Stellungnahme zum 91-seitigen Gutachten der Diplom-Psychologin Jenny Toussaint vom 30.06.2008

 

Familiensache: X (Mutter), Y (Vater)

Kind: A (Tochter), geboren: ... .1999

 

Amtsgericht Monschau - Richterin Semmann

Geschäftsnummer: 6 F 90/06

 

 

 

 

Erarbeitung der Stellungnahme durch Peter Thiel

...

 

 

 

 

Beweisfrage laut Beschluss vom 12.07.2007:

 

Es soll Beweis über folgende Fragen erhoben werden:

1. Entspricht es dem Wohl des Kindes A, geboren am ... .1999, wenn es regelmäßig Umgang mit dem Antragsteller hat?

2. Sofern Ziffer 1 bejaht wird: In welchem Umfange entspricht ein Umgang von A mit dem Antragsteller dem Wohl des Kindes?

durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens eines Sachverständigen.

Mit dessen Erstattung wird beauftragt:

Frau Dipl. Psych. Jenny K. Toussaint, Urftseestraße 68, 53937 Schleiden-Gemünd.

 

Semmann

Richterin am Amtsgericht 

 

 

 

 

 

 

Strukturierung des Gutachtens

Die Strukturierung des vorliegenden Gutachtens lässt zu wünschen übrig. Eine kurze Beantwortung der beiden gestellten Beweisfragen findet man im Gutachten nicht.

Unter der verwirrenden Überschrift VII. Beantwortung der gerichtlichen Beweisfragen und Empfehlungen schreibt die Gutachterin eine vierseitige Abhandlung (Seite 88-91), in der man vergeblich nach einer kurzen klaren Antwort auf die beiden Beweisfragen des Gerichtes sucht. Notgedrungen muss man sich Antworten auf die beiden gerichtlich gestellten Fragen mühselig selbst aus dem vierseitigen Text zusammen suchen.

 

 

 

 

Mangelnde Rollenklarheit der Gutachterin

Das Gericht hat die Diplom-Psychologin Jenny K. Toussaint mit der Beantwortung von zwei Beweisfragen beauftragt:

 

1. Entspricht es dem Wohl des Kindes A, geboren am ... .1999, wenn es regelmäßig Umgang mit dem Antragsteller hat?

2. Sofern Ziffer 1 bejaht wird: In welchem Umfange entspricht ein Umgang von A mit dem Antragsteller dem Wohl des Kindes?

 

Anderslautende Fragen hat das Gericht nicht gestellt. Der Diplom-Psychologin Jenny K. Toussaint ist das aber möglicherweise egal. So gibt sie außerhalb der konkreten gerichtlichen Beauftragung diverse Spekulationen zum besten. Sie schreibt:

 

„Es ist der Mutter nicht bewusst, dass sie ihre eigene Geschichte (Ausgrenzung des Vaters nach der Trennung ihrer Eltern) in ähnlicher Weise wiederholt und ihre eigenen Konflikte auf A`s Rücken austrägt ...“ (Gutachten S. 86)

 

 

Zu allem Überfluss ergänzt die Diplom-Psychologin Jenny K. Toussaint ihre vom Gericht nicht erfragte Meinungsäußerung im nächsten Satz noch mit einem Rat-Schlag in Richtung Mutter:

 

„Um sich dessen bewusst zu machen, benötigt sie psychotherapeutische Hilfestellung. Mit einer solchen Unterstützung hat sie die Chance, ihre Verlustängste und ihre Beziehungsmuster zu Partnern aufzuarbeiten.“ (Gutachten S. 86)

 

 

Das Gericht hat die Diplom-Psychologin Jenny K. Toussaint allerdings nicht als Psychotherapeutin oder Seelsorgerin für die Mutter beauftragt, sondern mit der Beantwortung von zwei Beweisfragen.

Nebenbei verletzt die Diplom-Psychologin Jenny K. Toussaint mit ihrer Gedankenführung einfache logische Regeln, denn sie baut ihre Meinungsäußerung, die Mutter „benötige psychotherapeutische Hilfestellung“ auf der vorhergehenden unbewiesenen Behauptung auf, der Mutter wäre es

 

„nicht bewusst, dass sie ihre eigene Geschichte (Ausgrenzung des Vaters nach der Trennung ihrer Eltern) in ähnlicher Weise wiederholt und ihre eigenen Konflikte auf A`s Rücken austrägt.“

 

 

Die Gutachterin behautet, dass verschiedene von der Mutter gemachte Äußerungen „auf eine tiefgehend psychische Problematik der Mutter hinweisen“ (Gutachten S. 85). Nun könnte man umgekehrt meinen, dass die Verletzung logischer Regeln durch die Gutachterin auf eine tiefgehend psychische Problematik der Gutachterin hinweisen. Der Anstand verbietet es aber, jemand solcherart zu verdächtigen, nur weil ihm oder ihr logisches Denken womöglich recht schwer fällt.

