Stellungnahme zum Gutachten der Diplom-Psychologin Stefanie Stahl vom 26.09.2002

 

Familiensache 16 F 226/02

Betreff: Regelung des Aufenthalts der Kinder

A. (Sohn), geb. ....1993

B (Sohn), geb. ... 1995

 

am Amtsgericht Sankt Wendel

 

 

 

 

Stellungnahme vom 05.11.2002 (überarbeitet und ergänzt am 15.03.2008)

 

 

I. Das vorliegende Gutachten ... .

 

Aus Sicht des Unterzeichnenden ist das Gutachten nicht geeignet, dem Familiengericht und den Eltern hinsichtlich der Sicherung und Entwicklung bestmöglicher Perspektiven für die Kinder A und B geeignete Antworten aufzuzeigen.

 

 

II. Bedauerlicherweise hat das Familiengericht in seiner im Gutachtenauftrag formulierten Beweisfrage 

"Es soll ein kinder-psychologisches Gutachten zu der Frage eingeholt werden, ob die Betreuung der Kinder bei der Kindesmutter oder aber eine Betreuung der Kinder durch den Kindesvater bzw. durch dessen Lebensgefährtin dem Wohl der Kinder dient." 

 

offenbar schon für sich vorentschieden, dass nur ein Betreuungsmodell, das sogenannte Residenzmodell in Frage kommt. Mögliche Alternativen wie das "Wechselmodell" werden damit außerhalb der Betrachtung gelassen.

 

 

 

Nachfolgend eine Darstellung wichtiger Kritikpunkte zum vorliegendem Gutachten.

1. Die Gutachterin versäumt es, dem Gericht und auch den Eltern darzulegen, vor welchen wissenschaftlichen Hintergrund, sie ihr Gutachten geschrieben hat. ...

 

2. Das Gutachten zeigt keine Verweise auf wissenschaftliche Grundlagen bezüglich der durch die Gutachterin vorgenommenen Vorgehensweise, Schritte, Befragungstechniken, verwendeter Tests und deren Gütekriterien, der Begutachtung zugrunde liegender Literatur und Standards, usw.

 

Dazu Leitner (S. 58):

"Ein familienpsychologisches Gutachten sollte auch im Hinblick auf literarische Gestaltungsprinzipien elementare wissenschaftliche Standards erfüllen. So besteht eine unabdingbare Forderung u. a. darin, daß im Gutachten umfängliche Literatur- bzw. Quellenangaben auch über die den Interpretationen zugrundeliegenden Theorien und Konzepte gemacht werden. Wörtliche- oder sinngemäß aus Quellen (Akten, Literatur) entnommene Passagen sind als solche im Text kenntlich zu machen. Ein Gutachten, das solche Anforderungen wissenschaftlichen Arbeitens mißachtet, kann nicht den Anspruch erheben "eine wissenschaftliche Leistung" (Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen, 1994, S. 8) zu sein, wie dies in den eingangs zitierten Richtlinien der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen für "ein solches Gutachten" (aaO) ausdrücklich gefordert wird."

 

 

3. Auffällig an dem gesamten Gutachten ist die Fixierung der Gutachterin auf traditionelle Statusdiagnostik. Das mag mit ihrer sonstigen Arbeitsweise erklärbar sein, die aktuelle Fachdiskussion ist hier wesentlich weiter. Stellvertretend sei hier für einen systemisch-lösungsorientierten Ansatz genannt: "Lösungsorientierte Arbeit im Familienrecht. Der systemische Ansatz in der familienrechtlichen Praxis", Bergmann; Jopt; Rexilius, Bundesanzeiger Verlag, Köln, 2002.

 

Es kann gefragt werden, ob die Gutachterin mit ihrer Fixierung auf die Statusdiagnostik ihrer Verpflichtung aus § 410 Abs. 1 ZPO nachgekommen ist, ihr Gutachten nach besten Wissen, also auf der Grundlage des aktuellen Standes der Wissenschaft zu verfertigen

 

hierzu Bode:

"Im Übrigen sollte doch mindestens der Rechtsanwender nicht noch länger ignorieren, dass der - auch - intervenierende Sachverständige seit langem zum wohl gesicherten Erkenntnisstand der psychologischen Forschung gehört und er jenige Sachverständige, der nicht interveniert (also mindestens zu vermitteln versucht), seine Verpflichtung aus § 410 Abs. 1 ZPO verletzt, sein Gutachten nach besten Wissen, also auf der Grundlage gesicherten Wissensstandes seiner Wissenschaft und deren Erkenntnissen zu verfertigen."

