Expertise zum 53-seitigen Gutachten der Susanne Blumberg - Sozialverhaltenswissenschaftlerin, Pädagogin vom 01.10.2019
Amtsgericht Krefeld - 67 F 58/19 - Lande - Richterin auf Probe
Familiensache: X (Mutter) und Y (Vater)
Kind: A - (Junge), geboren am .... .2012
Verfahrensbeiständin des Kindes: Christiane Simon (Rechtsanwältin)
Mitwirkendes Jugendamt: Krefeld - Anne Lorth, Nora Reger
Erarbeitung der Expertise durch Peter Thiel
Beweisfrage laut Beschluss vom 12.04.2019:
In der Familiensache … soll ... ein familienpsychologisches lösungsorientiertes Sachverständigengutachten eingeholt werden zu folgender Frage:
Welche Umgangsregelung dient dem Kindeswohl am besten?
Ist die beantragte Einschränkung oder der Ausschluss des Umgangsrechtes für das Kindeswohl erforderlich?
Zur Sachverständigen wird bestimmt:
Susanne Blumberg, Motzfeldstr. 111, 47574 Goch
Vorbemerkung
Mit Datum vom 12.02.2019 hatte die Mutter beantragt, den Umgangsvergleich vom 04.02.2019 abzuändern. Dies führte u.a. zu der Beweiserhebung durch Sachverstän-digengutachten.
Mit Beschluss vom 12.04.2019 gab Richterin Lande ein „familienpsychologisches Lösungsorientiertes Sachverständigengutachten“ in Auftrag. Richterin Lande ernannte Susanne Blumberg - die sich als „Sozialwissenschaftlerin“ und „Pädagogin“ bezeichnet - als Sachverständige. Das Gutachten vom 01.10.2019 unterschreibt Frau Blumberg dann mit Susanne Blumberg M.A., wobei unklar ist, für welches Studium Frau Blumberg einen Magister erlangt haben will.
So oder so ist davon ausgehen, dass Frau Blumberg für einen in dieser Form vom Gericht formulierten Auftrag nicht geeignet ist, da sie keine Psychologin ist, mithin mangels entsprechender Qualifikation auch kein „familienpsychologisches“ Gutachten erstellen kann, sondern bestenfalls ein sozialverhaltenswissenschaftliches oder pädagogisches Gutachten. Gemäß § 407a ZPO hätte Frau Blumberg das Gericht über ihre vermutlich fehlende Qualifikation für die Erstellung eines „familienpsychologischen“ Gutachten informieren müssen.
Zivilprozessordnung
§ 407a Weitere Pflichten des Sachverständigen
(1) Der Sachverständige hat unverzüglich zu prüfen, ob
der Auftrag in sein Fachgebiet fällt und ohne die Hinzuziehung weiterer
Sachverständiger sowie innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist erledigt werden
kann. Ist das nicht der Fall, so hat der Sachverständige das Gericht
unverzüglich zu verständigen.
(2) …
…
http://www.gesetze-im-internet.de/zpo/__407a.html
Siehe hierzu auch Beschluss des Kammergerichts – 16 UF
283/12 – vom 26.03.2013:
„Die Diagnose einer psychiatrischen Erkrankung liegt außerhalb des Fachgebiets einer Psychologin.“
Analog lässt sich hier sagen:
„Die Erstellung eines familienpsychologischen Gutachtens liegt außerhalb des Fachgebiets einer Sozialverhaltenswissenschaftlerin und Pädagogin.
Zudem gebietet §163 FamFG:
§ 163 Sachverständigengutachten
(1) In Verfahren nach § 151 Nummer 1 bis 3 ist das
Gutachten durch einen geeigneten Sachverständigen zu erstatten, der mindestens
über eine psychologische, psychotherapeutische, kinder- und
jugendpsychiatrische, psychiatrische, ärztliche, pädagogische oder
sozialpädagogische Berufsqualifikation verfügen soll. Verfügt der
Sachverständige über eine pädagogische oder sozialpädagogische
Berufsqualifikation, ist der Erwerb ausreichender diagnostischer und
analytischer Kenntnisse durch eine anerkannte Zusatzqualifikation nachzuweisen.
(2) …
http://www.gesetze-im-internet.de/famfg/__163.html
Von Frau Blumberg und auch vom Gericht wird nicht
dargelegt, in wie weit Frau Blumberg den vom Gesetz geforderten Erwerb
„ausreichender diagnostischer und analytischer Kenntnisse durch eine anerkannte
Zusatzqualifikation“ nachgewiesen hat. Der Unterzeichner geht daher davon aus,
dass eine solche vom Gesetzgeber geforderte Qualifikation nicht vorliegt,
mithin Frau Blumberg für die Erstellung des Gutachtens nicht hätte beauftragt
werden dürfen. Sollte dies zutreffen, wäre nun im Nachgang von einer
Unverwertbarkeit des Gutachtens auszugehen, da die gesetzliche Anforderungen -
so weit ersichtlich – von Frau Blumberg nicht erfüllt wurden.
