Stellungnahme zum Gutachten der Diplom-Psychologin Helga Feyerabend vom 07.01.2005

 

(geringfügig überarbeitet am 14.08.2008)

 

Familiensache: X (Mutter) und Y (Vater)

Kind: A (Sohn), geb. ... .1990

 

Amtsgericht Hagen  -  Richter Cirullies

Geschäftsnummer: 53 F 64/04

 

 

 

Erarbeitung der Stellungnahme durch Peter Thiel

 

 

Die hier vorliegende Stellungnahme bezieht sich auf das vorliegende 48-seitige schriftliche Gutachten und ein halbstündiges Telefonat des Unterzeichnenden mit der Mutter von A, Frau X .

 

 

 

 

Gerichtliche Fragestellung laut Beschluss vom 13.09.2004:

 

 

I. Es soll Beweis erhoben werden, wie das Sorgerecht für das Kind A aus kinder- und familienpsychologischer Sicht unter Berücksichtigung der Bindungen und des Willens des Kindes sowie der Erziehungseignung der Eltern zu regeln ist, durch Einholung eines schriftsätzlichen Sachverständigengutachtens.

II. Zur Sachverständigen wird Frau Dipl.Psychologin Helga Feyerabend, Goebenstr. 45 g, 58097 Hagen bestellt.

III. ...

 

 

 

 

 

I. Einführung

Der Beweisbeschluss von Dr. Cirullies, Amtsgericht Hagen löst hier Verwunderung aus, da der Richter an die Gutachterin (GA) eine juristische Frage stellt, nämlich "wie das Sorgerecht für das Kind A aus kinder- und familienpsychologischer Sicht unter Berücksichtigung der Bindungen und des Willens des Kindes sowie der Erziehungseignung der Eltern zu regeln ist."

 

Die Gutachterin bestätigt auch noch, dass sie die gerichtliche Frage als juristische Frage verstanden hat, sie schreibt:

 

"Zur Beantwortung der juristischen Fragestellung sind im Rahmen eines psychologisch-gutachterlichen Vorgehens folgende psychologische Fragen Hypothesen zu prüfen." (S. 4)

 

 

Die Beantwortung juristischer Fragen ist aber nicht Aufgabe eines Gutachters, sondern originäre Aufgabe des zuständigen Richters. Dieser hat zu Anträgen, die von den Eltern oder einem Elternteil gestellt worden sind, von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen (§12 FGG) und wenn diese abgeschlossen sind, gegebenenfalls eine Entscheidung zu treffen.

Von der Gutachterin Frau Diplom-Psychologin Helga Feyerabend hätte man sicher erwarten dürfen, die Problematik der Beweisfrage zu erkennen und das Gericht um Abhilfe zu bitten.

 

Hinzu kommt aber noch folgendes. Die Mutter ist Inhaberin der alleinigen elterlichen Sorge. Die Eltern waren nicht verheiratet. eine gemeinsame Sorgeerklärung wurde - soweit ersichtlich nicht abgegeben. Es gibt keine gesetzliche Regelung, dass der nichtverheiratete Vater gegen den Willen der Mutter Inhaber der elterlichen Sorge werden kann. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in seinem Beschluss vom 29.01.2003 - 1 BvL 20/99 und 1 BvR 933/01 entschieden, dass § 1626 a BGB derzeit im Wesentlichen verfassungsgemäß wäre. Von daher ist die richterliche Beweisfrage hier schlichtweg unverständlich, es sei denn man unterstellt, dass der Richter ein Verfahren wegen des Verdachts der Kindeswohlgefährdung eingeleitet hätte, was aber von der Beweisfrage her nicht abgeleitet werden kann, weil der Richter der Frage einer eventuellen Gefährdung des Kindeswohls keinen Platz gegeben hat, sondern mit der von ihm gewählten Formulierung ein Sorgerechtsverfahren nach §1671 BGB vermuten lässt, dass hier aber aus den genannten Gründen nicht greifen kann.

