Meinungsfreiheit

 

 

 

 

 

 

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Sollte sich eine der hier namentlich genannten Fachkräfte ungerecht oder in unzulässiger Weise behandelt fühlen, so kann sich diese zur Klärung ihrer Einwände direkt an mich wenden. Der direkte Weg erspart der betreffenden Fachkraft möglicherweise Anwalts- und Gerichtskosten in erheblicher Höhe, so wie sie etwa der Diplom-Psychologe Klaus Schneider im Rechtsstreit mit Peter Thiel vor dem Landgericht Berlin hinnehmen musste.

Zur Frage der Zitierfähigkeit familiengerichtlich eingeholter Gutachten - Urteil des Landgerichtes Berlin vom 07.11.2006 - 16 O 940/05 - Landgericht Berlin - Rechtsstreit Diplom-Psychologe Klaus Schneider gegen Peter Thiel - Veröffentlicht auch in: "Zeitschrift für das gesamte Familienrecht", 16/2007, 15.08.2007, S. 1324-1325

Auf Grund der an einigen Amts- und Landgerichten, so z.B. beim Landgericht Frankenthal und beim Landgericht Hamburg, möglicherweise in Einzelfällen stattfindenden Zensur und der Beschneidung der Informations- und Meinungsfreiheit zugunsten sich hier kritisiert sehender Fachkräfte, erkläre ich vorsorglich, dass es sich auf meiner Internetseite - wenn nicht eindeutig von mir als Tatsache vorgetragen - immer um meine persönliche, verfassungsrechtlich geschützte Meinung handelt, die als solche naturgemäß weder wahr noch falsch sein kann. Mithin wird von mir auch ausdrücklich erklärt, dass es sich bei meiner Meinung, dass an einigen Amts- und Landgerichten, so z.B. beim Landgericht Frankenthal und beim Landgericht Hamburg, Zensur ausgeübt wird und die Informations- und Meinungsfreiheit zugunsten sich hier kritisiert sehender Fachkräfte beschnitten wird, um meine persönliche Meinung, nicht aber um eine Tatsachenbehauptung handelt.

 

Peter Thiel

Systemischer Berater, Systemischer Therapeut / Familientherapeut (DGSF), Verfahrenspfleger (SPFW Brandenburg) und Umgangspfleger 

20.03.2013

 

 

 

 

Schlüsselwörter: 

Abmahnung, falsche Verdächtigung, Kritik, Meinungsfreiheit, Öffentlichkeit, Polemik, Polizeistaat, Tatsachenbehauptung, üble Nachrede, Strafrecht, Verleumdung, Zensor, Zensur in Deutschland

 

 

 

 

 

Pippi Langstrumpf

"Pippi ging die Straße entlang. Sie ging mit dem einen Bein auf dem Bürgersteig und mit dem anderen im Rinnstein. Thomas und Annika schauten ihr nach, solange sie sehen konnten. Nach einer Weile kam sie zurück. Aber jetzt ging sie rückwärts. Das tat sie, damit sie sich nicht umzudrehen brauchte, wenn sie nach Hause ging. Als sie vor Thomas` und Annikas Gartentür angekommen war, bleib sie stehen. Die Kinder sahen sich schweigend an. Schließlich fragte Thomas:

`Warum bist du rückwärts gegangen?`

`Warum ich rückwärts gegangen bin?` fragte Pippi. `Leben wir etwa nicht in einem freien Land? Darf man nicht gehen, wie man möchte? Übrigens will ich dir sagen, dass in Ägypten alle Menschen so gehen, und niemand findet das auch nur im Geringsten merkwürdig.`"

aus: "Pippi Langstrumpf" von Astrid Lindgren

 

 

Wäre Pippi Langstrumpf eine real lebende Politikerin in Deutschland, sie hätte unsere Wählerstimme. Leider ist das aber nicht so und wir müssen mit Menschen wie der Grünen-Politikerin und Rechtsanwältin Renate Künast vorlieb nehmen, die doch allen Ernstes meint:

 

"Gutachter und Sachverständige sollen `gut achtgeben`, denn sie sind im Auftrag des Volkes unterwegs um der Wahrheit näher zu kommen.

Wahrheit im Gerichtssaal bedeutet für mich ein kostbares Gut, aber sie darf nur auf den vorgegebenen und rechtsstaatlichen Wegen gesucht werden."

aus: "Zeitschrift für Rechtspolitik", 1/2008, II. Umschlagseite.

 

 

Das klingt nun für eine Rechtsanwältin und Bundestagsabgeordnete reichlich naiv und unwissend, hinzu kommt der Glaube an die "Wahrheit", über die man spätestens seit Watzlawick meinen kann, dass sie eine Wirklichkeitskonstruktion ist. 

 

Vergleiche hierzu: 

Paul Watzlawick: "Die erfundene Wirklichkeit". Wie wir wissen, was wir zu wissen glauben. Beiträge zum Konstruktivismus", Piper Verlag, München, 1985

 

 

 

"Außer Frage steht, daß sich die Justiz der Kritik wegen ihrer Urteile stellen muß. Auch scharfer Protest und überzogene Kritik sind durch die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit gedeckt. ... "

Rudolf Wassermann, Präsident des Oberlandesgerichts a. D., In: NJW 1998, 730, 731

 

 

Da können wir Herrn Wassermann nur zustimmen. Doch:  

 

Wir wären gut und nicht so roh, doch die Verhältnisse, die sind nicht so, lässt Brecht seinen Räuber Macheath, genannt Mackie Messer in der Dreigroschenoper singen. Ähnlich verhält es sich mit der wunderbaren und zustimmungswürdigen Lyrik von Herrn Wassermann. Wenn es ernst wird, sind solche Äußerungen nichts wert, weil die Vertreter staatlicher Rechtrabulistik sich die Sachen so hinbasteln, wie sie es gerade brauchen. Gesetze hin, Gesetze her. Der Richterstaat weiß, wie er sich unbequeme Kritiker vom Halse schaffen kann. Schließlich hat der Richter immer recht und der normale Bürger immer Unrecht, wenn er auf einen Richter und dessen Meinung trifft. Daran ändert auch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland nichts, das mehr verkündet, als in Deutschland eingelöst wird.

 

 

 

Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland

Artikel 5 (Meinungsfreiheit)

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

 

 

 

 

Eine Zensur findet nicht statt, heißt es Hoffnung weckend im Grundgesetz. Wer deshalb nun erfreut denkt, in Deutschland wäre Meinungs- und Informationsfreiheit grundgesetzlich zugesichert, sieht sich gleich eines besseren belehrt, wenn er Artikel 5 Satz 2 liest:

 

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

 

 

Na bitte, wer hat es denn gesagt, durch dieses vortreffliche Einfallstor von Satz 2, relativiert sich Satz 1 zugleich und mit ein bisschen Rechtsrabulistik lässt sich die Sache von dem einen oder andern geübten und willigen Richter an einem Amts- oder Landgericht schließlich zu Gunsten auf Geheimhaltung ihrer Arbeit bedachter und für Gerichte arbeitender Gutachter so auslegen, dass Satz 1 zu guter Letzt nur noch Makulatur ist. Es lebe der Rechtsstaat. 

Und wenn Artikel 5 Satz 2 nicht weiterhelfen sollte, die Meinungsfreiheit durch durch die eine oder andere staatliche Interventionen zu unterdrücken, dann geht es vielleicht auch mit der Waffe des Urheberechtes mit dem einige Gutachter und von ihnen angerufene Richter versuchen, unliebsame Querdenker in die Schranken gewiesen werden sollen.

Wer da mit nackten Fingern auf die Schurkenstaaten Russland und Weißrussland und ihrem rigiden Umgang mit der Meinungsfreiheit zeigt, der sollte erst einmal im eigenen Hause dem Rechtsstaat zu seinem Recht verhelfen.

Dass es in Deutschland nicht weit her ist mit der Meinungsfreiheit, kann jeder selbst erfahren erleben, der sich wie es hier auf dieser Internetseite geschieht, zu brisanten Themen äußert und dabei auf das Missfallen diverser selbsternannter richterlicher Zensoren an deutschen Amts- und Landgerichten stößt.

 

Heiner Geißler

"Lafontaine war der klügste SPD-Mann"

© Soeren Stache/DPA

Heiner Geißler, 78, war zwischen 1977 und 1989 Generalsekretär der CDU. Geißler steht für eine christlich inspirierte Sozialpolitik, jüngst vermittelte er im Streit zwischen der Lokführergewerkschaft GDL und der Bahn

Heiner Geißler, 78, war ein rauhbeiniger CDU-Generalsekretär, jetzt engagiert er sich bei Attac. Im stern.de-Interview sagt er, wie Grüne und CDU in Hamburg zueinander finden, weshalb Ypsilanti hessische Ministerpräsidentin wird - und warum er sich über den Verfassungsschutz ärgert.

...

Sie sind inzwischen Mitglied von Attac. Wie ist das eigentlich in ihrer Partei aufgenommen worden?

Am Anfang gab es eine Abwehrreaktion. Aber nachdem ich darüber aufgeklärt habe, was Attac will, hat sich das gelegt. Wolfgang Schäuble hat übrigens als Erster erkannt, dass dieser Schritt richtig war. Inzwischen steht sogar im CDU-Programm, dass wir eine Humanisierung des Globalisierungsprozesses brauchen, Angela Merkel wird sich in Bälde dazu äußern. Außerdem bin ich Attac beigetreten, weil ich das Demonstrationsrecht stärken wollte.

 

Ist es nötig, dieses Recht zu verteidigen?

Das Demonstrationsrecht ist eines der vornehmsten Rechte der Bürger, aber es wird in Deutschland immer mehr ausgehöhlt. Jeder, der demonstriert, macht sich bei irgendeiner Behörde verdächtig. Es gibt inzwischen keine Demonstration mehr, selbst wenn sie von der Caritas veranstaltet wird, bei denen die Leute nicht erkennungsdienstlich erfasst werden.

Das heißt: Schäuble überzieht?

Nein. Der macht seinen Job. Die Verfassungsschützer sind das Problem.

 

Interview: Lutz Kinkel

 

Artikel vom 25. Februar 2008

www.stern.de/politik/deutschland/:Heiner-Gei%DFler-Lafontaine-SPD-Mann/612234.html?nv=rss

 

 

 

Die Unterdrückung der Meinungsfreiheit in Deutschland hat eine lange Tradition. Bis zum Jahr 1918 geschah sie im Namen von Kaiser, Volk und Vaterland, ab 1933 im Namen des Führers und der Volksgemeinschaft, in der DDR im Namen des Proletariats und der SED als Vorhut der Arbeiterklasse und heute jonglieren die richterlichen Zensoren  mit dem Persönlichkeitsrecht und dem Urheberrecht. 

