Zur Stellungnahme des Verfahrenspflegers Jens Bosler an das Amtsgericht München vom 20.10.2006

 

Familiensache: A geb. ... .1999

 

Amtsgericht München

Geschäftsnummer: .../06

 

 

 

 

Erarbeitung der Stellungnahme durch Peter Thiel

 

...

 

 

 

Rollenklarheit

Herr Jens Bosler unterschreibt seinen Bericht an das Familiengericht mit der Berufsbezeichnung Diplom-Sozialpädagoge. In dieser Rolle ist er aber sicher nicht in das Verfahren involviert, sondern in der Rolle eines Umgangspflegers oder Verfahrenspflegers. Man erkennt erst beim Lesen des Berichtes, dass Herr Bosler hier offenbar in der Rolle des Verfahrenspflegers für das Kind Timo agiert:

„Der Verfahrenspfleger bat den zuständigen Kripobeamten ...“ (S. 2)

 

Herr Bosler hätte eine solche Irritation ganz einfach vermeiden können, in dem er seinen Sachstandsbericht z.B. folgendermaßen gekennzeichnet hätte:

Geschäftsnummer ... /06

Familiensache X / Y 

Umgangspflegschaft betreffend das Kind: A geb. 1999

 

 

 

Herr Bosler trägt weiter vor:

„... durch den Verfahrenspfleger wird nun kritisiert, dass im Rahmen dieser Gespräche offen-sichtlich nicht kindliches Erleben und entsprechende Inhalte ausgetauscht werden, sondern verfahrensrelevante Dinge. Aus diesem Grund wird erwogen, diese Gespräche künftig zu unterbinden.“

 

Nun ist es allerdings so, dass ein Verfahrenspfleger keinerlei sorgerechtliche Befugnisse außer der Vertretung des Kindes im Verfahren selbst hat. Somit steht es einem Verfahrenspfleger auch nicht an, Erwägungen zu treffen, Gespräche des von ihm im familiengerichtlichen Verfahren vertretenden Kindes mit anderen Personen zu unterbinden.

 

§ 1631 BGB (Inhalt der Personensorge)

(1) Die Personensorge umfasst insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen.

 

 

 

 

 

Suggestion

 

Herr Bosler schreibt:

 

„Am 16.10.2006 wurde Frau Y in München festgenommen und inhaftiert.

Durch die Inhaftierung wurde die Überleitung des Sohnes A in eine angemessene Versorgungssituation notwendig. Herr X rechnete seit dem Untertauchen der Mutter mit dieser Situation und stand sofort zur Verfügung, seinen Sohn bei sich aufzunehmen.

Im Polizeirevier in ... stellte stellt sich die Situation jedoch so dar, dass A schon die Annäherung seines Vaters ablehnte, ein Mitgehen mit dem Vater konnte auf Grund der Haltung A`s nicht in Erwägung gezogen werden. Eine weitere Schädigung seines Sohnes wollte Herr X nicht riskieren.“ (S. 2)

 

Herr Bosler, trägt hier zu Beginn seines Sachstandsberichtes völlig unvermittelt eine „weitere Schädigung“ des Kindes A als Tatsachenbehauptung vor, ohne diese zu beweisen, bzw. wenigstens glaubhaft zu machen.

Der unbegründete Vortrag einer „weiteren Schädigung“ suggeriert, ohne einen ent-sprechenden Nachweis vorzutragen, eine vorherige Schädigung des Kindes. Ob dies so ist oder nicht so ist, soll hier nicht diskutiert oder gar entschieden werden, kritisch gesehen wird jedoch, dass Herr Bosler eine solche Behauptung im Sachstandsbericht ganz unvermittelt in den Raum stellt. Dies kann bei einem unerfahrenen oder voreingenommenen Leser nach dem vorherigen Vortrag von Herrn Bosler über die Inhaftierung der Mutter, den Schluss nahe legen, das Kind wäre von seiner Mutter vor ihrer Inhaftierung geschädigt worden. Ein seriöser Sachstandsbericht muss Behauptungen wie die hier von Herrn Bosler aufgestellte entweder im Bericht selbst glaubhaft machen oder unterlassen.

 

 

 

 

Argumentationslücken

Herr Bosler schreibt weiter:

„Ein Gespräch mit A alleine war nicht möglich, da A aus verständlichen Gründen nicht von seiner Mutter weichen wollte.“ (S. 2)

 

Herr Bosler behauptet hier „verständliche Gründe“, aus denen heraus „A .. nicht von seiner Mutter weichen wollte.“ Leider nennt Herr Bosler nicht, die aus seiner Sicht „verständlichen Gründe“, so dass der Leser einschließlich des zuständigen Familienrichters hier aller möglichen Phantasien nachgehen kann und dies durch den hierfür Raum lassenden Vortrag von Herrn Bosler womöglich auch tut. Dies wiederum wäre einer sachgerechten Aufklärung der das Familiengericht nach §13 FFG verpflichtet ist, sicher entgegenstehend.

 

§ 12 FGG [Ermittlungen von Amts wegen]

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die ge-eignet erscheinenden Beweise aufzunehmen.