Sollte der zuständige Richter die derzeitige gesetzliche Regelung nach §1626a BGB für unzulässig halten, was durchaus verständlich wäre, so bliebe ihm die Möglichkeit eine Vorlage beim Bundesverfassungsgericht einzureichen, dass sich allerdings in dieser Frage im Jahr 2003 ablehnend positioniert hat. Es bliebe dann noch die Möglichkeit einer privat eingereichten diesbezüglichen Petition an den Deutschen Bundestag mit der Bitte die diesbezügliche Gesetzgebung zu verändern. Ohne eine solche Gesetzesänderung ist es jedoch nicht möglich, der Mutter nach §1671 BGB das Sorgerecht zu entziehen.

 

 

 

 

 

II. Allgemeines

Statt den Richter um Überarbeitung der offenbar fehlerhaften Beweisfrage zu bitten, legt die Gutachterin von sich aus noch eins dazu. Sie schreibt:

 

"In der Sache X ./. Y ... erhielt die Unterzeichnerin von dem Familiengericht bei dem Amtsgericht Hagen den Auftrag, eine psychologische Stellungnahme zur Umgangsregelung den Jugendlichen A (geb. ...) betreffend zu erstatten." (S.1)

 

 

Hier muss man nun fragen, ob die Gutachterin den Beweisbeschluss gelesen und wenn ja, ob sie ihn auch vollständig verstanden hat? Im hier vorliegenden Beweisbeschluss findet sich an keiner Stelle eine Frage zu einer eventuellen Umgangsregelung. Die Gutachterin trägt offenbar die Unwahrheit vor und wenn dem so wäre, so kann man fragen, ob die Gutachterin sich hier nicht schon selbst über ihre fachliche Kompetenz ein entsprechendes Zeugnis ausgestellt hat.

 

Die Gutachterin schreibt dann:

 

"Zur Beantwortung der juristischen Fragestellung sind im Rahmen eines psychologisch-gutachterlichen Vorgehens folgende "psychologische Fragen (Hypothesen) zu prüfen." (S. 4)

 

 

Hier stellt sich die Frage, auf welche gesetzlichen oder sonstigen rechtliche Regelung sich die Gutachterin stützt, wenn sie behauptet: "Zur Beantwortung der juristischen Fragestellung sind im Rahmen eines psychologisch-gutachterlichen Vorgehens folgende psychologische Fragen (Hypothesen) zu prüfen." (Hervorhebung P. Thiel)

 

Die von der Gutachterin verwendete Formulierung "sind" erweckt den Eindruck, dass nicht die Gutachterin die geeigneten Schritte auszuwählen hätte, sondern eine von ihr ungenannte Instanz ihr auferlegt, "psychologische Fragen (Hypothesen) zu prüfen". Dies ist natürlich nicht zutreffend, wenngleich der Richter die Tätigkeit des Gutachters anleiten soll (§404a ZPO Leitung der Tätigkeit des Sachverständigen).

Es ist hier aber nicht erkennbar, dass der Richter die Gutachterin zur Klärung von sieben von der Gutachterin angeführten sogenannten "psychologischen Fragen (Hypothesen)" aufgefordert hätte. So bleibt wohl nur die Vermutung, dass die Gutachterin ein Stück der ihr obliegenden Verantwortung für ihre Arbeit einer anonymen Macht zuschieben will. Angesichts der durch § 839a BGB gegebenen Möglichkeit von Schadensersatzforderungen gegenüber Gutachtern, mag es verständlich erscheinen, wenn sich eine Gutachterin präventiv durch die von ihr gewählten Formulierungen aus der Verantwortung stehlen will, doch dies ist keine besonders lobenswerte professionelle Haltung.

 

 

 

 

Exkurs zum Thema Schadensersatz

Ist vom Gericht ein Gutachter (Sachverständiger) bestellt worden, haben die von der Bestellung betroffenen Personen ein Recht darauf, dass dieser seine Arbeit in der gebotenen Qualität durchführt. Dies schließt ein, dass der Gutachter die wichtigsten Ergebnisse seiner Arbeit dem Gericht und den Beteiligten in einem qualitativ wenigstens ausreichenden, schriftlichen oder mündlichen Vortrag mitteilt, so dass der Richter, darauf aufbauend den Fortgang des Verfahrens betreiben kann.

