Stellungnahme zum Gutachten der Diplom-Psychologin Inge Mayer-Bouxin vom 10.05.2003

 

Die Stellungnahme zum Gutachten der Diplom-Psychologin Inge Mayer-Bouxin vom 10.05.2003 für das Amtsgericht Bad Sobernheim wird auf Grund einer Zensurverfügung des Landgerichtes Mainz im Internet zur Zeit nicht vollständig zur Verfügung gestellt.

Peter Thiel

 

 

Familiensache Z und Z

am Amtsgericht Bad Sobernheim

Geschäftsnummer: 2 F 383/02

Richterin Hill

 

Kinder:

X (Sohn), geb. ...

Y (Tochter) geb. ...

 

 

 

Erarbeitung der Stellungnahme durch Peter Thiel

 

 

 

 

Gerichtliche Fragestellung laut Beschluss vom ... 2003:

 

"Wegen Aufenthaltsbestimmungsrecht soll ein familienpsychologisches Gutachten dazu eingeholt werden, ob die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Übertragung dieser auf einen der Elternteile (welchen) dem Wohl der Kinder X und Y am besten entspricht.

Mit der Erstattung des Gutachtens wird Diplompsychologin Inge Mayer-Bouxin, Walpodenstrassen 18, 55116 Mainz beauftragt."

 

 

 

Die hier vorliegende Stellungnahme bezieht sich auf das vorliegende 60-seitige schriftliche Gutachten plus 3 Seiten Anhang, außerdem ein einstündiges Telefonat mit dem Vater.

 

 

 

Einführung

Die Sachverständige (SV) vermag mit dem vorliegenden Gutachten die gerichtliche Fragestellung nicht ... . Das Gut-achten weist ... auf, die es ... machen und damit eine ... nach sich ziehen.

Dies resultiert letztlich auch daraus, dass die SV nicht erkennen lässt, an Hand welcher allgemein anerkannter Kriterien sie feststellen will, ob die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge (Sorgerechtsentzug nach §1671 BGB) dem Kindeswohl dient.

Aus Sicht des Unterzeichnenden ist das Gutachten auch nicht geeignet, dem Familiengericht und den Eltern hinsichtlich der Sicherung bestmöglicher Entwicklungsperspektiven für die gemeinsamen Kinder geeignete Antworten und Lösungen aufzuzeigen. Insbesondere unterlässt es die SV aufzuzeigen, wie vor dem Hintergrund des Primats der Elternverantwortung (Artikel 6 Grundgesetz) eine möglicherweise bestehende Beeinträchtigung ihrer gemeinsamen Fürsorgepflicht positiv verändert werden könnte, z.B. durch die Inanspruchnahme professioneller Beratung oder Familientherapie gemeinsame durch beide Eltern.

Bedauerlicherweise wurde den Kindern kein Verfahrenspfleger bestellt, was trotz der beantragten Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge (Sorgerechtsentzug nach § 1671 BGB) und dem damit verbundenen erheblichen Interessengegensatz nach § 50 FGG ein Verfahrensfehler des Gerichtes sein dürfte.

Eine lösungsorientierte Arbeit der SV, so wie es nach §1627 BGB auch von den Eltern zu erwarten wäre, ist an Hand des Gutachtens nicht zu erkennen.

 

 

Der Unterzeichnende weist allgemein auf folgendes hin.

Qualitätssicherung und Schadensersatz

Ist vom Gericht ein Sachverständiger bestellt worden, haben die von der Bestellung betroffenen Personen ein Recht darauf, dass der Sachverständige seine Arbeit in der gebotenen Qualität durchführt. Dies schließt ein, dass der Sachverständige die wichtigsten Ergebnisse seiner Arbeit dem Gericht und den Beteiligten in einem, qualitativ wenigstens ausreichenden, schriftlichen oder mündlichen Vortrag mitteilt, so dass der Richter, darauf aufbauend den Fortgang des Verfahrens betreiben kann.

Der Sachverständige hat das Gutachten unparteiisch und nach besten Wissen und Gewissen zu erstatten (§410 ZPO), d.h. er hat während seiner Arbeit die gebotene Unparteilichkeit zu wahren und sich auf dem aktuellen Stand der fachwissenschaftlichen Debatte zu bewegen.

Weist die Arbeit des Sachverständigen erhebliche Mängel auf, kann von den davon Betroffenen Schadensersatz verlangt werden.

