Familiensache X (Vater) und X (Mutter)

Kind: Z  geb. .....1991

 

am Amtsgericht Wiesbaden

Geschäftsnummer:

Richter Herr ...

 

 

 

Oberlandesgericht Frankfurt/Main

3. Senat für Familiensachen

Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wiesbaden vom 8.10.03 - Az: ...

Geschäftsnummer: ...

 

 

 

 

 

 

Anmerkungen zum Schreiben von (Frau)  X an das OLG Frankfurt am Main vom 28.11.03

zu 1. der Vortrag von Frau X ist bereits bekannt. Gleichwohl scheint interessant, dass die Tätigkeit der Sachverständigen Frau Kurz-Kümmerle im Jahr 2000 offenbar wenig oder keinen Einfluss auf die Konfliktlösung hatte. Der Konflikt eskalierte weiter, mit der Folge dass sich heute am Ende des Jahres 2003 das Oberlandesgericht mit dem ungelösten Konflikt beschäftigen muss. Dies hätte mit großer Sicherheit vermieden werden können, wenn man vor drei Jahren konfliktlösende fachliche Interventionen statt statusbeschreibender Gutachten in die Wege geleitet hätte.

 

zu 2. bleibt unklar, was die Mutter mit ihrer Darstellung zwei Jahr zurückliegender Ereignisse aussagen will.

 

zu 3. der Vortrag der Mutter ist bereits bekannt

 

zu 4. der Vortrag der Mutter ist bereits bekannt. Anzumerken ist, dass der Sohn vor dem Amtsgericht nicht aussagen muss, da ein familiengerichtliches Verfahren kein Strafverfahren ist. Die Form der Mitwirkung im familiengerichtlichen Verfahren ist immer persönliche Angelegenheit des Betreffenden. Diese sind daher auch von der Sachverständigen über die Freiwilligkeit bei der Begutachtung zu belehren.

 

zu 5. der Vortrag der Mutter ist bereits bekannt

 

zu 6. der Vortrag der Mutter ist bereits bekannt, zur Freiwilligkeit siehe 4.

 

zu 7. der Vortrag der Mutter ist bereits bekannt

 

zu 8. der Vortrag der Mutter ist bereits bekannt

 

zu 9. der Vortrag der Mutter ist bereits bekannt. Es ist das gute Recht eines Beteiligten Befangenheitsanträge zu stellen. Die Bearbeitung eines solchen Antrages könnte im Zeitalter der Informationsgesellschaft sicher auch in einem Monat erfolgen. Moderne Unternehmen müssen das auch tun, da ihnen sonst im Wettbewerb am Markt die Kunden davon laufen. Es kann daher nicht dem Vater angelastet wenn die Prüfung eines solchen Antrages 9 Monate dauert.

 

zu 10. der Vortrag der Mutter bringt keine wesentlichen neuen Informationen

 

zu 11. der Vortrag der Mutter ist bereits bekannt

 

 

 

 

Weiteres im Vortrag der Mutter:

Die derzeitige Schwarz-Weiß Sicht der Mutter auf den Konflikt wird deutlich durch ihre Behauptung: "Des Weiteren geht und ging es meinem geschiedenen Mann IN KEINER WEISE UND ZU KEINEM ZEITPUNKT um seinen Sohn Z " (S. 5)

Gleiches könnte man auch der Mutter unterstellen. Dies soll hier aber nicht geschehen.

Der Mutter ist andererseits völlig recht zu geben, wenn sie den gemeinsamen Sohn Z nicht einer erneuten "Begutachtung" aussetzen will (S. 5). Wozu sollte eine solche Begutachtung auch beitragen? Schon die beiden vorherigen Begutachtungen haben offenbar wenig gebracht, um den Elternkonflikt zu befrieden.