Der Gutachter hat das Gutachten unparteiisch und nach besten Wissen und Gewissen zu erstatten (§410 ZPO), d.h. er hat während seiner Arbeit die gebotene Unparteilichkeit zu wahren und sich auf dem aktuellen Stand der fachwissenschaftlichen Debatte zu bewegen. Weist die Arbeit des Gutachters erhebliche Mängel auf, kann von den davon Betroffenen Schadensersatz verlangt werden.

 

 

§ 839a BGB

(1) Erstattet ein vom Gericht ernannter Sachverständiger vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten, so ist er zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht.

(2) § 839 Abs. 3 ist entsprechend anzuwenden.

 

 

 

 

 

III. Einzelpunkte

Hypothesen

Die Gutachterin meint offenbar, dass sie mit den von ihr genannten sieben Fragen gleichzeitig auch Hypothesen aufgestellt hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall, da eine Frage nicht automatisch auch eine Hypothese ist. Vielleicht hätte sich die Gutachterin vor der leichtfertigen Verwendung des Begriffes der Hypothese erst einmal damit vertraut machen müssen, was denn eine Hypothese auszeichnet:

 

"Hypothese - Eine widerspruchsfreie Aussage, deren Geltung nur vermutet ist und die in den Wissenschaften als Annahme eingeführt wird, um mit ihrer Hilfe schon bekannte wahre Sachverhalte zu erklären. Hypothetisch allgemeine Geltung beanspruchende Aussagen gelten als empirisch begründet, wenn sie durch passende Verallgemeinerungen (Generalisierungen) endlich vieler singulärer Tatsachen gewonnen sind. Die mit wahrscheinlichkeitstheoretischen Methoden beurteilte Bestätigung empirischer Hypothesen schließt die in der Regel experimentelle Überprüfung der Folgerungen aus diesen Hypothesen mit ein. Werden Hypothesen zur Erklärung von Tatsachen nur versuchsweise eingeführt, so spricht man von Arbeitshypothesen, den in der Regel ersten Schritten auf dem Wege zu einer wissenschaftlich begründeten empirischen Theorie." "Meyers Grosses Taschenlexikon", 1981

 

 

Möglicherweise hat sich die Gutachterin des Begriffs der Hypothese nur deswegen bedient, um eine tiefgreifende Wissenschaftlichkeit vorzutäuschen, die so jedoch sicher nicht vorhanden ist.

Nun ist es sicher zulässig, dass sich die Gutachterin am Anfang des schriftlichen Gutachtens sieben Fragen stellt. Doch damit dies nicht nur so dahin gesagt wirkt, sollte sie diese Fragen anschließend auch explizit beantworten, sonst kann leicht der Eindruck entstehen, es handle sich nur um rhetorische Fragen, die keinen erkennbaren Zweck dienen und damit höchstens zu der Vermutung Anlass geben, hier eine fachliche Kompetenz vorzugeben, die real so nicht vorhanden ist.

Allerdings kann die Aufstellung von Fragen den Beteiligten und auch der Gutachterin nützen, in dem Transparenz darüber hergestellt wird, mit welchen Themen sich die Gutachterin eigentlich auseinandersetzen will.

Die von der Gutachterin gestellte siebente Frage:

 

"Insbesondere ist zu prüfen, ob A eigenständige und unabhängig in der Lage ist, eigene Entscheidungen - unbeeinflusst von der Umgebung, in der er derzeit lebt - zu treffen." (S.5)

 

 

zeugt allerdings wohl nicht von psychologischer Kompetenz, so wie man sie von einer familiengerichtlich tätigen Gutachterin erwarten muss, sondern möglicherweise von Gedankenlosigkeit und Fehlstunden im Psychologiestudium oder von einem Psychologieprofessor, der auf Grund fortschreitender Demenz, seinen Studentinnen und Studenten nur noch wirres Zeug vorgetragen hat.

