Stellungnahme zum 45-seitigen Gutachten der Diplom-Psychologin Mareike Hoese vom 26.05.2008
Familiensache: X (Mutter), Y (Vater)
Kind: A geboren: ... 1996 (Tochter)
Verfahrenspflegerin Cornelia Herrmann
Amtsgericht Bochum - Geschäftsnummer: 56 F 290/06 - Richterin Brunholt-Kirchner
Oberlandesgericht Hamm - Geschäftsnummer: 3 UF 87/07
Erarbeitung der Stellungnahme durch Peter Thiel (geringfügig überarbeitet am 11.03.2011)
Beweisfrage laut Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 16.10.2007:
„Es soll ein Sachverständigen-Gutachten zu folgender Frage eingeholt werden, wobei der Senat davon ausgeht, dass die Beteiligte zu 1. - Kindesmutter - ihren Wohnsitz weiterhin dauerhaft außerhalb des Ruhrgebiets hat:
Entspricht es dem Wohl A`s besser, bei der Mutter zu leben oder beim Vater in ... aufzuwachsen?“
Schwierigkeiten der Gutachterin bei der Erfassung der Beweisfrage
Die als Gutachterin beauftragte Diplom-Psychologin Mareike Hoese antwortet auf die Beweisfrage des Gerichtes:
"7. Zur Fragestellung des Gerichts
Aus psychologischer Sicht ist es mit dem Wohl des Kindes A am besten vereinbar, wenn es in dem Haushalt der Kindesmutter verbleit und in ihrer Obhut aufwächst, somit auch in Y ver-bleibt.
...
Diese Empfehlung ergibt sich aus folgenden Gesichtspunkten:
..."
Gutachten S. 40
Man kann vermuten, dass die Gutachterin die Frage des Gerichtes nicht verstanden hat oder nicht verstehen wollte, denn das Gericht hat nicht gefragt, ob "es mit dem Wohl des Kindes A`s am besten vereinbar" wäre, "wenn es im Haushalt der Kindesmutter verbleit und in ihrer Obhut aufwächst, somit auch in ... verbleibt", wie die Gutachterin schreibt, sondern:
"Entspricht es dem Wohl A`s besser, bei der Mutter zu leben oder beim Vater in ... aufzuwachsen?"
Die von der Gutachterin verwendete redundante Redewendung „aus psychologischer Sicht“, bringt naturgemäß genau so viel Licht in das Dunkel, wie die Schildbürger, als sie versuchten, das Licht mit Säcken in ihr fensterloses Rathaus zu tragen.
Die Verwendung redundanter Redewendung deutet in der Regel auf ein Defizit in der Sachargumentation hin, so wie vor 20 Jahren in der DDR-Nachrichtensendung „Aktuelle Kamera“ zu beobachten, die zu zwei Dritteln ihrer Sendezeit aus Lobhudeleien auf die Partei- und Staatsführung bestand. Das Gericht hat die Gutachterin aber nicht, wie weiland Erich Hochecker den Chef des DDR-Fernsehens, um Redundanz gebeten, sondern um die Beantwortung der Beweisfrage.
Beantwortung der Beweisfrage
Das Gericht hat die Gutachterin nicht um eine Empfehlung gebeten, die die Gutachterin meint, dem Gericht geben zu müssen (Gutachten S. 40), sondern eine Frage gestellt, auf die - wenn man es dann kann - eine konkrete Antwort zu geben wäre.
Warum die Gutachterin auf die Beweisfrage des Gerichts keine konkrete Antwort gibt, sondern in der oben zitierten Form in einer eigenartig anmutenden Formulierung ihr eigenes Bild von dem entwirft, was sie dem Gericht mitteilen möchte, bleibt dem Unterzeichnenden rätselhaft.
Doch um in der Auseinandersetzung mit dem vorliegenden Gutachten nicht vollends zu versanden, soll im folgenden mit einem kräftigen und gutwilligen Augenzudrücken angenommen werden, die Gutachterin hätte auf die Beweisfrage des Gerichtes
„Entspricht es dem Wohl A`s besser, bei der Mutter zu leben oder beim Vater in ... aufzuwachsen?“
so geantwortet:
Dem Wohl des Kindes A entspricht es besser, wenn es bei der Mutter lebt.
Dies wäre unabhängig davon ob zutreffend oder nicht eine kurze und knappe Antwort. Eine solche Antwort unterstellt, soll im folgenden untersucht werden, ob die Diplom-Psychologin Mareike Hoese dafür eine überzeugende Begründung vorgetragen hat.
