Familiensache: Frau X (vormals Y ) und Herr Y

Kind: A geboren: ....1997

 

Gutachten der Diplom-Psychologin Dr. Birgit Kapp vom 24.01.2007

 

Amtsgericht Ludwigsburg

Richter ...

Geschäftsnummer: .../06

 

 

 

 

 

03.08.2007

 

 

Stellungnahme zum Schreiben von Rechtsanwalt Dr. R. (Vertreter des Vaters) vom 20.06.2007

 

 

Rechtsanwalt R. trägt vor, er würde in der Stellungnahme des Unterzeichnenden vom 03.05.2007 „wissenschaftliche Substanz“ vermissen. Was er darunter versteht, belegt er leider nicht näher, so dass sein Vorwurf entweder eine bloße Vermutung ist oder eine Polemik, die er seinerseits wortgewaltig dem Unterzeichnenden ankreidet:

 

„PG hält sich in nicht enden wollenden Rügen, Wiederholungen und Förmeleien über angeblich unzulässige Interpretationen und mangelnde Fachkenntnis der Gutachterin auf, und lässt, sieht man von der seitenlangen Bibliografie ab, eigene wissenschaftliche Substanz vermissen.“

 

 

Rechtsanwalt R., (im folgenden RA abgekürzt) bezeichnet den Unterzeichnenden als „Parteigutachter“, abgekürzt PG, was vielleicht nicht zufällig an die Wortbedeutung PG – Parteigenosse - im Nationalsozialismus anknüpft, um damit suggestiv auf den Richter einzuwirken.

Parteigutachter ist der Unterzeichnende jedoch nicht, denn dieser ist hier nicht als Gutachter aufgetreten, der im realen Kontakt mit den Beteiligten eigene Ermittlungen angestellt hätte, die er dann dem Gericht zur Verfügung gestellt hätte. Zutreffend ist dagegen, dass sich der Unterzeichnende in aller Bescheidenheit darauf beschränkt hat, eine fachliche Expertise zu dem vorliegenden Gutachten der Diplom-Psychologin Dr. Birgit Kapp vom 24.01.2007 zu erstellen.

Dass der Unterzeichnende seit Jahren als Familienberater und Familientherapeut (DGSF), Verfahrenspfleger und Umgangspfleger sowie im Begleiten Umgang nachweisbar schwierigste Fälle mit gutem Erfolg meistert, sollte RA zu etwas weniger Emphase mahnen. Ob das Vorurteil über Anwälte, diese würden oft viel Lärm um nichts machen, hier zutreffend ist, entzieht sich der Kenntnis des Unterzeichnenden. Aber mit Shakespeare (Ein Sommernachtstraum) kann man sicher in Richtung RA sagen: Gut gebrüllt, Löwe!

 

 

Die unbewiesene und hämische Unterstellung des RA:

 

„Das mag aber auch daran liegen, dass sich der ihm erteilte Auftrag auf den `Verriss´ der gutachterlichen Ausführungen beschränkte, womit sich die Antragsgegnerin wohl am meisten geschadet haben dürfte.“

 

zeigt, dass RA offenbar unklar ist, dass eine privat eingeholte fachliche Expertise zu einem Gutachten logischerweise dazu dient, sich im Sinne der auftraggebenden Seite mit diesem Gutachten kritisch auseinander zu setzen und nicht dazu die Position des anderen, nicht beauftragenden Elternteiles zu bestätigen. Dies ist auch ein weiterer Unterschied zu einem gerichtlich bestellten Sachverständigen, der zur Beantwortung der ihm gestellten gerichtlichen Beweisfrage zum einen, konkret vor Ort sachdienliche Ermittlungen anzustellen hat und zum anderen zur Unparteilichkeit verpflichtet ist, also kein Parteigutachter sein darf, andernfalls riskierte er oder sie die erfolgreiche Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit.