Inwieweit überdies die von Frau Blumberg im
Gutachten angezeigte Bezeichnung „Lösungsorientierte Sachverständige“ einen
ausreichenden qualifizierten Hintergrund
hat, so wie sie etwa vom Unterzeichnenden als Leiter
einer einjährigen Fortbildung in Berlin angeboten wird:
http://loesungsorientierter-sachverstaendiger.de/fortbildung.html
wäre von Frau Blumberg darzulegen.
Allgemeines
Das Gericht formuliert im Beweisbeschluss zwei Fragen:
1. Welche Umgangsregelung dient dem Kindeswohl am
besten?
2. Ist die beantragte Einschränkung oder der
Ausschluss des Umgangsrechtes für das Kindeswohl erforderlich?
Logischerweise ist zuerst die zweite Frage nach einem
etwaigen Ausschluss des Umgangsrechts zu beantworten, denn deren Beantwortung
nach der Beantwortung der ersten Frage ergibt keinen Sinn.
§1684 BGB gibt dazu folgende Vorgaben:
§ 1684 Umgang des Kindes mit den Eltern
(1) Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem
Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und
berechtigt.
(2) …
(3) …
(4) Das Familiengericht kann das Umgangsrecht oder den
Vollzug früherer Entscheidungen über das Umgangsrecht einschränken oder
ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Eine
Entscheidung, die das Umgangsrecht oder seinen Vollzug für längere Zeit oder auf
Dauer einschränkt oder ausschließt, kann nur ergehen, wenn andernfalls das Wohl
des Kindes gefährdet wäre. Das Familiengericht kann insbesondere anordnen, dass
der Umgang nur stattfinden darf, wenn ein mitwirkungsbereiter Dritter anwesend
ist. Dritter kann auch ein Träger der Jugendhilfe oder ein Verein sein; dieser
bestimmt dann jeweils, welche Einzelperson die Aufgabe wahrnimmt.
Mit Schreiben vom 10.06.2019 wendet sich die zur Sachverständigen ernannte Susanne Blumberg an das Gericht und signalisiert, dass sie sich offenbar mit der Beantwortung der Beweisfrage überfordert sieht:
Bei diesen kontroversen Elternpositionen, kann ich meinem Auftrag nicht nachkommen.
„Kontroverse Elternpositionen“ führen bei Frau Blumberg offenbar zu einer Überforderung und nachlassender Bereitschaft, den ihr übertragenen Auftrag zu erfüllen. Nun ist es allerdings so, dass in einem familiengerichtlich ausgetragenen Elternstreit, die Elternpositionen in den streitgegenständlichen Fragen immer kontrovers sind. Wäre dies nicht so, wäre kein Familiengerichtsverfahren notwendig. Dass, so wie hier, das Gericht Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten veranlasst hat, zeigt zudem, dass das Gericht an der nach §156 FamFG gebotenen Herstellung von Einvernehmen erst einmal gescheitert ist.
FamFG
§ 156 Hinwirken auf Einvernehmen
(1) Das Gericht soll in Kindschaftssachen, die die
elterliche Sorge bei Trennung und Scheidung, den Aufenthalt des Kindes, das
Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, in jeder Lage des
Verfahrens auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinwirken, wenn dies dem
Kindeswohl nicht widerspricht. Es weist auf Möglichkeiten der Beratung durch die
Beratungsstellen und -dienste der Träger der Kinder- und Jugendhilfe
insbesondere zur Entwicklung eines einvernehmlichen Konzepts für die
Wahrnehmung der elterlichen Sorge und der elterlichen Verantwortung hin. Das Gericht kann
anordnen, dass die Eltern einzeln oder gemeinsam an einem kostenfreien
Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der
außergerichtlichen Konfliktbeilegung bei einer von dem Gericht benannten Person
oder Stelle teilnehmen und eine Bestätigung hierüber vorlegen.