Bei einer Textanalyse fällt auf, dass die Diplom-Psychologin Mareike Hoese bei der Beschreibung der Mutter den Indikativ benutzt, bei der Beschreibung des Vaters den Konjunktiv.
Der Konjunktiv ist im Deutschen neben dem Indikativ und dem Imperativ einer der drei Modi eines Verbs. Der Konjunktiv wird für die Darstellung einer Möglichkeit benutzt. Der Indikativ wird für die Darstellung der Wirklichkeit benutzt.
Die Gutachterin schreibt bezüglich der Mutter im Stil eine Hofberichtserstattung:
„Die Mutter des Kindes verfügt über günstige Wohnverhältnisse und kann auch bei halbtägiger Berufstätigkeit die Betreuung der Tochter sicherstellen. Frau X hat langfristig jeweils den hauptsächlichen Teil der Erziehungsarbeit bei A geleistet, ist genauestens über die einzelnen Entwicklungsschritte des Kindes informiert, ... . Die erforderliche Verantwortlichkeit einer Hauptbezugsperson hat sie stets verlässlich gezeigt. Mit ihrem konsequenten Erziehungsstil wird sie den Bedürfnissen des Kindes nach Struktur und Orientierung gut gerecht. Frau X bietet mit ihrer Fürsorge Geborgenheit und emotionale Wärme, respektiert jedoch im angemessen Ausmaß Selbstständigkeitsbestrebungen und Autonomieentwicklung des Kindes ....“
Gutachten S. 40, Unterstreichungen durch Peter Thiel
All diese angeblichen Wahrheiten über die mütterlichen Kompetenzen will die Gutachterin offenbar anlässlich einer einzigen Interaktionsbeobachtung zwischen Mutter und Tochter am 03.04.2008 und „Informatorischer telefonischer Anhörungen zweier Lehrerinnen des Kindes“ festgestellt haben (vergleiche Gutachten S. 6, ohne Angabe der Zeitdauer der Interaktionsbeobachtung von Mutter und Tochter).
Die Gutachterin räumt dabei ein:
„Die Verhaltensbeobachtungen A`s mit den Elternteilen in jeweils beiden Haushalten war wegen ihrer Zurückhaltung weniger ergiebig.“ (Gutachten S. 33)
Angesichts der von der Gutachterin eingestandenen dürftigen Tatsachenerhebung muss man sich fragen, wie sie dann zu ihrer unbekümmert vorgetragenen Behauptung:
"Die erforderliche Verantwortlichkeit einer Hauptbezugsperson hat sie stets verlässlich gezeigt. Mit ihrem konsequenten Erziehungsstil wird sie den Bedürfnissen des Kindes nach Struktur und Orientierung gut gerecht. Frau X bietet mit ihrer Fürsorge Geborgenheit und emotionale Wärme, respektiert jedoch im angemessen Ausmaß Selbstständigkeitsbestrebungen und Autonomieentwicklung des Kindes....“
kommt? Vielleicht durch eine Überidentifikation mit der Mutter, was die Besorgnis der Befangenheit auslösen könnte.
Der Selbstdarstellung der Mutter, der die Gutachterin auf den Seiten 7 bis 13 des Gutachtens Raum schenkt, lässt sich jedenfalls eine objektive Sachverhaltsaufklärung naturgemäß nicht entnehmen, denn Selbstdarstellungen sind nicht die Wirklichkeit selbst, sondern bestenfalls das, was wir für die Wirklichkeit halten.
Vergleiche hierzu:
Watzlawick, Paul: "Die erfundene Wirklichkeit". Wie wir wissen, was wir zu wissen glauben. Beiträge zum Konstruktivismus", 1985, Piper Verlag, München
Die Gutachterin behauptet bezüglich der Mutter:
„Die erforderliche Verantwortlichkeit einer Hauptbezugsperson hat sie stets verlässlich gezeigt.“ (Gutachten S. 40)
obwohl die Gutachterin die Mutter in der Vergangenheit vor der Beauftragung durch das Oberlandesgericht Hamm gar nicht begleitet hat. Wie will die Gutachterin da in Erfahrung gebracht haben, dass die Muter „die erforderliche Verantwortlichkeit einer Hauptbezugsperson“ „stets verlässlich gezeigt“ hat?
Wie sich der Stellungnahme der Mitarbeiterin des Jugendamtes Frau ... entnehmen lässt, soll die Mutter „nicht mit dem Jugendamt kooperiert“ haben und zudem „Fakten geschaffen, in dem sie ohne Abwarten einer OLG-Entscheidung umgezogen sei“ (Vergleiche Gutachten S. 5). Wie das in Einklang mit der Behauptung der Gutachterin, die Mutter habe „die erforderliche Verantwortlichkeit einer Hauptbezugsperson“ „stets verlässlich gezeigt“, zu bringen sein soll, bleibt sicher rätselhaft.