Um überflüssige Interventionen zu verhindern, ist auch die Mitwirkung von Frau X gefragt. Die starr und unversöhnlich erscheinende Haltung müsste sie dabei ein Stück weit aufgeben, sich vom dichotomen Täter-Opfer-Denken lösen und ihrem Sohn, z.B. im Rahmen einer professionell betreuten Umgangsbegleitung die Möglichkeit geben, sich seinem Vater wieder annähern zu können oder ihm eine reale Auseinandersetzung mit dem Vater zu ermöglichen.

Dazu gehört für die Mutter auch die sicherlich schwierige Aufgabe, zu lernen, Paar- und Elternebene zu trennen. Dafür kann sie sich bei Bedarf professionelle Unterstützung z.B. von einem Psychotherapeuten geben lassen. Sinnvoll erscheint auch eine Familientherapie, in die beide Eltern einbezogen werden und die in der Anfangsphase möglicherweise in getrennten Gesprächen mit den Eltern beginnen sollte.

Auf diese Weise kann der Konflikt Schritt für Schritt gelöst werden. Geholfen wäre allen Beteiligten, nicht zuletzt auch dem Sohn, der derzeit mit Sicherheit durch die massiv gestörte Vater-Sohn-Beziehung und die daraus folgende einseitig orientierte Mutter-Sohn-Beziehung, eine erhebliche Hypothek zu tragen hat. Ganz neben bei trägt eine Konfliktlösung auch dazu bei, dass unnötige strittige Auseinandersetzung, die offenbar auch erhebliche finanzielle Belastungen nach sich ziehen, beendet werden. Die Mutter braucht dann auch keine "Anwalts- und/oder Gerichtskosten" mehr zu tragen.

Unterbleibt diese notwendige Konfliktklärung kann schon jetzt prognostiziert werden, dass sich dies mit Sicherheit negativ auf den Sohn und damit letztlich auch auf das Mutter-Sohn-Verhältnis auswirken wird. Der Vater ist, im Guten wie im Bösen, die zentrale männliche Identifikationsfigur des Sohnes. Ist dem Sohn die reale Auseinandersetzung mit seinem Vater versperrt, so bleibt dem Sohn nur noch die Flucht in die imaginierte Auseinandersetzung, die stellvertretend an anderen männlichen Vaterfiguren vollzogen werden muss (vgl. Hanebutt 2003), bleibt es bei der mit Sicherheit vorhandenen unbewussten Aggression des Sohnes gegen die Mutter, da er dieser bezüglich des Vaters unbedingt loyal sein muss und keine Ambivalenzen zeigen darf. Der Vater wird so in den Augen des Sohnes zur Unperson, dies geht, wie wir auch aus der systemischen Therapie wissen, nicht ohne schwere Schuldgefühle, die verdrängt oder verschoben ausagiert werden müssen. Die dabei unvermeidlich entstehende Wut des Sohnes gegen die Mutter kann nicht gelebt werden, da sie gleichzeitig seine zentrale Bezugsperson ist, von der er sich abhängig fühlt. So bleibt der Konflikt ungelöst, wird der Mutter-Vater-Konflikt in die nächste Generation transportiert. Der Sohn wird in der unsicheren Identifikation keine gut gegründete männlicher Identität entwickeln können, Frauen werden ihm als ambivalente und machtvolle Personen erscheinen, denen er sich zumindest auf der Ebene des Unbewussten, verwehren, wenn nicht sogar feindlich begegnen muss.

 

 

Darlegung "Zur Vorgeschichte"

In der Darlegung "Zur Vorgeschichte" fällt auf, dass Frau X sich zum völlig wehrlosen Opfer erklärt. "Ich verließ (Herrn) X am ... .1998 fluchtartig, da er mich damals fast umgebracht hätte. Ich habe über 7 Jahre unter seiner Gewalt und Brutalität gelitten, hatte nie den Mut, zu gehen, da er mich immer wieder bedrohte und einschüchterte." (S. 5)

Es fragt sich, wie erwachsen eine Frau geworden ist, die nach ihrer Darstellung: "7 Jahre unter seiner (des Partners, Anm. P. Thiel) Gewalt und Brutalität" gelebt hat. Wenn es denn so gewesen wäre, muss man die Frage stellen, wie sich eine erwachsene Frau gegenüber ihrem Mann und Partner in die Rolle des hilflosen Kleinkindes begeben konnte, dem angesichts der Übermacht der Eltern (und des offenbar strengen und gewalttätigen Vaters) nichts als die Resignation bleibt und nach 7 Jahren endlich die Flucht.

