Stellungnahme zum Gutachten der Diplom-Psychologin Renate Schwarz

vom 10.08. und 10.09.2006

 

Überarbeitet am 23.10.2008

 

 

Familiensache: Frau X, Herr Y, Herr X

 

Kinder:

A (Sohn) geboren: ... .1999 (Eltern: Frau X, Herr Y)

B (Tochter) geboren: ...  2004 (Eltern: Frau X, Herr X)

 

Beteiligt: Kreisjugendamt Hohenlohekreis

Verfahrenspflegerin Frau K.

 

Amtsgericht Öhringen

Richter Stei

Geschäftsnummer:  2 F 53/05

 

 

 

 

Erarbeitung der Stellungnahme durch Peter Thiel

 

 

 

 

 

 

Sitzungsprotokoll vom 21.06.2006:

 

"...

Die elterliche Sorge soll vorerst weiter beim Jugendamt verbleiben. Eine alsbaldige Rückführung der beiden Kinder in den Haushalt der Eheleute X soll angestrebt werden.

Zunächst soll ein Gutachten der Sachverständigen Frau Dipl. Psychol. Schwarz zu den Modalitäten einer solchen Rückführung eingeholt werden, insbesondere soll die Sachverständige gebeten werden, alsbald ein Zwischenergebnis mitzuteilen, ob und wann eine Rückführung erfolgen kann. Sobald dann eine Rückführung stattgefunden hat, soll die Belastungssituation der Familie im Alltag in die Begutachtung mit einbezogen werden."

 

 

 

 

Beweisfrage vom 21.06.2006

Nachdem der zuständige Richter laut Sitzungsprotokoll als Ziel eine "alsbaldige Rückführung der beiden Kinder" in den Haushalt der Eltern angegeben hat, relativiert der Richter dies in seinem Beweisbeschluss vom selben Tag, vom Ziel einer "alsbaldige Rückführung der beiden Kinder" findet sich dort nichts mehr, statt dessen wird dort nur ganz allgemein von der "Frage der Rückführung der beiden Kinder in den Haushalt der Eheleute X" gesprochen:

 

"1. Es soll ein Gutachten der Sachverständigen Frau Dipl. Psychol. Renate Schwarz dazu eingeholt werden, welche Regelung der elterlichen Sorge und Aufenthaltsbestimmung bezüglich der beiden Kinder A, geb. ... .1999 und B. , geb. ... .2004 dem Wohl der Kinder am besten entspricht.

Die Sachverständige wird gebeten, baldmöglichst vorab zur Frage der Rückführung der beiden Kinder in den Haushalt der Eheleute X eine vorläufige gutachterliche Stellungnahme abzugeben.

Belastungssituationen im Alltag sollen in die weitere Begutachtung einbezogen werden.

 

2. Weitere verfahrensleitende Maßnahmen ergehen danach von Amts wegen."

 

 

 

 

Hintergrund des Verfahrens ist die Anfang 2005 erfolgte Herausnahme der beiden Kinder A und B aus ihrer Herkunftsfamilie, bzw. im Fall des Kindes A aus dem Haushalt der Mutter. Im folgenden soll lediglich zu der gerichtlich anhängigen Frage einer möglichen Rückführung von B, der Tochter von Frau X und Herrn Y Stellung genommen werden.

Das Sorgerecht wurde den Eltern von B mit gerichtlichem Beschluss vom 4.2.2005 entzogen und das Jugendamt Hohenlohekreis als Vormund bestellt. Während A, der Sohn von Frau X und Herrn Y bei den Großeltern mütterlicherseits in Pflege war und zwischenzeitlich in den Haushalt der Mutter zurückkehren konnte, wurde B in einer Pflegefamilie untergebracht, die allerdings – sicher nicht unproblematisch - "als Motiv für die Aufnahme eines Pflegekindes", "den lange unerfüllten Wunsch nach einem zweiten Kind" angaben. "Nachdem sich die Vorstellung, ein Kind zu adoptieren, zunehmend als nicht realisierbar herausgestellt habe, hätten sie sich um die Aufnahme eines Pflegekindes bemüht ..."

So der Vortrag der vom Gericht als Gutachterin ernannten Diplom-Psychologin Renate Schwarz in ihrem Gutachten vom 10.09.2006, S. 12.

 

 

Für die Entscheidung, ob die Rückführung eines Kindes aus einer Pflegefamilie in seine Herkunftsfamilie ansteht oder nicht, kommt es nicht darauf an, ob das Kind in der Herkunftsfamilie oder der Pflegefamilie die besseren Lebensbedingungen vorfindet, also welcher Aufenthaltsort dem Wohl des Kindes am besten entspräche, so wie es hier der zuständige Richter Herr Stei in seiner Beweisfrage bezüglich des Sorge- und Aufenthaltsbestimmungsrecht formuliert. Denn grundgesetzlich abgesicherter Maßstab, der mehrfach in ähnlichen Fällen durch das Bundesverfassungsgericht und auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bestätigt wurde ist:

 

Grundgesetz Artikel 6 Satz 2

Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuförderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

 

§ 1666 BGB (Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls)

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen durch mißbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten eines Dritten gefährdet, so hat das Familiengericht, wenn die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

(2)... (3)... (4)...

 

 

 

§ 1666a BGB (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; Vorrang öffentlicher Hilfen)

(1) Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, sind nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. ...

(2) Die gesamte Personensorge darf nur entzogen werden, wenn andere Maßnahmen erfolg-los geblieben sind oder wenn anzunehmen ist, daß sie zur Abwendung der Gefahr nicht ausreichen.

