Expertise zum 64-seitigen „Gutachten“ des Prof. Dr. Michael Günther oder auch
der vom Gericht nicht benannten Dr. med. I. Stohrer vom 22.09.2010
Familiensache: X (Mutter) und Y(Vater)
Amtsgericht Böblingen - Aktenzeichen: 13 F 1417/09
Richterin: Frau Schröder - Richterin am Landgericht
Kinder:
A, geboren am ... .2000
B, geboren am ... .2001
Verfahrensbeistand der Kinder: Thomas Rebmann
Mitwirkendes Jugendamt: Böblingen
Erarbeitung der Expertise durch Peter Thiel
Systemischer Berater, Systemischer Therapeut / Familientherapeut (DGSF).
Systemischer Kinder- und Jugendlichentherapeut (DGSF). Zertifizierter
Verfahrenspfleger (SPFW Brandenburg). Tätigkeit als Umgangsbegleiter. Tätigkeit
als Umgangspfleger nach §1909 BGB für Familiengerichte im Land Berlin und
Brandenburg. Seit 1986 in der Jugendhilfe, seit 1989 pädagogisch tätig. Seit
1996 beruflich in der Familien-, Paar- und Trennungsberatung tätig. Langjährige
Erfahrung in der fachlichen Auseinandersetzung und Expertise zu
familiengerichtlich eingeholten Gutachten.
Beweisfrage von Richterin Schröder laut Beschluss vom 30.07.2010:
1. Es ist ein kinderpsychologisches Sachverständigengutachten einzuholen zu der
Frage, ob aus Kindeswohlgründen der Umgang auszusetzen ist und ggf. für welchen
Zeitraum oder ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Umgang stattfinden
kann.
2. Mit der Erstattung des Gutachtens wird beauftragt:
Prof. Dr. Michael Günther
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter
Universitätsklinikum Tübingen
Osianderstr. 14
72076 Tübingen
Vorbemerkung
Statt des vom Gericht in Auftrag gegebenen Gutachtens legen mit Datum vom
22.09.2010 eine vom Gericht nicht benannte Frau Dr. med. I. Stohrer und der vom
Gericht tatsächlich beauftragte Prof. Dr. Michael Günter unter dem Titel
„Kinderpsychiatrisches Sachverständigengutachten“ ein 64-seitiges Schriftstück
vor, dessen Autorenschaft wohl im wesentlichen bei der vom Gericht nicht
benannten Frau Dr. med. I. Stohrer liegt.
Unterschrieben ist das 64-seitigen Schriftstück von Frau Dr. med. I. Stohrer und
von Prof. Dr. Michael Günter mit der Floskel: "Einverstanden auf Grund eigener
Urteilsbildung". Dies lässt den Schluss zu, dass das Schriftstück ohne
Legitimation des Gerichtes von Frau Dr. med. I. Stohrer erstellt wurde, während
der vom Gericht tatsächlich als Gutachter beauftragte Prof. Dr. Michael Günter
in der Sache offenbar gar nicht tätig geworden ist und lediglich eine Art
„Einverständnis“ beigetragen hat.
In einem weiteren Schriftstück vom 23.08.2010 unter einem Kopfbogen einer
sogenannten „Gutachtenstelle Prof. Dr. Michael Günter“, die unter der gleichen
Adresse wie die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im Kindes- und
Jugendalter, Universitätsklinikum Tübingen, Osianderstr. 14, 72076 Tübingen
firmiert, behauptet Frau Dr. med. I. Stoherer oder auch eine Sekretärin:
"... ich bin vom Amtsgericht - Familiengericht - Böblingen mit der Erstellung
eines Gutachtens in o.g. Sache beauftragt worden.
Ich möchte Sie daher bitten, zu einem Erstgespräch, zunächst ohne Kinder ...
zu mir in die Poliklinik der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie im Kindes-
und Jugendalter, Osianderstraße 14, 72076 Tübingen zu kommen.
Mit freundlichen Grüßen
Unleserliche Unterschrift – Anm. Peter Thiel
(Sekretariat)
Dr. med. I. Stoherer"
Nun hat das Amtsgericht Böblingen aber weder eine Sekretärin, noch eine Frau Dr.
med. I. Stohrer als Gutachterin beauftragt, die das Schriftstück vom 23.08.2010
offenbar noch nicht einmal selbst unterschrieben hat, statt dessen - unleserlich
- wohl eine namentlich nicht genannte Sekretärin. Als Gutachter wurde vom
Gericht jedoch Prof. Dr. Michael Günter beauftragt. Wie es nun zu dem von einer
Sekretärin oder einer Frau Dr. med. I. Stohrer unterschriebenen Schriftstück
kommt, ist unklar. Möglicherweise wurde von Prof. Dr. Michael Günter der
Beweisbeschluss des Gerichtes unter Verletzung des Datenschutzes an besagte Frau
Dr. med. I. Stohrer weitergeleitet, die sich dann auch noch in dem seltsamen
Glauben wähnte, sie wäre vom Amtsgericht Böblingen als Gutachterin, bzw.
