Trauma

 

 

 

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Sollte sich eine der hier namentlich genannten Fachkräfte ungerecht oder in unzulässiger Weise behandelt fühlen, so kann sich diese zur Klärung ihrer Einwände direkt an mich wenden. Der direkte Weg erspart der betreffenden Fachkraft möglicherweise Anwalts- und Gerichtskosten in erheblicher Höhe, so wie sie etwa der Diplom-Psychologe Klaus Schneider im Rechtsstreit mit Peter Thiel vor dem Landgericht Berlin hinnehmen musste.

Zur Frage der Zitierfähigkeit familiengerichtlich eingeholter Gutachten - Urteil des Landgerichtes Berlin vom 07.11.2006 - 16 O 940/05 - Landgericht Berlin - Rechtsstreit Diplom-Psychologe Klaus Schneider gegen Peter Thiel - Veröffentlicht auch in: "Zeitschrift für das gesamte Familienrecht", 16/2007, 15.08.2007, S. 1324-1325

Auf Grund der an einigen Amts- und Landgerichten, so z.B. beim Landgericht Frankenthal und beim Landgericht Hamburg, möglicherweise in Einzelfällen ausgeübten richterlichen Zensur und Beschneidung der Informations- und Meinungsfreiheit zugunsten sich hier kritisiert sehender Fachkräfte, erkläre ich vorsorglich, dass es sich auf meiner Internetseite - wenn nicht eindeutig von mir als Tatsache vorgetragen - immer um meine persönliche, verfassungsrechtlich geschützte Meinung handelt, die als solche naturgemäß weder wahr noch falsch sein kann. Mithin wird von mir auch ausdrücklich erklärt, dass es sich bei meiner Meinung, dass an einigen Amts- und Landgerichten, so z.B. beim Landgericht Frankenthal und beim Landgericht Hamburg, Zensur ausgeübt wird und die Informations- und Meinungsfreiheit zugunsten sich hier kritisiert sehender Fachkräfte beschnitten wird, um meine persönliche Meinung, nicht aber um eine Tatsachenbehauptung handelt.

 

Peter Thiel

Systemischer Berater, Systemischer Therapeut / Familientherapeut (DGSF), Verfahrenspfleger (SPFW Brandenburg) und Umgangspfleger 

02.06.2014

 

 

 

 

 

Schlüsselwörter: 

Angriff, Angst, Autismus, Erfahrung, Erstarrung, Flucht, Geburtstrauma, Nähe und Distanz, Reflex, Schock, Trauma, unerledigte Situation, Wiederholungszwang

 

 

 

Während der Evolution des Menschen haben sich in Hunderttausenden von Jahren bestimmte Verhaltensmuster in die genetische Programmierung (was auch immer das tatsächlich sein mag) des Menschen eingeschrieben. Dies hat sich offenbar als zweckmäßig erwiesen, sonst wären die Menschen als Gattung im Wechselspiel der Natur ausgestorben. Zu dieser Programmierung gehören auch bestimmte - relativ einfache - Reaktionsmuster auf gefährliche oder als gefährlich eingeschätzte Situationen.

Bis heute gibt es drei allgemein bekannte Reaktionsmöglichkeiten auf eine Gefahr, Flucht, Angriff oder Erstarrung. In Tierfilmen lässt sich das Reaktionsmuster Flucht sehr gut beobachten, die Zebraherde beginnt zu flüchten, wenn sie von Löwen angegriffen wird. In anderen Konstellationen erfolgt auf einen Angriff ein Gegenangriff. So etwa bei Elefanten, wenn diese sich durch andere Tiere oder den Menschen erheblich gestört fühlen.

Die Reaktionsmöglichkeit der Erstarrung finden wir etwa bei dem sprichwörtlichen Kaninchen, dass vor der Schlange sitzt. Die genetische Programmierung des Kaninchens gibt den Befehl aus, sich nicht zu rühren, denn das ist die in diesem Fall beste Überlebensstrategie. Flucht ist sinnlos, da die Schlange schneller zubeißt, als das flüchtende Kaninchen sich entfernen kann. Angriff ist erst recht sinnlos, da das Kaninchen nicht die Fähigkeit besitzt, eine Schlange außer Gefecht zu setzen. Es bleibt also nur die Erstarrung, eine Art Autismus, in der das Kaninchen abwartet, bis die Gefahr (Schlange) außer Reichweite zu sein scheint.

