Expertise zum 17-seitigen Gutachten des Diplom-Psychologen Harald Frick vom 16.09.2005
Familiensache: X (Mutter) und Y (Vater)
Kind: A (Tochter) - geboren am ... .2000
Verfahrenspfleger für das Kind: offenbar nicht bestellt
Amtsgericht Seligenstadt - Aktenzeichen: 1 F 373/05 EAUG
Richter: Herr Wolf
Mitwirkendes Jugendamt: unbekannt
Erarbeitung der Expertise durch Peter Thiel
...
Beweisfrage von Richter Wolf laut Beschluss vom 04.08.2005:
Zur Frage der zukünftigen Ausgestaltung des Umgangsrechts des Kindesvaters mit seiner Tochter A soll ein familienpsychologisches Gutachten eingeholt werden.
Mit der Erstellung des Gutachtens soll der Sachverständige Dipl.-Psych. Harald Frick beauftragt werden.
Einarbeitung 26.01.2013:
Richter Wolf scheint nicht seinen besten Tag gehabt zu haben, als der seinen Beweisbeschluss formulierte. Zum einen formuliert er keine Beweisfrage, sondern eine Absichtserklärung:
"Mit der Erstellung des Gutachtens soll der Sachverständige Dipl.-Psych. Harald Frick beauftragt werden."
Korrekt hätte es heißen müssen:
Mit der Erstellung des Gutachtens wird der Dipl.-Psych. Harald Frick als Sachverständiger beauftragt.
Welche Frage Herr Frick beantworten soll, bleibt nebulös, grad als wenn an diesem Tag dichter Nebel das Amtsgericht verhüllte, irgendwie was mit Umgangsrecht, aber was genau?
Nun ja, Herr Frick wird es sich schon zusammenwürfeln, wozu hat er denn jahrelang Psychologie studiert, wenn nicht dazu, unklare Aufträge von Juristen in Psychologendeutsch zu übersetzen.
Vorbemerkung
Mit Datum vom 04.08.2005 beauftragt Richter Wolf den Diplom-Psychologen Harald Frick mit der Erstellung eines Gutachtens zur Ausgestaltung des Umgangsrechtes des Vaters mit seiner Tochter. Am 16.09.2005, also ca. 6 Wochen später, legt Herr Frick dem Gericht ein 17-seitiges zweizeilig geschriebenes "Psychologisches Gutachten" vor. Zugegebener Maßen ist es mit 17 Seiten etwas kürzer ausgefallenen als die langatmigen psychologischen Ergüsse, die man sonst zu lesen bekommt. Dabei hätte der Gutachter sich noch 12 Seiten sparen können, auf denen er lediglich Akteninhalte referiert und die Sichtweisen der Eltern wiedergibt. Auf den Seiten 13 und 14 setzt sich Herr Frick auf mageren 38 Zeilen mit der Situation des Kindes auseinander. Die Seiten 15 bis 17 füllt der Gutachter mit einer "Gesamtbewertung", fertig ist die Laube.
Doch Geschwindigkeit hat ihren Preis. Womöglich gleichzeitig noch mit tausend anderen Dingen im Kopf beschäftigt, erfindet Gutachter Harald Frick noch einen Bruder des Kindes:
"Die Familie blieb mit mir zunächst im Garten, dort lief auch A`s kleiner Bruder Florian herum, mit dem sie zeitweise Ball spielte, ..."
(Gutachten S. 13)
Nach Angabe des Vaters gibt es aber gar keinen Bruder des Kindes, da stellt sich die Frage wer hier halluziniert, der Herr Harald Frick oder der Vater, der eventuell vergessen hat, dass er nicht nur eine Tochter, sondern auch noch einen Sohn hat.
Aktenstudium und Exploration der Eltern
Das der Vater keinen Sohn hat, hätte der Gutachter schon der Gerichtsakte entnehmen können, wenn er diese aufmerksam gelesen hätte. Immerhin scheint der Gutachter die Gerichtsakte wenigstens überflogen zu haben, denn er referiert auf den Seiten 2 bis 3 zum Inhalt der Gerichtsakte.