Karl Marx hat 1842 in seinen "Debatten über Preßfreiheit und Publikation der Landständischen Verhandlungen" formuliert.

 

 

Karl Marx

Debatten über Preßfreiheit und Publikation der Landständischen Verhandlungen

Von einem Rheinländer

Fünfter Artikel

 

|60| Wir haben gezeigt, wie das Preßgesetz ein Recht und das Zensurgesetz ein Unrecht ist. Die Zensur gesteht aber selbst, daß sie kein Selbstzweck, daß sie nichts an und für sich Gutes sei, daß sie also auf dem Prinzip beruht: »Der Zweck heiligt die Mittel.« Aber ein Zweck, der unheiliger Mittel bedarf, ist kein heiliger Zweck, und könnte nicht auch die Presse den Grundsatz adoptieren und pochen: »Der Zweck heiligt die Mittel«?

Das Zensurgesetz ist also kein Gesetz, sondern eine Polizeimaßregel, aber sie ist selbst eine schlechte Polizeimaßregel, denn sie erreicht nicht, was sie will, und sie will nicht, was sie erreicht.

Will das Zensurgesetz der Freiheit als einem Mißliebigen prävenieren, so erfolgt gerade das Gegenteil. Im Lande der Zensur ist jede verbotene, d.h. ohne Zensur gedruckte Schrift eine Begebenheit. Sie gilt als Märtyrer, und kein Märtyrer ohne Heiligenschein und ohne Gläubige. Sie gilt als Ausnahme, und wenn die Freiheit nie aufhören kann, dem Menschen wert zu sein, um so mehr die Ausnahme von der allgemeinen Unfreiheit. Jedes Mysterium besticht. Wo die öffentliche Meinung sich selbst ein Mysterium ist, ist sie von vornherein bestochen durch jede Schrift, die formell die mystischen Schranken durchbricht. Die Zensur macht jede verbotene Schrift, sei sie schlecht oder gut, zu einer außerordentlichen Schrift, während die Preßfreiheit jeder Schrift das materiell Imposante raubt.

Meint es aber die Zensur ehrlich, so will sie die Willkür verhüten und macht die Willkür zum Gesetz. Sie kann keiner Gefahr vorbeugen, die größer wäre als sie selbst. Die Lebensgefahr für jedes Wesen besteht darin, sich selbst zu verlieren. Die Unfreiheit ist daher die eigentliche Todesgefahr für den Menschen. Einstweilen, von den sittlichen Konsequenzen abgesehen, so bedenkt, daß ihr die Vorzüge der freien Presse nicht genießen könnt, ohne ihre Unbequemlichkeiten zu tolerieren. Ihr könnt die Rose nicht pflücken ohne ihre Dornen! Und was verliert ihr an der freien Presse?

Die freie Presse ist das überall offene Auge des Volksgeistes, das verkörperte Vertrauen eines Volkes zu sich selbst, das sprechende Band, das den Einzelnen mit dem Staat und der Welt verknüpft, die inkorporierte Kultur, welche die materiellen Kämpfe zu geistigen Kämpfen verklärt und ihre rohe stoffliche Gestalt idealisiert. Sie ist die rücksichtslose Beichte eines Volkes vor sich selbst, und bekanntlich ist die Kraft des Bekenntnisses erlösend.

|61| Sie ist der geistige Spiegel, in dem ein Volk sich selbst erblickt, und Selbstbeschauung ist die erste Bedingung der Weisheit. Sie ist der Staatsgeist, der sich in jede Hütte kolportieren läßt, wohlfeiler als materielles Gas. Sie ist allseitig, allgegenwärtig, allwissend. Sie ist die ideale Welt, die stets aus der wirklichen quillt und, ein immer reicherer Geist, neu beseelend in sie zurückströmt.

Der Verlauf der Darstellung hat gezeigt, daß Zensur und Preßgesetz verschieden sind, wie Willkür und Freiheit, wie formelles Gesetz und wirkliches Gesetz. Was aber vom Wesen gilt, gilt auch von der Erscheinung. Was vom Recht beider gilt, das gilt von ihrer Anwendung. So verschieden Preßgesetz und Zensurgesetz, so verschieden ist die Stellung des Richters zur Presse und die Stellung des Zensors.

Unser Redner allerdings, dessen Augen zum Himmel gerichtet sind, sieht tief unter sich die Erde als einen verächtlichen Staubhügel, und so weiß er von allen Blumen nichts zu sagen, als daß sie bestaubt sind. So sieht er auch hier nur zwei Maßregeln, die in ihrer Anwendung gleich willkürlich sind, denn Willkür sei Handeln nach individueller Auffassung, individuelle Auffassung sei von geistigen Dingen nicht zu trennen etc. etc. Wenn die Auffassung geistiger Dinge individuell ist, welches Recht hat eine geistige Ansicht vor der anderen, die Meinung des Zensors vor der Meinung des Schriftstellers? Aber wir verstehen den Redner. Er macht den denkwürdigen Umweg, Zensur und Preßgesetz beide in ihrer Anwendung als rechtlos zu schildern, um das Recht der Zensur zu beweisen, denn da er alles Weltliche als unvollkommen weiß, so bleibt ihm nur die eine Frage, ob die Willkür auf Seite des Volkes oder auf Seite der Regierung stehen soll.

Seine Mystik schlägt in die Libertinage um, Gesetz und Willkür auf eine Stufe zu stellen und nur formellen Unterschied zu sehen, wo es sich um sittliche und rechtliche Gegensätze handelt, denn er polemisiert nicht gegen das Preßgesetz, er polemisiert gegen das Gesetz. Oder gibt es irgendein Gesetz, das die Notwendigkeit in sich trägt, daß es in jedem einzelnen Falle im Sinne des Gesetzgebers angewendet werden muß und jede Willkür absolut ausgeschlossen ist? Es gehört eine unglaubliche Kühnheit dazu, eine solche sinnlose Aufgabe den Stein der Weisen zu nennen, da nur die extremste Unwissenheit sie stellen kann. Das Gesetz ist allgemein. Der Fall, der nach dem Gesetze bestimmt werden soll, ist einzeln. Das Einzelne unter das Allgemeine zu subsumieren, dazu gehört ein Urteil. Das Urteil ist problematisch. Auch der Richter gehört zum Gesetz. Wenn die Gesetze sich selbst anwendeten, dann wären die Gerichte überflüssig.

|62| Aber alles Menschliche ist unvollkommen! Also: Edite, bibite! |Eßt und trinkt! (Aus einem deutschen Studentenlied)| Warum verlangt ihr Richter, da Richter Menschen sind? Warum verlangt ihr Gesetze, da Gesetze nur von Menschen exekutiert werden können und alle menschlichen Exekution unvollkommen ist? Überlaßt euch doch dem guten Willen der Vorgesetzten! Die rheinische Justiz ist unvollkommen wie die türkische! Also: Ebite, bibite!

Welch ein Unterschied zwischen einem Richter und einem Zensor!

Der Zensor hat kein Gesetz als seinen Vorgesetzten. Der Richter hat keinen Vorgesetzten als das Gesetz. Aber der Richter hat die Pflicht, das Gesetz für die Anwendung des einzelnen Falles zu interpretieren, wie er es nach gewissenhafter Prüfung versteht; der Zensor hat die Pflicht, das Gesetz zu verstehen, wie es ihm für den einzelnen Fall offiziell interpretiert wird. Der unabhängige Richter gehört weder mir noch der Regierung. Der abhängige Zensor ist selbst Regierungsglied. Bei dem Richter tritt höchstens die Unzuverlässigkeit einer einzelnen Vernunft, bei dem Zensor die Unzuverlässigkeit eines einzelnen Charakters ein. Vor den Richter wird ein bestimmtes Preßvergehen, vor den Zensor wird der Geist der Presse gestellt. Der Richter beurteilt meine Tat nach einem bestimmten Gesetz; der Zensor bestraft nicht allein die Verbrechen, er macht sie auch. Wenn ich vor Gericht gestellt werde, so klagt man mich der Übertretung eines vorhandenen Gesetzes an, und wo ein Gesetz verletzt werden soll, muß es doch vorhanden sein. Wo kein Preßgesetz vorhanden ist, kann kein Gesetz von der Presse verletzt werden. Die Zensur klagt mich nicht der Verletzung eines vorhandenen Gesetzes an. Sie verurteilt meine Meinung, weil sie nicht die Meinung des Zensors und seiner Vorgesetzten ist. Meine offene Tat, die sich der Welt und ihrem Urteil, dem Staat und seinem Gesetz preisgeben will, wird gerichtet von einer versteckten, nur negativen Macht, die sich nicht als Gesetz zu konstituieren weiß, die das Licht des Tages scheut, die an keine allgemeinen Prinzipien gebunden ist.

Ein Zensurgesetz ist eine Unmöglichkeit, weil es nicht Vergehen, sondern Meinungen strafen will, weil es nichts anderes sein kann als der formulierte Zensor, weil kein Staat den Mut hat, in gesetzlichen allgemeinen Bestimmungen auszusprechen, was er durch das Organ des Zensors faktisch ausüben kann. Darum wird auch die Handhabung der Zensur nicht den Gerichten, sondern der Polizei überwiesen.

Selbst wenn die Zensur faktisch dasselbe wäre als die Justiz, so bleibt dies erstens ein Faktum, ohne eine Notwendigkeit zu sein. Dann aber gehört |63| zur Freiheit nicht nur was, sondern ebensosehr, wie ich lebe, nicht nur, daß ich das Freie tue, sondern auch, daß ich es frei tue. Was unterschiede sonst den Baumeister vom Biber, wenn nicht, daß der Biber ein Baumeister mit einem Fell, und der Baumeister ein Biber ohne Fell wäre?

Unser Redner kömmt zum Überfluß noch einmal auf die Wirkungen der Preßfreiheit in den Ländern, wo sie wirklich existiert, zurück. Da wir dies Thema schon weitläufig abgesungen, so berühren wir hier nur noch die französische Presse. Abgesehen davon, daß die Mängel der französischen Presse die Mängel der französischen Nation sind, so finden wir das Übel nicht, wo der Redner es sucht. Die französische Presse ist nicht zu frei; sie ist nicht frei genug. Sie unterliegt zwar keiner geistigen Zensur, aber sie unterliegt einer materiellen Zensur, den hohen Geldkautionen. Sie wirkt daher materiell, eben weil sie aus ihrer wahren Sphäre in die Sphäre der großen Handelsspekulationen hineingezogen wird. Zudem gehören zu großen Handelsspekulationen große Städte. Die französische Presse konzentriert sich daher auf wenige Punkte, und wenn die materielle Kraft, auf wenig Punkte konzentriert, dämonisch wirkt, wie nicht die geistige?