Eine vierte Strategie, die aber zum Reaktionsschema der Flucht gerechnet werden kann, wenden Spinnen an. Wenn man z.B. als Mensch an ihrem Netz rüttelt, versetzt sich die Spinne in relativ heftige Schwingungen, die die Ortung der Spinne erschwert. Gegenüber dem Menschen ist dies allerdings keine wirksame Fluchtreaktion, da er sich auf Grund seines Intellekts von dieser Reaktion im allgemeinen nicht irritieren lässt. Auf Tiere muss aber diese Reaktionsform recht passend sein, wahrscheinlich tritt bei ihnen durch die Wahrnehmung der heftigen Schwingung eine Art Desorientierung ein und sie lassen die vorab als Beute betrachtete Spinne nun in Ruhe.

 

Als Gefahr wahrgenommene Situationen lösen bei Menschen verschiedene physiologische und psychologische Reaktionen aus. Eine Gefahr für die keine adäquate Abwehr vorhanden ist und die zu einer anhaltenden Reizüberflutung führt nennt man Trauma. Der Schock kann als eine besondere Form eines Traumas angesehen werden. Der Schock kann dabei als Folge einer kurzfristig bestehenden oder angenommenen Gefahr angesehen werden, wobei sich der Schock, im Gegensatz zu den übrigen Traumatas in relativ kurzer Zeit "von allein" auflöst.

 

Der sogenannte Autismus kann als Folge eines Traumas aufgefasst werden. In dem der Organismus sich abkapselt, schützt er sich vor einer nicht verarbeitbaren Reizüberflutung. Dies kann schon bei der Geburt eintreten, wenn z: B. dem die Mutter entzogen wird und es sich einer Fülle von bedrohlich erlebten Reizen wie starkes Licht, Lärm, Unterkühlung, fehlende Ernährung, fehlende körperliche Nähe der Mutter, ausgesetzt sieht (Geburtstrauma). 

Den sogenannten Schock könnte man definieren als ein Trauma, das durch eine relativ kurzfristige Einwirkung entsteht, so z.B. das Miterleben eines Unfalls. Man kann vermuten, dass das Erleben des Schocks nicht im Langzeitgedächtnis abgespeichert wird und daher nach einer bestimmten Zeit vergessen wird, während andere Traumatas im Langzeitgedächtnis auf Dauer abgespeichert werden und daher noch nach Jahren reaktiviert werden können, bzw. latent präsent sind und das Handeln der Person mit bestimmen. Ein solcherart abgespeichertes Trauma kann daher nicht vergessen werden, sondern bestenfalls durch geeignete therapeutisch intendierte Wiederbearbeitung neu strukturiert, bzw. aufgelöst werden.

 

Vergleiche hierzu: 

Frederick S. Perls; Ralph F. Hefferline; Paul Goodman: "Gestalttherapie. Wiederbelebung des Selbst", Ernst-Klett-Verlag, Stuttgart 1979 (amerikanische Originalausgabe 1951)

Frederick S. Perls; Ralph F. Hefferline; Paul Goodman: Gestalttherapie Grundlagen. dtv, 1979, (amerikanische Originalausgabe 1951)

 

 

 

 

 

Das Trauma als Konstrukt

 

Beim Trauma handelt es sich nach Tenbrink  unter strukturellen, dynamischen und ökonomischen Gesichtspunkten:

 

"um eine dauerhafte selbsteinschränkende Veränderung bzw. Deformation der Selbststruktur, die aus eigener Kraft unter normalen Lebensbedingungen nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Das in dieser Weise veränderte Selbst kann bestenfalls versuchen, durch den Ausbau der Abwehrorganisation die Folgen dieser strukturellen Veränderung für die Gestaltung des Lebensvollzugs begrenzt zu halten." 

Dieter Tenbrink: "Das Trauma aus psychoanalytischer Sicht"; In: "Zeitschrift für Individualpsychologie"; 28,3 (2003), S. 276

 

 

 

Fischer und Riedesser definieren den Begriff des Traumas als: 

 

"... vitales Diskrepanzerleben zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten, das mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis bewirkt."

Gottfried Fischer, Peter Riedesser: "Lehrbuch der Psychotraumatologie", Reinhardt UTB, München, 1998, S. 79

 

 

Neurowissenschaftlich betrachtet, so Ulrich Kießling, analytischer Psychotherapeut für Kinder und Jugendliche, Familientherapeut und Gruppenanalytiker, werden traumatische Erfahrungen überwiegend im prozeduralen Gedächtnis gespeichert, was es dem Betroffenen schwer macht, über diese Erfahrungen zu sprechen, da nur als sinnvoll erlebte Erfahrungen im deklarativen Gedächtnis gespeichert werden und so der sprachlichen Reflexion zugänglich sind.