Auf den folgenden Seiten 4 bis 13 stellt der Gutachter seine Eindrücke aus den von ihm insgesamt vier geführten Explorationen der Eltern (2 Termine mit der Mutter, 2 Termine mit dem Vater) vor.
Konkrete Kenntnis über das Kind hat der Gutachter aus eigener Anschauung in lediglich zwei Terminen am 3.9. bei einem Hausbesuch beim Vater und 10.9.2005 bei einem Hausbesuch bei der Mutter gewonnen.
Auf den Seiten 13 und 14 schildert der Gutachter seine Eindrücke über das Kind anläßlich eines Hausbesuches beim Vater. Der Gutachter schreibt:
„Aus der Umgangsbeobachtung mit ihrem Vater war eine gute Beziehung beobachtbar.“ (Gutachten S. 13)
Vom Gutachter auf ihren Aufenthalt beim Vater hin angesprochen antwortete A:
„ihr gefalle es hier“ (Gutachten S. 14)
So weit so gut, offenbar besteht ein beiderseitig gutes Verhältnis von Tochter und Vater.
Doch diese klare Aussage des Kindes genügt dem Gutachter offenbar nicht und so versucht er mit einer testdiagnostischen Lampe in Ecken zu leuchten, die er aus welchen Gründen auch immer für existent und bedeutsam hält Doch wenn man mit der Lampe die Sterne und den Mond anleuchtet, werden diese davon auch nicht heller.
Der Versuch des Gutachters, den TAT (Bildertafeln) bei A anzuwenden, schlägt offenbar fehl:
„Dieser Test war jedoch für A wohl noch überfordernd“. (Gutachten S. 14)
Spekulationen statt Tatsachenaufklärung
Obwohl der Gutachter die Vergangenheit der Eltern nur aus deren subjektiv vorgetragenen Erzählungen kennt, hindert ihn dies nicht den tendenziös erscheinenden Satz vorzutragen:
„Zusätzlich war die Beziehung (der Eltern - Anm. P. Thiel) belastet durch A, die ein Risikokind war, aber vor allem auch durch die Persönlichkeit des Kindesvaters.
Besonders seine schwer zu kontrollierende Impulsivität, die offensichtlich mehrfach in Aggressivität umgeschlagen ist, macht es dem Kindesvater schwer, Beziehungen mit anderen zu kontrollieren. ...“ (Gutachten S. 15)
Letzterer Satz ist zudem merkwürdig kryptisch.
„macht des dem Kindesvater schwer, Beziehungen mit anderen zu kontrollieren“
Das verstehe wer will, vielleicht kann der Gutachter das uneingeweihte Publikum aber noch über seine Gedankengänge bei dieser Formulierung aufklären.
Diese und auch folgende Behauptungen sind nun vom Gutachter zwar vorgetragen, nicht aber bewiesen worden. In so fern sind sie sicher mehr oder weniger nutzlos, überflüssig und wohl auch den Auftrag einer objektiven Sachverhaltsaufklärung zuwider laufend.
Auch der Vortrag des Gutachters zur Interaktion zwischen dem Vater und der Frau Dr. med C... M..., die auch als Kinder- und Jugendpsychiaterin tätig ist (Gutachten S. 15), geht sicher ins Leere, denn auf Grund der Berufsbezeichnung der Frau M kann für Laien wie es Eltern in aller Regel sind, leicht der Eindruck entstehen, das Kind solle einer psychiatrischen Behandlung unterzogen werden. Psychiatrische Behandlungen sind aber im Gegensatz zu psychotherapeutischen Behandlungen schweren Störungen eines Patienten, inklusive eventueller medikamentöser Behandlungen vorbehalten. In so fern wäre es kein Wunder, wenn der auf das Wohlergehen seiner Tochter orientierte Vater gegenüber Frau Dr. M... Vorbehalte entwickelt haben sollte und sich dies in der Interaktion zwischen dem Vater und der Frau Dr. M... widerspiegelte.