 

§ 839a BGB

(1) Erstattet ein vom Gericht ernannter Sachverständiger vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten, so ist er zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten be-ruht.

(2) § 839 Abs. 3 ist entsprechend anzuwenden.

 

 

 

 

 

Begründung

 

I. Allgemeines

1. Vorstellung der von der SV zugrunde gelegten Kriterien und der daraus abzuleitenden diagnostischen Methoden (hypothesengeleitete Arbeitsweise, Wissenschaftlichkeit)

Insgesamt sind die der Arbeit der SV zugrunde liegenden Kriterien und Arbeitsansätze nur schwer oder gar nicht zu erkennen. Dies wäre aber notwendig, will sich die SV nicht dem Vorwurf aussetzen, einzig und allein ihre eigene subjektive Meinung kund zu geben. Denkbar wäre z.B. ein analytischer, tiefenpsychologischer, behavioristischer oder systemischer Ansatz. Darüber erfahren wir im Gutachten leider nichts, so dass eine fundierte Auseinandersetzung auf wissenschaftlicher Basis erschwert wird. Der Verweis der SV auf ihre Tätigkeit als tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapeutin (Deckblatt) kann dem ... insgesamt nicht abhelfen.

Die Arbeit eines Sachverständigen und insbesondere ein von ihm schriftlich niedergelegtes Gutachten sollte elementaren wissenschaftlichen Anforderungen genügen. Dazu gehört eine hypothesengeleitete Arbeitsweise. Der Sachverständige muss überzeugend darlegen, welche Untersuchungsschritte er gewählt hat, um die Aufgabenstellung des Gerichtes zu erfüllen. Die vom Sachverständigen ausgewählten diagnostischen Mittel und Methoden müssen dem Untersuchungsgegenstand entsprechen.

Stellt das Gericht die Frage, "ob die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Wohl des Kindes am besten entspricht" (Sorgerechtsentzug nach §1671 BGB), so muss der Sachverständige darlegen an Hand welcher allgemein anerkannter Kriterien er dies prüfen will. Dies ist der SV Mayer-Bouxin ... .

 

Statt dessen definiert sie ihre Untersuchungsziele selbst, ohne diese in einen Zusammenhang mit der gerichtlichen Fragestellung zu bringen: "..." (S. 6).

In welchem Zusammenhang zur gerichtlichen Fragestellung diese von ihre selbst definierten Untersuchungsziele stehen sollen, lässt die SV den Leser im unklaren.

2. Die Gutachtenerstellung erfolgte offensichtlich statusdiagnostisch orientiert. Eine interventionsdiagnostische oder systemisch-lösungsorientierte Arbeitsweise (vgl. Bergmann; Jopt; Rexilius, 2002) ist nicht zu erkennen. ...

...

 

 

 

 

 

 

III. Schlussbemerkung

Die Sachverständige unterlässt es, aufzuzeigen, wie die Eltern ihre elterliche Kompetenz einzeln und gemeinsam stärken und entwickeln können. Weber schreibt dazu: "Die bisherige Gutachten- und Sachverständigenpraxis greift in der Regel zu kurz, weil sie die Beziehung des Kindes zu Vater und Mutter ins Auge fasst, jedoch nicht die Konfliktdynamik und Störungen des Paar- bzw. Elternsystems."

Um die Gegenwart und Zukunft ihres gemeinsamen Kindes zu sichern, müssen beide Eltern, gegebenenfalls mit kompetenter fachlicher Unterstützung lernen, ihre gemeinsamen Konflikte zu lösen und sich so in die Lage zu versetzen ihrer gemeinsamen elterlichen Verantwortung gerecht zu werden. Dies wird jedoch nicht durch Appelle der SV geschehen, sondern durch eine konkrete Wahrnehmung gemeinsamer Elterngespräche unter fachkundiger Begleitung.

Sollte das Gericht auf Grund der erheblichen ... des vorliegenden Gutachtens die Notwendigkeit der Einholung eines Obergutachtens sehen, so empfehle ich dafür Diplom-Psychologen ...  aus Mönchengladbach. Kontaktherstellung ist über die Bundesarbeitsgemeinschaft für systemische Sicht im Familienrecht oder über den Unterzeichnenden möglich.

 

 

 

 

 

Peter Thiel, 10.06.2003

 

 

 

 

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