Stellungnahme zu den Ausführungen des Herrn Dirk Kriegeskorte

vom 10.06.2004

 

Familiensache X

am Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg

Geschäftsnummer: 142 F 14353/02

Richter: Herr Vogel

 

 

Kinder:

A (Tochter), geb. ....1997

B (Tochter), geb. ... 2002

 

 

 

 

Erarbeitung der Stellungnahme durch Peter Thiel

 

... 

 

Die hier vorliegende Stellungnahme bezieht sich auf die vorliegende 7-seitige schriftliche Stellungnahme von Herrn Kriegeskorte vom 10.06.04.

 

 

Gerichtliche Fragestellung laut Beschluss vom 27.10.2003:

"Erstattung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens über die Frage der Erziehungsfähigkeit der Eltern"

 

 

 

 

Angriff ist die beste Verteidigung

 

"Die Notwendigkeit, sich notfalls mit einem Gegenangriff gegen Angriffe anderer Männer zu verteidigen, gehört zum Leitbild fossiler Männlichkeit: "Man muß sich notfalls auch mit Gewalt gegen Angriffe wehren", und "Angriff ist die beste Verteidigung" sind die unhinterfragten Leitsätze dieser Art von Männlichkeit. Die Auslegung dessen, was als Angriff und damit als Notfall angesehen wird, ist dabei subjektiv und wird durch Realitätsverzerrungen von den betreffenden Männern sehr großzügig und weitläufig ausgelegt. Und ob das Verhalten einer anderen Person als Angriff gegen die eigene Persönlichkeit empfunden wird, hängt, nicht zuletzt vom eigenen Selbstwertgefühl ab." 

aus: Rudi Rhode, Mona Sabine Meis, Ralf Bongartz: "Angriff ist die schlechteste Verteidigung"; In: "Multi Mind NLP aktuell. Zeitschrift für professionelle Kommunikation", 2/2003, Junfermannsche Verlagsbuchhandlung, www.multimind.de

 

Möglicherweise treffen die Aussagen der oben zitierten Autor/innen auf die Stellungnahme des Sachverständigen (SV) Herrn Dirk Kriegeskorte in weiten Teilen zu. So unterstellt der SV Herrn Thiel z. B. "die tragische Entwicklung einer Familie für seine `politischen` Zwecke" zu missbrauchen und dabei in Kauf zu nehmen, "dass vor allem die beiden Kinder der Familie durch sein unverantwortliches Agieren möglicherweise in Mitleidenschaft gezogen werden." Die Liste der Anklagen des SV Herrn Kriegeskorte gegen Herrn Thiel ist lang, es soll hier aber nicht alles wiederholt werden, um Ermüdungseffekten bei möglichen Lesern vorzubeugen. Im übrigen ist der Unterzeichnende Herr Thiel starken Tobak gewöhnt und lässt sich nicht von jedem Angriff in die Defensive jagen.

Auch wenn der Sachverständige (SV) Herr Kriegeskorte mit der Stellungnahme des Privatsachverständigen Herrn Thiel insgesamt sehr harsch und sicher weit überzogen ins Gericht gehen will, so kommt der SV schlussendlich immerhin zu der Ansicht, dass es in der Stellungnahme von Herrn Thiel "durchaus bedenkenswerte Anregungen" gibt (S. 7). Gut dass es doch Gemeinsamkeiten zwischen Sachverständigen und Privatsachverständigen zu geben scheint. Daran könnte man im laufenden Verfahren anknüpfen.

Gleichwohl soll im folgenden zur vorgetragenen Kritik von Herr Kriegeskorte in einigen Punkten Stellung bezogen werden:

 

Der Vorwurf der Polemik durch den SV an die Adresse von Herrn Thiel kann sicher zurückgeben werden. Einen Mangel an polemischen Talent kann man dem SV Herrn Kriegeskorte sicher nicht bescheinigen. Dies mag vor Gericht gelegentlich auch ganz sinnvoll sein, sonst würden sich nicht so viele Anwälte geballter Polemik bedienen. (vgl. Derleder, Peter: "Die Besonderheiten der zivilprozessualen Kommunikation"; In: "Kritische Justiz", 2/2004, S. 170-185)

 