Wenn ihr aber durchaus die Preßfreiheit nicht nach ihrer Idee, sondern nach ihrer historischen Existenz beurteilen wollt, warum sucht ihr sie nicht da auf, wo sie historisch existiert? Die Naturforscher suchen durch Experimente ein Naturphänomen in seinen reinsten Bedingungen darzustellen. Ihr bedürft keiner Experimente. Ihr findet das Naturphänomen der Preßfreiheit in Nordamerika in seinen reinsten, naturgemäßesten Formen. Wenn aber Nordamerika große historische Grundlagen der Preßfreiheit hat, so hat Deutschland noch größere. Die Literatur und die damit verwachsene geistige Bildung eines Volkes sind doch wohl nicht nur die direkten historischen Grundlagen der Presse, sondern ihre Historie selbst. Und welches Volk in der Welt kann sich dieser unmittelbarsten historischen Grundlagen der Preßfreiheit rühmen, wie das deutsche Volk?

Aber, fällt unser Redner wieder ein, aber wehe um Deutschlands Moralität, wenn seine Presse frei würde, denn die Preßfreiheit bewirkt »eine innere Demoralisation, die den Glauben an eine höhere Bestimmung des Menschen und mit ihr die Grundlage wahrer Zivilisation zu untergraben suche«.

Demoralisierend wirkt die zensierte Presse. Das potenzierte Laster, die Heuchelei, ist unzertrennlich von ihr, und aus diesem ihrem Grundlaster fließen alle ihre anderen Gebrechen, denen sogar die Anlage zur Tugend fehlt, ihre, selbst ästhetisch betrachtet, ekelhaften Laster der Passivität. Die Regierung hört nur ihre eigene Stimme, sie weiß, daß sie nur ihre eigene Stimme hört und fixiert sich dennoch in der Täuschung, die Volksstimme zu |64| hören, und verlangt ebenso vom Volke, daß es sich diese Täuschung fixiere. Das Volk seinerseits versinkt daher teils in politischen Aberglauben, teils in politischen Unglauben, oder, ganz vom Staatsleben abgewendet, wird es Privatpöbel.

Indem die Presse jeden Tag von den Schöpfungen des Regierungswillens rühmt, was Gott selbst erst am sechsten Tag von seiner eigenen Schöpfung sagte: »Und siehe da, es war alles gut«, indem aber notwendig ein Tag dem anderen widerspricht, so lügt die Presse beständig und muß sogar das Bewußtsein der Lüge verleugnen und die Scham von sich abtun.

Indem das Volk freie Schriften als gesetzlos betrachten muß, so gewöhnt es sich, das Gesetzlose als frei, die Freiheit als gesetzlos und das Gesetzliche als das Unfreie zu betrachten. So tötet die Zensur den Staatsgeist.

...

 

Karl Marx/ Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 1. Berlin/DDR. 1976. S. 28-77.

 

http://www.mlwerke.de/me/me01/me01_060.htm

 

 

 

 

Wer da meint, die Zensur wäre in der Bundesrepublik des dritten Jahrtausend abgeschafft, der ist schwer auf dem Holzweg und sollte sich deshalb ab und an mal in der Zeitung informieren, solange dies noch frei schreiben darf::

 

"Vorauseilende Zensur. 

Wie ein medizinischer Fachverlag dem Druck der Pharmaindustrie nachgab und eine kritische Artikelserie stoppte"

Werner Bartens in: "Süddeutsche Zeitung", 19.09.2006, S. 18

 

 

 

Wen es wundert, dass die Zensur in Deutschland weit verbreitet ist, der braucht nur einmal im Strafgesetzbuch (34. Auflage, 2000) nachschlagen, ob dort die Zensur - also die Unterdrückung der Meinungs- und Informationsfreiheit - unter Strafe gestellt ist.  Im Sachwortverzeichnis fehlt das Stichwort Zensur. Statt dessen findet man im Strafgesetzbuch allerlei Paragraphen mit denen man in Deutschland bei Bedarf die Meinungs- und Informationsfreiheit unterdrücken kann. 

 

 

Man kann sich bei heutigen "rechtsstaatlich" verbrämten Tendenzen zur Unterdrückung der Meinungs- und Informationsfreiheit durchaus an die Zeiten in der verflossenen DDR erinnern, allerdings kam man dort bei zuviel Renitenz etwas schneller als heute ins Gefängnis, so z.B. Elke Wirth, weil sie SED-Funktionäre mit beißendem Spott überzog. 

 

vergleiche hierzu:

Bärbel Bohley / Gr. Praschel / R. Rosenthal (Hrg.): "Mut, Frauen in der DDR"; Herbig Verlag München, 2005

 

 

Spott und Satire ist etwas, das die vermeintlich Mächtigen überhaupt nicht mögen, denn der Spott trifft sie an ihrer empfindlichen Stelle, ihrer Hybris, ihrem Überlegenheitswahn und ihrem latenten Kleinheitsgefühl.

 

 

 

Wann aber Bedarf für die Unterdrückung der Meinungsfreiheit besteht und wann nicht, entscheidet der Staat mit seinen dafür geeigneten Gremien und Funktionsträgern, sei es nun die Staatsanwaltschaft, ein Gericht oder eine andere geeignete staatliche Stelle. In einigen Fällen drückt der Staat alle Hühneraugen zu, so etwa, wenn es um die eigenen Leute geht (Korpsgeist),. So kann man Fälle erlebten, in denen unbewiesene Tatsachenbehauptung tausendfach unter die Leute gebracht werden und die staatlichen Organe nichts tun und andere Fälle, in denen es schon ausreicht, wenn ein Mensch drei anderen Menschen eine unbewiesene Tatsachenbehauptung mitteilt und sich der Staatsicherheit verpflichtetet fühlende staatlichen Organe reflexartig anfangen zu rotieren. 

 

So mancher Berliner Intensivtäter wird bei dieser Nachricht aufatmen

Justizsenatorin versetzt den mutigen Staatsanwalt zu den Beschwerdeonkeln

ANNE LOSENSY

Versetzt: Oberstaatsanwalt Roman Reusch (53)

Erst wurde ihm der Mund verboten, jetzt auch noch der Job: Berlins bekanntester Oberstaatsanwalt, Roman Reusch (53), ist gestern eiskalt abserviert worden. Statt mit hochkriminellen Intensivtätern muss er sich jetzt mit Beschwerden gegen Gerichtsentscheidungen beschäftigen – ein Anfänger-Job!

Kurz vor 17 Uhr. Pressemitteilung 5/2008 der Generalstaatsanwaltschaft Berlin. „Die Abteilung 47 der Staatsanwaltschaft Berlin, die sogen. Intensivtäterabteilung, wird ab Montag, dem 28. Januar 2008, von Oberstaatsanwalt Ingo Kühn geleitet. Der 45-jährige löst den bisherigen Abteilungsleiter Roman Reusch ab, der auf eigenen Wunsch zur Abteilung IV der Generalstaatsanwaltschaft Berlin wechselt.

Er ist „gegangen worden“

Oberstaatsanwalt Reusch wird künftig (…) für Beschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen, für Bericht an die Senatsverwaltung und für Haftvorlagesachen zuständig sein.“ Angeblich freiwillig, auf eigenen Wunsch.

Die Vorsitzende der Vereinigung der Staatsanwälte, Vera Junker, bezweifelte am Abend, dass Reusch freiwillig seinen Platz geräumt hat. Nach ihrer Einschätzung ist er „gegangen worden“. Er habe die Intensivtäter-Abteilung mit Verve aufgebaut. Sie könne sich „kaum vorstellen, dass er plötzlich keine Lust mehr hatte.“

Reusch, Jäger der Berliner Intensivtäter (derzeit 502). Seit 2003 baute er die Abteilung auf. Ein brillanter Analytiker, der sich nicht scheut, den Finger in die Wunde zu legen.

Zum Beispiel, dass laut Reusch „nicht etwa die Türken als kopfstärkste Migrantengruppe die relativ meisten Täter stellen, sondern die Araber, die an der Berliner Bevölkerung nur einen verschwindend geringen Anteil haben.

Diese wiederum setzen sich überwiegend aus (…) Palästinensern sowie Angehörigen hochkrimineller Großfamilien mit türkisch-kurdisch-libanesischen Wurzeln zusammen, die arabische Muttersprachler sind und in Berlin weite Bereiche des organisierten Verbrechens beherrschen.“

Weil er es öffentlich machte, läuft seit Anfang 2007 ein Disziplinarverfahren gegen ihn. Seine Absetzung jetzt – ein fatales Signal ans kriminelle Milieu.

Nur die Senatorin Gisela von der Aue begrüßt die Entscheidung: „Ingo Kühn ist ein hervorragender Jurist und anerkannter Strafverfolger. Mit dieser Personalentscheidung ist gewährleistet, dass die wichtige Arbeit der Abt. 47 erfolgreich fortgesetzt wird.“

Kein Wort zu Reusch, kein Wort des Dankes.

 

23.01.2008

www.bz-berlin.de/BZ/berlin/2008/01/23/berlins-mutigster-staatsanwalt-abserviert/berlins-mutigster-staatsanwalt-abserviert,geo=3554274.html

 

 

"Berlins bekanntester Oberstaatsanwalt, Roman Reusch (53), ist gestern eiskalt abserviert worden." wird in der B.Z. vom 23.01.2008. behauptet. Konkrete Beweise werden nicht genant, außer dass darüber berichtet wird, dass Herr Reusch "auf eigenen Wunsch zur Abteilung IV der Generalstaatsanwaltschaft Berlin wechselt". 

Nun könnte es vielleicht sogar zutreffen, dass Herr Reusch "eiskalt abserviert" wurde. Man könnte es dann beweisen, wenn man die Gabe besäße, in den Kopf der zuständigen Senatorin Gisela von der Aue zu schauen und dort Gedanken zu lesen. Doch da die Journalistin der B.Z. sicher nicht über diese seltene Gabe verfügt, kann man davon ausgehen, dass es sich hier um eine juristisch nicht belegte Tatsachenbehauptung, die Senatorin hätte den Oberstaatsanwalt Reusch "eiskalt abserviert" handelt. Nun kann man sich wiederum wundern, warum dies Senatorin von der Aue wohl nicht zu einer Strafanzeige veranlasst hat noch warum niemand in der sonst so fleißigen Berliner Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der üblen Nachrede nach §186 Strafgesetzbuch, denn als solche könnte man die Meldung in der B.Z. auffassen,  zu ermitteln scheint. 