Eine Vergütung für die von der gerichtlichen Beweisfrage nicht erfassten Themen, Deutungen und Spekulationen wird die Gutachterin von der Justizkasse sicher nicht erhalten können, denn vergütungsfähig sind nach allgemeiner Rechtsprechung nur die Tätigkeiten, für die die Gutachterin vom Gericht beauftragt wurde.

Der Gutachterin hätte es im übrigen jederzeit freigestanden, das Gericht um eine Erweiterung der Beweisfrage zu bitten. Wäre das Gericht einer solchen Bitte durch eine Erweiterung des Beweisbeschlusses nachgekommen, hätte die Gutachterin damit selbstredend auch einen Vergütungsanspruch für die neu hinzugekommenen Aufgaben erworben.

 

 

 

 

Beantwortung der gerichtlichen Beweisfragen und Empfehlungen

Das Gericht hat die Diplom-Psychologin Jenny K. Toussaint nicht um Empfehlungen gebeten, wie die Sachverständige durch die von ihr gewählte Überschrift VII. Beantwortung der gerichtlichen Beweisfragen und Empfehlungen suggeriert.

Empfehlungen zu gäben, wäre auch nicht gesetzeskonform, da es nicht die Aufgabe eines Gutachters ist, Empfehlungen zu geben, sondern Beweisfragen des Gerichtes zu beantworten.

Statt eine klaren Antwort auf die beiden Beweisfragen des Gerichtes zu geben, erörtert die Gutachterin zuerst die Frage, wann aus „psychologischer Sicht“ ein Umgangsausschluss oder eine Umgangseinschränkung zu empfehlen wäre (Gutachten S. 88). Danach hat das Gericht aber nicht gefragt. Zudem hat sich das Gericht nicht danach zu richten, was die Ansicht diese oder jenes Psychologen ist, sondern danach, was durch das Gesetz festgelegt ist. Die juristische Definition über den Ausschluss oder die Einschränkung des Umgangs findet man in §1684 BGB, es bedarf dazu keiner weiteren Erläuterung, seitens der Gutachterin, noch dazu wenn diese am Thema vorbeigehen.

 

§ 1684 BGB Umgang des Kindes mit den Eltern

(1) Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt.

(2) Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Entsprechendes gilt, wenn sich das Kind in der Obhut einer anderen Person befindet.

(3) Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten regeln. Es kann die Beteiligten durch Anordnungen zur Erfüllung der in Absatz 2 geregelten Pflicht anhalten.

(4) Das Familiengericht kann das Umgangsrecht oder den Vollzug früherer Entscheidungen über das Umgangsrecht einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Eine Entscheidung, die das Umgangsrecht oder seinen Vollzug für längere Zeit oder auf Dauer einschränkt oder ausschließt, kann nur ergehen, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. Das Familiengericht kann insbesondere anordnen, daß der Umgang nur stattfinden darf, wenn ein mitwirkungsbereiter Dritter anwesend ist. Dritter kann auch ein Träger der Jugendhilfe oder ein Verein sein; dieser bestimmt dann jeweils, welche Einzelperson die Aufgabe wahrnimmt.

 

 

 

Man kann davon ausgehen, dass die verfahrensführende Richterin die einschlägigen rechtlichen Bestimmungen - und im besonderen den §1684 BGB - kennt und daher keiner Belehrung seitens der Gutachterin bedarf.

Die Diplom-Psychologin Jenny K. Toussaint wurde nicht für die Aufgabe ernannt, dem Gericht eine „psychologische Sicht“ auf die gesetzlichen Grundlagen vorzutragen. Die Begründung des Gesetzes kann die verfahrensführenden Richterin bei Bedarf in den entsprechenden Bundestagsdrucksachen zur Reform des Kindschaftsrechtes von 1998 nachlesen.

Das Gericht hat nicht danach gefragt, ob der Vater „umgangsfähig“ wäre, eine originäre Begriffschöpfung der Diplom-Psychologin Jenny Toussaint, die - soweit zu sehen - von der Fachöffentlichkeit nicht verwendet wird.

Das Gericht hat auch nicht danach gefragt, ob eine Umgangspflegschaft eingerichtet oder weitergeführt werden soll. Daher geht der Vortrag der Gutachterin:

 

„Um die Regelmäßigkeit der Kontakte zu gewährleisten, wird empfohlen, die Umgangspflegschaft mindestens für die Dauer eines Jahres beizubehalten, ...“ (S. 89)

 

an der Beweisfrage des Gerichtes vorbei.