Sachverständige beauftragt worden:
"... ich bin vom Amtsgericht - Familiengericht - Böblingen mit der Erstellung
eines Gutachtens in o.g. Sache beauftragt worden.
…
Mit freundlichen Grüßen
Unleserliche Unterschrift – Anm. Peter Thiel
(Sekretariat)
Dr. med. I. Stoherer"
A
uch an anderer Stelle wähnt sich Frau Stohrer als „Sachverständige“ und
versäumt es bei dieser Gelegenheit nicht, auch noch darauf hinzuweisen, wie sie
sich mit dem Vater, den sie als „Kindesvater“ tituliert, in die Haare kriegt.
„Die Sachverständige weist darauf hin, dass es keine bikulturelle Situation sei,
da die Eltern beide aus .... stammen. Dieses versteht der Kindesvater
zunächst nicht. Es entsteht ein Disput und der Kindesvater möchte fast die
Begutachtung beenden. …“ (Schriftstück S. 17)
Das Gericht hat aber weder an Prof. Dr. Michael Günter noch an eine Dr. med. I.
Stohrer den Auftrag erteilt, rechthaberische Dispute mit dem Vater zu führen
und auf diese Weise nicht nur die Begutachtung zu gefährden, sondern sich auch
noch dem Vorwurf der Befangenheit auszusetzen. Ebenso wurde vom Gericht kein
Auftrag erteilt, den Vater im Bürokratendeutsch als „Kindesvater“ zu titulieren.
Vergleiche hierzu:
Kaufmann, Ferdinand: "Kindesmutter und Kindesvater: Relikte aus vergangener
Zeit?“, In: "Kind-Prax", 1/1999, S. 20-21
Kaufmann, Ferdinand: "Wann endlich verschwinden die Kindesmütter und Kindesväter
aus unserem Sprachgebrauch?"; In: "Zentralblatt für Jugendrecht" 7/8/1999, S.
292-293
Kinderpsychiatrisches Sachverständigengutachten
Frau Dr. med. I. Stohrer und Prof. Dr. Michael Günter - "Einverstanden auf Grund eigener Urteilsbildung" - teilen dem Amtsgericht Böblingen - Richterin Schröder - in ihrem mit 22.09.2010 datierten 64-seitigen Schriftstück mit:
"Dem Amtsgericht – Familiengericht Böblingen – wird gemäß Beschluss vom 30. Juli
2010 das nachfolgende kinderpsychiatrische Sachverständigengutachten …
erstattet.
…
Alle Untersuchungen und Gespräche fanden in der Poliklinik der Abteilung
Psychiatrie und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter der Universität
Tübingen statt und wurden von Frau Dr. med. I. Stohrer durchgeführt."
(Schriftstück S. 1/2)
Frau Stohrer und Herr Prof. Dr. Michael Günter - "Einverstanden auf Grund
eigener Urteilsbildung" - behaupten in dem Schriftstück dann auch noch:
"Dem Amtsgericht - Familiengericht - Böblingen wird gemäß Beschluss vom 30. Juli
2010 das nachfolgende kinderpsychiatrische Sachverständigengutachten ...
erstattet." (Schriftstück S. 2)
Grad so, als ob Frau Stohrer und Herrn Prof. Dr. Michael Günter - "Einverstanden
auf Grund eigener Urteilsbildung" - nicht der Unterschied zwischen einem
kinderpsychologischen und einem
kinderpsychiatrischen Sachverständigengutachten
bekannt wäre. Ersteres wurde vom Gericht in Auftrag gegeben, letzteres ist
offenbar eine Phantasiebezeichnung von Frau Dr. med. I. Stohrer und Prof. Dr.
Michael Günter - "Einverstanden auf Grund eigener Urteilsbildung".
Die Beweisfrage des Gerichtes wird in dem Schriftstück auch nicht vollständig
zitiert, denn sonst wäre - nicht zuletzt auch den die Eltern vertretenden
Rechtsanwälten - sicherlich aufgefallen, dass Frau Stohrer vom Gericht überhaupt
nicht beauftragt wurde.