Statt darüber spekulativ zu sinnieren, welche fachliche Qualifikation Herr Thiel hätte oder nicht hätte (vgl. S. 1), hätte sich der SV mehr um eine Debatte zur Sache bemühen können oder sich auch zu den juristischen Aspekten der Arbeit eines Privatsachverständigen informieren können, so z.B. in Jessnitzer: "Der gerichtliche Sachverständige", S. 16-26. Dann wäre es sicher auch nicht zu der Annahme des SV gekommen, dass Herr Thiel nicht "befugt, befähigt und ermächtigt" wäre, "das psychologische Gutachten des U. in einer solch anmaßenden oberflächlichen Art und Weise zu kommentieren." (S. 1)

Die sprachliche Konstruktion dieses Satzes ist im übrigen ein Bespiel für eine gelungene suggestive Formulierung. Neben der falschen Behauptung, dass Herr Thiel nicht befugt wäre ein Gutachten zu kommentieren, verkündet der SV auch noch ein Werturteil, nämlich, dass Herr Thiel das Gutachten in einer anmaßenden oberflächlichen Weise kommentieren würde. Selbst wenn die erste Behauptung ausgeräumt ist, bleibt die versteckte Behauptung der Inkompetenz Herrn Thiels erhalten. Das erinnert an Fälle von unberechtigten Vorwürfen sexuellen Missbrauch in familiengerichtlichen Verfahrens. Dort finden wir ja nicht selten, dass zwar der Vorwurf nicht verifiziert werden kann, der gute frühere Ruf des Beschuldigten aber entgültig dahin ist, denn hängen bleibt immer was.

 

Die Ausführungen von Herrn Kriegeskorte gewinnen nicht dadurch automatisch an Qualität, dass er dem Gericht mitteilt, ein "qualifizierter klinischer Psychologe und Psychotherapeut" zu sein und weitere Angaben über seinen Berufsverlauf und die von ihm ausgeübten Tätigkeiten macht (S. 1). Man darf es als Selbstverständlichkeit voraussetzen, dass für die Tätigkeit als gerichtlich bestellter Sachverständiger(SV) bei selbigem genügend Sachkunde und Kompetenz vorhanden sein sollte. Von daher verwundert der Verweis des Sachverständigen auf seine Kompetenz, denn ein solcher Verweis hieße Eulen nach Athen zu tragen, wenn die Kompetenz von der Art wäre, wie sie der SV vorgibt. Möglicherweise ist sich der Sachverständige aber seiner eigenen Kompetenz nicht ganz sicher, das würde die Hinweise des SV auf seine Ausbildungen und Tätigkeiten verständlich machen. Insgesamt ist es aber kein absoluter Makel, wenn auch professionelle Helfer einmal nicht gleich weiter wissen oder sich teilweise oder vollständig irren. Dafür gibt es korrigierend die Möglichkeit der Selbstreflexion, des kollegialen Austauschs oder von Supervision. Dies dürfte einem ausgebildeten Supervisor (nicht jedoch Supervisior, wie Herr Kriegeskorte auf Seite 1 schreibt) wie Herrn Kriegeskorte doch nicht unbekannt sein. Selbstgenügsamkeit, die man oft an rigoroser Abwehr von Kritik erkennen kann (vgl. Mäulen, Bernhard: "Narzisstisch gestörte Ärzte. Tyrann und Mimose: Halbgott in Weiß.", In: "Fortschritte der Medizin", 10/2003), sollte allerdings Politikern und anderen narzisstischen Charakteren vorbehalten bleiben, bei denen erwartet man ja heutzutage kaum etwas anderes mehr.

 

 

 

 