 

Nachdem die Diplom-Psychologin Jenny Toussaint - wie gut oder schlecht auch immer - sich zu der gerichtlich gestellten Frage, in welchem Umfange ein Umgang von A mit dem Vater dem Wohl des Kindes dient, geäußert hat, müsste sie eigentlich ihre Ausführungen beenden, denn mehr Fragen hat das Gericht nicht gestellt. Wieso die Gutachterin sich dennoch ungefragt zu Themen wie z.B. einer Umgangspflegschaft, der Frage wie der Vater im „Rahmen von Wochenendbesuchen“ mit seiner Tochter umgeht oder dem Umgang mit Telefonaten zwischen A und ihrer Mutter (Gutachten S. 90), äußert, bleibt unklar.

Das Gericht hat nicht danach gefragt, welche Empfehlungen den Eltern gegeben werden könnten. So überschreitet die Gutachterin auch mit ihrer Empfehlung an die Eltern „sich weiterhin auf eine Beratung einzulassen“ (Gutachten S. 91) den ihr gerichtlich gesetzten Auftrag.

Die fünf Themenvorschläge, die die Gutachterin auf Seite 91 des Gutachtens den Eltern auflistet, sind sicher so überflüssig wie ein Kropf. Die Eltern haben beide studiert und promoviert, eine Unterweisung nach Klippschulart durch die Diplom-Psychologin Jenny Toussaint ist sicher das letzte was den Eltern und somit auch ihrer Tochter nützt.

Die Gutachterin präsentiert sich auch noch als missionarische Übermutter und verhinderte Sozialfürsorgerin, wenn sie - vom Gericht ungefragt - schreibt:

 

„Was Beratung und/oder Mediation angeht, so geht es hierbei vor allem um die Bereitschaft gemeinsam Lösung zu erarbeiten. Hierzu ist es erforderlich, dass beide Elternteile bereit sind, die Position des anderen zu hören, sich aktiv damit auseinander zusetzen und Kompromisse einzugehen.

A wünscht sich ein normales Verhältnis zwischen den Eltern, und dies beinhaltet, dass sie vom Vater zu Hause abgeholt werden und auch der Mutter einmal ihren Bereich beim Vater zeigen kann. Die Eltern, Frau X und Herr Y sind noch nicht so weit, sich auf eine solche Weise anzunähern und brauchen diesbezüglich noch sehr viel Unterstützung sowie den Aufbau von gegenseitigem Vertrauen. Ziel der Elternberatung sollte es sein, die gegenseitigen Vorbehalte abzubauen, denn nur auf diese Weise wird A innerlich frei sein, ihre Gefühle für den Vater und dessen Familie sowie für die Mutter leben zu können.“ (Gutachten S. 91)

 

 

 

 

 

Beantwortung der Beweisfragen

Man könnte nach dem Lesen der vierseitigen Ausführungen der Gutachterin auf den Seiten 88 bis 91 zu der Auffassung kommen, die Gutachterin hätte, wenn sie denn dazu in der Lage gewesen wäre, auf die Beweisfrage des Gerichtes:

 

1. Entspricht es dem Wohl des Kindes A, geboren am ... .1999, wenn es regelmäßig Umgang mit dem Antragsteller hat?

 

kurz und knapp geantwortet:

Es entspricht dem Wohl des Kindes A., geboren am ... , wenn es regelmäßig Umgang mit dem Antragsteller hat.

 

Eine solche Antwort seitens der Gutachterin vorausgesetzt, könnte die Gutachterin dann die zweite Beweisfrage des Gerichtes

 

2. Sofern Ziffer 1 bejaht wird: In welchem Umfange entspricht ein Umgang von A mit dem Antragsteller dem Wohl des Kindes?

 

beantworteten. Eine Antwort der Gutachterin auf diese Frage lässt sich leider nicht ohne weiteres finden . Nach 43 Zeilen diverser Betrachtungen (S. 89) stellt die Gutachterin Überlegungen zur Frage einer Umgangspflegschaft an, die mit dem Umfang des Umgangs, so wie vom Gericht erfragt, jedoch nichts zu tun hat.