Parteilich zu sein, ist allerdings nicht damit gleichzusetzen, unqualifizierte und unzutreffende Bemerkungen abzugeben. Wäre das so, so könnten wir uns den ganzen Berufsstand der Rechtsanwälte sparen, die ja immer auch parteiisch sein müssen, sonst wären sie schlichtweg nicht Vertreter der beauftragenden Partei, sondern bestenfalls Mediatioren. Das würde freilich unserer Volkswirtschaft helfen, Milliardensummen einzusparen, da Tausende von an sich unnötigen und häufig auch durch Rechtsanwälte eskalierenden Streits, dann nicht stattfinden bräuchten oder schneller als erwartet gütlich beigelegt werden könnten.

 

Vergleiche hierzu:

Trenczek, Thomas: "Streitregelung in der Zivilgesellschaft. Jenseits von Rosenkrieg und Ma-schendrahtzaun", In: "Zeitschrift für Rechtssoziologie", 2005, Heft 2, S. 227-247

 

 

So weit zur Unterrichtung für den RA, der dies möglicherweise noch nicht weiß.

 

Vergleiche hierzu auch:

Balloff, Rainer: "Einordnung und Bewertung von Gerichtsgutachten und Stellungnahmen aus Sicht des Verfahrenspflegers"; In: "Familie, Partnerschaft, Recht", 2005, Heft 1-2, S. 36-39

Greuel, Luise: "Methodenkritische Stellungnahmen im Straf- und Zivilrecht"; In: "Praxis der Rechtspsychologie", Juni 2004, S. 182

Halder-Sinn, Petra: "Fehlerhafte Urteilsheuristiken in Sachverständigengutachten", In: "Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform", 1993, Heft 1, S. 44-49

Klenner, Wolfgang: "Vertrauensgrenzen des psychologischen Gutachtens im Familienrechtsverfahren - Entwurf eines Fehlererkennungssystems - "; In: "Zeitschrift für das gesamte Familien-recht", Heft 8, S. 804-809

Rakete-Dombek: "Das familienpsychologische Sachverständigengutachten aus anwaltlicher Sicht"; In: "Familie, Partnerschaft, Recht", 2003,Heft 10, S. 508-516

Sandvoß, Gerd: "Gefälligkeitsgutachten: Identifizierung und Abwehr"; In: "ArztRecht", 11/2004, S. 392-397

Schorsch, Gerhard: "Sachverständige und ihre Gutachten. Zu Schwachpunkten und Fehlern in Expertisen"; In: "Kriminalistik. Unabhängige Zeitschrift für die kriminalistische Wissenschaft und Praxis", 3/2000, S. 174-179

 

 

 

 

Der RA schießt sich in seinen folgenden Ausführungen dann ein Eigentor. Er trägt vor:

 

„Symptomatisch für das Niveau der Auseinandersetzungen des PG mit dem Gutachten sind die an Häme kaum zu überbietende Passagen über den von der Gutachterin verwandten Terminus ´Besuchsrechtsyndrom´ oder die oberlehrerhaften Kommentare zu §§ 1666, 1671 BGB, kurz seine immer wieder unternommenen Versuche, den Leser durch unsachliche Ausführungen zu emotionalisieren und für sein Anliegen zu gewinnen. Seine Behauptung, dass es ein Besuchsrechtssyndrom nicht gäbe, ist auch sachlich falsch. Der Terminus stellt keinesfalls eine Erfindung von Frau Dr. Kapp dar. Eine Recherche im Internet hat beim Eintippen des Wortes `Besuchsrechtssyndrom` unter yahoo.de 31 Meldungen ergeben, unter denen unter anderem zu lesen ist, dass das Besuchsrechtssyndrom existiert, aber nur wenig bekannt ist. ...“

 

 