Der Mensch ist ein biospsychosoziales Wesen, wie es etwas umständlich heißt. Das heißt, es gibt auf Grund seiner sozialen Einbindung und Abhängigkeit keinen einzigen Menschen auf der Welt, der "eigenständig(e) und unabhängig in der Lage ist, eigene Entscheidungen - unbeeinflusst von der Umgebung, in der er derzeit lebt", zu treffen, wie die Gutachterin im Gegensatz dazu offenbar annimmt. Die von der Gutachterin hier für möglich gehaltene Eigenständigkeit und Unabhängigkeit eines 14-jährigen Jungendlichen, der im Konfliktfeld seiner Eltern lebt, ist eine bloße Fiktion, bestenfalls tauglich für ein nutzloses akademisches Gedankenspiel. Die von der Gutachterin getroffene Formulierung spiegelt allerdings auch die Misere üblicher akademischer Psychologie wider, so wie man sie derzeit leider an deutschen Hochschulen und Universitäten nicht selten finden kann. In konstruierten und sterilisierten Laborsituationen versucht man dort etwas über den Menschen "an sich" herauszubekommen, gerade so als wenn man eine heiße Flüssigkeit in einer Thermoskanne isolieren würde und dann unabhängig von seiner Umwelt analysieren wollte. Dass das ein Ding der Unmöglichkeit ist, weiß jeder Physiker und er würde sich unter seinen Fachkollegen lächerlich machen, wenn er solche unsinnigen Fragen zu unbeeinflussenden Umgebungen formulieren würde, wie sie bisweilen von inkompetent erscheinenden Psychologen und Gutachtern aufgeworfen werden.

 

Die Erörterungen der Gutachterin unter 6.1 Psychosoziale Situation und Bindung des Jungen, 6.2. Zur Erziehungskompetenz der Eltern und zur Bereitschaft der Eltern, an einer für das Wohl von A geeigneten Regelung beizutragen, können allerdings sicherlich nicht als konkrete Beantwortung der eingangs von ihr genannten sieben Fragen bezeichnet werden.

 

Wozu die Gutachterin sich unter der Überschrift 2. Theoretische Überlegung zum gutachterlichen Vorgehen in nur 9 Zeilen auf den entscheidungsorientierten Ansatz und den lösungsorientierten Ansatz bezieht, bleibt dem Unterzeichnenden unklar. Womöglich will sie damit zeigen, dass sie auch mit der aktuellen fachlichen Debatte (Kongress für Rechtspsychologe in Leipzig 2004, bei der der Unterzeichnende übrigens auch anwesend war) vertraut ist.

 

In einem 11-zeiligen Schachtelsatz schreibt die Gutachterin dann:

 

"Im anliegenden Fall hat sich aber im Rahmen der psychologischen Gespräche insbesondere mit A und Frau X ergeben, dass A nicht - wie von der Mutter unterstellt - von dem Vater nicht genügend unterstützt und zu Besuchen bei der Mutter angehalten worden ist, sondern dass dieses auf die verweigernde Haltung A`s zurückzuführen war, weil sich im Rahmen der psychologischen Explorationen von A ergeben hat, dass er sich nicht grundsätzlich gegen Besuche bei der Mutter stellt, sondern `nur` gegen eine `so genannte starre Besuchsregelung` und den zeitlichen Umfang etwaiger Besuche." (S. 6/7)

 

 

Sprache verrät immer auch einiges über die geistige Klarheit des jeweiligen Sprechers. Man kann den vorstehenden Satz zum Anlass nehmen, sich die Mühe zu machen, zu verstehen, was die Gutachterin eigentlich meint.

 

"Im anliegenden Fall hat sich aber im Rahmen der psychologischen Gespräche insbesondere mit A und Frau X ergeben, dass A nicht - wie von der Mutter unterstellt - von dem Vater nicht genügend unterstützt und zu Besuchen bei der Mutter angehalten worden ist, sondern dass dieses ..."

 

 

Bis hierher korrekt, aber jetzt wird es unklar. Was ist mit "dieses" gemeint? Was ist es, worauf "dieses" hinweist? 