Von daher kann man eigentlich nur fordern: Gleiches Recht für alle. Wenn schon üble Nachrede toleriert wird, dann bitte für alle Bürgerinnen und Bürger. 

 

Im Bereich einer auch öffentlich geführten Diskussion zu sogenannten Sachverständigengutachten finden wir hier nun derzeit die befremdliche Situation vor, dass nach dem Willen einiger Gutachter und bedauerlicherweise auch nach dem Willen einiger Richter vom Amtsgericht Berlin-Charlottenburg und dem Landgericht Berlin, sowohl die Informationsfreiheit als auch die Meinungsfreiheit eingeschränkt werden soll. Dies nicht etwa mit der Begründung, dass das Persönlichkeitsrecht von Verfahrensbeteiligten betroffen wäre, dies wäre nachvollziehbar, ist doch deren Recht grundgesetzlich abgesichert, sondern mit der Berufung auf das Urheberrecht, das es verbiete, ohne die Zustimmung eines Gutachters, sich öffentlich mit dessen Gutachten auseinander zusetzen. 

Und damit man womöglich gleich weiß, was Sache ist und wo womöglich der Hammer hängt, teilt Dr. Scholz, Vorsitzender Richter am Landgericht Berlin noch vor einem angesetzten Anhörungstermin und einer Verkündung eines erst daraufhin erfolgenden Beschlusses in einem Berufungsverfahren in einem Schreiben vom 30.03.2006 mit: 

 

"Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Teilurteil des Amtsgerichts Charlottenburg vom ... zurückzuweisen. 

... Aus Gründen der Kostenersparnis wird angeregt, die Rücknahme der Berufung zu erwägen."

 

 

Man könnte nun meinen, dies wäre eine neue Methode beim Berliner Landgericht um die Zahl der gerichtlichen Verfahren zu vermindern und der möglicherweise überquellenden Aktenberge Herr zu werden. Man könnte aber auch glatt auf den Gedanken kommen, dass ein solcher diskreter "Hinweis" rechtsstaatlich in keiner Weise erlaubt sei und schon gar nicht einem Vorsitzenden Richter am Landgericht Berlin, doch wer einen solchen Gedanken öffentlich äußern würde und sei es auch nur rhetorisch, der riskiert sicherlich die ewige Verdammnis und darüber auch noch die Heranziehung zu den Kosten einer höchstrichterlich veranlassten Abmahnung. 

So manche heutige gerichtliche Gepflogenheiten erscheinen leicht als starker Tobak und dürfte zumindest den ehemaligen Bürgern der 1989 infolge innerer Auszehrung implodierten DDR sehr bekannt vorkommen, galt doch dort die Honeckersche Devise: Eine freie Diskussion ist nicht erlaubt, denn das schadet erstens dem Sozialismus und zweitens könne der Klassenfeind eine solche Diskussion für seine sozialismusfeindlichen Zwecke ausnutzen. 

Da aber doch der eine oder andere das Honeckersche Verbot missachtete, galt es die unbequemen Kritiker mundtot zu machen. Der Physik-Professor und Dissident Robert Havemann bekam daher Hausarrest in seinem Haus in Grünheide und ein Strafverfahren wegen angeblicher Devisenvergehen - der spätere PDS-Frontmann Gregor Gysi war sein damaliger Strafverteidiger. Der Philosoph Rudolf Bahro wurde, weil er sein Buchmanuskript "Die Alternative", das er in der DDR nicht hätte veröffentlichen können, in den Westen schmuggeln ließ, der Spionage bezichtigt, eingesperrt und später vorzeitig aus der Haft in die BRD entlassen. 

 

Vergleiche hierzu auch:

Rolf Henrich: "Der vormundschaftliche Staat"; Kiepenheuer, Leipzig und Weimar, 1990

 

 

 

 

Auch der Autor dieser Internetseite musste sich - wenn auch sicher nicht mit Robert Havemann oder Rudolf Bahro zu vergleichen, 1988/89 als Student vor der FDJ-Leitung der Sektion Mathematik der Humboldtuniversität verantworten, da er ohne deren Genehmigung eigene Diskussionsbeiträge an die im Flur der dritten Etage im Hauptgebäude Unter den Linden befindliche Wandzeitung geheftet hatte. Die DDR ging wenig später den Bach hinunter, getreu dem von Gorbatschow geäußerten Satz: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben". 

Schließlich bekamen die DDR-Bürger wonach sie in ihrer Mehrheit verlangten, einen abgefederten Anschluss an die Bundesrepublik Deutschland - euphemistisch auch als Wiedervereinigung bezeichnet, grad wie in dem Witz von den beiden Gurken, die sich beide wiedervereinen wollen und schließlich als Gurkensalat in einer Schüssel enden. Wie sagte doch Willy Brand so schön: Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört.

Fortan lebten die biederen DDR-Bürger in einer vergrößerten Bundesrepublik Deutschland, ein Staat von dem die Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley nicht ganz unzutreffend sagte "Wir wollten Recht und bekamen den Rechtsstaat". Seither sind 15 Jahre vergangen. Erich Honecker ist geächtet im chilenischen Exil gestorben, Erich Mielke beendete seine Tage in einer 2-Raumwohnung in Berlin-Hohenschönhausen.

Nazitäter in der BRD der Nachkriegsjahre wurden bedeutend besser behandelt als die vergleichsweise harmlose senile Führungsriege der DDR. Nazimörder und Schreibtischtäter erhielten in der BRD jahrzehntelang üppige Pensionen. Ideologische Hardliner wie Hans-Dieter Schütt, zu DDR-Zeiten Chefredakteur der Zeitung "Junge Welt") haben nach 1989 immerhin über ihre Verfehlungen nachgedacht und sich, soweit zu sehen auch verändert. Peter Thiel ging und geht seinen nicht immer einfachen, mitunter auch etwas verschlungenen Weg weiter, getreu dem Motto: Die Hunde bellen, die Karawane zieht ihren Weg. 

 

Heutigentags kennt man die Einschränkung der Meinungsfreiheit eher aus Ländern wie z.B. der Türkei oder Weißrussland und man wundert sich, dass die Verhältnisse in diesen Ländern und Deutschland sich mitunter näher zu sein scheinen, als man bisher glauben wollte.

 

16.12.2005

Eine Frage der türkischen Ehre

Vor dem Gesetz: Heute beginnt in Istanbul der Strafprozess gegen den Schriftsteller Orhan Pamuk

Von Thomas Seibert

Er wolle endlich wieder an seinen Schreibtisch zurück, hat Orhan Pamuk vor Beginn seines Gerichtsprozesses in Istanbul gesagt. Der wichtigste zeitgenössische Schriftsteller der Türkei arbeitet an einem neuen Buch. Eine Liebesgeschichte soll es werden, Ende nächsten Jahres soll sie auf dem Markt sein. Der Strafprozess, der an diesem Freitag vor dem Amtsgericht im Istanbuler Stadtteil Sisli beginnt, hat Pamuk ins Scheinwerferlicht der internationalen Politik gerückt. Sein Fall ist zum Symbol der Auseinandersetzung zwischen Reformern und Nationalisten in der Türkei geworden. Der Streit wird von der EU genau beobachtet, und er wird auch dann noch nicht beendet sein, wenn Pamuk, wie allgemein erwartet wird, dem Gefängnis entgeht. Dem Gesetz nach drohen ihm bis zu drei Jahre Haft.

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http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/16.12.2005/2239579.asp

 

 

 

Nun geht es in Deutschland zugegebenermaßen noch nicht ganz so komfortabel wie in der Türkei zu, man kennt in Deutschland derzeit noch kein Gesetz der Art „Beleidigung des Türkentums, Verunglimpfung der Republik, der Regierung, des Parlaments, der Justiz, der Armee und der Polizei" dass renitente Zeitgenossen unter Strafe stellt. Zugegebener Maßen gab es dass in Deutschland aber von 1933 bis 1945 schon einmal, was uns zeigt, dass Deutschland früher kein Musterländle war und die Deutschen sich in der Vergangenheit recht anfällig für totalitäres Gedankengut zeigen. Was damals war, kann kann auch heute in Deutschland wider werden und dann braucht es auch nicht des umständlichen gerichtlichen Rückgriffs auf das Urheberrecht von Gutachtern, um die Meinungsfreiheit in den staatlichen Würgegriff zu bekommen.

 

Man mag am Amtsgericht Charlottenburg Probleme mit der Meinungsfreiheit haben, so dass man meint, diese mit der Krücke des Urheberechts erschlagen zu müssen, gottlob scheint das anderenorts auch anders zu gehen, so dass man nicht völlig meinen muss, der demokratische Rechtsstaat wäre zu Gunsten des oligarchischen Richterstaates abgeschafft.

Vergleiche hierzu:

Rüthers, Bernd: "Methodenrealismus in Jurisprudenz und Justiz"; In: "Juristenzeitung", 2006, Heft 2, S. 53

 

 

 

Kritik an Ahmadiyya rechtens

SIEG FÜR MEINUNGSFREIHEIT UND TOLERANZ

Der Versuch der Ahmadiyya-Sekte, Kritiker mit Hilfe deutscher Gerichte mundtot zu machen, ist ein weiteres mal gescheitert. Damit dürfen sachlich begründete "Parallelen zu nationalsozialistischem Gedankengut beziehungsweise mafiosen Strukturen" der Ahmadiyya gezogen sowie deren Standard-Behauptungen mit wissenschaftlichen Methoden widerlegt werden. Das ist auch ein Sieg für die Toleranz, die keine Einbahnstrasse sein kann, sondern auch für Ahmadiyya gilt.