Belege für seine Unterstellung bleibt der RA hier schuldig. Weder gibt RA an, warum eine Erörterung zu den rechtlichen Rahmungen durch §1666 und 1671 BGB, lediglich dazu dienen sollen, „den Leser durch unsachliche Ausführungen zu emotionalisieren und für sein Anliegen zu gewinnen“, noch gelingt es ihm Überzeugungskraft zu entfalten, dass es ein „Besuchsrechtssyndrom“ gäbe. Ob es ein „Besuchsrechtssyndrom“ gibt oder nicht, hängt nicht davon ab, wie oft dieser Begriff im Internet zu finden wäre. Wäre dem so, dann wäre das sogenannte „Partental Alienation Syndrome“ eine existeriende Tatsache, denn dieses wird im Gegensatz zu den mehr als bescheidenen 31 Treffermeldungen für den Begriff „Besuchsrechtssyndrom“ unter yahoo.de, zur Zeit 2430 Mal als Treffer angegeben, was wie gesagt aber kein Beleg dafür ist, dass ein solcher Begriff auch eine real existierende Wirklichkeit wäre, sondern sich, so wie bei dem von der Diplom-Psychologin Dr. Birgit Kapp in ihrem Gutachten vom 24.01.2007 verwendeten Begriff eines sogenannten „Besuchsrechtssyndrom“, schlichtweg um einen konstruierten Begriff handelt. Ob eine solche Begriffskonstruktion möglicherweise nützlich ist oder nicht, ist eine ganz andere Frage.

 

Vergleiche hierzu:

Watzlawick, Paul: "Die erfundene Wirklichkeit". Wie wir wissen, was wir zu wissen glauben. Beiträge zum Konstruktivismus", 1985, Piper Verlag, München

 

 

Im Fall des immerhin 2430 Mal bei yahoo.de gelisteten sogenannten Partental Alienation Syndrome streiten sich die Professionen untereinander, was dies denn nun wäre und in wie weit der Begriff geeignet ist, Wirklichkeit zu erfassen:

 

Vergleich hierzu:

Kontra

 

Fegert, Jörg M. : "Parental Alienation oder Parental Accusation Syndrome? Die Frage der Suggestibilität, Beeinflussung und Induktion in Umgangsrechtsgutachten", In: "Kind-Prax", 1/2001, S. 3-7 und „Kind-Prax“, 2/2001, S. 39-42

Heiliger, Anita: "`PAS` - Das Parental Alienation Syndrome. Eine Fiktion mit schwerwiegenden familienrechtlichen Folgen"; In "Sozialmagazin", 06/2001, S. 24-29

Salzgeber, Joseph: "Parental Alienation Syndrom (PAS) - alter Wein in neuen Schläuchen", In: "Familie, Partnerschaft, Recht", 04/1999, S. 231-235

 

 

 

 

Pro

 

Jopt, Uwe; Behrend, Katharina: "PAS - Ein Zwei-Phasen-Modell"; In: Zentralblatt für Jugendrecht, Heft 6/2000, S. 223-230 und 7/2000, S. 258-271

Jopt, Uwe; Zütphen, Julia: "Elterliche PASsivität nach Trennung - Zur Bedeutung des betreuenden Elternteils für die PAS-Genese -", In: Fabian, Thomas (Hrsg.), 2. Tage der Rechtspsychologie, Leipzig, 18.–20.05.2001. Tagungsband

Kodjoe, Ursula; Koeppel, Peter: "The Parental Alienation Syndrome (PAS)"; In: "Der Amtsvormund", 1998, Heft 1, S.10-28

Kraus, Martin: "PAS und seine Geschwister. Strukturell-systemische Überlegungen zur Gefährdung des Kindeswohls durch sechs verschiedene Muster pathologischer Trennungsbewältigung"; In "Das Jugendamt", 1/2002, S. 2-6

 

 

Die Ausführungen zum Schreiben des RA könnten hier noch einige Seiten weitergeführt werden. Genügend Material dafür bietet das neunseitige Papier von RA R. allemal. Ob dies dem Gericht von Nutzen sein kann, erscheint dem Unterzeichnenden allerdings fraglich. Der Polemik von RA R. ist hier sicher ausreichend entgegen getreten worden.

Das Gutachten und die verschiedenen Stellungnahmen der Eltern liegen vor, es wird nun Aufgabe des Gerichtes sein, daraus das beste zu machen. Gut möglich, dass der Vater sich nun doch noch besinnt, seinen Antrag auf Entzug des mütterlichen Sorgerechtes zurückzuziehen, damit er später seinem dann erwachsen gewordenen Sohn noch in die Augen schauen kann.

 

 

 

 

 

Peter Thiel

 

Systemischer Berater und Therapeut / Familientherapeut (DGSF), Umgangspfleger

 

 

 

 


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