Es kann ferner anordnen, dass die Eltern an einer
Beratung nach Satz 2 teilnehmen. …
Frau Blumberg wirkt aber nicht nur hinsichtlich der
von ihr beklagten „kontroversen Elternpositionen“ überfordert, sondern zeigt
durch den von ihr im Schreiben vom 10.06.2019 abschließend vorgetragenen -
kursiv gesetzten und unterstrichenen - Satz:
A möchte unbedingt seinen Papa sehen und hofft,
sehnsüchtig darauf, dass bald eine Begegnung zustande kommt.
dass sie offenbar ein Problem mit der ihr vom Gericht zugedachten Rolle als Sachverständige hat. Sachverständige sind keine Interessensvertreter des Kindes, dafür gibt es den Verfahrensbeistand, sondern Hilfskraft des Gerichtes. Den Rahmen der Tätigkeit des Sachverständigen setzt das Gericht mit dem Beweisbeschluss. Das Gericht hat jedoch nicht gefragt, ob das Kind seinen Vater begegnen möchte, sondern:
1. Welche Umgangsregelung dient dem Kindeswohl am
besten?
2. Ist die beantragte Einschränkung oder der
Ausschluss des Umgangsrechtes für das Kindeswohl erforderlich?
Seitens der Mutter ist klargestellt, dass diese für
einen Umgang des Sohnes mit seinem Vater ist, jedoch durch eine geeignete
Rahmung sichergestellt werden sollte, dass der Umgang auch dem Wohl des Kindes
zuträglich ist.
Nachdem Frau Blumberg dem Gericht mit Schreiben vom 10.06.2019 resignativ mitgeteilt hatte, dass sie „bei diesen kontroversen Elternpositionen“ dem gesetzten Auftrag nicht nachkommen könne, legt sie mit Datum vom 01.10.2019 dann doch noch ein 53-seitiges Gutachten vor, dass sie als „Psychologisches Gutachten“ bezeichnet. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass Frau Blumberg kraft ihrer vorgetragenen Qualifikation kein „psychologisches“ Gutachten anfertigen kann, bestenfalls ein sozi-alverhaltenswissenschaftliches oder pädagogisches Gutachten.
Trivialitäten
Frau Blumberg beginnt ihr Gutachten auf Seite 3 u.a. mit dem Satz:
"Die psychologischen Schlussfolgerungen beziehen sich nicht nur auf Einzelfakten, sondern stets auch auf die Kenntnis der Gesamtlage."
Diese Bemerkung ist einerseits trivial, da ein
Gutachter immer gehalten ist, sich nicht nur auf Einzelfakten zu beziehen,
sondern das Gesamte, soweit es denn wahrnehmbar scheint, im Auge zu behalten. Die in dem Vortrag
von Frau Blumberg eingeschlossene Behauptung, sie hätte die Gesamtlage
("Kenntnis der Gesamtlage") erschöpfend beachtet, ist allerdings anmaßend. Kein
Mensch, kann die Gesamtlage kennen.
Vergleiche hierzu:
Watzlawick, Paul: "Die erfundene Wirklichkeit". Wie wir wissen, was wir zu wissen glauben. Beiträge zum Konstruktivismus", 1985, Piper Verlag, München
Gleichlautend hatte bereits der im Jahr 2002 vom Amtsgericht Kempen - 17 F 12/02 - bestellte Gutachter Udo Lünebrink formuliert. Der Unterzeichnende hatte auch zu diesem Gutachten eine Expertise ausgearbeitet.
Mit der Überschrift „Befund und psychologische Stellungnahme“ (Gutachten S. 41) erweckt Frau Blumberg den Eindruck, dass sie vom Gericht als Psychologin und als Medizinerin zur Sachverständigen ernannt wurde, der es zukäme, einen „Befund“ und eine „psychologische Stellungnahme“ abzugeben.
Man quält sich dann durch 10 Seiten Text, in der Frau Blumberg den Erzählungen der Eltern zu ihrer Lebensgeschichte breiten Raum lässt
„Frau X berichtet von einer schöne Kindheit, …“
(S. 42)
Wozu eine solche Darlegung im Zusammenhang mit der geforderten Beantwortung der Beweisfrage gut sein soll, erschließt sich nicht.
Womöglich überwältigt von so viel „schöner Kindheit“ verlässt Frau Blumberg den gebotenen Konjunktiv und schreibt als Tatsachenbehauptung:
Die Kindesmutter ist eine sehr gute Schülerin. …“ (S. 42)
Doch auch der Vater darf gerechtigkeitshalber über
eine „schöne Kindheit“ berichten:
„Herr Y erinnert ebenfalls eine schöne Kindheit,
die er im Kontext der Erziehungsvorstellungen der DDR schildert. Er beschreibt
die staatlichen Ferienlager als Abenteuerurlaube, die er sehr genossen hat, ….“
(S. 45)
Auch hier stellt sich die Frage nach dem Bezug zur
Beweisfrage des Gerichtes.