Der Begriff des Traumas ist wie viele andere psychologische oder psychiatrische Begriffe ein unscharfes Konstrukt. Der Begriff wird im allgemeinen dafür verwendet, eine besonders schwerwiegende Beeinträchtigung des körperlichen und seelischen Befindens zu bezeichnen. Wo aber die Grenze zwischen Trauma und "nicht Trauma", wie auch zwischen "besonders schwerwiegend" oder "nicht besonders schwerwiegend" im einzelnen liegen soll, kann letztlich nicht per Definition, sondern nur per Akklamation entschieden werden.

Wenn zwei Menschen dem gleichen Erlebnis ausgesetzt sind, sind sie nicht automatisch in gleicher Weise davon betroffen, bzw. traumatisiert. So wird für einen erfahrenen Feuerwehrmann der Anblick eines schweren Unfalles mit Schwerverletzten und Toten in der Regel weniger traumatisierend sein, als für einen zufälligen Zuschauer oder gar für ein Familienmitglied, das seine Angehörigen schwer verletzt oder tot sehen muss.

 

Begriffe wie traumatisiert, schizophren, paranoid, etc. erhalten ihre Bedeutung erst in bestimmten Kommunikationskontexten. So z.B. bei einem Rentenversicherer, der über einen vorliegenden Antrag auf Frühberentung zu entscheiden hat. Der zuständige Sachbearbeiter will nicht mit einem Therapeuten einen ausführlichen Dialog darüber führen, wie dieser den Klienten erlebt, sondern er möchte von einem eingesetzten Gutachter schwarz auf weiß eine möglichst eindeutige Zuschreibung "krank" oder "nicht krank" haben.

 

Bei Anträgen nach dem Opferentschädigungsgesetz - OEG ist das nicht viel anders. Hier wird danach gefragt, ob das Opfer eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Was aber ist eine gesundheitliche Schädigung, die den Prüfkriterien des Sachbearbeiters standhält? Dies legt letztlich der Sachbearbeiter selbst fest. Der Antragsteller kann gegen diese Festlegung Widerspruch einlegen, dann prüft ein übergeordneter Sachbearbeiter oder ein Richter den Widerspruch und legt letztlich nach seinen Prüfkriterien, die womöglich denen des untergeordneten Sachbearbeiters widersprechen, fest, ob der Antragsteller eine Entschädigung erhält oder nicht. 

Ähnliches gilt für den Bereich familiengerichtlicher Auseinandersetzungen. Hier soll z.B. festgestellt werden, "ob das Kindeswohl gefährdet ist". Ob es gefährdet sei, wird im Diskurs verschiedener Fachkräfte verhandelt. Je nach dem wie deren Meinung ausfällt, wird schließlich eine Kindeswohlgefährdung bejaht oder verneint.

Ähnlich bei der Frage ob der persönliche Umgang eines Elternteils mit seinem Kind auszusetzen wäre oder nicht. Je nach ideologischer Einstellung des Richters oder eines eingesetzten Gutachters würde in ein und dem selben Fall die Frage von verschiedenen Richtern und Gutachtern bejaht oder verneint werden. Da ist es dann eine Frage des Glücks oder Pechs, mit welcher Fachkraft ein Elternteil oder das Kind vorlieb nehmen muss. 

 

Für einen Berater oder Therapeuten, der im direkten Kontakt mit einem Klienten arbeitet, ist es dagegen nicht wichtig, für den Klienten eine zutreffende Definition (die es letztlich nicht gibt), hier also über die Frage, ob dieser traumatisiert sei oder nicht, zu finden, da die Frage der Etikettierung für eine angemessen und im besten Fall auch erfolgreiche Arbeit mit dem Klienten nicht von Relevanz sein wird.

 

 

 

 

Trauma und Erfahrung

Lernen und Entwicklung beruhen auf Erfahrungen. Ein Kind, das in einem erfahrungslosen Raum, den es real nicht gibt, aufwachsen würde, wäre ein Kind ohne Identität und würde sterben. Erfahrungen, die die aktuelle menschliche Lern- und Integrationsfähigkeit überschreiten, werden vom Organismus abgewiesen, so etwa nervende Vorhaltungen der Ehefrau oder des Ehemannes oder als wesensfremde Elemente introjiziert, so etwa beim sturen Auswendiglernen an einer preußischen Schule des 19. Jahrhunderts oder beim Kasernendrill beim Militär. Das Introjekt bleibt trotz der Aufnahme in den Organismus ein Fremdkörper, der so wie ein Krankheitsherd im Organismus von den wesenseigenen und lebenserhaltenen Energien mit der Absicht der Assimilation oder Ausstoßung angegriffen wird. Gelingt weder Assimilation (Integration) noch Ausstoßung, so versucht der Organismus das Introjekt zu isolieren. Psychologisch  wird dies als Verdrängung bezeichnet. Die klassische Psychoanalyse Freuds hat sich dem Thema der Aufdeckung der Verdrängungen verschrieben, allerdings wohl mit sehr wenig Erfolg, was die konstruktive und lebensbejahende Neugestaltung der Gegenwart der Zukunft betrifft.