 

Das Schreiben der Staatsanwaltschaft im Wortlaut:

______________________________________

Staatsanwaltschaft beim Landgericht Frankfurt am Main

7.2.2003 - Az.: 6100 Js 239185/02

Das Ermittlungsverfahren gegen Dr. Hiltrud SCHRÖTER

wegen Verdachts der Beschimpfung von Bekenntnissen pp. gem. § 166 StGB (Strafanzeige des Ahmadiyya Muslim Jamaat e.V. in Frankfurt am Main vom 24.9.2002)

wird eingestellt

Gründe:

Die als pädagogische Mitarbeiterin an der Universität Frankfurt am Main tätige Beschuldigte befasst sich in ihren wissenschaftlichen Arbeiten u.a. auch mit dem Anzeigeerstatter und dem von ihm vertretenen religiösen Inhalten und hat in diesem Zusammenhang auch verschiedene Schriften veröffentlicht.

Gegenstand der Strafanzeige ist einmal der Inhalt des am 22.2.2002 in Schlüchtern anlässlich eines Vortrags verteilten Thesenpapiers "Ahmadiyya-Bewegung des Islam" sowie des am 15.3.2002 im Verlag Hänsel-Hohenhausen erschienenen gleichnamigen Buches. Die Beschuldigte setzt sich hierin in wissenschaftlicher Form mit den Inhalten der Religionsgesellschaft auseinander und zieht - nach Darstellung entsprechender Zitate - unter anderem Parallelen zu nationalsozialistischem Gedankengut beziehungsweise mafiosen Strukturen.

Entgegen der Ansicht des Anzeigeerstatters liegt hierin kein "Beschimpfen" im Sinne von § 166 StGB. Hierfür reicht weder eine ablehnende Haltung noch eine scharfe Kritik aus. Durch die von der Beschuldigten herausgestellten und sodann bewerteten einzelnen Aussagen unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt wesentlich von dem der Entscheidung des OLG Celle vom 8.10.1985 zugrundeliegenden (NJW 1986,1275, 1276). Der Beschuldigten geht es, wie in den Texten ohne weiteres erkennbar wird, um eine Auseinandersetzung in der Sache, die auch mit harten Formulierungen geführt werden darf, zumal die Thematik gegenwärtig von besonderem öffentlichen Interesse ist (Stichwort: "lslamismus"). Auch der Anzeigeerstatter scheint dies letztlich so zu sehen, wie die ins Internet gestellte "Entgegnung" seines Sprechers Hübsch zeigt.

(Oberstaatsanwalt Claude)

 

3.

http://www.pro-schluechtern.de/texte/schroeter/

 

 

http://de.wikipedia.org/wiki/Ahmadiyya

 

 

 

 

Die Tätigkeit von Gutachtern, die ihrerseits als Helfer des Richters als dem zuständigen Vertreter der staatlichen Rechtspflege und damit letztlich im öffentlichen Auftrag tätig sind, ist jahrzehntelang faktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit gelaufen. Öffentlich Kritik zu äußern traute sich bisher kaum jemand. Die Betroffenen nicht, weil sie, wohl nicht zu Unrecht, negative Folgen im Gerichtsverfahren befürchteten, die progressiven Fachkräfte, von denen eine solche Kritik hätte kommen können, nicht, weil sie wohl zu recht oder unrecht seitens ihrer konformeren Kollegen den Vorwurf der Nestbeschmutzung befürchteten oder auch Angst vor dem Versuch rechtlicher Sanktionierungen seitens der kritisierten Gutachter hatten. Dass eine solche Angst nicht völlig unbegründet ist, zeigt der Fall des Autors dieser Internetseite, der von dem sich kritisiert fühlenden Gutachter W. unter dem offenkundig damit in keinem sachlichen Zusammenhang damit stehenden Deckmantel des Urheberrechts verklagt wurde. Ob solche Attacken auf die Dauer Erfolg haben werden, wird man sehen müssen. Es wäre allerdings für den Rechtsstaat und die Demokratie sehr fatal, wenn sich solche Rechtsauffassungen in Deutschland durchsetzen würden.

  

Es gab und gibt zwar veröffentlichte Aufsätze in Fachzeitschriften zum Thema Gutachten, die aber letztlich nur wenig Einblick in konkrete kritikwürdige Zustände der Tätigkeit von Gutachtern geben. Eine der wenigen löblichen Ausnahmen war und ist Uwe-Jörg Jopt, Professor an der Universität Bielefeld, der bereits 1992 in seinem Buch "Im Namen des Kindes. Plädoyer für die Abschaffung des alleinigen Sorgerechtes" den etablierten selektionsorientiert arbeitenden Gutachtern empfindlich auf die Zehen getreten ist. Dass sich in der Bundesrepublik Deutschland die Geheimniskrämeratmosphäre für Gutachter so lange Zeit fast unangefochten gehalten hat - man fühlt sich an die Meinungsunfreiheit in der DDR erinnert - dürfte auch dem nachwirkenden Zeitgeist  der 1945 zusammengebrochenen nationalsozialistischen Diktatur und dem fortwirkenden Zeitgeist der 50er Jahre (Unter den Talaren, Muff von Tausend Jahren) geschuldet sein.

 

"Meinungs- und Pressefreiheit haben für die Entfaltung des Einzelnen und die Festigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung seit je her ein besonderes Gewicht. ...

Zu den schwierigsten Problemen des Presse- und Äußerungsrechts gehört die Auslegung inkriminierter Äußerungen und deren Zuordnung zu den Bereichen der Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung. Bereits auf dieser Stufe ist dem Grundrecht der Meinungsfreiheit Geltung zu verschaffen. Die Auslegung einer Äußerung durch die Fachgerichte unterliegt daher der uneingeschränkten Überprüfung durch das BVerfG. Nach den von ihm aufgestellten Grundsätzen ist eine Aussage im Zweifel als Meinungsäußerung einzustufen; das gilt insbesondere dann, wenn sich tatsächliche und wertende Elemente in ihr untrennbar miteinander vermischen."

Soehring, Jörg; Seelmann-Eggebert: "Die Entwicklung des Presse- und Äußerungsrechts in den Jahren 2000 bis 2004", In: "Neue Juristische Wochenschrift", 9/2005, S. 571/572-573

 

 

 

 

"... kommt der auch durch Art. 5 I GG geschützten Freiheit der Meinungsäußerung, der Presse- und der Rundfunkfreiheit ein hoher Rang zu. Dies hat das BVerGE seit jeher betont (...). Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Bedeutung umfassender und wahrheitsgemäßer Informationen der Bürger, welche namentlich der Presse und dem Rundfunk obliegt und Grundvoraussetzung des Prozesses demokratischer Meinungs- und Willensbildung ist. Information und Meinungsfreiheit gewinnen bei einem Konflikt mit anderen Rechtsgütern besonderes Gewicht, wenn sie Angelegenheiten betreffen, welche die Öffentlichkeit wesentlich berühren (vgl. ...)."

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3.12.1986 - 1 BvL 15/84

veröffentlicht in "NJW", 1986, Heft 19

 

 

 

Das Recht auf freie Meinungsäußerung erlaubt auch, dass jemand Gewalt gegen Kinder in der familiären Erziehung für legitim hält und dies auch öffentlich bekundet. Dieses Recht auf freie Meinungsäußerung gilt natürlich auch für Generalstaatsanwälte. 

 

"Klaps-Ermittlungen eingestellt

Berlin- Das Ermittlungsverfahren gegen Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge wegen umstrittener Äußerungen zur Kindererziehung ist eingestellt - kein Verdacht einer Straftat. Karge hatte auf einer CDU-Veranstaltung gesagt, in der Familienerziehung lasse er sich einen Klaps nicht verbieten. Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann hatte Karge daraufhin angezeigt. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft habe Karge aber nur seine private Haltung kundgetan und nicht zielgerichtet zu Straftaten aufgefordert."

"BZ", 29.11.2005, S. 8

 

 

 

 

Die Meinungsfreiheit ist verfassungsrechtlich sogar dann geschützt, wenn sie bis an die Grenze der Schmähkritik geht. In den USA soll, soweit zu hören, die Meinungsfreiheit sogar darüber hinaus geschützt sein. Dass dies neben der generellen Frage nach der Diskussionskultur auch konkrete negative Aspekte zur Folge hat, wie die Veröffentlichungen rassistischer und neofaschistischer Webseiten aus den USA zeigen, sei hier angemerkt. 

 

In Deutschland ist es zwar zulässig einen internationalen Konzern als "Jobkiller" zu bezeichnen, nur weil die die Konzernleitung beschlossen hat, einen Standort aufzugeben und der Logik der kapitalistischen Marktwirtschaft folgend ganz legal in einem anderen Land weiterzuproduzieren. 

 

-----Ursprüngliche Nachricht-----

Von: Buendnis 90 / Die Gruenen [mailto:versendung@gruene-berlin.de]

Gesendet: Dienstag, 29. November 2005 15:27

An: Verteiler

Betreff: Samsung Aktion

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

die Firma Samsung Berlin kämpft ums Überleben. Der Konzern will, nachdem er reichlich Fördergelder abgegriffen hat, das Berliner Werk in Oberschöneweide jetzt schließen und nach Ungarn gehen - wahrscheinlich um dort wieder reichlich Förderung zu bekommen.

Anläßlich der Regierungserklärung morgen will die gesamte Belegschaft vor dem Reichstag demonstrieren. Renate Künast wird ein Grußwort halten, die Abgeordnetenhausfraktion wird mit einem Transparent "Samsung - Jobkiller" vorort sein.

Treffpunkt ist Mittwoch, 30.11.2005, 14.00 Uhr, Ebert- Ecke Scheidemannstr. ggü Reichstag.

Wir würden uns freuen, wenn Ihr Euch zahlreich beteiligen würdet. Jeder Arbeitsplatz ist es wert.

Stachlige Grüße

Volker Ratzmann, MdA

Frakionsvorsitzender

 

 

 

Doch einen selektiv arbeitenden Gutachter als "Elternkiller" zu bezeichnen, kann strafrechtliche Verfolgung nach sich ziehen. Das ganze nennt man Schutz des Persönlichkeitsrechtes des betreffenden Gutachters und da Konzerne keine Persönlichkeitsrechte haben, darf man sie im Gegensatz zu natürlichen Personen beschimpfen wie man will. So dürfte es auch nicht strafbar sein, die Firma Degussa in Anspielung an deren Beteiligung an der Verwertung von Gold aus jüdischen Besitz, bzw. den Gebissen der in den KZ`s ermordeten Juden in der NS-Zeit als Zahngoldprofiteur zu bezeichnen.