 

 

 

Herr Bosler trägt dann vor:

„Im weiteren Verlauf schrie sie (die Mutter – Anm. Peter Thiel) ihren Sohn an: ´Willst Du zu Deinem Vater?´, A schrie daraufhin die Antwort heraus: ´Nein!` Frau Y wiederholte diese Frage mindestens fünf Mal und ließ A immer wieder die gleiche Antwort schreien.“ (S. 2)

 

Herr Bosler behauptet und suggeriert hier, die Mutter hätte den Sohn „immer wieder die gleiche Antwort“ schreien lassen. Herrn Bosler begründet seine diesbezüglichen Behauptung leider nicht.

 

Herr Bosler hat auch nicht vortragen:

Frau Y schrie ihren Sohn an: Sag, dass Du nicht zu Deinem Vater willst.

 

Dies wäre eine klare Anweisung der Mutter an den Sohn, die von Herrn Bosler aber nicht vorgetragen wird. Statt dessen unterstellt er, die Mutter hätte ihren Sohn eine „Antwort schreien“ lassen.

 

 

 

 

Sprache

 

„Zudem wird das Salberghaus A psychologisch untersuchen und ihm dann gebotener Behandlung zukommen lassen.“ (S. 4)

 

Die hier von Herrn Bosler verwendete Formulierung verwirrt wohl mehr, als dass sie aufklärt. Dass ein Haus, hier das „Salberghaus“ kein Kind psychologisch untersuchen kann, ist schon einem Laien klar, denn ein Haus ist ein Gebäude aus Steinen, Beton, Holz oder anderen Materialien und kein Mensch, der einen anderen Menschen und im speziellen ein Kind „untersuchen“ könnte. Möglicherweise meint Herr Bosler hier, dass es seitens der Mitarbeiter des „Salberghauses“ die Absicht gibt, A durch eine geeignete Fachkraft „psychologisch untersuchen“ zu lassen. Dies wäre freilich denkbar und hätte dann von Herrn Bosler auch so vortragen werden können. Allerdings dann sprachlich sicher so, dass seitens der zuständigen Fachkräfte die Absicht bekundet wurde, A psychologisch untersuchen zu lassen. Ob eine solche geäußerte Absicht dann in der Zukunft auch wirklich stattfindet, steht freilich noch nicht fest.

 

 

 

 

 

Schluss

Der Verfahrenspfleger Herr Bosler beantragt schließlich im Rahmen einer einstweiligen Anordnung zusätzlich zu den bereits auf den Vater übertragenen Sorgerechtsteilen

 

„... folgende Sorgerechtsteile auf den Vater zu übertragen.

I. Das Recht Leistungsanträge gemäß Sozialgesetzbuch VIII zu stellen.

II. Das Recht zur Zuführung zur ärztlichen Behandlung.

III. Das Recht schulische Belange des Kindes zu regeln.“

 

Dass der Verfahrenspfleger Herr Bosler in einem eskalierten Konflikt empfiehlt, das Sorgerecht, bzw. Teile davon auf den Vater zu übertragen, verwundert schon sehr. Auf Grund der starken emotionalen Eingebundenheit, die man nicht nur bei der Mutter, sondern auch beim Vatervermuten kann, dürfte die Übertragung des Sorgerechtes oder Teile davon auf den Elternteil dem vorher das Bestimmungsrecht nicht zustand, in aller Regel kontraindiziert sein

 

Vergleiche hier beispielsweise:

Alberstötter, Ulrich: "Hocheskalierte Elternkonflikte - professionelles Handeln zwischen Hilfe und Kontrolle"; In: "Kind-Prax", 03/2004, S. 90-99

Alberstötter, Ulrich: "Kooperation als Haltung und Strategie bei hochkonflikthaften Eltern-Konflikten", In: "Kind-Prax", 3/2005, S. 83-93

Johnston, Janet R.: "Modelle fachübergreifender Zusammenarbeit mit dem Familiengericht in hochkonflikthaften Scheidungsfamilien", In: "Das Jugendamt" 9/2002, S. 378-386

Linsenhoff, Arndt: "Trennungsmediation und Emotion", In: "Familiendynamik", 01/2004, S. 54-65

 

 

Statt in einer Strategie des Bäumchen wechsle Dich, der Mutter das Sorgerecht zu entziehen und nun auf den Vater zu übertragen, empfiehlt es sich in Fällen wie dem hier vorliegenden regelmäßig, das Sorgerecht oder Teile davon, auf eine kompetente, neutrale und durchsetzungsfähige Fachkraft als Sorgerechtspfleger zu übertragen, dem somit die Möglichkeit gegeben wird, sowohl die für das Kind anstehenden Rege-lungen zu treffen, als auch beiden Elternteilen kompetenter und verlässlicher Ansprechpartner zu sein.

 

Vergleiche hierzu in Analogie den Aufsatz:

Thiel, Peter: "Zwischen Hilfeleistung und Zwang: Begleiteter Umgang und Umgangspflegschaft. Indikationen, Möglichkeiten, Grenzen und Unterschiede zweier Interventionsformen", In: "Das Jugendamt", 10/2003, S. 449-453

 

 

 

 

 

Peter Thiel, 22.12.2006

 

 

 

 

 


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