Das Trauma ist eine Erfahrung und ein Introjekt, dass sich von anderen Introjekten durch seine als lebensbedrohlich empfundene Konnotation auszeichnet. Während man die Introjekte der Paukerschule und des Kasernenhofes schluckt, um ein einem anderen empfindlicheren Übel auszuweichen, so etwa keinen Schulabschluss zu haben, mit dem man einen Beruf erlernen oder Status erhalten kann, schluckt man ein traumatisierendes Introjekt, so etwa eine Geiselnahme oder ein Aufwachsen in der lebensbedrohenden Umwelt misshandelnder Eltern, um des blanken Überleben müssen. Gleichwohl hat der Organismus noch eine Alternative, nämlich die zu sterben, was real auch oft passiert, sei es durch aktiven Suizid oder psychosomatisch bedingten Tod.

 

 

 

 

Das Trauma als unerledigte Situation

Eine grundlegende Übereinkunft vorausgesetzt, dass der Begriff des Traumas ein Konstrukt ist, kann die Verwendung des Begriffes hilfreich sein. So zum Beispiel für Veränderungen im "Hier und Jetzt", wie es in der Gestalttherapie so schön heißt. 

Das Trauma ist nach Perls eine "unerledigte Situation". 

 

"Das Trauma als unerledigte Situation

Wahrscheinlich gibt es niemals einen solchen vereinzelten traumatischen Augenblick, wie wir ihn eben beschrieben haben, sondern wir haben es eher mit einer traumatischen Abfolge mehr oder weniger ähnlicher enttäuschender und gefährlicher Augenblicke zu tun, während derer sich die Gefühlsspannung und die Explosionsgefahr der Reaktion nach und nach steigern und ihre Unterdrückung immer stärker habitualisiert wird, bis schließlich im Interesse der psychischen Ökonomie Gefühl wie Reaktion ausgelöscht werden. Jeder dieser Augenblicke kann die später erinnerte Szene sein und das Verdrängte repräsentieren. (`Ich erinnere mich, wie Papa mich bei einer bestimmten Gelegenheit verprügelt hat.`) Zu beachten ist, daß diese traumatische Szene nicht die habituelle Verdrängung zum Ausdruck bringt, den Charakter oder die Selbst-Vergewaltigung, die in der Gegenwart beständig erneuert werden, sondern gerade das freie, noch nicht unterdrückte Gefühl, das organischer und immer-gegenwärtig ist, zum Beispiel mein Wunsch, Papa nahe zu sein, oder mein Haß auf ihn oder beides.

Das Trauma zieht nicht, wie Freud dachte, die Wiederholung nach sich. Es ist das wiederholte Bestreben des Organismus, sein Bedürfnis zu befriedigen, was die Wiederholung mit sich bringt, aber dieses Bestreben wird auch wiederholt durch einen vorsätzlichen gegenwärtigen Akt vereitelt. In dem Maße, wie das Bedürfnis Ausdruck gewinnt, bedient es sich seiner veralteten Techniken (`die Wiederkehr des Verdrängten`). Wenn das Gefühl freigelassen wird, so kann es augenblicklich eine alte Szene wieder heraufrufen oder nicht, in jedem Falle aber wird es sofort nach einer gegenwärtigen Befriedigung streben. Die Erinnerung an die alte Szene ist also ein zu erwartendes Nebenergebnis bei der Anderung der schlechten Angewohnheit und der Freilassung des Gefühls, aber als deren Ursache ist sie weder hinreichend noch notwendig.

Es ist klar, das verdrängte Trauma wird häufig wiederkehren, denn in gewisser Hinsicht ist es ja der vitalste Teil des Organismus, es stützt sich auf ein großes Maß an organischer Energie. Um einen treffenden Vergleich zu ziehen: Ein Traum ist offenbar immer ein , `Wunsch`, sogar wenn es ein Alptraum ist, denn mit dem Aussetzen des Wachbewußtseins macht sich die latente Situation des Organismus geltend - und die Bewertung ist nichts als die Bewegung des Unerledigten zur Erledigung hin.