Schließlich ernennt sich Frau Stohrer zu allem Überfluss auch noch selbst als
Sachverständige. Sie schreibt:
"Vom Kindesvater wurden der Sachverständigen einige Unterlagen übergeben, welche
die Sachverständige in Kopie dem Gericht zur Kenntnis beifügt." (Schriftstück S.
64)
Natürlich ist es Frau Stohrer nicht verboten, sich als „Sachverständige“ zu
bezeichnen, dies kann auch ein Fahrkartenkontrolleur tun, denn
„Sachverständiger“ ist kein gesetzlich geschützter Begriff. Jeder der schon mal
eine Gerichtsverhandlung im Fernsehen gesehen hat, kann sich als
Sachverständiger bezeichnen, nur weil er weiß, dass der Richter an der
Stirnseite des Saales sitzt. Es ist allerdings von Frau Stohrer unseriös, in dem
vorliegenden familiengerichtlichen Verfahren zu suggerieren, sie wäre hier vom
Gericht als Sachverständige ernannt worden.
Allgemeines
Nachdem nun klar gestellt ist, dass es sich bei dem vorliegenden 64-seitigen
Schriftstück vom 22.09.2010 nicht um das vom Gericht mit Beschluss vom
30.07.2010 in Auftrag gegebene Gutachten handelt, kann man das von Frau Dr. med.
I. Stohrer und Prof. Dr. Michael Günter - "Einverstanden auf Grund eigener
Urteilsbildung" - unterzeichnete Schriftstück vom 22.09.2010 einer fachlichen
Kritik unterziehen, in der Hoffnung, dass dies dem Gericht helfen möge, eine für
das Wohl der Kinder gute Entscheidung zu treffen.
Hier fallen einer kompetenten Fachkraft schnell eine Reihe von Merkwürdigkeiten
und Fehler auf. So tragen Frau Dr. med. I. Stohrer / Prof. Dr. Michael Günter -
"Einverstanden auf Grund eigener Urteilsbildung" - vor:
„Weiter liegt vom Jugendamt Sindelfingen - Sachbearbeiterin Frau Wagner – vom 8.
April 2008 eine ausführliche Stellungnahme vor bezüglich der begleiteten
Umgangskontakte. Es wird vermerkt, dass diese nicht kindeswohldienlich seien.“
(Schriftstück S. 5)
Nun fragt man sich, was dieser Bezug auf eine über zwei Jahre alte Stellungnahme
einer Mitarbeiterin des Jugendamtes Sindelfingen mit der Beweisfrage des
Gerichtes vom 30.07.2010 zu tun haben soll? Womöglich soll es die pessimistische
Sicht der Frau Dr. med. I. Stohrer und des Prof. Dr. Michael Günter -
"Einverstanden auf Grund eigener Urteilsbildung" - am Ende ihres Schriftstückes
vom 22.09.2010 stützen und auf einen gerichtlich anzuordnenden Kontaktabbruch
zwischen den Kindern und ihrem Vater einstimmen:
„… letztendlich besteht derzeit aus gutachterlicher Sicht keine realistische
Möglichkeit, kindeswohldienliche Umgangskontakte einzurichten.“ (Schriftstück S.
63)
Womöglich um die Auftragslage der sogenannten „Gutachtenstelle Prof. Dr. Michael
Günther“ - abzusichern, empfehlen Frau Dr. med. I. Stohrer und Prof. Dr. Michael
Günter - "Einverstanden auf Grund eigener Urteilsbildung" - dann auch gleich
noch eine „Nachbegutachtung“ nach der von ihnen subtil empfohlenen halbjährigen
Aussetzung des Umganges zwischen den Kindern und ihrem Vater.
Über das zu erwartende Ergebnis einer solchen „Nachbegutachtung“ kann man schon
jetzt eine recht sichere Negativprognose abgeben, denn wo - so wie hier bei Frau
Dr. med. I. Stohrer und Prof. Dr. Michael Günter - keine Hoffnung ist, da wird
sich auch nichts nach vorn bewegen, sondern im Stil einer selbsterfüllenden
Prophezeiung das negative Denken bestätigt werden.
Vergleiche hierzu:
Conen, Marie-Luise (Hrsg.): "Wo keine Hoffnung ist, muss man sie erfinden.