Wenn wir einen Blick in die von Frau X selbst geschilderte eigene Herkunftsgeschichte werfen (vgl. Gutachten Kurz-Kümmerle 10.08.2000, S. 8-9), kann uns dies vielleicht zum Verständnis weiterhelfen. Frau X beschreibt ihre Herkunftsfamilie mit den Worten "Sie habe tolle Eltern".

1987 oder 1986 lernt sie Herrn X, den späteren Vater des Sohnes Z kennen. "Sie hätten sich kaum gekannt, bevor sie zusammen gezogen seinen. Der Kindesvater sei denn krank geworden ein paar Wochen später und sei in die Psychiatrie gekommen. Er habe einen Suizidversuch gemacht gehabt, was für sie nicht nachvollziehbar gewesen wäre. Der Arzt habe ich damals geraten, ihn nicht zu heiraten, ohne ihr einen Grund dafür genannt zu haben. Dennoch habe sie etwas weitere zwei Monate später dann standesamtlich geheiratet."

Beim Lesen dieser Zeilen fragt man sich, was eine Frau bewegt, einen, nach ihrer eigenen Darstellung, im Zeitpunkt des Kennen Lernens, psychisch kranken Mann, der einen Suizidversuch begeht, nach nur wenigen Monaten des Kennen Lernens zu heiraten. Wie viel Faszination muss ein solcher Mann, so die Darstellung denn stimmt, auf Frau X ausgeübt haben? Vielleicht war die überstürzte Heirat von Frau X auch ein fluchtartiger Ablösungsversuch von der eigenen Herkunftsfamilie, den eigenen Eltern? Der Satz "Sie selbst hänge sehr an ihren Eltern, die ihr immer viel geholfen hätten" (S. 9) deutet darauf hin. Und dass ihr 31-jähriger Bruder offenbar immer noch im Elternhaus lebt (S.8) lässt fragen, ob das Thema Ablösung in der Herkunftsfamilie von Frau X ein Tabuthema war und ist.

 

Der möglicherweise ungelöste Konflikt in der eigenen Herkunftsfamilie verschiebt sich in die Gegenwart. Der neue Konflikt bleibt ungelöst (vgl. Boszormenyi-Nagy) mit der Folge der abermaligen Verschiebung in die nächste Generation. Wer dies will, mag die Hände verschränken und der Untätigkeit das Wort reden, frei nach dem Motto: Die Zeit heilt alle Wunden.

Wer dem nicht traut, wird sich um eine Konfliktlösung bemühen, die Wege stehen offen, professionelle Kompetenz vor Ort wird sich finden, wenn man es denn will.

 

Wer es sich im Status quo minus bequem machen will, der oder die möge sich nicht auf das Kindeswohl berufen, sondern ehrlich sagen, dass ihm oder ihr Verharren und Beharren wichtiger als Entwicklung und persönliches Wachstum beider Eltern und nicht zuletzt auch für den Sohn sind.

 

 

 

 

 

Peter Thiel, 22.12.2003

...

 

 

 

 

Literatur:

Boszormenyi-Nagy, Ivan; Spark, G.M.: "Unsichtbare Bindungen. Die Dynamik familiärer Systeme"; Klett Cotta, Stuttgart, 1981 (Mehrgenerationaler Ansatz. Die Balance von Geben und Nehmen)

Hanebutt, Otto Felix: "Die vaterlosen 68er und ihr Erbe", Carl Auer-Systeme Verlag, 2003

 

 


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