Frederick S. Perls; Ralph F. Hefferline; Paul Goodman: "Gestalttherapie Grundlagen", dtv / Klett-Cotta, 1979 (amerikanische Originalausgabe 1951), S. 83-84

 

 

So sind Menschen z.B. nach einem Raubüberfall, nach einer Entführung oder nach Folterungen durch Gestapobeamte, wie sie in der Zeit des Nationalsozialismus an der Tagesordnung waren, in der Regel traumatisiert. Die Situation für das Opfer war von weitgehender Ohnmacht geprägt, begleitet von einem Anfluten von Gefühlen, die im Interesse des physischen und psychischen Überlebens innerpsychisch nur über das Phänomen der Verdrängung "neutralisiert" werden konnten. Nun ist die Gefahr vorbei, der Räuber verhaftet, der Entführer gefasst und die Folterer haben keinen ernstzunehmenden Einfluss mehr, wenngleich der bundesdeutsche (Unrechts)Staat für sie noch jahrzehntelang üppige Beamtenpensionen zahlt. Das Trauma des Opfers aber bleibt vorerst, weil die Situation für das Opfer innerpsychisch nicht erledigt ist, sie ist eine "offene Gestalt", wie es bei Perls heißt. Jeder Tag birgt nun die Gefahr einer Wiederholung im Geiste. Täglich grüßt das Murmeltier, der Alptraum wird zum treuen Begleiter, obwohl das traumatisierende Ereignis längst vorbei ist.

Dies kann ein Grund dafür sein, warum viele Menschen Rache-, Bestrafungs- und Vergeltungsphantasien mit sich herumschleppen, obwohl die auslösenden Ereignisse längst Geschichte sind. Die Rache-, Bestrafungs- und Vergeltungsphantasien sind dann Ausdruck der innerpsychisch unerledigten Situation. Das Opfer fühlt sich immer noch als Opfer, weil es in seinen Gedanken noch in der alten traumatisierenden Szene steckt.

Im besten Fall gelingt es jedoch dem Opfer mit oder ohne therapeutische Hilfe, die Gestalt zu schließen, die Situation zu erledigen. Das Trauma löst sich auf, die im Trauma gebundenen Energien lösen sich von der Vergangenheit und werden wieder für das Leben frei. 

Im Fall eines miterlebten Banküberfalls kann es sein, dass trotz der großen Angst und Lebensgefahr in der das Opfer sich befand, die alte Situation in ihrer Bedeutung verblasst. Opfer eines Banküberfalls zu werden, kann jedem jeden Tag passieren, man kann auch kaum Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, außer die, zukünftig keine Bank mehr aufzusuchen, dann bleibt aber immer noch das Risiko auf der Straße überfallen zu werden oder sogar in der Wohnung. Andererseits gibt es Opfer bei denen die Auswirkung der erlittenen Traumatisierung sich auch in der weiterfortschreitenden Zeit nicht zu verändern scheint. Dies liegt offenbar daran, dass das Opfer das Ereignis emotional eingekapselt hat und sich so keine Auseinandersetzung, Aufarbeitung und Entwicklung der alten Situation ereignen kann, die Gestalt muss unvollständig bleiben, würde wohl der Gestalttherapeut Perls sagen.

Es steht allerdings Menschen, die nicht selbst durch den Schrecken gegangen sind, nicht zu über die Betroffenen und deren nicht nachlassendes Erinnern an das Erlebte zu urteilen. Daher muss man es stehen lassen, wenn Jean Améry, Auschwitzhäftling Nr. 172364 schreibt: 

 

"Wer gefoltert wurde, bleibt gefoltert ... Ich baumele noch immer, zweiundzwanzig Jahre danach, an ausgerenkten Armen über dem Boden ... Der Schmerz war der der er war."

Zitiert nach "Die Zeit", 20.1.05, S. 46

 

 

 

 

Von der Schwierigkeit ein Trauma wieder los zu werden

Die Erinnerung an eine traumatisch empfundene Situation belastet den Betroffenen. Daher auch der Versuch von Betroffenen, traumatische Erfahrungen anderen mitzuteilen, sei es durch ein Gespräch durch das schreiben eines Buches oder das malen eines Bildes und sich durch dieses mitteilen zu entlasten. Dies kann in einigen Fällen hilfreich sein, in anderen nicht. Perls meint, durch das Durcharbeiten der traumatischen Szene in der Therapie könne das Trauma aus einer unerledigten Situation in eine erledigte verwandelt werden und sich so von einem Trauma in eine bloße nichttraumatische Erinnerung wandeln. Dies erscheint in gewisser Weise berechtigt. Die Todesangst eines Überlebenden kann durch eine geeignete therapeutische Auseinandersetzung sicher gewandelt werden. gleichwohl die durch das Trauma gesetzten Trigger bleiben, wenn sie nicht vergessen werden.