 

"... dieses auf die verweigernde Haltung A`s zurückzuführen war, weil sich im Rahmen ..."

 

 

Das "weil" ist irreführend, denn jetzt folgt nicht die Angabe eine Ursache, sondern eine - vorher nicht vermutete - Aussage über die Motive A`s.

 

"... der psychologischen Explorationen von A ergeben hat, dass er sich nicht grundsätzlich gegen Besuche bei der Mutter stellt, sondern `nur` gegen eine `so genannte starre Besuchsregelung` und den zeitlichen Umfang etwaiger Besuche." (S. 6/7)

 

 

Die Gutachterin kann wohl von Glück reden, wenn jemand so qualifiziert ist und sich auch noch die Zeit nimmt, um den Sinn des Satzes zu erraten. Dazu ist es hilfreich, Mathematiker zu sein oder ein Kenner der Schriften des Philosophen Immanuel Kant, der ein Freund langer Satzgebilde war. Problematisch ist letztlich die Wirrnis im Satzbau der Gutachterin. Die Gutachterin hätte das Satz-Ungetüm in zwei oder drei selbständige Sätze auflösen können. Dann hätte sie vielleicht zwei Minuten mehr gebraucht, doch dem Leser sechs Minuten erspart und obendrein zu einer sicheren Erkenntnis verholfen. So besteht Sicherheit aber auch nach mehreren Minuten Satzanalyse nicht.

 

Die Gutachterin schreibt weiter:

 

"Nach Absprache mit dem Jugendlichen wurde deshalb mit Unterstützung der Sachverständigen zwischen A und seiner Mutter im Rahmen der Vergleichenden Verhaltensbeobachtung ein Lösungskonzept entwickelt und von der Mutter angenommen, das vorher von ihr kategorisch abgelehnt worden war (...)." (S. 6)

 

 

Die Gutachterin offeriert hier mehrere unklare Begriffe. Zum einen eine sogenannte "Vergleichenden Verhaltensbeobachtung". Dabei lässt sie allerdings die Leser im unklaren, was sie mit diesem von ihr nicht näher erläuterten Begriff meint. Möglicherweise will sie etwas miteinander verglichen haben, doch es wird nicht klar, um was oder wen es sich dabei handeln soll. Meint sie eine vergleichende Beobachtung zwischen Mutter und Sohn oder der Vater-Sohn-Beziehung auf der einen und der Mutter-Sohn-Beziehung auf der anderen Seite?

Die Gutachterin meint, sie hätte mit A und seiner Mutter "ein Lösungskonzept entwickelt". Lösungskonzept, das klingt nun etwas hochtrabend, offenbar meint die Gutachterin, wie von ihr einige Zeilen später auch so benannt, "eine einvernehmliche Regelung" zwischen A und seiner Mutter bezüglich zukünftiger Umgangskontakte zwischen Sohn und Mutter. Es mag sehr löblich sein, dass die Gutachterin sich auch um eine Umgangsregelung zwischen Mutter und Sohn bemüht zu haben scheint. Doch dies war nicht die von Seiten des Gerichtes gestellte Aufgabe. Das Gericht interessiert sich im vorliegenden Fall laut der gestellten Beweisfrage nur für die Regelung des Sorgerechtes, auf die Problematik, ob diese juristische Frage an eine Gutachterin zulässig ist, bin ich schon eingangs eingegangen. Wenn die Gutachterin trotzdem eine Erweiterung ihres Auftrages für sinnvoll angesehen hat, dann hätte sie das Gericht sicher um eine Erweiterung der ihr gesetzten Aufgaben bitten müssen.

 

Die Mutter teilte dem Unterzeichnenden zu der getroffenen Vereinbarung in einer Mail vom 20.02.05 folgendes mit:

 

"Frau Feyerabend bat mich am 14.12.2004 folgendes schriftlich zu dokumentieren:

A und ich einigen uns: Besuche A`s bei der Mutter. Ab sofort

Spätdienst (14 tägig) So.15.00 Uhr-17.00 Uhr - Terminabsprache für die kommende Woche ( Di-Fr.) - 15.30 Uhr-17.30 Uhr. A kommt in die ... str.1...