Dann findet man endlich eine Ausführung der Gutachterin zum Thema der Beweisfrage:

 

„Es wird daher vorgeschlagen, dass A in Zukunft ein komplettes Wochenende im Monat beim Vater verbringt (von Freitagnachmittag bis Sonntagabend)“

 

 

Das Gericht hat aber nicht um Vorschläge gebeten, sondern eine konkrete Beweisfrage gestellt. Würde man den Vorschlag der Gutachterin in eine vom Gericht erbetene Antwort transformieren, so könnte diese Antwort möglicherweise so lauten:

 

Dem Wohl des Kindes A würde es am besten entsprechen, ein komplettes Wochenende im Monat beim Vater zu verbringen (von Freitagnachmittag bis Sonnabend)

 

 

Die Gutachterin ist aber merkwürdig unklar, nach dem sie einerseits vorschlägt,

 

dass A in Zukunft ein komplettes Wochenende im Monat beim Vater verbringt

 

und drei Sätze später erklärt:

 

„Wenn A zwei komplette Tage beim Vater verbringt, entsteht ein entspannteres Miteinander, da nicht ständig auf die Uhr geschaut werden muss. Es spricht nichts gegen Übernachtungen beim Vater, jedoch sind diese behutsam einzuführen, da in den letzen Jahren erhebliche Vorbehalte und Ängste entstanden sind.“ (S. 89)

 

 

 

 

Da steh ich nun, ich armer Tor!

Und bin so klug als wie zuvor;

 

Mit diesen Worten aus „Faust: Der Tragödie erster Teil“ hätte vielleicht Goethe auf dieses gutachterliche Durcheinander reagiert.

Die Diplom-Psychologin Jenny Toussaint ergeht sich hier in zwei Sätzen in einer unbewiesenen Spekulation, in dem sie behauptet, wenn A zwei komplette Tage beim Vater verbringen würde, entstünde „ein entspannteres Miteinander, da nicht ständig auf die Uhr geschaut werden muss.“ Wenn das so einfach wäre, dann würden sich Geiseln bei ihren Geiselnehmern wohlfühlen, wenn die Geiselnehmer nur dafür sorgen würden, dass die Geiseln wenigstens zwei komplette Tage bei ihnen wären. Das ist natürlich kompletter Unsinn und - zugegebener Maßen ein drastisches Beispiel - der Vater von A kann sicher nicht mit einem Geiselnehmer verglichen werden - illustriert aber die Logik der Gutachterin als Milchmädchenrechnung. Das Gericht hat sicher besseres verdient.

 

Als Milchmädchenrechnung wird abfällig unter anderem die finanzielle Planung eines Vorhabens bezeichnet, bei der abzusehen ist, dass diese das Vorhaben niemals tragen wird bzw. bei der unterstellt wird, dass sie das Vorhaben nicht tragen kann, weil sie auf Trugschlüssen beruht. In allgemeinerer Bedeutung ist Milchmädchenrechnung die spöttische Bezeichnung für eine naive Betrachtung oder Argumentation, die wesentliche Rahmenbedingungen nicht beachtet oder falsch in Ansatz bringt und deshalb zu einem nur scheinbar plausiblen, tatsächlich jedoch unzutreffenden Ergebnis kommt. Beispiel: Die Vorstellung, durch Personalkürzung in Finanzämtern den öffentlichen Haushalt zu entlasten, ist eine Milchmädchenrechnung, da der Fiskus durch die von seinen Mitarbeitern geleistete Arbeit mehr Einnahmen erzielt, als ihm Ausgaben für deren Entlohnung entstehen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Milchm%C3%A4dchenrechnung

 

 

Letztlich könnte man die Gutachterin im Hinblick auf die zweite Frage des Gerichtes, in welchem Umfang ein Umgang von A mit dem Antragsteller dem Wohl des Kindes entsprechen würde, wohl so verstehen:

 

Dem Wohl des Kindes A würde es am besten entsprechen, ein komplettes Wochenende im Monat beim Vater zu verbringen (von Freitagnachmittag bis Sonnabend), dabei sollte beginnend eine Übernachtung von Samstag auf Sonntag stattfinden und später – wenn sich diese Regelung als positiv erweist, eine Übernachtung von Freitag auf Sonntag. Sollte sich diese Regelung in der Praxis als durchführbar und dem Kindeswohl entsprechend herausstellen, so sollte das Kind ab Oktober 2008 eine Woche der Schulferien beim Vater verbringen, sowie zeitlich anteilig die Weihnachtstage und das Osterfest.

 

Aus einer solchen, der Gutachterin hier unterstellten Antwort, könnte man drei von der Gutachterin gesehenen Schritte herausarbeiten:

 

1. Umgang findet - bis auf weiteres - einmal im Monat von Samstag auf Sonntag statt (inklusive einer Übernachtung).

2. Wenn sich diese Regelung als positiv erweisen sollte, findet der Umgang einmal im Monat von Freitag auf Sonntag statt (inklusive von zwei Übernachtungen)

3. Wenn sich diese Regelung in der Praxis als durchführbar und dem Kindeswohl entsprechend herausstellen würde, käme an Oktober 2007 eine Woche Umgangs während der Schulferien dazu.