 

Trigger 

Unter Trigger versteht man Sinneseindrücke, die Erinnerungen an alte Erfahrungen in einer Art wecken, als ob diese Erfahrung jetzt nochmal neu gemacht werden würde. Diese Erinnerung erfolgt meist plötzlich und mit großer Wucht. Die damaligen Gefühle werden unmittelbar erlebt (Flashback). Die reale aktuelle Situation kann dann vom Betroffenen oft nicht mehr wahrgenommen werden. Er reagiert oft so, als würde er sich in der alten, erinnerten Situation befinden.

Als Trigger können auch ganz schwache Signale wirken, beispielsweise ein Jahrestag, ein Geruch, eine Geste, ein Geräusch. Sie stehen meist im Zusammenhang mit schweren seelischen oder körperlichen Verletzungen (posttraumatische Belastungsstörung).

http://de.wikipedia.org/wiki/Schl%C3%BCsselreiz#Trigger

 

 

Die mit einem traumatischen Ereignis verbundenen Trigger sind als Lernerfahrungen des Gehirns im Langzeitgedächtnis abgespeichert. Ontogenetisch und phylogenetisch gedacht ist dies auch sinnvoll, denn sonst würde das Kind immer wieder die heiße Herdplatte anfassen. Die Menschheit wäre schon ausgestorben, wenn sie nicht die Fähigkeit entwickelt hätte, existenzbedrohenden Einflüssen auszuweichen.

Wenn das Langzeitgedächtnis nicht vergessen kann, dann bleibt auch der Trigger erhalten. So erinnert ein Sylvesterfeuerwerk einen Mensch, der 1945 einen nächtlichen Bombenangriff erlebt hat, eben an diesen Bombenangriff. Durch das Wissen um die friedliche Gegenwart kann der Betreffende realisieren, dass es sich aktuell nicht um einen Bombenangriff handelt, sondern um ein Feuerwerk. Gleichwohl durch die erinnerte Vergangenheit, nimmt der Betreffende das Feuerwerk nicht mit der gleichen Gelassenheit wie ein vom Bombenkrieg Unbetroffener auf. So begleitete den Betroffenen eine latente Angst, die lediglich durch das Wissen "dies ist kein Bombenangriff" erträglich gehalten wird.

Ähnlich bei einem Opfer eines Banküberfalls, der 5 Minuten neben dem mit einer Pistole bewaffneten Bankräuber ausharren musste. Der Betroffene erlebt zukünftig jedes harmlose Herausziehen eines Handys aus eine Hosentasche im Sinne der früheren traumatischen Erfahrung. Das Herausziehen des Handys wird als Herausziehen einer Pistole interpretiert und geht einher mit einem Schreck, der sich erst dann legt, wenn der Betroffene sieht, dass es keine Pistole, sondern ein Handy ist. Das Wissen darum, dass es in den seltensten Fällen eine Pistole ist, die gezogen wird, hilft dem Betroffenen nicht weiter, denn gerade einen dieser unwahrscheinlichen seltenen Fälle hat er erlebt und von daher ist seiner Angst nicht mit Statistik beizukommen, die ihm sagt, dass nur in einem von 100 Millionen Fällen das Herausgezogene kein Handy, sondern eine Pistole ist. Der unwahrscheinliche Fall ist für den Betroffenen ein wahrscheinlicher Fall, wie ihm seine Erfahrung lehrt.

 

 

 

 

Das Trauma im familiengerichtlichen Diskurs

 

„Durch die von ihrem Vater initierte abrupte und für A nicht vorherseh- und nachvollziehbare Trennung von ihrer Mutter ist A psychisch traumatisiert worden und ihre grundsätzlich positive Bindung an ihre Eltern ist in ihrer Bindungsqualität erschüttert worden. Dies bringt A deutlich mit ihren von beiden Eltern beschriebenen Trennungs- und Verlustängsten zum Ausdruck, die nicht wie vom Vater angenommen, aus der ehemaligen Trennung ihrer Eltern herrühren. ...“ 

Diplom-Psychologin Dr. Vera Mall, Gutachten vom 13.10.2005 für Amtsgericht Hamburg-St. Georg, S. 79

 

 