Dies wurde von A und mir unterschrieben. Bisher ist A erst zweimal hierher gekommen."

 

 

Gut zwei Monate nach der am 14.12.05 getroffenen "einvernehmlichen Regelung" , lässt sich feststellen, dass A inzwischen drei Mal zu seiner Mutter gekommen ist. 19.12.2004 14.00-15.45 Uhr, 26.12.2004 13.00-22.00 Uhr und 15.01.2005 18.50.-23.30 Uhr. Danach sagte er weitere Termine ab. Die Regelung ist offenbar doch nicht so wie auf dem Papier festgehalten, Wirklichkeit geworden.

 

 

Der Ratschlag der Gutachterin:

 

"Der schriftlich formulierten Einigung sollte - aus psychologischer Sicht - gefolgt werden ..." (S. 44)

 

 

hört sich soweit ganz nett an, doch was schlägt die Gutachterin vor, wenn diese Einigung von Seiten des Sohnes nicht eingehalten wird? Dann soll offenbar auch noch, so die Gutachterin, der Mutter das Sorgerecht entzogen werden, natürlich zum Wohle des Kindes, wie wohl vorzutragen ist. Es bleibt die Frage, ob die von der Gutachterin vorgeschlagene (juristisch aber gar nicht mögliche) Aberkennung des mütterlichen Sorgerechtes nach §1671 BGB, nicht eine Einladung dazu wäre, dass die Kontakte zwischen Sohn und Mutter nicht sogar vollends abbrechen und ob die Gutachterin dazu beitragen will?

 

 

 

 

Interaktionsbeobachtung

 

Die Gutachterin schreibt:

 

"A wurde von der Gutachterin bei Herrn Y abgeholt, und gemeinsam mit ihm wurde Frau X in Hagen in der ...straße ... aufgesucht. Es wurde ein begleitetes, konfrontatives Gespräch zwischen Mutter und Sohn geführt." (S.8)

 

 

Wozu die Gutachterin das stattgefundene Gespräch als "konfrontatives Gespräch", bezeichnet ist unklar. War es von ihr als "konfrontatives Gespräch" beabsichtigt oder hat sie das Gespräch nur so empfunden? Ersteres würde die Frage aufwerfen, warum sie im Rahmen ihres familiengerichtlichen gutachterlichen Auftrages Wert darauf legt Konfrontation (Konfrontation: Gegenüberstellung von einander widersprechenden Meinungen, Sachverhalten; Duden Fremdwörterbuch 1997) herzustellen.

Letzteres würde dagegen die Frage aufwerfen, warum sie ihre Empfindung nicht als Empfindung beschreibt, so z.B. ich nahm die Gesprächsatmosphäre als konfrontativ wahr.

 

 

 

Literaturangaben

Ob die Verwendung eines 1978 erschienenen und 1994 offenbar in unveränderter Neuauflage herausgebrachten Buches von Friedrich Arntzen (Arntzen, F.: "Elterliche Sorge und persönlicher Umgang mit Kindern", 2. Auflage, 1994; vergleiche Literaturverzeichnis der Gutachterin auf Seite 48) nicht eher ein Beweis für eine Verhaftung der Gutachterin auf dem fachlichen Niveau der 70-er Jahre und weniger der durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz von 1998 mit seiner erheblichen Stärkung der gemeinsamen elterlichen Verantwortung auch nach Trennung und Scheidung entspricht, kann wohl mit Recht kritisch angefragt werden.