 

 

Das Gericht hat allerdings nicht gefragt, in welchem Umfang der Umgang in dieser oder jener Zukunft dem Wohl des Kindes entsprechen würde, sondern:

 

In welchem Umfange entspricht ein Umgang von A mit dem Antragsteller dem Wohl des Kindes?

 

Die Beweisfrage des Gerichtes bezieht sich logischerweise auf die Gegenwart und nicht auf eine prinzipiell unbekannte Zukunft, von der niemand wissen kann, wie sie sich gestalten wird, denn jeder nachfolgende Schritt wird erst durch einen vorhergehenden möglich oder unmöglich.

Wenn ich im Winter Schlitten fahren will, geht dies nicht, ohne dass es vorher schneit. Dass es schneit, ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung wie der Mathematiker sagt. Wenn es nämlich in einem Schneesturm schneit und dieser über Tage anhält, kann ich auf Grund des Sturmes und der Verwehungen immer noch nicht Schlitten fahren, obwohl es inzwischen so viel Schnee gibt, wie sonst nicht in zehn Jahren zusammen.

 

Wenn ich höhere Mathematik verstehen und praktizieren will, muss ich vorher die Grundlagen der Mathematik verstanden haben.

Ohne den 1. Schritt:

Verständnis der Grundlagen der Mathematik

ist der 2. Schritt:

Verständnis der höheren Mathematik nicht möglich!

 

Gleiches gilt auch für Entwicklungsschritte von Kindern oder Entwicklungsschritte beim Umgang des Kindes in einem konfliktreichen familiären Feld.

Der von der Gutachterin vorgetragene zweite und dritte Schritt unterliegt bei Wahrung des Kindeswohls sicher keiner aktuell möglichen Realisierbarkeit. Wäre dies anders, so hätte die Gutachterin die beiden Schritte nicht vage für die Zukunft ins Auge gefasst, sondern als aktuell realisierbar vorgetragen. Den zweiten und dritten von der Gutachterin vorgetragene Schritt kann man daher nur als eine Art Prognose verstehen, die allerdings einen günstigen Verlauf des 1. Schrittes voraussetzen.

Prognosen sind um so unsicherer, je weiter entfernt der prognostizierte Zeitpunkt liegt. Wer bei unserem jetzigen Forschungs- und Wissenstand behauptet, das Wetter ein halbes Jahr im Voraus zuverlässig prognostizieren zu können ist ein Scharlatan. Wer behauptet, er könne voraussehen, wie sich eine Umgangssituation im Laufe eines halben Jahres entwickelt, ist unseriös. Der zweite und dritte von der Gutachterin andiskutierte Schritt ist daher in Bezug auf die Beweisfrage des Gerichtes nicht nur überflüssig, sondern auch geeignet, Erwartungen zu wecken, die das Leben nicht automatisch erfüllt.

Es liegt auf der Hand, dass die Gutachterin - wenn überhaupt eine einigermaßen verlässliche Aussage nur über den nächstmöglichen Schritt tun kann. Dies wäre eventuell dieser:

 

Umgang findet - bis auf weiteres - einmal im Monat von Samstag auf Sonntag statt (inklusive einer Übernachtung).

 

Ob dieser von der Gutachterin ins Auge gefasste Schritt tatsächlich dem Kindeswohl dient, bleibt allerdings unbewiesen. Die Gutachterin mag davon überzeugt zu sein. Ihr Wort in Gottes Ohr.

Der nächstmögliche Schritt, von dem die Gutachterin meint, dieser würde dem Wohl des Kindes am besten entsprechen, wäre somit der einmal im Monat stattfindende Aufenthalt des Kindes beim Vater von Sonnabend auf Sonntag, einschließlich Übernachtung. Ob dieser Aufenthalt (Umgang) dann auch dem Wohl des Kindes tatsächlich entspricht und nicht nur von der Gutachterin wie vorliegend spekulativ angenommen wird, kann man erst dann beurteilen, wenn der Umgang in dieser Form stattgefunden hat.

Alle weitergehenden Vorschläge der Gutachterin sind praktisch wertlos, da diese auf den Erfolg des ersten Vorschlags, Umgang von Samstag auf Sonntag (mit Übernachtung) aufbauen. Würde sich in der Praxis zeigen, dass der Umgang von Samstag auf Sonntag (mit Übernachtung) dem Kindeswohl nicht entspricht, dann wäre es sicher sinnlos eine solche dem Wohl des Kindes nicht entsprechende Regelung noch um eine Regelung zu erweitern, bei der das Kind von Freitag auf Sonntag beim oder gar eine ganze Woche beim Vater ist. Denn wenn das Kind auf einen längeren Aufenthalt beim Vater mit problematischen Symptomen reagiert, dann löst man diese nicht dadurch, dass man einfach mehr des selben verordnet.