Beantwortung der Beweisfrage
Auf Seite 51 kommt Frau Blumberg endlich zur „Beantwortung der Beweisfrage“, ohne dass ihr das aber überzeugend gelungen ist. Dabei zeigt Frau Blumberg zudem ihre mangelnde Sachkenntnis bezüglich einer Umgangspflegschaft und einem begleiteten Umgang:
Beide Eltern sollten durch eine Umgangspflegschaft unterstützt werden. (Gutachten S. 51)
Eine Umgangspflegschaft ist keine „Unterstützung“ von Eltern, wie Frau Blumberg meint, sondern eine gegebenenfalls nach §1684 BGB Absatz 3 vom Gericht anzuordnende Maßnahme bei dauerhafter oder wiederholter erheblicher Verletzung der Wohlverhaltenspflicht.
Bürgerliches Gesetzbuch
§ 1684 Umgang des Kindes mit den Eltern
(1) Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem
Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und
berechtigt.
(2) Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das
Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die
Erziehung erschwert. Entsprechendes gilt, wenn sich das Kind in der Obhut einer
anderen Person befindet.
(3) Das Familiengericht kann über den Umfang des
Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher
regeln. Es kann die Beteiligten durch Anordnungen zur Erfüllung der in Absatz 2
geregelten Pflicht anhalten. Wird die Pflicht nach Absatz 2 dauerhaft oder
wiederholt erheblich verletzt, kann das Familiengericht auch eine Pflegschaft
für die Durchführung des Umgangs anordnen (Umgangspflegschaft). …
Eine solche erhebliche Verletzung der
Wohlverhaltenspflicht in Bezug auf die existierende und gerichtlich gebilligte
Umgangsregelung (Vergleich) vom 04.02.2019 liegt aber gar nicht vor. Es gab zwar
- so weit zu sehen - Abweichungen von der ursprünglichen Umgangsregelung des
Amtsgerichtes, wie sich z.B. dem Ordnungsmit-telbeschluss des OLG Düsseldorf vom
05.08.2019 entnehmen lässt. Diesem ist die Mutter am 26.08.2019 mit einer
offenbar bis heute noch nicht entschiedenen Gehörsrüge entgegengetreten. Diese
Abweichungen waren einer anfänglichen schwierigen Situation geschuldet, die in
dieser Form nunmehr vorbei sind.
Das Gericht hat auch nicht gefragt, ob eine Umgangspflegschaft eingerichtet werden soll, sondern:
1. Welche Umgangsregelung dient dem Kindeswohl am
besten?
2. Ist die beantragte Einschränkung oder der
Ausschluss des Umgangsrechtes für das Kindeswohl erforderlich?
Das Gericht hat in seiner Beweisfrage
nicht gefragt,
ob eine Umgangspflegschaft eingerichtet werden soll, dies gemäß §1684 BGB
Absatz 3 zu erwägen und zu veranlas-sen, ist allein Sache des Gerichtes, nicht
aber der Gutachterin, die sich mit einem solchen unerfragten Vorschlag der
Besorgnis der Befangenheit ausgesetzt sehen kann.
Thüringer Oberlandesgericht
1 WF 203/07 - Beschluss vom 02.08.2007
ZPO § 42, § 406
1. Geht der Sachverständige mit seinen Feststellungen
über den ihm erteilten Gutachtensauftrag hinaus, rechtfertigt dies einen
Ablehnungsantrag wegen Befangenheit.*)
2. Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger kann
wegen Befangenheit abgelehnt werden, wenn er den Prozessbeteiligten (hier dem
Richter) unzulässigerweise auf den von ihm für richtig gehaltenen Weg zur
Entscheidung des Rechtsstreits weist.*)
Veröffentlicht in: "Zeitschrift für das gesamte
Familienrecht", Heft 3, 2008
Eine Umgangspflegschaft stellt keine Einschränkung des
Umgangsrechtes dar, sondern ist ein Instrument zur Durchsetzung einer vom
Gericht beschlossenen Um-gangsregelung, besitzt also Zwangscharakter. Die
Ansicht von Frau Blumberg eine Umgangspflegschaft wäre Unterstützung für beide
Eltern, geht also auch aus diesem Grund fehl.
