Stellungnahme zum 18-seitigen „Psychologischen Sachverständigengutachten“ des Diplom-Psychologen Thomas Busse vom 28.08.2007
Familiensache: X (Mutter) und X (Vater)
Kind: A (Sohn) - geboren: ... .2004
Amtsgericht Heilbronn - Richterin Münch
Geschäftsnummer: 2 F 920/07
Erarbeitung der Stellungnahme durch Peter Thiel
...
Gerichtliche Fragestellung laut Beschluss vom 23.05.2007:
„I. Durch Einholung eines schriftlichen familienpsychologischen Sachverständigengutachtens ist Beweis zu erheben über folgende Fragen:
Entspricht die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das Kind A, geboren am ... .2004
auf den Vater
oder die Mutter
dem Wohl des Kindes am Besten?
II. Mit der Erstattung des Gutachtens wird beauftragt:
Diplom-Psychologe Thomas Busse
...
III: Der Sachverständige wird gebeten auf eine einvernehmliche Regelung der Parteien hinzuwirken soweit dies möglich erscheint.
IV. Dem Verfahren wird von Amts wegen nach Vorliegen des Gutachtens Fortgang gegeben.“
I. Vorbemerkung
Die Beantwortung der gerichtlich gestellten Frage:
„Entspricht die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das Kind A, geboren am ... .2004
auf den Vater
oder die Mutter
dem Wohl des Kindes am besten?“
ist nicht von einem wie auch immer qualifizierten Gutachter zu beantworten, sondern als juristische Frage nach einer eventuellen vom Gericht vorzunehmenden Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes vom erkennenden Gericht selbst zu behandeln und bei Notwendigkeit auch zu entscheiden, nicht aber von einem wie auch immer qualifizierten Gutachter, der als Hilfskraft des Gerichtes nur jene Ermittlungen und Einschätzungen geben soll, die das Gericht auf Grund fehlender eigener Sachkunde nicht selbst erarbeiten kann.
Für die Entscheidung der juristischen Frage, welchem Elternteil bei diesbezüglich vorliegenden Antrag eines oder beider Elternteile möglicherweise nach §1671 BGB das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen wäre, ist die erkennende Richterin qua Amt ausreichend sachkundig, denn sonst wäre sie nicht für das Amt einer Familienrichterin zugelassen, bzw. müsste gegenüber ihrem Dienstvorgesetzten um Entlassung bitten. Darüber hinaus ist die Richterin die einzige, die diese Frage gemäß Verfahrensrecht zu beantworten hat. Weder die verfahrensbeteiligten Eltern oder deren Anwälte, noch ein gegebenenfalls für das Kind bestellter Verfahrenspfleger oder ein als Hilfskraft für das Gericht eingesetzter Gutachter sind für die Beantwortung einer solchen Frage legitimiert.
Somit ist eine nach §1671 BGB möglicherweise zu treffende gerichtliche Entscheidung, einem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen, wenn dies nach Überzeugung des Gerichtes dem Kindeswohl am besten dient, dem Gericht auferlegt, nicht aber durch einen Gutachter zu beantworten. Der beauftragte Gutachter Diplom-Psychologe Thomas Busse hat diese einfache Tatsache offenbar nicht erkannt, obwohl er bei anderer Gelegenheit über sich vorgetragen hat, er habe bisher "etwa 1000 Gutachten" erstellt (Thomas Busse in einer Kostenrechnung vom 09.07.2004 an das Amtsgericht Nürtingen) und an anderer Stelle vorträgt:
„Die Praxis wurde bisher mehr als 1000 Mal von den Amts- Land- und Oberlandesgerichten in 12 Bundesländern mit der Erstellung forensisch-psychologischer Gutachten beauftragt.“
http://www.praxisbusse.de - (Stand 25.02.2007)
wobei Herr Busse mit der Formulierung „die Praxis“ offenbar sich selbst meint, denn eine wie auch immer geartete „Praxis“ kann gerichtlich nicht mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt werden. Das Gericht kann nur natürliche Personen als Gutachter beauftragen.
Wenn man sich jedoch auf die oben kritisch diskutierte Beweisfrage des Gerichtes einlässt, dann sollte man dies auch konsequent und logisch stringent tun. Das Gericht fragte:
„Entspricht die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das Kind A, geboren am ... .2004
auf den Vater
oder die Mutter
dem Wohl des Kindes am besten?“
worauf Diplom-Psychologe Thomas Busse die Antwort gibt:
„Aus psychologischer Sicht entspricht es dem Wohl des Kindes A unter den gegebenen Umständen derzeit am besten, wenn das Aufenthaltsbestimmungsrecht von der M u t t e r ausgeübt wird.
Diese Empfehlung an das Gericht stützt sich im wesentlichen auf die persönlichen Voraussetzungen und Förderungsmöglichkeiten der Eltern des Kindes.“
Gutachten S. 18
Nun hat das Gericht aber nicht gefragt, von welchem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht ausgeübt werden soll, sondern:
„Entspricht die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das Kind ... auf den Vater
oder die Mutter
dem Wohl des Kindes am besten?“
Die Antwort des Gutachters müsste daher korrekterweise so formuliert werden:
Aus psychologischer Sicht entspricht es dem Wohl des Kindes A unter den gegebenen Umständen derzeit am besten, wenn das Aufenthaltsbestimmungsrecht der M u t t e r übertragen wird.