 

Vergleiche hierzu:

Watzlawick, Paul; Weakland, John H.; Fisch, Richard: "Lösungen. Zur Theorie und Praxis menschlichen Wandels", Verlag Hans Huber, Bern; 1974/1992/1997/2001/2003

 

 

 

 

 

Peter Thiel, 07.07.2008

...

 

 

 

Literatur:

Alberstötter, Ulrich: "Hocheskalierte Elternkonflikte - professionelles Handeln zwischen Hilfe und Kontrolle"; In: "Kind-Prax", 03/2004, S. 90-99

Alberstötter, Ulrich: "Kooperation als Haltung und Strategie bei hochkonflikthaften Eltern-Konflikten", In: "Kind-Prax", 3/2005, S. 83-93

Adshead, Gwen: "Persönlichkeitsstörungen und gestörtes Elternverhalten aus der Sicht der Bindungstheorie", In: "Persönlichkeitsstörungen. Theorie und Therapie", 6/2001, S. 81-89

Balloff: Rainer: "Zum aktuellen Stand der Begutachtung im Familienrechtsverfahren - Einschätzungen und Perspektiven"; In: "Praxis der Rechtspsychologie", Juni 2004, S. 99-113

Barth, G.M. & Klosinski, G.: "Signale von Not, Elend und Findigkeit: Zeichnungen von Kindern in Kampf-Scheidungsverfahren"; In: Zeitschrift für Musik-, Tanz- und Kunsttherapie", 13 (3), 129-139, 2002

Bäuerle, Siegfried / Pawlowski, Hans-Martin (Hrsg.): "Rechtsschutz gegen staatliche Erziehungsfehler: Das Vormundschaftsgericht als Erzieher"; 1. Aufl. - Baden-Baden : Nomos Verl-Ges., 1996

Bene, E., Anthony J.: Family Relations Test. An objective technique for explorin emotional attidudes in children (1. Aufl. 1957), NFER-Nelson Publishing Co., Windsor, 1985

Bergmann, Elmar; Jopt, Uwe; Rexilius, Günter (Hrsg.): "Lösungsorientierte Arbeit im Familienrecht. Der systemische Ansatz in der familienrechtlichen Praxis"; Bundesanzeiger Verlag, Köln, 2002

Bode, Lutz: "Moderator Gericht. Kooperation oder Delegation im gerichtlichen Verfahren"; In "Kind-Prax" 5/2001, S. 139-144

Boszormenyi-Nagy, Ivan; Spark, G.M.: "Unsichtbare Bindungen. Die Dynamik familiärer Systeme"; Klett Cotta, Stuttgart, 1981; Original 1973 (Mehrgenerationaler Ansatz. Die Balance von Geben und Nehmen)

Bowlby, John: Verlust, Trauer und Depression; Fischer; Frankfurt/Main, 1983

Bowlby, John: Frühe Bindung und kindliche Entwicklung; München, Basel, Ernst Reinhardt Verlag, 1991

Brähler, E., Holling, H., Leutner, D. & Petermann, F. (Hrsg.): Brickenkamp Handbuch psychologischer und pädagogischer Tests. 3. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, Band 1 + 2. Hogrefe 2002. Göttingen

Brisch, Karl Heinz; Grossmann, Klaus E.; Grossmann, Karin; Köhler, Lotte (Hrsg.): Bindung und seelische Entwicklungswege. Grundlagen, Prävention und klinische Praxis"; Klett-Cotta, 2002

Carl, Eberhard: "Im Familiengerichtsverfahren: Den Eltern die Verantwortung für die Lösung der Konflikte zurückgeben"; In: "Familie, Partnerschaft, Recht", 4/2004, S. 187-190

Clement, Ulrich: „Offene Rechnungen“ - Ausgleichsrituale in Paarbeziehungen; Erschienen in: R. Welter-Enderlin u. B. Hildenbrand (Hrsg.): Rituale – Vielfalt in Alltag und Therapie; Heidelberg: Carl-Auer-Systeme Verlag 2002, S.122-138

Conen, Marie-Luise (Hrsg.): "Wo keine Hoffnung ist, muss man sie erfinden. Aufsuchende Familientherapie"; Carl-Auer-Systeme Verlag 2002

Cuvenhaus, Hanspeter: "Das psychologische Sachverständigengutachten im Familienrechtsstreit.", In: "Kind-Prax", 6/2001, S. 182-188