Worauf gründet die Gutachterin ihre Behauptung, das Kind A wäre „psychisch traumatisiert worden“? Wenn psychologische Laien, zu denen man sicher auch den verfahrensführenden Richter zählen kann (sonst hätte er sicher nicht die Gutachterin bestellt, von der er sich offenbar eine sachverständige Beantwortung der Beweisfragen erhoffte), davon hören, ein Kind wäre von einem Elternteil traumatisiert worden, so werden in aller Regel die Alarmglocken läuten und ein solcherart beschuldigte Elternteil wird ganz automatisch als jemand angesehen werden, der leichtfertig das Kindeswohl gefährdet hat und womöglich auch in Zukunft gefährden wird. Von daher müssen solche Vorwürfe wie die Gutachterin sie gegen dem Vater erhebt, gut begründet sein, sonst könnte dies auch leicht als Straftat nach §187 StGB angesehen werden.

 

Wie begründet nun die Gutachterin ihren Vorwurf, durch das Verhalten des Vaters wäre „A psychisch traumatisiert worden“? Die Begründung lautet:

„.... Dies bringt A deutlich mit ihren von beiden Eltern beschriebenen Trennungs- und Verlustängsten zum Ausdruck, die nicht wie vom Vater angenommen, aus der ehemaligen Trennung ihrer Eltern herrühren. ...“ (S. 79)

 

 

Die Gutachterin führt also nicht überprüfte Schilderungen der Eltern als Beweis dafür an, dass „A psychisch traumatisiert worden“ wäre. Die Gutachterin macht sich nicht die Mühe, ihre Behauptung einer stattgefundenen Traumatisierung durch eigene Untersuchungen im direkten Kontakt mit dem Kind zu verifizieren, sondern übernimmt ungeprüft eventuell gehaltene Vorträge der Eltern, um dann daraus eine Traumatisierung zu diagnostizieren. Das erscheint nun gänzlich unprofessionell und man kann sicher die Frage stellen, ob es der Gutachterin an der für die Tätigkeit als Gutachterin nötigen Kompetenz mangelt.

 

 

Nun hat man noch nie davon gehört, dass eine Traumatisierung davon geheilt worden wäre, dass "Gras über die Sache wächst", wenn dem so wäre, bräuchte es keiner Psychotherapie mit traumatisierten Klienten, bräuchte es keiner Kinder- und Jugendlichentherapie für missbrauchte und misshandelte Kinder und Jugendliche. Statt dessen bräuchte man nur die Hände in den Schoß legen und zu warten. Die Zeit heilt alle Wunden, wie der Volksmund irrend meint. Wer so denkt und handelt, verweigert Kindern und Jugendlichen, aber auch ihren Eltern dringend notwendige Hilfe und Unterstützung.

Ohne eine wirksame und verändernde Intervention von außen bleiben dysfunktionale Trennungsfamiliensysteme, die sich im malignen Clinch (von Schlippe, Arist: "Familientherapie im Überblick"; Junferman-Verlag, 1995, S. 49) befinden, in der Regel in ihrer zerstörerischen und erstarrten Konfrontation stecken. Und dies ist das tragische Schicksal vieler solcher Trennungsfamilien. Statt der Hilfe von Außen kommen Gutachter, statt der Feuerwehr kommt der Leichenwagen, statt des Regens in der Wüste gerichtlich verordneter Sandsturm oder Quarantäneanordnungen.  

 

Es mutet seltsam an, wenn Gutachter, die eine Ausbildung als Diplompsychologe oder gar als Psychotherapeut haben, suggerieren, ein solches Trauma wie eine eingetretene Eltern-Kind-Entfremdung, würde von selbst heilen, "wenn man dem Kind nur Ruhe gibt". 

Die Stimmen, die sich zur Legitimation für Nichtstun auf die US-amerikanische Studie von J. S. Wallerstein und J. Lewis berufen, sind einem tragischen Irrtum verfallen. Sie verwechseln simplen Zwang auf die Eltern oder auf das Kind mit geeigneter fachlicher Begleitung und Intervention. Ein zwangsweise angeordneter Umgang ohne fachliche Begleitung, so wie in der US-Studie dargelegt, dürfte tatsächlich häufig zu einer Verschärfung und Verfestigung der Konflikte und damit zu einer weiter fortschreitenden Eltern-Kind-Entfremdung führen, das kann man in der Praxis oft erleben. Die bloße Zwangsausübung zur Durchsetzung des Umgangsrecht wird vom betroffenen Elternteil und dem mit ihm koalierenden Kind immer als einseitige Parteinahme für den anderen "gegnerischen" Elternteil verstanden. Widerstand ist die Folge, Kooperation und Entwicklung wird unmöglich. Der Konflikt bleibt ungelöst, der Kampf um Sieg und Niederlage wird konserviert. "Die Lösung ist das Problem", heißt es dazu zutreffend im strategischen Ansatz der systemischen Therapie und Beratung.