 

An anderer Stelle Schade/Friedrich:

"Vor allem geht es nicht um die psychologische Untersuchung der familiären Konstellation zum Zeitpunkt der Begutachtung, der keinesfalls repräsentativ ist. Vielmehr steht der Prozeßcharakter im Vordergrund. Die Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit der Eltern als integrative Aspekte ihrer Erziehungsfähigkeit werden nicht als persönliche Eigenschaften verstanden, sondern als Resultat von Lernbereitschaft und Lernprozessen, die sich in der konkreten familiären Situation entwickeln können. ... Die weitgehend unstrittige Forderung, die klassische Statusdiagnostik zugunsten der interventionsdiagnostischen Bemühungen des Gutachters auf ein angemessenes Minimum zu reduzieren, ergibt sich geradezu demonstrativ, wenn man feststellt, dass die aus einer traditionellen Begutachtung abgeleiteten Erkenntnisse auch nicht annähernd in der Lage sind, komplexe Fragen nach sozialen Kompetenzen, Kooperationsbereitschaft, Lernfähigkeit und Motivation der Eltern zum Finden konstruktiver Lösungen und Umsetzungen zu beantworten", Schade/Friedrich "Die Rolle des psychologischen Gutachters nach Inkrafttreten des neuen Kindschaftsrechtes"

in: "Familie, Partnerschaft, Recht", 5/1998, S. 237-241

 

 

4. Das Gutachten ist durchgängig mit dem Kürzel GWG beschriftet. Auf dem Deckblatt sogar unter vollständiger Institutsadresse. Richtig ist indes, dass nur Einzelpersonen, nicht aber Gesellschaften, Institute, Vereine o.ä., als Sachverständige gemäß § 404 ZPO beauftragt werden können

 

vgl. "Das Sachverständigengutachten im familiengerichtlichen Verfahren", Heumann, "Familie und Recht", FuR, 1/2001, S. 17.:

"Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass grundsätzlich nur eine natürliche Person Sachverständiger sein kann, nicht aber eine juristische Person des öffentlichen oder privaten Rechts. Bestellt das Gericht ein Institut zum >>Sachverständigen<<, ist diese Bestellung fehlerhaft."

 

Es ist zu vermuten, dass der zuständige Richter nicht die "GWG", sondern die Diplom-Psychologin Stefanie Stahl mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt hat. Es steht der Gutachterin selbstverständlich frei, dem Gericht mitzuteilen, in welchen Gesellschaften sie Mitglied ist. Unzulässig, weil suggestiv, ist es jedoch, das Gutachten quasi unter einem "Firmenlogo" laufen zu lassen und ihm damit den Anstrich höherer Weihe zu geben.

 

 

5. Die Bezeichnung der Mutter und des Vaters von A und B mit dem antiquierten Begriffen "Kindesmutter" und "Kindesvater" (S. 9) sowie die Verwendung des überholten Begriffes "Besuchsrecht" statt "Umgangsrecht" (S. 64) sind sprachliche Mängel, die hier mit der Hoffnung erwähnt werden, dass die Gutachterin in ihrer zukünftigen Arbeit die zeitgemäßen Begriffe verwendet und sich so auch sprachlich dem Geist der Kindschaftsrechtsreform von 1998 anschließt.

 

vgl. dazu auch

"Wann endlich verschwinden die Kindesmütter und Kindesväter aus unserem Sprachgebrauch?", Dr. jur. Ferdinand Kaufmann, Leiter des Kreisjugendamtes Siegburg in: "Zentralblatt für Jugendrecht" 7/8/1999

 

 

 

6. Die im Gutachten inflationär gebrauchte Formulierung "aus psychologischer Sicht" stellt wohl den Versuch der Gutachterin dar, fehlende Überzeugungskraft durch suggestive, aber inhaltsleere Redewendungen zu ersetzen.

 

 

 

7. Wichtige Tätigkeiten der gutachterlichen Arbeit, wie z.B. Explorationen von Herrn X und Frau Z (Gutachten S. 5, 12, 47) werden offenbar von einer gerichtlich nicht autorisierten Mitarbeiterin der Gutachterin ausgeführt. Dies ist unzulässig. Zudem nennt die tatsächlich beauftragte Gutachterin noch nicht einmal den Name ihrer Mitarbeiterin.

Es bleibt letztlich auch mehr oder weniger unklar, welcher Teil der gutachterlichen Arbeit überhaupt von der Gutachterin durchgeführt wurde.