Kollusion

Man könnte zu der Vermutung kommen, dass der SV Herr Kriegeskorte auf der einen und der Vater der Kinder, Herr X eine kollusive Beziehung eingegangen sind, in der es um einen Machtkampf zwischen den beiden geht. Möglicherweise haben beide ihre eigene biografische Sohn-Vater Konfliktdynamik noch nicht ausreichend geklärt, so dass dies in einer Art Zweikampf stellvertretend aneinander nachvollzogen werden soll. In einem aktuellen Machtkampf könnte es um die Deutungshoheit auf den familiären Konflikt der Familie X gehen. Gleichzeitig würde aber auch klar, warum Herr X sich wie vom SV jedenfalls beschrieben, vehement dagegen wehrt die Deutung des Familienkonfliktes von Herrn Kriegeskorte zu übernehmen. Von Herrn Kriegeskorte, der über eine Ausbildung als Psychotherapeut verfügt, kann man verlangen, sich mit dem Thema drohender Verstrickung zwischen Therapeut (Helfer) und Klient auszukennen. So schreibt der vom SV mit dem Konzept der anal-sadistischen Kollusion zitierte Autor Jürg Willi: "Als analytischer Therapeut ist man geneigt, alles, was Patienten dem Fortschreiten des Therapieprozesses entgegensetzen, als neurotische Abwehr zu interpretieren, ohne sich zu fragen, ob die Patienten eventuell gesünder sind als wir Therapeuten und deshalb sich einer Therapiekonzeption entgegensetzen, die auf einer neurotischen Theorie des Therapeuten begründet ist." (Willi, Jürg: "Therapie der Zweierbeziehung"; Rowohlt 1978, 1991, S. 93-94)

 

Mitunter hat es den Anschein, als ob der Sachverständige sich nicht nur vom gerichtlichen Auftrag leiten lässt, sondern auch von vermeintlichen Kränkungen die ihm Herr X angetan hätte, so z.B. wenn der SV schreibt: "wie das Abschlussgespräch des U. mit den KE gezeigt hat, sieht der KV selbst noch nach abgeschlossenem Gutachtenprozess ausdrücklich keinerlei Unterstützungsbedarf von außen bezüglich der Erziehung A`s. Schlimmer noch (nach eigenem Bekunden) interessieren ihn auch nicht die beziehungsdynamischen Zusammenhänge im Hinblick auf die künftige Entwicklung seiner Kinder. ..." (S. 3-4)

 

Jürg Willi äußert sich auch zum Problem der Kränkung von Helfern: "Unser therapeutischer Helferwille wird am leichtesten da angeregt, wo sich jemand schwach, regressiv, ängstlich und depressiv an uns wendet. ... Wir reagieren aber rasch gekränkt und desinteressiert , wenn jemand sich bemüht, selbst mit seinen Schwierigkeiten fertig zu werden und ohne unsere Hilfe zurechtzukommen." (S. 95)

Neben einer möglichen Kränkung des SV durch Herrn X verwechselt der SV bei seinen Vorhaltungen an die Adresse des Vaters möglicherweise auch seinen Auftrag zur Feststellung einer gerichtlich interessierenden Frage, nämlich nach der Erziehungsfähigkeit der Eltern, mit der Annahme, das Gericht hätte ihn damit beauftragt, die Eltern und insbesondere den Vater von der Kindeswohlschädlichkeit ihres elterlichen Tuns zu überzeugen und dafür wenigstens noch Lippenbekenntnisse von den Eltern verlangen zu dürfen. Dabei setzt er das vom Gericht erst noch als das für Recht zu erkennende, nämlich eine stark eingeschränkte Erziehungsfähigkeit der Eltern, als gegeben voraus, um sich dann auf diese Weise legitimiert zu fühlen, gegenüber den Eltern die Position eines Pädagogen einzunehmen.

Um hier keine Missverständnisse oder erneute Unterstellungen seitens des SV auszulösen, sei folgendes festgestellt. Der Unterzeichnende maßt sich in keiner Weise an, für die Familie X eine Gültigkeit beanspruchende Diagnostik geben zu können. Eine Entscheidung ist ohnehin Sache des Gerichtes und nicht die Sache von Herrn Thiel oder Herrn Kriegeskorte.

In der ersten und auch in der hier vorliegenden zweiten Stellungnahme geht es in erster Linie darum kritische Fragen zum vorliegenden Gutachten zu formulieren und Vorschläge zu machen, ob es neben dem schwerstmöglichen Eingriff in die elterliche Verantwortung, nämlich der dauerhaften Herausnahme des Kindes aus der Familie nicht andere Möglichkeiten gäbe, in der das Kindeswohl nicht gefährdet ist.