Ein gerichtlich angeordneter begleiteter Umgang stellt im Gegensatz zu einer Umgangspflegschaft eine Einschränkung des Umgangsrechts dar:
Bürgerliches Gesetzbuch
§ 1684 Umgang des Kindes mit den Eltern
…
(4) Das Familiengericht kann das Umgangsrecht oder den
Vollzug früherer Entscheidungen über das Umgangsrecht einschränken oder
ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Eine
Entscheidung, die das Umgangsrecht oder seinen Vollzug für längere Zeit oder auf
Dauer einschränkt oder ausschließt, kann nur ergehen, wenn andernfalls das Wohl
des Kindes gefährdet wäre. Das Familiengericht kann insbesondere anordnen, dass
der Umgang nur stattfinden darf, wenn ein mitwirkungsbereiter Dritter anwesend
ist. …
Eine solche Einschränkung soll ergehen, soweit dies
zum Wohl des Kindes erforderlich ist ist.
Das Gericht stellte die Frage einer Einschränkung oder Ausschluss des Umgangsrechtes.
2. Ist die beantragte Einschränkung oder der
Ausschluss des Umgangsrechtes für das Kindeswohl erforderlich?
Die zweite Frage des Gerichtes nach einer Einschränkung oder einem Ausschluss des Umgangsrecht, die von der Logik her eigentlich die erste sein müsste, beantwortet Frau Blumberg allerdings nicht. Möglicherweise meint sie, dies bereits mit ihrem Vortrag:
Aus psychologischer Sicht dient es A`s Wohl am ehesten, seinen Vater regelmäßig zu sehen, das heißt an jedem zweiten Wochenende und die Hälfte der Ferien. A`s konsistent geäußerter Wille sollte bei der Abwägung handlungsleitend sein. (Gutachten S. 51)
erledigt zu haben, grad so als ob dem „Willen des Kindes“ das Primat zur Beschlussfassung des Gerichtes zukäme.
Vergleiche hierzu:
Flammer, August: "Kindern gerecht werden", In: "Zeitschrift für Pädagogische Psychologie". 17 (1), 2003, 1-12
Hierbei blendet Frau Blumberg die verschiedenen Vorfälle aus, von der A betroffen war und die es durchaus ratsam erscheinen lassen können, für eine bestimmte Zeit einen begleiteten Umgang zu beschließen, um dem Wohl des Kindes mit einem geeigneten Rahmen zu entsprechen und eine positive Entwicklung der betreuerischen Kompetenz des Vaters zu befördern.
Ausschlaggebend ist das Kindeswohl, für welches der Wille des Kindes ein Indiz sein kann, soweit er frei gebildet und gefasst sowie klar verständlich ist. Das Gutachten beschäftigt sich nicht damit, ob diese Voraussetzungen bei A gegeben sind und woran dies festzumachen wäre.
Statt nun - wie vom Gericht erfragt - einen begleiten Umgang ernsthaft zu diskutieren, beendet Frau Blumberg ihr Gutachten mit einer vom Gericht ebenfalls nicht erfragten Empfehlung, mit der sie die Mutter als einen mit der Erziehung und Betreuung des Kindes überforderten Elternteils diskreditiert:
Zu A`s Wohl empfehle ich therapeutische Unterstützung und den Einsatz einer SPFH bei der Kindesmutter.
Neben der übergriffig wirkenden Stigmatisierung der Mutter als unterstützungsbedürftigen Elternteil - denn wozu sollte eine Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH) sonst gut sein - überschreitet Frau Blumberg auch hier den ihr vom Gericht gesetzten Auftrag:
1. Welche Umgangsregelung dient dem Kindeswohl am
besten?
2. Ist die beantragte Einschränkung oder der
Ausschluss des Umgangsrechtes für das Kindeswohl erforderlich
Das kann ebenfalls zur Ablehnung der Gutachterin wegen der Besorgnis der Befangenheit führen. Zudem bleibt neben der deplatzierten Bemerkung von Frau Blumberg völlig unklar, was sie mit „therapeutischer Unterstützung“ meint. Will sie die Mutter, den Vater oder das Kind „therapeutisch unterstützen und wenn ja, mit welchem konkreten Ziel? Doch wie gesagt, ist dies an der Frage des Gerichtes vorbeifabuliert und muss daher nicht wirklich beantwortet werden.
Peter Thiel, 21.11.2019
- Systemischer Berater und Therapeut / Familientherapeut - Zertifizierung durch die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) - www.dgsf.org
- Systemischer Kinder- und Jugendlichentherapeut (DGSF) - www.dgsf.org
- Tätigkeit als Sachverständiger im familiengerichtlichen Verfahren gemäß § 402 ff ZPO
- Tätigkeit als Verfahrensbeistand, Umgangspfleger /
Ergänzungspfleger nach §1909 BGB / Vormund für Familiengerichte im Land Berlin,
Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen
- Mitglied des Deutschen Familiengerichtstag e.V. -
www.dfgt.de
15
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