 

 

"Für kritische Wirtschaftsberichtserstattung gelten keine Besonderheiten. Insbesondere ist auch die kritische Bewertung eines Unternehmens oder eines Produkts zulässig (161 Vgl. BGH, NJW 2005, 279). So musste ein Mediziner, der unter seinem Namen vertriebene hoch dosierte Vitaminpräparate anpries, sich die Bezeichnung `Scharlatan` und `Pfuscher` gefallen lassen (162 OLG Karlsruhe, NJW-RR, 2002, 1695 = AfP 2002, 533; s. auch BGH, NJW 2002, 1192 = AfP 2002, 169 - Käsevergleich). Nicht zu beanstanden war auch die Bezeichnung zweier für den Strukturvertrieb von Immobilien verantwortlichen Brüder als `Immobilienhaie` und die Beschreibung ihrer Selbstdarstellung als `blanker Hohn` (163 OLG Frankfurt a.M., AfP 2000, 576) oder die Bewertung eines Investoren-Clubs als `Vermögensvernichter` (164 BVerG, NJW-RR, 2004, 1710). Wo aber tatsächliche Bezugspunkte für eine wertende Kritik fehlen, kann auch kritische Produktberichtserstattung bereits unterhalb der Schwelle der Schmähung unzulässig sein."

Soehring, Jörg; Seelmann-Eggebert, Sebastian: "Die Entwicklung des Presse- und  Äußerungsrechts in den Jahren 2000 bis 2004", In: NJW 9/2005, S. 579

 

 

 

Speziell zum Thema Meinungsfreiheit und Justiz äußert der Justizminister des Landes Rheinland/Pfalz Herbert Mertin in einem Interview für die "Zeitschrift für Rechtspolitik":

 

Frage ZRP

"Vor allem Richter waren ja einmal sehr dünnhäutig, wenn sie in den Medien kritisiert wurden. Und wie ist es heute - wie gelassen gehen sie mit Kritik um?

Mertin: ... Die Richterinnen und Richter gewöhnen sich zunehmend an einen offenen und freien Umgang mit den Medien - was schon deshalb beachtlich ist, weil es an keiner juristischen Fakultät ein Unterrichtsfach `Öffentlichkeitsarbeit` gibt. Aber die meisten haben gemerkt, dass ein zeitgemäßes Verständnis von den realen Verhältnissen der heutigen Meinungs- und Mediendemokratie und ein Eingehen darauf unverzichtbar sind. Es ist eine wichtige Aufgabe der Gerichte und Staatsanwaltschaften, ihre Entscheidungen verständlich zu begründen und dann offensiv zu vertreten - gerade auch gegen Kritik. Die verfassungsrechtlich garantierte richterliche Unabhängigkeit schützt sie zwar vor Eingriffen durch die erste und zweite Gewalt. Vor zulässiger Kritik durch die Medien schützt die Verfassung nicht; und sie soll das auch gar nicht. Unabhängige und gefestigte Richterpersönlichkeiten können damit umgehen."

In: "Zeitschrift für Rechtspolitik", 6/2005, S. 205

 

 

Ein interessantes inzwischen schon historisches Beispiel zum Thema Meinungsfreiheit finden wir in einem Nachruf für Ursula Schaar:

 

 

Ursula Schaar

Ein Nachruf von Michael Cramer

 

Ursula Schaar ist tot. Sie starb im Alter von fast 82 Jahren am 28. April 2005. Für die `Alternative Liste für Demokratie und Umweltschutz` (AL), dem Vorläufer von Bündnis 90/Die Grünen, für die sie von 1981-83 in der ersten Abgeordnetenhaus-Fraktion saß - und auch für die GEW-Berlin - repräsentierte Ursula Schaar die zahlenmäßig sehr kleine Eltern-Generation der aufmüpfigen 68er Bewegung.

Die vorgezogenen Neuwahlen vom Mai 1981 haben die politische Landschaft in West-Berlin gewaltig verändert. Die durch den sprichwörtlich gewordenen `roten Filz` und zahlreiche Skandale (u.a. Garski-Skandal) arg gebeutelte SPD musste den Wahltermin akzeptieren, weil CDU und AL ein entsprechendes Bürgerbegehren initiierten. Die SPD befand sich nach jahrzehntelanger Regierungsbeteiligung erstmals auf den Oppositionsbänken wieder. Die AL übersprang mit 7,2 % souverän die 5 %-Hürde und zog mit neun Abgeordneten erstmals ins Berliner Abgeordnetenhaus ein.

Der neue Regierende Bürgermeister hieß Richard von Weizsäcker, aus Rheinland-Pfalz brachte er Hanna-Renate Laurin als neue Schulsenatorin mit. Ursula Schaar stand ihrer gleichaltrigen Kombattantin an Lebenserfahrung um nichts nach; was die Schulpraxis in einem Nordneuköllner multikulturellen Bezirk betraf, hatte sie natürlich große Vorteile, die sie für die benachteiligten Kinder in der Berliner Schule sehr gut zu nutzen verstand.

`Mit und gegen den Strom´ war das von ihr selbst gewählte Motto ihres Lebens. Das galt für die SPD, die GEW Berlin und auch für die Grünen. Sie stritt mit uns gegen die von der SPD zu verantwortenden Berufsverbote und Unvereinbarkeitsbeschlüsse, gegen den Napalm-Krieg der USA in Vietnam. Sie unterstützte die Hausbesetzerbewegung, die sich nach dem Motto `Instand besetzen statt Kaputtbesitzen` für eine andere Wohnungspolitik einsetzte.

Sie stritt auch für `Atomkraft? - Nein Danke!` Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie wir als Neuköllner SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen nach Bonn zur großen Anti-AKW-Demo am 14. Oktober 1979 fuhren und in meiner Heimatstadt Ennepetal übernachteten. Nur so war es zu Mauerzeiten möglich, von West-Berlin aus rechtzeitig zum Demo-Beginn zu kommen. An dieser Demonstration nahmen übrigens mehr als 100 000 Demonstrantlnnen teil.

Die Menschenrechte - insbesondere das Recht auf freie Meinungsäußerung - verteidigte sie, auch und gerade wenn sie die Meinung der anderen nicht teilte. In der `Liga für Menschenrechte fand sie einen weiteren Rahmen für ihr Engagement. Beim Einfordern von demokratischen Freiheiten blieb sie `zweiäugig“ - in der DDR und Osteuropa fand sie nur die Dissidenten interessant.

Als die GEW Berlin 1977 aus der GEW Bund und aus dem DBG rausgeschmissen wurde, weil sie sich als Einheitsgewerkschaft und nicht als sozialdemokratische Richtungsgewerkschaft verstand, blieb Ursula Schaar nicht in der GEW Berlin, sondern trat in die neu gegründete GEW im DGB ein. Es muss ihr schwer gefallen sein, denn inhaltlich vertrat sie die Position der GEW Berlin im Kampf gegen alle von Unvereinbarkeitsbeschlüssen und Berufsverboten Betroffenen, unabhängig von ihrer parteipolitischen Zuordnung. Und gerade in ihrem `Heimatbezirk` Neukölln, der sich durch den rechtssozialdemokratischen Volksbildungsstadtrat Böhm zur Hochburg der Berufsverbote entwickelt hatte, wurde in dieser Frage sehr kontrovers diskutiert.

Nach der 1979 erfolgten Fusion der gespaltenen GEW Berlin wurde sie per Urabstimmung in Neukölln zur Bezirksvorsitzenden gewählt. Sie hatte die Fähigkeit, uns aufbrausende und freche Youngsters gewähren zu lassen und uns Schutz zu geben. Niemals werde ich vergessen, wie der Stadtrat in den Gesprächen mit der Bezirksleitung immer wieder versuchte, Ursula Schaar auf seine Seite zu ziehen. Niemals ist ihm das gelungen. Wie eine Glucke ihre Küken, so beschützte sie uns immer wieder vor den Drohgebärden dieses Stadtrats.

Es waren bewegte Zeiten und Ursula ging zusammen mit der Bezirksleitung voller Elan und nach dem Motto `freche Lehrer jammern nicht` an die Arbeit. Die Bezirksinfos wurden herausgegeben, die Missstände an der Neuköllner Schule publik gemacht und die Beschränkung der Meinungsfreiheit öffentlich artikuliert. Neben dem Einsatz für bessere Bedingungen der benachteiligten Schüler waren die Themen auch immer wieder die politischen Disziplinierungs- und Einschüchterungsversuche durch den Stadtrat. Auch der Kampf gegen das `Plakettenverbot` hatte in Neukölln seine Urheberschaft. KollegInnen der 9. Sonderschule weigerten sich, bei einem Stadtratsbesuch die Plakette `Atomkraft? -Nein Danke!` abzunehmen und wurden mit einem Plakettenverbot belegt. Die von den KollegInnen dagegen angestrengte Klage war erfolgreich: Der damalige Arbeitsrichter Peter Strieder entschied zugunsten der Meinungsfreiheit, der liberale Schulsenator Walter Rasch akzeptierte diese erstinstanzliche Entscheidung.

Den größten Erfolg verzeichnete die GEW Neukölln aber im Juni 1980 mit der Herausgabe der Broschüre `Schwarzbuch Böhm - dieser Stadtrat muss weg`. In nicht weniger als 16 Fällen hing das Damoklesschwert vom Berufsverbot über Neuköllner Kolleginnen und Kollegen. Als 1. Vorsitzende übernahm Ursula Schaar die Verantwortung zusammen mit ihren Vorstandsmitgliedern. Das Bezirksamt stellte Strafantrag und das Amtsgericht Tiergarten verurteilte die Herausgeber zu einer Geldstrafe von mehr als 30 000 DM. Daraufhin haben sich 200 Neuköllner LehrerInnen solidarisch und öffentlich zur Herausgabe des Schwarzbuchs bekannt.

Die Berufungsverhandlung wurde ein voller Erfolg für die GEW Neukölln. Der Richter stellte das Verfahren gegen eine Geldbuße von 50 DM für das Berliner Frauenhaus ein, worin die Presse eine schallende Ohrfeige für den Stadtrat und die ihn bis zuletzt stützende SPD sah. Erst nach diesem peinlichen Verfahren erklärte der Stadtrat in den nach dem Scheitern des Stobbe-Senats notwendig gewordenen vorgezogenen Neuwahlen, dass er nicht wieder kandidieren würde. Stadtrat Böhm trat ab und Ursula Schaar zog als schulpolitische Sprecherin für die AL ins Abgeordnetenhaus ein.

 

...

 

aus: "Stachlige Argumente" - Zeitschrift von Bündnis 90 / Die Grünen; 4/2005, S. 46-47

 

 

 

 

 

 

Anmerkung zum Thema "Berechtigtes Interesse"

 

Im Zusammenhang mit der Meinungs- und Informationsfreiheit wird gelegentlich die Meinung vertreten, dass die Öffentlichkeit nicht immer ein Recht darauf hätte, wahre Mitteilungen über eine Person zu erfahren,

"sondern nur solche, an deren Kenntnisnahme die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse hat."