Dem Vater wurde offenbar erst mit Beschluss vom 22.12.2005 das Sorgerecht nach §1671 BGB entzogen. Zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens war der Vater für seine Tochter also - so weit zu sehen - noch voll verantwortlich. Dass er sich unter dieser Prämisse dann bei der behandelnden Frau Dr. M... Gehör verschaffen wollte, leuchtet sicher ein.
Der Vater hätte von Frau Dr. M... daher sicher um seine Einwilligung in die psychiatrische oder auch psychotherapeutische Behandlung seines Kindes gebeten werden müssen. Dies ist aber offenbar nicht geschehen.
Im übrigen trägt der Gutachter nicht vor, was seine diversen Behauptungen und Vorträge bezüglich der Auseinandersetzung zwischen dem Vater und der Kinder- und Jugendpsychiaterin Dr. med C... M.... mit der Beweisfrage des Gerichtes zur zukünftigen Ausgestaltung des Umgangsrechts zu tun haben könnten.
Der Gutachter äußert sich dann noch - ungefragt vom Gericht - zur Frage der Gesundheitssorge für das Kind. Mit der Umgangsregelung, für die sich das Gericht einzig und allein interessiert, hat aber auch dies nichts zu tun. Die Wortmeldung des Gutachters ist an dieser Stelle daher sicher so überflüssig wie ein Kropf.
Nachdem der Gutachter insgesamt wohl doch recht dürftig versuchte, die familiäre Situation aufzuklären, schreitet er auf Seite 16 zu dem Versuch, die Frage des Gerichtes zu beantworten und schlägt dem Gericht eine Umgangsregelung vor, nach der die Tochter jedes Wochenende beim Vater ist (Gutachten S. 16). Weiterhin empfiehlt der Gutachter eine Ferienregelung, die er als „vorläufige“ bezeichnet, wobei nach Meinung des Gutachters die Eltern „im gegenseitigen Einverständnis“ jederzeit die Möglichkeit hätten „diese zu verändern“ (Gutachten S. 17). Dies ist nun eine etwas merkwürdige Idee des Gutachters, denn das Gericht hat sicher nicht deshalb ein Gutachten in Auftrag gegeben, damit der Gutachter Beliebigkeiten vorträgt, sondern damit das Gericht auf fundierter Grundlage eine Umgangsregelung treffen kann, die dem Wohl des Kindes am besten dient.
§ 1697a BGB Kindeswohlprinzip
Soweit nicht anderes bestimmt ist, trifft das Gericht in Verfahren über die in diesem Titel (Anm.: §1626 bis 1698b) geregelten Angelegenheiten diejenige Entscheidung, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Wenn das Gericht also den Umgang mit Beschluss geregelt hat, kann dieser nicht einfach auf Zuruf verändert werden, sondern nur nach einem gerichtlichen Prüfverfahren nach §1696 BGB:
§ 1696 Abänderung gerichtlicher Entscheidungen und gerichtlich gebilligter Vergleiche
(1) Eine Entscheidung zum Sorge- oder Umgangsrecht oder ein gerichtlich gebilligter Vergleich ist zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. § 1672 Abs. 2, § 1680 Abs. 2 Satz 1 sowie § 1681 Abs. 1 und 2 bleiben unberührt.
Schluss
Ob der Gutachter mit seinem Schriftsatz dem Gericht zu mehr Klarheit verhelfen konnte, erscheint dem Unterzeichnenden zweifelhaft. Im übrigen wirken einige Passagen im Gutachten bezüglich des Vaters tendenziös und lassen schon von daher weitere Zweifel an der gutachterlichen Kompetenz entstehen. Ob es möglicherweise sogar eine Befangenheit des Gutachters gegenüber dem Vater gab, kann hier allerdings nicht geklärt werden.
Peter Thiel, 18.03.2010
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