Dammasch; Frank: "Das Vaterbild in den psychoanalytischen Konzepten zur kindlichen Entwicklung. Ein Beitrag zur aktuellen Triangulierungsdebatte"; In: "Analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie" (AKJP), 2/2001, S. 215-243

Davidson, Bernard; Quinn, William H.; Josephson, Allan M.: "Diagnostik in der Familientherapie"; In: "Familiendynamik", 2003, Heft 2, S.159-175

Dettenborn, Harry: "Kindeswohl und Kindeswille"; Psychologische und rechtliche Aspekte; Ernst Reinhardt Verlag, München Basel, 2001

Dettenborn, Harry; Walter, Eginhard: "Familienrechtspsychologie", München, Basel, Reinhardt, 2002

Ehinger, Uta: "Rechtliche Informationen zur Begutachtung. Freibeweis - Strengbeweis, Beweisanordnungen, Rechte des Gutachters und der Begutachteten"; In: "Familie, Partnerschaft, Recht" 3/1995, S. 68-71

Fabian, Thomas / Nowara, Sabine / Rode, Irmgard / Werth, Gabriele (Hrsg.): "Rechtspsychologie kontrovers", Deutscher Psychologenverlag, Bonn 1998, 181 Seiten

Figdor, Helmuth: "Scheidungskinder - Wege der Hilfe", Psychosozial Verlag 1997

Finke, Fritz: "Die rechtlichen Grundlagen der Sachverständigentätigkeit in der Familiengerichtsbarkeit nach der Kindschaftsrechtsreform vom 1.7.1998"; In: "Familie, Partnerschaft, Recht"; 2003, Heft 10, S. 503-508

Finessi, Hermann-Josef: "Lehrbuch der psychologischen Diagnostik"; 2. Auflage, 1997

Flämig, J. & Wörner, U.: "Standardisierung einer deutschen Fassung des Family Relations Test (FRT) an Kindern von sechs bis 11 Jahren"; In: "Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychotherapie"; 1977, Heft 1, S. 5-10, 38-46

Flammer, August: "Kindern gerecht werden", In: "Zeitschrift für Pädagogische Psychologie". 17 (1), 2003, 1-12

Fthenakis, Wassilios - E.: "Kindliche Reaktionen auf Trennung und Scheidung"; In: "Familiendynamik", 1995 Heft 2, S. 127-147

Gaidzik, Peter W.: "Gravierende Haftungsverschärfung für den gerichtlichen Sachverständigen durch §839a BGB?"; In: "Der medizinische Sachverständige", 2004, Nr. 4, S. 129-132

Greuel, Luise: "Methodenkritische Stellungnahmen im Straf- und Zivilrecht"; In: "Praxis der Rechtspsychologie", Juni 2004, S. 182

Halder-Sinn, Petra: "Fehlerhafte Urteilsheuristiken in Sachverständigengutachten", In: "Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform", 1993, Heft 1, S. 44-49

Heumann, Friedrich-Wilhelm: "Das Sachverständigengutachten im familiengerichtlichen Verfahren", In: "Familie und Recht", 1/2001, S. 16-20

Jessnitzer, Kurt; Frieling, Günther; Ulrich, Jürgen: Der gerichtliche Sachverständige. Carl Heymann Verlag KG, 11. neu bearbeite Auflage 2000

Johnston, Janet R.: "Modelle fachübergreifender Zusammenarbeit mit dem Familiengericht in hochkonflikthaften Scheidungsfamilien", In: "Das Jugendamt" 9/2002, S. 378-386

Junglas, J.: "Systemische familienrechtliche Begutachtungen"; In: System-Familie"; 1994, 7, S. 44-49

Klenner, Wolfgang: "Vertrauensgrenzen des psychologischen Gutachtens im Familienrechtsverfahren - Entwurf eines Fehlererkennungssystems - "; In: "Zeitschrift für das gesamte Familienrecht", Heft 8, S. 804-809

Klocke, Wilhelm: "Der Sachverständige und seine Auftraggeber", 3. Auflage 1995, BauVerlag

Laucht, Manfred: "Die Rolle der Väter in der Entwicklungspsychopathologie", In: "Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie", 32 (3), 235-242, Hogrefe-Verlag Göttingen 2003

Linsenhoff, Arndt: "Trennungsmediation und Emotion", In: "Familiendynamik", 01/2004, S. 54-65

Minuchin, Salvador: "Familie und Familientherapie. Theorie und Praxis struktureller Familientherapie", Lambertus-Verlag, 1977, 10. unveränderte Auflage 1997

Petri, Horst: „Verlassen und verlassen werden. Angst, Wut, Trauer und Neubeginn bei gescheiterten Beziehungen“; Kreuz-Verlag, Auflage: 7., neugestalt. A. (Februar 2002)

Pfäfflin, Friedmann; Köchele, Horst : "Müssen Therapeuten diagnostiziert werden?"; In: "Persönlichkeitsstörung. Theorie und Praxis", PTT 2/2000, S. 88-93).