Kammergericht, Urteil vom 28.04.1987 - 9 U 1052/87 (NJW 1989, 397)

 

 

Wer bestimmt nun aber darüber, wann die Öffentlichkeit ein "berechtigtes Interesse" hat und wann nicht? Darüber soll offenbar nach Ansicht des Berliner Kammergerichtes - das ist das für Berlin zuständige Oberlandesgericht - nicht die Öffentlichkeit selbst bestimmen, sondern das Kammergericht, das sich so in einer Art Zensurbehörde zu gefallen scheint.

Das Kammergericht obliegt es in dieser Lesart letztlich, festzustellen, ob es ein öffentliches Interesse gäbe oder nicht. Damit zieht Richterwillkür in die Demokratie ein. Alle großen öffentlich bekannt werdenden Skandale fangen in der Regel damit an, dass es jemanden gibt, der an einer Verschleierung bestimmter Zustände Interesse hat und jemanden, der - aus welchen Gründen auch immer - an einer Aufdeckung Interesse hat. Denken wir hier nur an den Berliner Bankenskandal. Mit der Definition des Kammergerichtes versehen, hängt es also vom Berliner Kammergericht ab, ob die Öffentlichkeit etwas vom Bankenskandal erfahren kann oder nicht. So etwas nannte man früher Zensur und man fragt sich, ob das Berliner Kammergericht im Jahr 1987 der damals noch existierenden DDR, in der die SED über die Interessen ihrer Bürgerinnen und Bürger zu bestimmen versuchte, seine Aufwartung machen wollte.

Wenn solches die Oberhand gewinnen sollte, wären wir wieder bei den Zuständen im Jahr 1842 angelangt, über die Karl Marx in seinen "Debatten über Preßfreiheit und Publikation der Landständischen Verhandlungen" schrieb:

 

 

Karl Marx

Debatten über Preßfreiheit und Publikation der Landständischen Verhandlungen

Von einem Rheinländer

Fünfter Artikel

 

|60| Wir haben gezeigt, wie das Preßgesetz ein Recht und das Zensurgesetz ein Unrecht ist. Die Zensur gesteht aber selbst, daß sie kein Selbstzweck, daß sie nichts an und für sich Gutes sei, daß sie also auf dem Prinzip beruht: »Der Zweck heiligt die Mittel.« Aber ein Zweck, der unheiliger Mittel bedarf, ist kein heiliger Zweck, und könnte nicht auch die Presse den Grundsatz adoptieren und pochen: »Der Zweck heiligt die Mittel«?

Das Zensurgesetz ist also kein Gesetz, sondern eine Polizeimaßregel, aber sie ist selbst eine schlechte Polizeimaßregel, denn sie erreicht nicht, was sie will, und sie will nicht, was sie erreicht.

Will das Zensurgesetz der Freiheit als einem Mißliebigen prävenieren, so erfolgt gerade das Gegenteil. Im Lande der Zensur ist jede verbotene, d.h. ohne Zensur gedruckte Schrift eine Begebenheit. Sie gilt als Märtyrer, und kein Märtyrer ohne Heiligenschein und ohne Gläubige. Sie gilt als Ausnahme, und wenn die Freiheit nie aufhören kann, dem Menschen wert zu sein, um so mehr die Ausnahme von der allgemeinen Unfreiheit. Jedes Mysterium besticht. Wo die öffentliche Meinung sich selbst ein Mysterium ist, ist sie von vornherein bestochen durch jede Schrift, die formell die mystischen Schranken durchbricht. Die Zensur macht jede verbotene Schrift, sei sie schlecht oder gut, zu einer außerordentlichen Schrift, während die Preßfreiheit jeder Schrift das materiell Imposante raubt.

Meint es aber die Zensur ehrlich, so will sie die Willkür verhüten und macht die Willkür zum Gesetz. Sie kann keiner Gefahr vorbeugen, die größer wäre als sie selbst. Die Lebensgefahr für jedes Wesen besteht darin, sich selbst zu verlieren. Die Unfreiheit ist daher die eigentliche Todesgefahr für den Menschen. Einstweilen, von den sittlichen Konsequenzen abgesehen, so bedenkt, daß ihr die Vorzüge der freien Presse nicht genießen könnt, ohne ihre Unbequemlichkeiten zu tolerieren. Ihr könnt die Rose nicht pflücken ohne ihre Dornen! Und was verliert ihr an der freien Presse?

Die freie Presse ist das überall offene Auge des Volksgeistes, das verkörperte Vertrauen eines Volkes zu sich selbst, das sprechende Band, das den Einzelnen mit dem Staat und der Welt verknüpft, die inkorporierte Kultur, welche die materiellen Kämpfe zu geistigen Kämpfen verklärt und ihre rohe stoffliche Gestalt idealisiert. Sie ist die rücksichtslose Beichte eines Volkes vor sich selbst, und bekanntlich ist die Kraft des Bekenntnisses erlösend.

|61| Sie ist der geistige Spiegel, in dem ein Volk sich selbst erblickt, und Selbstbeschauung ist die erste Bedingung der Weisheit. Sie ist der Staatsgeist, der sich in jede Hütte kolportieren läßt, wohlfeiler als materielles Gas. Sie ist allseitig, allgegenwärtig, allwissend. Sie ist die ideale Welt, die stets aus der wirklichen quillt und, ein immer reicherer Geist, neu beseelend in sie zurückströmt.

Der Verlauf der Darstellung hat gezeigt, daß Zensur und Preßgesetz verschieden sind, wie Willkür und Freiheit, wie formelles Gesetz und wirkliches Gesetz. Was aber vom Wesen gilt, gilt auch von der Erscheinung. Was vom Recht beider gilt, das gilt von ihrer Anwendung. So verschieden Preßgesetz und Zensurgesetz, so verschieden ist die Stellung des Richters zur Presse und die Stellung des Zensors.

Unser Redner allerdings, dessen Augen zum Himmel gerichtet sind, sieht tief unter sich die Erde als einen verächtlichen Staubhügel, und so weiß er von allen Blumen nichts zu sagen, als daß sie bestaubt sind. So sieht er auch hier nur zwei Maßregeln, die in ihrer Anwendung gleich willkürlich sind, denn Willkür sei Handeln nach individueller Auffassung, individuelle Auffassung sei von geistigen Dingen nicht zu trennen etc. etc. Wenn die Auffassung geistiger Dinge individuell ist, welches Recht hat eine geistige Ansicht vor der anderen, die Meinung des Zensors vor der Meinung des Schriftstellers? Aber wir verstehen den Redner. Er macht den denkwürdigen Umweg, Zensur und Preßgesetz beide in ihrer Anwendung als rechtlos zu schildern, um das Recht der Zensur zu beweisen, denn da er alles Weltliche als unvollkommen weiß, so bleibt ihm nur die eine Frage, ob die Willkür auf Seite des Volkes oder auf Seite der Regierung stehen soll.

Seine Mystik schlägt in die Libertinage um, Gesetz und Willkür auf eine Stufe zu stellen und nur formellen Unterschied zu sehen, wo es sich um sittliche und rechtliche Gegensätze handelt, denn er polemisiert nicht gegen das Preßgesetz, er polemisiert gegen das Gesetz. Oder gibt es irgendein Gesetz, das die Notwendigkeit in sich trägt, daß es in jedem einzelnen Falle im Sinne des Gesetzgebers angewendet werden muß und jede Willkür absolut ausgeschlossen ist? Es gehört eine unglaubliche Kühnheit dazu, eine solche sinnlose Aufgabe den Stein der Weisen zu nennen, da nur die extremste Unwissenheit sie stellen kann. Das Gesetz ist allgemein. Der Fall, der nach dem Gesetze bestimmt werden soll, ist einzeln. Das Einzelne unter das Allgemeine zu subsumieren, dazu gehört ein Urteil. Das Urteil ist problematisch. Auch der Richter gehört zum Gesetz. Wenn die Gesetze sich selbst anwendeten, dann wären die Gerichte überflüssig.

|62| Aber alles Menschliche ist unvollkommen! Also: Edite, bibite! |Eßt und trinkt! (Aus einem deutschen Studentenlied)| Warum verlangt ihr Richter, da Richter Menschen sind? Warum verlangt ihr Gesetze, da Gesetze nur von Menschen exekutiert werden können und alle menschlichen Exekution unvollkommen ist? Überlaßt euch doch dem guten Willen der Vorgesetzten! Die rheinische Justiz ist unvollkommen wie die türkische! Also: Ebite, bibite!

Welch ein Unterschied zwischen einem Richter und einem Zensor!

Der Zensor hat kein Gesetz als seinen Vorgesetzten. Der Richter hat keinen Vorgesetzten als das Gesetz. Aber der Richter hat die Pflicht, das Gesetz für die Anwendung des einzelnen Falles zu interpretieren, wie er es nach gewissenhafter Prüfung versteht; der Zensor hat die Pflicht, das Gesetz zu verstehen, wie es ihm für den einzelnen Fall offiziell interpretiert wird. Der unabhängige Richter gehört weder mir noch der Regierung. Der abhängige Zensor ist selbst Regierungsglied. Bei dem Richter tritt höchstens die Unzuverlässigkeit einer einzelnen Vernunft, bei dem Zensor die Unzuverlässigkeit eines einzelnen Charakters ein. Vor den Richter wird ein bestimmtes Preßvergehen, vor den Zensor wird der Geist der Presse gestellt. Der Richter beurteilt meine Tat nach einem bestimmten Gesetz; der Zensor bestraft nicht allein die Verbrechen, er macht sie auch. Wenn ich vor Gericht gestellt werde, so klagt man mich der Übertretung eines vorhandenen Gesetzes an, und wo ein Gesetz verletzt werden soll, muß es doch vorhanden sein. Wo kein Preßgesetz vorhanden ist, kann kein Gesetz von der Presse verletzt werden. Die Zensur klagt mich nicht der Verletzung eines vorhandenen Gesetzes an. Sie verurteilt meine Meinung, weil sie nicht die Meinung des Zensors und seiner Vorgesetzten ist. Meine offene Tat, die sich der Welt und ihrem Urteil, dem Staat und seinem Gesetz preisgeben will, wird gerichtet von einer versteckten, nur negativen Macht, die sich nicht als Gesetz zu konstituieren weiß, die das Licht des Tages scheut, die an keine allgemeinen Prinzipien gebunden ist.