 

 

 

 

Vor diesem Hintergrund dürfte die Beweisfrage des Gerichtes

 

welche Regelung der elterlichen Sorge und Aufenthaltsbestimmung bezüglich der beiden Kinder A geb. ... 1999 und B, geb. ... .2004 dem Wohl der Kinder am besten entspricht.

 

rechtlich gesehen irrelevant sein, denn es geht eben nicht darum zwischen dem Herkunftseltern und den Pflegeeltern abzuwägen, wer das Kindeswohl besser sicherstellen könne, sondern ein Rückführungsantrag der Eltern ihres bei Pflegeeltern in Obhut befindlichen Kindes kann vom Familiengericht nur dann zurückgewiesen werden, wenn durch die Rückführung zu den Eltern eine Gefährdung des Kindeswohls zu befürchten wäre.

 

Die Gutachterin ist trotz der wie oben dargestellt zu bemängelnden Beweisfrage in ihrem Gutachten zur Frage einer möglichen Rückführung von B auf das Moment der Kindeswohlgefährdung eingegangen. Allerdings ist auch die Gutachterin nicht frei davon, das einzig und allein maßgebende Kriterium einer Kindeswohlgefährdung mit der irrelevanten Frage der besseren Obhut zu vermischen, wenn sie schreibt:

 

„Nach Abwägung aller hierfür wesentlichen Gesichtspunkte würde es dem Wohl der zweijährigen B am besten entsprechen, wenn sie weiterhin in der Obhut der Pflegeeltern verbleiben könnte, ...

Im Sinne der eingangs genannten Definition für Kindeswohl bietet die gegenwärtige Lebenssituation der Familie Z (Pflegefamilie - Anmerkung Peter Thiel) B günstigere Entwicklungsbedingungen für ihr gegenwärtiges Wohlbefinden und lässt günstiger Entwicklungschancen für das Mädchen erwarten, während eine Rückführung in die Obhut der Kindeseltern aufgrund des Zusammentreffens von Risikofaktoren auf Seiten des Kindes und auf Seiten der Kindeseltern – hier besonders der Kindesmutter – eine eher ungünstige Entwicklungsprognose erwarten lässt und damit gegen das Kindeswohl verstoßen würde. (S. 17/18)

 

 

Auf Seite 19 ihres Gutachtens konstatiert die Gutachterin dann doch noch eine „erhebliche Gefährdung des Kindeswohls“, wenn B aus dem Haushalt der Pflegeltern in den Haushalt der leiblichen Eltern zurückkehren würde.

 

Nebenbei bemerkt stellt sich dem Unterzeichnenden die Frage, ob das Motiv der Pflegeeltern, so wie es – wie oben dargestellt - von der Gutachterin vorgetragen wird, einzig und allein auf das Wohl des Kindes gerichtet ist. Gut möglich ist auch, dass das Wohl der Pflegeeltern eine nicht ungewichtige Rolle spielt, die das Pflegekind B möglicherweise auch als Ersatzkind für einen nichterfüllten Kinderwunsch betrachten:

 

"Als Motiv für die Aufnahme eines Pflegekindes geben Herr und Frau Z den lange unerfüllten Wunsch nach einem zweiten Kind an. Nachdem sich die Vorstellung, ein Kind zu adoptieren, zunehmend als nicht realisierbar herausgestellt habe, hätten sie sich um die Aufnahme eines Pflegekindes bemüht ..." (Gutachten, S. 12.)

 

Wäre dies so, können aus einer solchen Haltung heraus nicht unwesentliche Schwierigkeiten für das Kind in der Zukunft vorprogrammiert sein.

 

 

 

 

Fazit:

Das Kind B hat sich nach dem Vortrag der Gutachterin in der Zeit seines Aufenthaltes bei den Pflegeltern stabilisieren können (vergleiche S. 20).

Die Annahme der Gutachterin, dass eine Rückführung des Kindes zu den leiblichen Eltern zwangsläufig zu einer Kindeswohlgefährdung führen würde, kann vom Unterzeichnenden so nicht nachvollzogen werden. Würde man dieser Argumentationslinie der Gutacherin folgen, so würde sich fast regelmäßig eine Rückführung eines Kindes aus einer Pflegefamilie verbieten. Die Unterbringung in einer Pflegfamilie ist jedoch in erster Linie eine notwendige Krisenintervention, nicht aber von vornherein auf Dauer angelegt. Die gesetzliche Regelung:

 

§ 1666a BGB (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; Vorrang öffentlicher Hilfen)

(1) Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, sind nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. ...

 

stellt klar, dass eine Rückführung durchaus stattfinden kann, wenn einer möglichen Gefahr durch öffentliche Hilfen begegnet werden kann. An dieser Stelle kann das Familiengericht jedoch durch geeignete Auflagen, wie die Inanspruchnahme einer Familienhilfe durch die Eltern, die obligatorische Teilenahme der Eltern an einer Familientherapie etc., die notwendigen Sicherheiten für das Kind schaffen. In zeitlich angemessenen Abständen kann das Familiengericht die Einhaltung solcher Auflagen kontrollieren.

Im übrigen wird sicherzustellen sein, dass das Kind B auch nach einer Rückführung in den Haushalt der Eltern einen guten Kontakt mit den Pflegeltern aufrechterhalten kann. Dies ist abgesichert durch:

 

§ 1626 BGB

(3) Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.

 

 

 

 

 

Peter Thiel, 23.10.2006

 

 


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