 

Dazu Schorsch (S.176):

"Übersehen wird, dass es durch die Einschaltung von Hilfspersonen zu versteckten Einflüssen auf Gutachten kommen kann, was unzulässig ist. ... Analysen und Tätigkeiten, die das Gutachtenergebnis unmittelbar beeinflussen, weil sie bewertend sind, sind nicht delegierbar. Demzufolge müssen Sachverständige, z.B. psychologische Untersuchungen ... selbst vornehmen, da sie ansonsten ihre eigentliche gutachterliche Aufgabe Dritten übertragen."

 

 

Eine Interaktionsbeobachtung der Beteiligten durch die Gutachterin fand lediglich in ihrer Praxis statt, nicht jedoch in der Wohnung, dem realen Lebensumfeld der Beteiligten.

Über Zeitdauer und Tageszeit der jeweiligen Begegnungen der Gutachterin mit den Beteiligten erfahren wir leider nichts.

 

 

8. Auf Seite 23 gibt die Gutachterin B eine suggestiv wirkende Bemerkung vor, 

"dass dieser (der Vater) ja irgendwann auch wieder arbeiten gehen müsse". 

 

Dies trifft auch auf die Mutter zu, wenn die Kinder beim Vater wohnen würden und sie für die Finanzierung des Barunterhalts verantwortlich werden würde. Wenn die Kinder beim Vater wohnen würden, hätte er durchaus die Möglichkeit verkürzt zu arbeiten, um mehr Zeit für seine Söhne zu haben.

 

 

9. Die Mitteilung des Vaters über von ihm beobachtete sexualisierte Verhaltensweisen von A wird durch die Gutachterin offenbar nicht ernsthaft untersucht. Die Gutachterin unterlässt es, mitzuteilen, um welche Verhaltensweisen es sich nach Mitteilung des Vaters dabei handelt. Wie der Vater gegenüber dem Unterzeichnenden erklärte, hat A seiner Lebensgefährtin Frau Z zwischen die Beine und an die Brust gefasst und ihr einen Zungenkuss gegeben. Eine Verhaltensweise, die mit Sicherheit nicht unter "normalen" Auffälligkeiten abgehakt werden kann. Auch die von der Klassenlehrerin A`s gegebene Bestätigung für beobachtbares sexualisiert wirkendes Verhalten (Umarmen und abknutschen anderer Kinder S. 37) wird unbesprochen gelassen. Die Gutachterin versucht - so weit zu sehen - an keiner Stelle mit A mögliche Gründe für das Verhalten abzuklären. Dies wäre jedoch wichtig, sollte sich herausstellen, dass die Mutter zu einem solchen Verhalten wesentlich beigetragen hätte. In einem solchen Fall müsste überlegt werden, ob die Betreuung von A durch den Vater nicht die bessere Alternative gegenüber der Betreuung durch die Mutter wäre. Gleichzeitig müsste überlegt werden, welche Schritte die Mutter gehen müsste, um einen möglicherweise von ihr ausgehenden Beitrag zu dem beobachteten Verhalten, abzustellen.

 

 

 

10. Tests

Zum Wert testdiagnostischen Vorgehens allgemein dazu Jopt ("Im Namen des Kindes" S. 284/296):

"Ausnahmslos alle Gutachter scheinen unerschütterlich davon überzeugt zu sein, dass für eine die Gerichte beeindruckende Dokumentation ihres professionellen Könnens der Einsatz von Testverfahren .. absolut unverzichtbar ist."

 

Die Gutachterin präsentiert auf S. 24-25 ein von ihr so genanntes "Schweinchenspiel", dass sie mit B durchführt. Sie unterlässt es, nähere Angaben zu diesem "Test" zu machen, so dass hier völlig unhinterfragbar die von der Gutachterin präsentierten "Ergebnisse" geglaubt werden müssen oder nicht. Warum nicht auch mit A dieses "Spiel" durchgeführt wird, wird von der Gutachterin nicht dargelegt.

 

Testpsychologische Untersuchung mit dem FRT

Zum verwendeten "Family-Relation-Test" kritisch Leitner:

"...

Anmerkungen zum Family-Relations-Test (FRT)

Das zusammen mit dem im Hinblick auf die Gütekriterien völlig unzureichendem Test "Familie in Tieren" (Brem-Gräser, 1995) insgesamt am häufigsten eingesetzte Verfahren, der Family-Relations-Test von Bene und Anthony (1957), ist im Testhandbuch von Brickenkamp (1997) explizit nicht verzeichnet. Seine Spitzenposition in der Rangfolge verdankt das Verfahren insbesondere der Tatsache, daß er in Gutachten der Gesellschaft für wissenschaftliche Gerichts- und Rechtspsychologie (GWG) ausgesprochen häufig zum Einsatz kommt. Zwölf der insgesamt 16 Anwendungen dieses Verfahrens betreffen solche Gutachten. Insbe-sondere bei diesem Testverfahrens läßt sich erkennen, daß aus-geprägte organisationsspezifische Besonderheiten beim Einsatz bestimmter Tests offenbar kaum von der Hand zu weisen sind.