Im übrigen ist der Vortrag des Diplom-Psychologen Thomas Busse:
„Aus psychologischer Sicht entspricht es dem Wohl des Kindes A unter den gegebenen Umständen derzeit am besten, wenn das Aufenthaltsbestimmungsrecht von der M u t t e r ausgeübt wird.
Diese Empfehlung an das Gericht ...“
keine Empfehlung, wie Herr Busse behauptet, sondern eine Tatsachenbehauptung, über deren Zutreffen Herr Busse Beweis antreten müsste, denn anderenfalls könnte man davon ausgehen, dass er dem Gericht eine unbewiesene Behauptung oder gar eine Falschbehauptung vorträgt.
II. Allgemeines
Im Folgenden soll unterstellen werden, der Diplom-Psychologe Thomas Busse hätte dem Gericht formal korrekt mitgeteilt:
Aus psychologischer Sicht entspricht es dem Wohl des Kindes A unter den gegebenen Umständen derzeit am besten, wenn das Aufenthaltsbestimmungsrecht der M u t t e r übertragen wird.
Dieser Vorschlag an das Gericht stützt sich im wesentlichen auf die persönlichen Voraussetzungen und Förderungsmöglichkeiten der Eltern des Kindes.
Erscheint ein solcher Vorschlag an Hand des vorliegenden 18-seitigen Gutachtens überzeugend begründet?
Dass die Mutter, wie der Gutachter selbst vorträgt, am ... .2007 aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist, den Sohn zwar mitnehmen wollte, aber dies, da der Vater hierzu offenbar seine Zustimmung nicht gegeben hat, dies korrekterweise nicht getan hat, zeigt, dass die Mutter bereit war, den Sohn in der Obhut des Vaters zu belassen (Gutachten S. 7). Die Mutter hat auch in der Zeit, in der sie mit dem Vater und dem Sohn noch gemeinsam in häuslicher Gemeinschaft lebt, keinen Regelungsantrag beim Gericht gestellt, obwohl ihr dies möglich gewesen wäre. So stellt sich sicher die Frage, warum sie nachträglich am 28.03.2007 einen Antrag zum Aufenthaltsbestimmungsrecht beim Gericht eingereicht hat? Möglicherweise weil sie die Folgen ihres spontanen Tuns nicht überblickt hat, die durch ihren Auszug aus der gemeinsamen elterlichen Wohnung aufgetreten sind. Dies würde dann die Frage aufwerfen, wie es um ihre mütterliche Erziehungskompetenz bestellt ist, wenn sie sich schon in so grundlegenden Dingen mehr von Emotionen als vom Verstand leiten lässt.
Zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung am 28.08.2007 und erst recht zum jetzigen Zeitpunkt, lebt der Sohn in seinem gewohnten Lebensumfeld, der früheren gemeinschaftlichen Wohnung beider Eltern und wird von seinem Vater betreut. Mit der Mutter hat das Kind Umgangskontakte. Aus Gründen der dem Kindeswohl in aller Regel förderlichen Kontinuität hinsichtlich der Bezugspersonen und seines Lebensumfeldes, sollte ein Wechsel des Kindes aus diesem gewohnten Umfeld in ein anderes in aller Regel nicht stattfinden, es sei denn besondere Umstände würden dies rechtfertigen. Solche Umstände sind für den Unterzeichnenden aber an Hand des Vortrages des Gutachters nicht zu erkennen. Dass der Vater, wie der Gutachter vorträgt hinsichtlich des Umgangs der Mutter mit dem Sohn, eine eigene Meinung hat, ist allein kein Grund für einen Wechsel der Betreuungsperson und des gewohnten Lebensumfeldes, sondern könnte gegebenenfalls für das Gericht Anlass sein, im Wege des nach FGG §12 vorgeschriebenen Amtsermittlungsprinzips tätig zu werden und eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung herbeizuführen.
III. Einzelpunkte
1. Der vom Gericht beauftragte Gutachter hat – so weit zu sehen – ohne Zustimmung des Gerichtes einer nicht autorisierte Person, Frau Diplom-Psychologin Dietl wichtige Teile der Begutachtung übertragen (Gutachten S. 1, 13, 14). In wie weit dies Teile des Gutachtens und darauf folgend womöglich auch das Gutachten insgesamt unbrauchbar macht, wird das Gericht zu bewerten haben.
