aus psychologischer Sicht"; In: "Kind-Prax" 1/2000, S. 3-8
Rexilius, Günter: "In der Falle des Familienrechts oder: wie Trennungseltern verrückt gemacht werden", "Kind-Prax" 2/2003, S. 39-45