Auf Grund seiner Häufigkeit in den vorliegenden familienpsychologischen Gutachten sollen zu diesem Testverfahren noch ei-nige ergänzende Anmerkungen gemacht werden:

Beim FRT handelt es sich um ein Verfahren, das in einer Übersetzung von Fläming und Wörner (1977) in Fassungen für vier- bis fünfjährige sowie für sechs- bis elfjährige Kinder vorliegt (vgl. Beelmann, 1995, S. 38). Beelmann referierte und diskutierte bei der Tagung der Fachgruppe Entwicklungspsychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie e.V. in Leipzig im Jahre 1995 "neuere Untersuchungen mit dem Family-Relations Test". Hierbei wurde deutlich, daß die Validität dieses Verfahrens zum gegenwärtigen Zeitpunkt keineswegs als gesichert gelten kann. Im Rahmen seines Vortrages und der anschließenden Diskussion bezeichnete Beelmann den Umgang mit diesem Verfahren in der diagnostischen Praxis zudem als "haar-sträubend" und verwies in diesem Zusammenhang u. a. darauf, daß aus ökonomischen Gründen bei der praktischen Durchführung häufig instruktionsinadäquate Modifikationen vorgenommen werden."

 

 

 

11. Kindeswille

Bedauerlicherweise wurde im Verfahren kein Verfahrenspfleger nach § 50 FGG bestellt, der die Interessen der Kinder hätte vertreten können. Statt dessen führt die Gutachterin den mehrfach deutlich geäußerten Willen der Kinder, beim Vater leben zu wollen auf "deren neurotischer Beziehung zum Vater" zurück (S. 53), ohne dies jedoch zu belegen und übergeht die Vorteile, die die beiden Jungen davon haben könnten, wenn sie beim Vater wohnen würden 

Zum Thema Kindeswillen 

vgl. "Wie ernst nehmen wir den Kindeswillen?" Ulrike und Gerd Lehmkuhl in "Kind-Prax" 5/99, S. 159-161

 

 

Die Gutachterin schreibt, dass "die Betreuung von vier sehr lebhaften Jungen eine hohe Herausforderung darstellt und zwangsläufig mit einer hohen familiären Unruhe einhergeht." (S. 56) Mit ersterem hat sie sicher recht, das zweite ist wohl bloße Spekulation. Noch dazu, wo sich die Gutachterin noch nicht einmal persönlich im Haushalt des Vaters eine solche Situation angesehen hat.

 

 

 

12. Erziehungsfähigkeit der Mutter

Es verwundert wenn die Gutachterin der Mutter bescheinigt: 

 

"Die gutachtliche Empfehlung beruht auf der höheren Erziehungskompetenz der Mutter" (S. 64). 

 

Das vorliegende Gutachten vermag dies sicher nicht überzeugend zu begründen. Auch vor dem Hintergrund der großen Schwierigkeit der Mutter, ihren Söhnen in angemessener Weise Grenzen zu setzen und von ihnen den nötigen Respekt abzuverlangen, verwundert eine solche einseitig formulierte Einschätzung doch sehr. Die mögliche Gefahr, dass beiden Jungen im Haushalt der Mutter eventuell in eine Partnerersatzrolle gelangen könnten oder vielleicht schon gekommen sind, wird von der Gutachterin an keiner Stelle thematisiert.

 

 

13. Auf S. 62 attestiert die Gutachterin dem Vater einen Erziehungsstil der "durch teilweise Inkonsistenz" geprägt ist", eine Erläuterung ihrer Behauptung liefert die Gutachterin allerdings nicht. Dem Vater wird im Gegensatz zur Mutter von der Gutachterin kein Vorschlag gemacht, wie er sein offenbar zu rigides und körperlich strafendes Verhalten gegenüber den Söhnen in konstruktiver Weise ändern könnte. Einen Hinweis, dass der Vater dazu die Unterstützung einer Erziehungs- und Familienberatungsstelle nutzen könnte, gibt die Gutachterin nicht.