2. Wie an dem gerichtlichen Beweisbeschluss zu sehen ist, geht das Gericht bei den beiden Eltern und deren Sohn augenscheinlich nicht davon aus, dass das Kindeswohl gefährdet sein könnte, denn sonst hätte das Gericht eine daraufhin formulierte Beweisfrage gestellt. Warum der Gutachter, der die Eltern als „Probanden“ bezeichnet (S. 18), durch seine Angaben im Literaturverzeichnis, das nur zwölf Literaturangaben aufweist, einen Buchtitel "Perversion als Straftat " von E. Schorsch et al., Berlin 1985 und einen Buchtitel "Diagnoseschlüssel und Glossar psychiatrischer Krankheiten" von R. Degkwitz et al., Berlin, 1978, anführt, erscheint dem Unterzeichnenden nicht nachvollziehbar. Weder kann vermutet werden, dass bei den Eltern eine Perversion vorliegt, die in neueren Sprachgebrauch weniger pathologisierend als Paraphilie bezeichnet wird, noch davon ausgegangen werden, dass bei den Eltern pathologisch zu nennende Störungen vorliegen könnten. Auch an Hand des 18-seitigen vom Gutachter als "Psychologisches Sachverständigengutachtens" bezeichnetem schriftlichen Material wird ein solcher Zusammenhang nicht erkennbar. Auch im Hinblick auf die gerichtliche Beweisfrage ist kein Zusammenhang mit dem vom Gutachter angeführten Thema "Perversion als Straftat" zu erkennen.
Wie kann man eine sich hier aufdrängende kognitive Dissonanz zwischen dem Vorliegen eines nichtpsychopathologischen Streites der Eltern bezüglich des Aufenthaltes ihres Sohnes und der offenbar seitens des Gutachters absichtlich oder unabsichtlich eingebrachten Suggestion einer „Perversion“ oder „psychiatrischen Krankheit“ erklären? Tiefenpsychologisch wird angenommen, dass von einem sogenannten Patienten oder Symptomträger – letzteres wäre in unserem Fall Herr Busse - gezeigten Symptome, wie etwa Asthma, Waschzwang, delinquentes Verhalten oder so wie hier Zitierung eines Buches über „Perversionen“, auf tiefer liegende unbewusste Anteile des Patienten oder Symptomträgers hinweisen. Vielleicht will in ähnlicher Weise auch der Diplom-Psychologe Thomas Busse auf einer ihm tiefenpsychologisch unbewussten Ebene etwas von sich erzählen. In einem solchen hypothetischen Fall wäre aber das Familiengericht nicht der richtige Ansprechpartner, denn das Gericht verlangt von einem bestellten Gutachter die Beantwortung einer Beweisfrage, nicht aber die Darstellung eigener unbewusster Seeleninhalte und erst recht nicht deren mögliche Therapie.
Für eine wirksame Therapie können sich auch Fachkräfte, seinen es nun Ärzte, Sozialarbeiter, Psychologen, Psychiater oder Psychotherapeuten, bei Bedarf einen kompetenten Therapeuten suchen.
vergleiche hierzu:
Bernhard Mäulen: "Narzisstisch gestörte Ärzte. Tyrann und Mimose: Halbgott in Weiß.", In: "Fortschritte der Medizin", 10/2003
Friedmann Pfäfflin; Horst Köchele: "Müssen Therapeuten diagnostiziert werden?"; In: "Persönlichkeitsstörung. Theorie und Praxis", PTT 2/2000, S. 88-93).
Dass Herr Busse das Thema schwerer psychischer Störungen - oder wie er es nennt: "großer Demagogen und Kriegsführer unseres Jahrhunderts. von Adolf Hitler über Saddam Hussein bis hin zu Serbenführer Karadzic ... und hier psychopathologische veränderte, meist narzisstisch gestörte Persönlichkeiten" - zu interessieren scheint, kann man als interessierter Leser einschlägiger Fachzeitschriften seit dem Jahr 1999 vermuten. So schreibt Herr Busse im Jahr 1999:
"Psychotherapeutisch relevant sind zunächst die intrapsychischen Konflikte, weil diese die sozialen Konflikte zumindest mitverursachen. Deutlich wird dieser Sachverhalt u.a. bei der Analyse großer Demagogen und Kriegsführer unseres Jahrhunderts. von Adolf Hitler über Saddam Hussein bis hin zu Serbenführer Karadzic begegnen und hier psychopathologische veränderte, meist narzisstisch gestörte Persönlichkeiten mit der fragwürdigen Begabung, intrapsychische Konflikte zu sozialen zu transformieren."
Thomas Busse: "Kindliche Verhaltensauffälligkeiten im elterlichen Konfliktfeld", In: "Zentralblatt für Jugendrecht", 1/1999, S. 1
Warum Diplom-Psychologe Busse jedoch Verbrecher und Massenmörder wie Adolf Hitler und Saddam Hussein in einem Aufsatz über Eltern und deren Kinder im elterlichen Konfliktfeld und familienrechtlichen Verfahren als Beispiel für "psychopathologisch veränderte Persönlichkeiten" benennt, weiß der Kuckuck oder vielleicht auch nur die Redaktionsleitung besagter Fachzeitschrift, die jenen denk- und merkwürdigen Aufsatz von Herrn Busse im Januar 1999 unkommentiert veröffentlicht hat.
Peter Thiel, 17.09.2007
...
Literatur:
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