Ein Zensurgesetz ist eine Unmöglichkeit, weil es nicht Vergehen, sondern Meinungen strafen will, weil es nichts anderes sein kann als der formulierte Zensor, weil kein Staat den Mut hat, in gesetzlichen allgemeinen Bestimmungen auszusprechen, was er durch das Organ des Zensors faktisch ausüben kann. Darum wird auch die Handhabung der Zensur nicht den Gerichten, sondern der Polizei überwiesen.

Selbst wenn die Zensur faktisch dasselbe wäre als die Justiz, so bleibt dies erstens ein Faktum, ohne eine Notwendigkeit zu sein. Dann aber gehört |63| zur Freiheit nicht nur was, sondern ebensosehr, wie ich lebe, nicht nur, daß ich das Freie tue, sondern auch, daß ich es frei tue. Was unterschiede sonst den Baumeister vom Biber, wenn nicht, daß der Biber ein Baumeister mit einem Fell, und der Baumeister ein Biber ohne Fell wäre?

Unser Redner kömmt zum Überfluß noch einmal auf die Wirkungen der Preßfreiheit in den Ländern, wo sie wirklich existiert, zurück. Da wir dies Thema schon weitläufig abgesungen, so berühren wir hier nur noch die französische Presse. Abgesehen davon, daß die Mängel der französischen Presse die Mängel der französischen Nation sind, so finden wir das Übel nicht, wo der Redner es sucht. Die französische Presse ist nicht zu frei; sie ist nicht frei genug. Sie unterliegt zwar keiner geistigen Zensur, aber sie unterliegt einer materiellen Zensur, den hohen Geldkautionen. Sie wirkt daher materiell, eben weil sie aus ihrer wahren Sphäre in die Sphäre der großen Handelsspekulationen hineingezogen wird. Zudem gehören zu großen Handelsspekulationen große Städte. Die französische Presse konzentriert sich daher auf wenige Punkte, und wenn die materielle Kraft, auf wenig Punkte konzentriert, dämonisch wirkt, wie nicht die geistige?

Wenn ihr aber durchaus die Preßfreiheit nicht nach ihrer Idee, sondern nach ihrer historischen Existenz beurteilen wollt, warum sucht ihr sie nicht da auf, wo sie historisch existiert? Die Naturforscher suchen durch Experimente ein Naturphänomen in seinen reinsten Bedingungen darzustellen. Ihr bedürft keiner Experimente. Ihr findet das Naturphänomen der Preßfreiheit in Nordamerika in seinen reinsten, naturgemäßesten Formen. Wenn aber Nordamerika große historische Grundlagen der Preßfreiheit hat, so hat Deutschland noch größere. Die Literatur und die damit verwachsene geistige Bildung eines Volkes sind doch wohl nicht nur die direkten historischen Grundlagen der Presse, sondern ihre Historie selbst. Und welches Volk in der Welt kann sich dieser unmittelbarsten historischen Grundlagen der Preßfreiheit rühmen, wie das deutsche Volk?

Aber, fällt unser Redner wieder ein, aber wehe um Deutschlands Moralität, wenn seine Presse frei würde, denn die Preßfreiheit bewirkt »eine innere Demoralisation, die den Glauben an eine höhere Bestimmung des Menschen und mit ihr die Grundlage wahrer Zivilisation zu untergraben suche«.

Demoralisierend wirkt die zensierte Presse. Das potenzierte Laster, die Heuchelei, ist unzertrennlich von ihr, und aus diesem ihrem Grundlaster fließen alle ihre anderen Gebrechen, denen sogar die Anlage zur Tugend fehlt, ihre, selbst ästhetisch betrachtet, ekelhaften Laster der Passivität. Die Regierung hört nur ihre eigene Stimme, sie weiß, daß sie nur ihre eigene Stimme hört und fixiert sich dennoch in der Täuschung, die Volksstimme zu |64| hören, und verlangt ebenso vom Volke, daß es sich diese Täuschung fixiere. Das Volk seinerseits versinkt daher teils in politischen Aberglauben, teils in politischen Unglauben, oder, ganz vom Staatsleben abgewendet, wird es Privatpöbel.

Indem die Presse jeden Tag von den Schöpfungen des Regierungswillens rühmt, was Gott selbst erst am sechsten Tag von seiner eigenen Schöpfung sagte: »Und siehe da, es war alles gut«, indem aber notwendig ein Tag dem anderen widerspricht, so lügt die Presse beständig und muß sogar das Bewußtsein der Lüge verleugnen und die Scham von sich abtun.

Indem das Volk freie Schriften als gesetzlos betrachten muß, so gewöhnt es sich, das Gesetzlose als frei, die Freiheit als gesetzlos und das Gesetzliche als das Unfreie zu betrachten. So tötet die Zensur den Staatsgeist.

...

 

Karl Marx/ Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 1. Berlin/DDR. 1976. S. 28-77.

 

http://www.mlwerke.de/me/me01/me01_060.htm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Satire, Schmähungen, Schmähkritik, Beleidigung

 

In Deutschland gilt das Recht auf Satire - aber nur gegenüber dem polnischen Nachbarn, wenn dieser zufällig eine Kartoffelnase hat.

 

 

Deutsch-polnische Beziehungen

Warnung aus Warschau

Ein Kommentar von Harald Martenstein

 

Das polnische Volk hat jetzt vor allem Solidarität verdient. Polen wird ganz offensichtlich von Wahnsinnigen regiert. Diese wurden aufgrund geringer Wahlbeteiligung nur von rund 20 Prozent der Polen gewählt, die Mehrheit der Polen kann nichts dafür. Die oppositionellen Polen haben ihrem Ministerpräsidenten übrigens den Spitznamen „Stalin“ gegeben. „Stalin“, der sich über die deutschen Medien ärgert, speziell eine Karikatur im Tagesspiegel, äußerte sich dieser Tage folgendermaßen: „Ich warne die deutschen Regierenden. Deutschland darf keine Äußerungen tolerieren, die zum Schlimmsten führen können: zu einem Unglück in Europa und damit auch zu einem Unglück, das die Deutschen selbst betreffen wird.“

Ersteres könnte man als Kriegsdrohung verstehen – offen ist nur, ob gegen Deutschland oder gegen den Tagesspiegel. Denn was sonst sollte wohl gemeint sein mit dem „Schlimmsten“? Was ist wohl das „Schlimmste“? Zum ersten Mal seit 1945 droht ein Staat des demokratischen Europa seinem Nachbarn – und Bündnispartner! – verklausuliert mit Gewalt. Wegen einer Karikatur! Ist das schon Irrsinn, Herr Doktor, oder geht das noch als Dummheit durch? Der Deutschen-, Liberalen-, Schwulen- und Krankenschwesternhasser Jaroslaw Kaczynski (die polnischen Schwestern streiken zur Zeit) ist mental einfach nicht in der Lage zu begreifen, was eine freie Presse ist. Er verlangt, dass in Deutschland die Zensur wiedereingeführt wird, dass verboten wird, ihn zu verspotten. Genau dies gehört aber zum Wesen der Demokratie, die Herrschenden müssen Spott ertragen, auch grenzüberschreitend. Was hat George W. Bush in allen möglichen Ländern nicht alles wegstecken müssen! König Kartoffel aber denkt wie die fanatischen Muslime. Polen ist der Iran Europas, regiert von Fundamentalisten, die Drohungen ausstoßen.

Die Antwort kann nur heißen: mehr Spott. Demokratie muss man eben lernen. Was die deutsche Kriegsschuld betrifft, die in Deutschland Schulstoff ist und jeden Tag im Fernsehen vorkommt, so dient sie der gekränkt explodierenden und dabei Schwaden von Vorurteil, Wirrnis und Dumpfheit freilassenden Königskartoffel von Warschau nur dazu, Vorteile herauszuschlagen. Als Nächstes werden sie verlangen, dass Miroslav Klose und Lukas Podolski bei der nächsten EM für Polen Fußball spielen, dass alle Klaus-Kinski-Filme als „polnisch“ gewertet werden und dass wir ihnen, damit Jaroslaw endlich eine Braut hat, Katja Ebstein ausliefern, die in Wahrheit Karin Witkiewicz heißt. Vor allem das Letztere wird Deutschland nie zulassen.

 

Der Tagesspiegel 29.06.2007

 

http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Titelseite-Polen-Kaczynski-Martenstein;art692,2330200

 

 

 

 

Wer durch das Beispiel des Berliner Tagesspiegels animiert, auf die Idee käme, man könne nun auch in Deutschland ungestraft behaupten, das Land würde von Wahnsinnigen regiert werden und dann vielleicht unbedachter Weise noch Namen nennen würde, sei es der des verstorbenen Jürgen Möllemanns, der amtierenden Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) oder des Vorsitzenden Richters am Bundesverfassungsgericht Hans-Jürgen Papiers, nur weil diese ein recht abenteuerliches und eigentümliches Verständnis vom Grundgesetz zeigten, was in der Privatwirtschaft zu einer sofortigen Versetzung in die Lohnbuchhaltung führen würde, der müsste gewärtigen, dass dafür die zuständige Staatsanwaltschaft kein Verständnis zeigen würde. Die Staatsanwaltschaft mag das nämlich gar nicht, wenn ungekrönte Könige und Königinnen wie z.B. Herr Papier und Frau Zypries  mit Spott bedacht werden. Nächstens kommt noch jemand daher und lästert über die "Schwaden von Vorurteil, Wirrnis und Dumpfheit freilassenden Königskartoffel" aus Karlsruhe. Dass Herr Papier und Frau Zypries sich beißenden Spott über die Jahre redlich verdient haben, zählt im Auge des deutschen Staatsanwaltes nicht. Er ist für die Wahrung der Staatsräson zuständig und diese verbietet es nun mal, einen Verfassungsrichter oder eine Justizministerin zu schmähen, ganz gleich ob sie es brauchen oder nicht. 

 

 

 

 

 

Literatur:

 

Bertram, Günter: "Meinungsfreiheit oder ´political correctness`?", In: "Recht und Politik", S. 1/2005, S. 33-37 

Henrich, Rolf: "Der vormundschaftliche Staat"; Kiepenheuer, Leipzig und Weimar, 1990

Soehring, Jörg; Seelmann-Eggebert: "Die Entwicklung des Presse- und Äußerungsrechts in den Jahren 2000 bis 2004", In: "Neue Juristische Wochenschrift", 9/2005, S. 571--581

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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