 

 

 

 

Abschließende Ausführungen der Gutachterin "Zur Fragestellung des Gerichtes"

 

Die Gutachterin gibt dem beauftragenden Familienrichter folgende Empfehlung:

 

"Ausgehend von den Ergebnissen der Begutachtung wird empfohlen, dass sich A weiter bei dem Vater aufhalten sollte, und dem Vater die alleinige elterliche Sorge für den Sohn zu übertragen." (S. 43)

 

 

Wie schon oben dargelegt, steht es der Gutachterin sicher nicht an, juristische Fragen des Gerichtes zu beantworten. Einzig und allein der Familienrichter hat über solche Fragen zu befinden. Da die Mutter Inhaberin der alleinigen elterlichen Sorge ist und es keine gesetzliche Regelung gibt, dass der Vater gegen den Willen der Mutter nach §1671 BGB Inhaber der elterlichen Sorge werden kann, kann das Familiengericht auch keine diesbezügliche Sorgerechtesregelung nach §1671 BGB zuungunsten der Mutter treffen. Die Gutachterin geht daher auch aus diesem Grund mit ihrer juristischen Rat an das Familiengericht ins Leere.

Bei einer Regelung nach §1671 BGB, die hier jedoch nicht ansteht, da unzulässig, weil die Voraussetzung dafür wäre, dass beide Eltern das Gemeinsame Sorgerecht inne hätten, könnten die Argumente der Gutachterin für einen Entzug des mütterlichen Sorgerechtes wohl nur schwer überzeugen. Wieso sollte der Wunsch des Jugendlichen, beim Vater leben zu wollen, einen Aberkennung des Sorgerechts für die Mutter auslösen können, so wie die Gutachterin offenbar meint (vgl. S. 43)? Die Mutter stimmt dem Aufenthalt des Sohnes beim Vater zu, warum sollte ihr dann das Sorgerecht aberkannt werden?

Auch eine eventuelle Einschränkung der Erziehungsfähigkeit der Mutter, so wie von der Gutachterin vorgetragen kann (vgl. S. 43), kann nicht zu einer hier ohnehin nicht zur Debatte stehenden Aberkennung des Sorgerechts nach §1671 führen.

Woher die Gutachterin zu ihrer Auffassung kommt, die Bindungstoleranz des Vaters wäre "mit größerer Wahrscheinlichkeit gegeben, als dieses bei der Mutter der Fall wäre." (S. 44) bleibt hier unklar. Aus dem Gutachten selbst kann der Unterzeichnende dies jedenfalls nicht erkennen. Allein der Vortrag der Gutachterin:

 

"Herr Y stellte Beeinflussungen seines Sohnes und eine konfrontative Einstellung gegen die Mutter in Abrede. Er habe bisher im Gegenteil versucht, A zu Kontakten anzuhalten, A habe sich aber, da es schon in der Besuchsplanung Schwierigkeiten gegeben habe, sukzessive mehr dagegen verschlossen. Er selbst halte aus eigener Erfahrung Kontakte für sehr wichtig und er wünsche sowohl aus Sicht der Mutter und der des Sohnes langfristig ruhige Begegnungen und Zusammensein ohne streit. Er unterstütze die am 14.12.2004 zwischen Mutter und Sohn getroffene Vereinbarung ..." (S. 27)

 

 

ist noch kein Beweis besserer Bindungstoleranz auf Seiten des Vaters gegenüber der Bindungstoleranz auf Seiten der Mutter. Verbale Aufgeschlossenheit gegenüber der Gutachterin ist nicht automatisch identisch mit den tatsächlichen Einstellungen. Wie die Haltung des Vaters zur Mutter ist, und davon wohl nicht unabhängig auch die Bindungstoleranz in Form von emotionaler Aufgeschlossenheit des Vaters zu Kontakten des Sohnes zu seiner Mutter, hätte die Gutachterin sicher bei einem von ihr begleiteten gemeinsamen Elterngespräch beobachten können. Bedauerlicherweise hat die Gutachterin ein solches Gespräch aber offenbar weder initiiert noch durchgeführt.