Aufsuchende Familientherapie"; Carl-Auer-Systeme Verlag 2002
Einzelpunkte
Frau Dr. med. I. Stohrer und Prof. Dr. Michael Günter - "Einverstanden auf Grund
eigener Urteilsbildung" - tragen vor:
„Die Kinder wollen eigentlich einen ungezwungenen spielerischen Umgang mit dem
Vater. Sobald der Vater sich auf diese spielerische, kindgerechte Ebene begibt,
sind die Kontakte auch gut.
Wenn es dem Kindesvater gelingen würde, mit den Kinder auf dieser Ebene zu
spielen und zu kommunizieren, wären Umgangskontakte sinnvoll und dem Kindeswohl
dienlich.“ (Schriftstück der „AutorInnen“ S. 61)
Dies ist endlich einmal eine erfreuliche Aussage der beiden im Doppelpack
agierenen „AutorInnen“ - wenn auch sprachlich verhunzt: „Die Kinder wollen
eigentlich“, statt kurz und knapp: die Kinder wollen. Wozu das Füllwort
„eigentlich“ hier dienen soll, ist unklar.
Die „AutorInnen“ schränken ihren aufschimmernden Optimismus dann aber gleich mit
einer Stigmatisierung des Vaters ein:
„Aber eigentlich müsste der Kindesvater in seiner Persönlichkeitsstruktur
grundlegend behandelt werden.
… da beim Kindesvater keinerlei Einsicht besteht bezüglich seiner eigenen
paranoiden Persönlichkeitsstörung, zum anderen derartige
Persönlichkeitsstörungen nur sehr schwer behandelbar sind.“ (Schriftstück der
„AutorInnen“ S. 61)
Dies erscheint nun als eine recht anmaßende Behauptung der AutorInnen Frau Dr.
med. I. Stohrer und Prof. Dr. Michael Günter - "Einverstanden auf Grund eigener
Urteilsbildung" - denn um eine „paranoide Persönlichkeitsstörung“
diagnostizieren zu können, würde es einer psychiatrischen Untersuchung des
Vaters bedürfen. Diese hat das Amtsgericht - Familiengericht - aber weder in
Auftrag gegeben, noch wird ersichtlich, dass die AutorInnen Frau Dr. med. I.
Stohrer und Prof. Dr. Michael Günter Fachärzte für Psychiatrie wären. Über Frau
Dr. med. I. Stohrer finden sich in dem Schriftstück der „AutorInnen“ noch nicht
einmal Angaben, die darauf schliessen lassen würden, worin möglicherweise ihre
Fachkompetenz bestünde, die es plausibel machen würden, dass sich Frau Dr. med.
I. Stohrer unlegitimiert an der Erarbeitung eines Schriftstückes beteiligt, das
schließlich dem Gericht als „kinderpsychiatrisches Gutachten“ in Bezug auf die
Beweisfrage des Gerichtes vom 30.07.2010 präsentiert wird.
Vergleiche hierzu:
Kulisch, Sylvia: "Psychiater oder Psychologe?"; In: "Strafverteidiger Forum",
10/2001, S. 337-341
Wenn es denn für das Familiengericht Anlass geben sollte, eine psychiatrische
Begutachtung des Vaters vornehmen zu lassen, dann läge es auch am Gericht,
dieses mit einer entsprechend formulierten Beweisfrage in Auftrag zugeben. Um
nun aber bis zur Vorlage eines solchen psychiatrischen Gutachtens
beimFamiliengerichtes die bisherige Entfremdung zwischen den Kindern und ihrem
Vater nicht noch weiter voranschreiten zu lassen, wäre es sicher angezeigt,
vorübergehend einen Begleiteten Umgang festzusetzen, in dessen Rahmen sich der
Vater und seine beiden Söhne in einem strukturierten Rahmen begegnen können. Der
Begleitete Umgang soll natürlich nicht die Regel darstellen, sondern nur den
Übergang vorbereiteten und absichern, damit der Umgang zwischen dem Vater und
den Kinder so bald wie möglich, spätestens jedoch noch der Feststellung des in
Auftrag zu gebenden psychiatrischen Gutachtens, dass beim Vater keine paranoide
Persönlichkeitsstörung vorliegt, unbegleitet erfolgen kann.
Vergleiche hierzu:
Conen, Marie-Luise (Hrsg.): "Wo keine Hoffnung ist, muss man sie erfinden.
Aufsuchende Familientherapie"; Carl-Auer-Systeme Verlag 2002
Thiel, Peter: "Zwischen Hilfeleistung und Zwang: Begleiteter Umgang und
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Peter Thiel, 01.03.2011
...
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