Praxishandbuch Sachverständigenrecht; Redaktion Dr. Walter Bayerlein, C.H. Beck, München, 3. Auflage 2002

Rauchfleisch, Udo: "Testpsychologie", 4. Aufl., Vandenhoeck u. Ruprecht, 2005

Rohmann, Josef A.: "Systemorientierte Perspektiven und Ansätze in der Familienrechtspsychologie", In: "Praxis der Rechtspsychologie", Juni 2004, S. 5-21

Schade, Burkhard; Friedrich, Sigrid: "Die Rolle des psychologischen Gutachters nach Inkrafttreten des neuen Kindschaftsrechts"; In "Familie, Partnerschaft, Recht", 5/1998, S. 237-241

Schlippe, Arist von: "Familientherapie im Überblick. Basiskonzepte, Formen, Anwendungsmöglichkeiten", Junfermann-Verlag, 1995

Schmidbauer, Wolfgang: "Wenn Helfer Fehler machen."; Reinbek 1997

Schorsch, Gerhard: "Sachverständige und ihre Gutachten. Zu Schwachpunkten und Fehlern in Expertisen"; In: "Kriminalistik. Unabhängige Zeitschrift für die kriminalistische Wissenschaft und Praxis", 3/2000, S. 174-179

Schulz, Peter E. W. "Psychodiagnostik: fragwürdige Grundlagen, fragwürdige Praxis"; - 1. Auflage - Berlin: Köster, 1997 (Schriftenreihe Psychologie, Bd. 6)

Schulz, Olaf: "Familienmediation im `Zwangskontext`- ein exemplarischer Praxisfall", In: "Spektrum der Mediation", I / 2007, S. 41-43

Spangler, Gottfried: "Beiträge der Bindungsforschung zur Situation von Kindern aus Trennungs- und Scheidungsfamilien", In: "Praxis der Rechtspsychologie", Sonderheft 1, 2003, S. 76-90

Spindler, Manfred: "Begleiteter Umgang bei hochkonflikthafter Trennung und Scheidung", In: "Kind-Prax", 2/2002, S. 53-57

Thiel, Peter: "Zwischen Hilfeleistung und Zwang: Begleiteter Umgang und Umgangspflegschaft. Indikationen, Möglichkeiten, Grenzen und Unterschiede zweier Interventionsformen", In: "Das Jugendamt", 10/2003, S. 449-453

Trenczek, Thomas: "Streitregelung in der Zivilgesellschaft. Jenseits von Rosenkrieg und Maschendrahtzaun", In: "Zeitschrift für Rechtssoziologie", 2005, Heft 2, S. 227-247

Tschöpe-Scheffler, Sigrid: Entwicklungsfördernde und entwicklungshemmende Faktoren in der Erziehung"; In: "forum erwachsenenbildung", 3/2004; S. 19-27

Ulrich, Jürgen: "Selbstständiges Beweisverfahren mit Sachverständigen", Werner Verlag, 2004

Ulrich, Jürgen: "Der gerichtliche Sachverständige“, Carl Heymann Verlag, 12. neu bearbeitete Auflage, 2007

Vergho, Claudius: Der schwierige Umgang mit dem Umgang: Die Kontaktbegleitung", In: Buchholz-Graf; Vergho: "Beratung für Scheidungsfamilie", Juventa, 2000)

Wagner, Gerhard: "Die zivilrechtliche Haftung des gerichtlichen Sachverständigen"; In: "Familie, Partnerschaft; Recht"; Heft 10/2003, S. 521-525

Watzlawick, Paul; Beavin, Janet H., Jackson, Don D.: Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien", Verlag Hans Huber, Bern, Stuttgart, Toronto 1969/1990

Watzlawick, Paul; Weakland, John H.; Fisch, Richard: "Lösungen. Zur Theorie und Praxis menschlichen Wandels", Verlag Hans Huber, Bern; 1974/1992/1997/2001/2003

Wolf, Doris: "Wenn der Partner geht ... Die seelische Bewältigung der Trennung", In: "Familie, Partnerschaft, Recht", 1997, H 1, 29-35

Zettel, Günther: "Sachverständiger und Gericht. Fehlerquellen bei der Zusammenarbeit im Zivilprozess", In: "Neue Justiz", 2/2000, S. 67-72

 

 


home