Auch das tatsächliche Verhalten des Vaters, Beantragung des alleinigen Sorgerechtes, was ja real heißt Antrag auf Aberkennung des mütterlichen Sorgerechtes, lässt es nicht gerade wahrscheinlich erscheinen, dass der Vater aktuell über eine gute Bindungstoleranz verfügt. Wäre dem Vater daran gelegen, gemeinsam mit der Mutter die elterliche Verantwortung zu tragen, dies wäre ein Ausdruck einer guten Bindungstoleranz, hätte er die Möglichkeit kostenlos eine Sorgeerklärung im Jugendamt beurkunden zu lassen und zur Wirksamwerdung die Mutter zu bitten, ebenfalls die gemeinsame elterliche Sorge zu beurkunden. Sich statt dessen gleich mit einem Antrag zur Aberkennung des mütterlichen Sorgerechtes an das Familiengericht zu wenden, dürfte dagegen sicher nicht der angemessene Weg sein.

Die Gutachterin verkennt ihre Rolle, wenn sie meint, dem Vater von A Aufgaben erteilen zu können.

 

"Herrn Y wird aufgegeben, sämtliche schulischen und anderweitigen A betreffenden Informationen an die Mutter weiterzugeben und die Beziehung zwischen A und seiner Mutter zu fördern und aktiv zu unterstützen." (S. 44)

 

 

Hinzu kommt, dass auch ein zulässiger ähnlichlautender Appell in familiären Konflikten wie diesem, verlorene Mühe sein dürfte. Von daher sollte man sich Appelle sparen, von denen ohnehin jede kompetente Fachkraft weiß, dass sie nichts konstruktives für eine Konfliktlösung bewirken.

 

Abschließend schreibt die Gutachterin:

 

"Frau X ... sollte sich auch mit der Frage auseinandersetzen, dass es nach den vorliegenden psychologischen Ergebnissen nicht richtig ist, davon auszugehen, dass A`s Verhalten ihr gegenüber nicht Folge negativer Einflussnahmen des väterlichen Umfeldes, sondern Folge der konflikthaften Mutter-Sohn-Beziehung und auch anteilig wesentlich durch ihr eigenes Verhalten und ihre Vorgeschichte mitbedingt ist." (S.45)

 

Die Gutachterin meint nun offenbar, im Gegensatz zur Mutter im Besitz der Wahrheit zu sein. Nicht negative Einflüsse des väterlichen Umfeldes seien "nach den vorliegenden psychologischen Ergebnissen" ursächlich, sondern A`s Verhalten sei "Folge der konflikthaften Mutter-Sohn-Beziehung und auch anteilig wesentlich durch ihr eigenes Verhalten und ihre Vorgeschichte mitbedingt".

So werden systemische Prämissen über die wechselseitige Bedingtheit menschlichen Verhaltens negiert und Vermutungen zur Wahrheiten erklärt. Ursächlich ist nach Ansicht der Gutachterin nur eine konflikthafte Mutter-Sohn Beziehung, andere relevante Teilnehmer in dem Konfliktfeld scheint es nicht zu geben. So einfach kann die Welt sein. Wer es glauben mag soll es tun. Doch man sollte Glauben dann auch als Glauben benennen und nicht als Wirklichkeit anpreisen.

 

 

 

IV. Empfehlung

Der Mutter und ihrem Sohn wird hier empfohlen, mit Unterstützung eines kompetenten Familienberaters (Familientherapeut) ihre derzeitigen Konflikte zu klären. Dabei dürfte die Einbeziehung des Vaters durch den Familienberater sinnvoll sein. Dies dürfte nicht nur im Interesse der Mutter, die am Kontakt zu ihrem Sohn interessiert ist, sondern auch im Interesse des Sohnes, der sonst ein einer wichtigen Entwicklungszeit in einem ungelösten familiären Konflikt, zu dem auch der Vater gehört, gefangen bleibt. Kompetente Berater lassen sich vor Ort nachfragen. Gegebenenfalls kann auch im Internet unter www.dajeb.de recherchiert werden.

Bezüglich des väterlichen Antrages auf alleiniges Sorgerecht wird hier, wie schon oben ausgeführt, davon ausgegangen, dass das vorliegende Gutachten dazu keine klärenden Aspekte liefert und im übrigen keine juristische Grundlage existiert.

 

 

...

 

 

 

 

Peter Thiel, 25.02.2005

 

 

 

 

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