Vergleiche hierzu:
Gutdeutsch, Werner & Rieck, Jürgen: "Kindesentführung: Ins Ausland verboten - im Inland erlaubt?"; In: "Zeitschrift für das gesamte Familienrecht" 1998, Heft 23, S. 1488-1491
Möglicherweise hat die Gutachterin aber auch Probleme, zwischen ihrer eigenen Dichtung und den tatsächlich nachweisbaren oder feststellbaren Tatsachen zu unterscheiden.
Defizite oder problematisches Verhalten kann oder will die Diplom-Psychologin Mareike Hoese bei der Mutter offenbar nicht entdecken. Dies mag an der mangelnden Sehschärfe der Gutachterin liegen, aber sicher nicht daran, dass die Mutter, so wie jeder andere Elternteil keine Schwächen hätte. Angesichts der Lobhudelei der Diplom-Psychologin Mareike Hoese in Richtung Mutter könnte man meinen, die Mutter wäre ohne Fehl und Tadel und das einzige Problem das sie habe, wäre der Vater der gemeinsamen Tochter.
Während die Gutachterin die Mutter im Indikativ über den grünen Klee lobt, watscht sie den Vater in seiner Kompetenz mittels Konjunktiv ab:
„Der Vater des Kindes könnte die Betreuung seiner Tochter leisten und verfügt in einigen Erziehungsbereichen über Kompetenzen, ...“ (Gutachten S. 41, Unterstreichung Peter Thiel)
Wieso verwendet die Gutachterin bei der Beschreibung des Vaters das Wort „könnte“ statt zu schreiben:
Der Vater des Kindes kann die Betreuung seiner Tochter leisten und verfügt in einigen Erziehungsbereichen über Kompetenzen, ...
Will die Gutachterin etwa die Entscheidung des Gerichts mittels Verwendung des Konjunktivs statt des passenden Indikativ vorwegnehmen? Wäre dies der Fall dann wäre in Anlehnung an den Beschluss des Oberlandesgericht Jena v. 2.8.2007 - 1 WF 203/07 gegenüber der Gutachterin leicht der Vorwurf der Besorgnis der Befangenheit zu erheben:
OLG Thüringen – ZPO § 42, 406(1 FamS , Beschluss v. 2.8.2007 – 1 WF 203/07)
1. Geht der Sachverständige mit seinen Feststellungen [zum Umgangsrecht] über den ihm erteilten Gutachtensauftrag hinaus, rechtfertigt dies einen Ablehnungsantrag wegen Befangenheit.
2. Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger kann wegen Befangenheit abgelehnt werden, wenn er den Prozessbeteiligten (hier dem Richter) unzulässigerweise den von ihm für richtig gehaltenen Weg zur Entscheidung des Rechtsstreits weist.
FamRZ 2008, 284
Nachdem die Gutachterin ihre Skepsis gegenüber dem Vater mittels Konjunktiv zum Ausdruck gebracht hat, wechselt sie wieder zum Indikativ, wohl um ihrem Vortrag über die angebliche Mangelhaftigkeit des Vaters Überzeugungskraft zu verleihen:
„Die Feinfühligkeit für die Situation seiner Tochter fällt Herrn Y im Zusammenhang mit seiner eigenen Persönlichkeitsstruktur schwer. Entsprechend gelingt auch die Selbstreflexion bezüglich der eigenen kaum verarbeiteten Trennung und eigener Schwachstellen nur bedingt.“ (Gutachten S. 41, Unterstreichung Peter Thiel)
Zur wie auch immer gearteten „Persönlichkeitsstruktur“ der Mutter verliert die Gutachterin im Übrigen kein Wort. Man könnte daraus den Schluss ziehen, die Mutter hätte keine Persönlichkeitsstruktur, wäre also beliebig. Es kann aber auch sein, dass die Gutachterin statt der angeblich von ihr gesehenen „Persönlichkeitsstruktur“ des Vaters nur eine Fata Morgana gesehen hat, die ihrem eigenen Geist entsprungen ist.
Es bleibt schließlich die Frage, ob das vorliegende Gutachten der Diplom-Psychologin Mareike Hoese eine auf Tatsachen beruhende Beantwortung der Beweisfrage des Gerichtes gegeben hat. Nach Ansicht des Unterzeichnenden scheint dies nicht der Fall zu sein.
Peter Thiel, 25.07.2008
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