 

 

 

 

Trennung des Kindes von den Eltern als traumatische Belastung

Aus verschiedenen Gründen werden Kinder und Jugendliche ohne gerichtliche Entscheidung vom Jugendamt in Obhut genommen oder nach Gerichtsbeschluss von ihren Eltern getrennt. 

Rechtliche Grundlage hierfür sind:

 

§ 42 Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen

http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_8/__42.html

 

 

§ 1666a BGB (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; Vorrang öffentlicher Hilfen)

(1) Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, sind nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Dies gilt auch, wenn einem Elternteil vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Nutzung der Familienwohnung untersagt werden soll. ...

(2) Die gesamte Personensorge darf nur entzogen werden, wenn andere Maßnahmen erfolglos geblieben sind oder wenn anzunehmen ist, daß sie zur Abwendung der Gefahr nicht ausreichen.

http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__1666a.html

 

 

Ob eine ohne Einverständnis der Eltern erfolgte Trennung des Kindes im Einzelfall immer gerechtfertigt ist, erscheint fraglich. Mitunter scheint man im Familiengericht oder im Jugendamt auf Nummer sicher gehen zu wollen und führt daher die Trennung des Kindes ohne vorherige Benachrichtigung der Eltern durch. Dies wirkt sich in der Regel für die betroffenen Eltern als erheblicher Schock aus. Im Einzelfall bedeutet dies auch eine Traumatisierung der Eltern. Bedauerlicherweise werden auf Seiten der involvierten Fachkräfte solche Traumatisierungen oft nicht beachtet oder als unbedeutend angesehen. Hier kommt nun Artikel 1 Grundgesetz ins Spiel, in der es um die Würde des Menschen geht. Die Würde des Menschen zu beachten, bedeutet auch, ihn nicht unnötigerweise einer Traumatisierung auszusetzen. Von daher wäre das Jugendamt gehalten, bei einer für unabwendbar gehaltenen Trennung eines Kindes oder Jugendlichen von seinen Eltern unverzüglich professionelle familientherapeutische Unterstützung für die Eltern anzubieten und es nicht dabei bewenden zu lassen, dass der fallzuständige Jugendamtsmitarbeiter den Eltern einen Gesprächstermin anbietet. Eine solche Herangehensweise wäre höchst unprofessionell, denn der Jugendamtsmitarbeiter befindet sich in der Rolle des staatlichen Wächters des Kindeswohl, die Eltern benötigen aber einen Ansprechpartner mit dem sie auf Augenhöhe und vertraulich sprechen können, dies ist der Jugendamtsmitarbeiter auf Grund seiner Rolle aber gerade nicht.

 

 

 

 

Literatur:

Gottfried Fischer, Peter Riedesser: Lehrbuch der Psychotraumatologie, Reinhardt UTB, München, 1998

Manfred J. Foerster: "Frühe Traumatisierungen und Delinquenz - Der Täter als Opfer seiner Biographie", In: "Neue Praxis", 4/2005, S. 361-374

Lydia Handtke: Zur Überwindung der Hilflosigkeit. Traumatherapie aus hypno-systemischer Sicht.; In: "Psychologie und Gesellschaftskritik", 1/2002, S. 101-111

Frederick S. Perls; Ralph F. Hefferline; Paul Goodman: Gestalttherapie Grundlagen.;dtv / Klett-Cotta, 1979 (amerikanische Originalausgabe 1951)

Gerald Hüther; Alexander Korittko; Gerhard Wolfrum; Lutz Besser: Neurobiologische Grundlagen der Herausbildung psychotraumabedigter Symptomatiken. In: Trauma & Gewalt. 4. Jahrgang, Heft 1, Februar 2010, S. 18-31.

Nikola v. Saint Paul: Traumaorientierung in der psychotherapeutischen Praxis.; In: "Zeitschrift für systemische Therapie und Beratung", 10/2006, S. 244-250 

H. Stoffels; C. Ernst: Erinnerung und Pseudoerinnerung. Über die Sehnsucht, Traumaopfer zu sein.; In: "Nervenarzt", 2002, Heft 5, S. 445-451

Dieter Tenbrink: Das Trauma aus psychoanalytischer Sicht; In: "Zeitschrift für Individualpsychologie"; 28,3 (2003), S. 271-287

Doris Wolf: "Wenn der Partner geht ... Die seelische Bewältigung der Trennung", In: "Familie, Partnerschaft, Recht", 1997, Heft 1, 29-35

 

 

 


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