 

Als unbrauchbaren Allgemeinplatz formuliert die Gutachterin auf S. 64 

`Dem Vater ein umfangreiches Besuchsrecht einzuräumen´. 

 

Was die Gutachterin darunter versteht, lässt sie offen. Damit bleibt es bei einer bloßen Floskel, die vielleicht dazu dienen soll, dem gutachterlich "unterlegenen" Vater ein wenig Trost zu spenden.

 

 

 

 

Schlussbemerkung

Eine Diskussion der wichtigen Frage, inwieweit es sinnvoll wäre, dass die beiden Jungen in der Zeit der Entwicklung ihrer geschlechtlichen Identität besser beim gleichgeschlechtlichen Vater aufwachsen sollten, zu mindestens aber wesentlich mehr Zeit mit dem Vater verbringen können, als es durch eine sonst übliche Umgangsregelung (14-tägig Wochenende) eingeräumt wird, unterlässt die Gutachterin.

Die Gutachterin unterlässt es, aufzuzeigen, wie die Eltern ihre elterliche Kompetenz einzeln und gemeinsam stärken und entwickeln können. Weber schreibt dazu:

 

"Die bisherige Gutachten- und Sachverständigenpraxis greift in der Regel zu kurz, weil sie die Beziehung des Kindes zu Vater und Mutter ins Auge fasst, jedoch nicht die Konfliktdynamik und Störungen des Paar- bzw. Elternsystems" (Weber S. 125).

 

Die Elterliche Kompetenz zu entwickeln, könnte z.B. dadurch geschehen, dass die Eltern eine kontinuierliche Unterstützung einer Erziehungs- und Familienberatung in Anspruch nehmen würden, bis beide eine gute Regelung der Wahrnehmung ihrer elterlichen Verantwortung entwickelt haben. Gelänge es den Eltern diese Verantwortung zu entwickeln, wäre auch eine Sicherheit gelegt, dass es weder von Seiten des Vaters noch von Seiten der Mutter zu Versuchen käme, die Kinder dem jeweils anderen Elternteil zu entfremden.

Für den Fall, dass im Ergebnis des familiengerichtlichen Verfahrens die Jungen beim Vater leben, erscheint es dem Unterzeichnenden erforderlich, dass das Gericht eine klare Umgangsregelung für die Mutter und die Kinder trifft festlegt, solange die Eltern ihren Konflikt nicht aufgearbeitet haben. Erfolgt dies nicht, bestünde die Gefahr, dass die Kinder aus dem ungelösten Konflikt der Eltern heraus, Kontakte zur Mutter nur eingeschränkt wahrnehmen würden.

 

 

Peter Thiel

...

 

 

 

 

Literatur:

"Moderator Gericht. Kooperation oder Delegation im gerichtlichen Verfahren", Lutz Bode, Familienrichter, AG Chemnitz, in "Kind-Prax" 5/2001, S. 143".

"Im Namen des Kindes. Plädoyer für die Abschaffung des alleinigen Sorgerechts", Uwe-Jörg-Jopt, Rasch und Röhring 1992

"Sachverständige und ihre Gutachten. Zu Schwachpunkten und Fehlern in Expertisen" Gerhard Schorsch, Rechtsanwalt in Riedstadt in: "Kriminalistik. Unabhängige Zeitschrift für die kriminalistische Wissenschaft und Praxis", 3/2000, S. 174-179

"Sachverständiger und Gericht. Fehlerquellen bei der Zusammenarbeit im Zivilprozess", Günther Zettel, VorsRiOLG in: "Neue Justiz 2/2000,

"Zur Mängelerkennung in familienpsychologischen Gutachten" in: "Familie und Recht" (FuR), 2/2000, S. 57-63, Dr. phil. Werner G. Leitner (Approbierter Psychologischer Psychotherapeut, Markusplatz 14, 96047 Bamberg)

"Die Rolle des psychologischen Gutachters nach Inkrafttreten des neuen Kindschaftsrechts", Schade; Friedrich: in "Familie, Partnerschaft, Recht", 5/1998

"Das Sachverständigengutachten im familiengerichtlichen Verfahren", Heumann, "Familie und Recht", FuR, 1/2001

"Wann endlich verschwinden die Kindesmütter und Kindesväter aus unserem Sprachgebrauch?", Dr. jur. Ferdinand Kaufmann, Leiter des Kreisjugendamtes Siegburg in: "Zentralblatt für Jugendrecht" 7/8/1999

"Eltern bleiben Eltern!? - oder: Warum eine gute Idee manchmal scheitern muss", Matthias Weber in: "Kind-Prax", 4/2002, S. 125).

 

 

 


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