Im übrigen geht §1666 und 1666a BGB nicht vom Recht des Kindes auf die idealen Eltern aus oder vom Recht des Kindes auf die besseren Pflegeeltern, sondern postuliert, dass eine Trennung des Kindes von der Familie nur dann in Betracht kommt, wenn die Gefahr (Kindeswohlgefährdung) nicht auf anderer Weise begegnet werden kann.

Es verhält sich mitnichten so, dass der Privatsachverständige Thiel einfach empfohlen hätte das Kind "B zurück in die Familie X ... zu geben" wie der SV in Form einer Halbwahrheit vorgibt (S. 1). Richtig ist indes, dass Herr Thiel in seiner ersten Stellungnahme folgendes geschrieben hat:

 

 

Was kann getan werden?

Der Unterzeichnende regt an, dass die Tochter Alexandra zukünftig wieder im Haushalt ihrer Eltern betreut wird. Um die Eltern bei einer kindgerechten Betreuung der Tochter Alexandra zu unterstützen und um potentielle Gefährdungen des Kindes präventiv zu entschärfen, sollte eine Ergänzungspflegschaft nach §1909 BGB eingerichtet werden. Der Wirkungskreis der Ergänzungspflegschaft wäre entsprechend zu beschreiben, so z.B. mit dem Auftrag, bei eventuell sich abzeichnenden Kindeswohlgefährdungen fachgerecht zu intervenieren. Ein wöchentlich zwei Mal stattfindender einstündiger Kontakt des Ergänzungspflegers im Haushalt der Familie X erscheint dafür sinnvoll und angemessen.

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für Alexandra sollte auf den Ergänzungspfleger übertragen werden, so dass dieser in einem eventuellen Krisenfall sofort über den Verbleib des Kindes bestimmen könnte. Im übrigen könnte die elterliche Sorge unberührt bleiben.

Sinnvoll erscheint die Selbstverpflichtung der Eltern innerhalb eines zu bestimmenden Zeitraums mit einer Familientherapie zu beginnen, die in zweiwöchigen Abstand stattfindet. Dies wäre auch ein ernsthaftes Zeichen der Eltern sich mit ihren familiären Problemen aktiv und mit fachkundiger Unterstützung auseinander zusetzen und Lösungen für den familiären Alltag zu entwickeln. Die Finanzierung wäre von der öffentlichen Jugendhilfe zu leisten.

Nach einem Jahr könnte vom Gericht geprüft werden, ob die Ergänzungspflegschaft und die begonnene Familientherapie sich positiv auf die Familie ausgewirkt haben. Bei Notwendigkeit wäre die Ergänzungspflegschaft weiterzuführen, gegebenenfalls wird dann ein Termin je Woche ausreichend sein. Sind die Verbesserungen dagegen so, dass eine Ergänzungspflegschaft nicht mehr notwendig wäre, kann diese durch das Gericht beendet werden.

Für die Übernahme der Ergänzungspflegschaft werden alternativ folgende berufserfahrenen Fachkräfte vorgeschlagen:

... 

 

Die betreffenden Fachkräfte haben sich gegenüber dem Unterzeichnenden für eine Beauftragung durch das Gericht bereit erklärt.

 

 

Der SV Herr Kriegeskorte macht es sich wohl etwas sehr leicht, wenn er statt einer fachlichen Diskussion zu den vom Privatsachverständigen vorgetragenen Vorschlägen bei seiner Behauptung bleibt, es gäbe keine Alternative zum dauerhaften Verbleib des Kindes B in der Pflegefamilie. Wenn der SV die Frage stellt "Wie das Kleinkind dabei mit dem Risiko der Kindeswohlgefährdung während des `Lernprozesses` der KE `umgehen` soll", und Herrn Thiel dabei unterstellt, "dass bei diesem Vorschlag das `Lebenswohl` ... nicht nur Bs`, sondern auch A`s sinnbildlich auf dem Altar der Verantwortungsbefähigung der KE geopfert wird." (S.3), so ist ersteres sicher zu kurz gegriffen, andernfalls wäre in vielen Familien Familienhilfe völlig überflüssig, da niemand trotz der Betreuung eine akute Kindeswohlgefährdung ausschließen kann. Letzterer Teil des Satzes scheint mehr eine Unterstellung von Herrn Kriegeskorte zu sein, als ein konstruktiver Diskussionsbeitrag. Es ist durchaus denkbar und möglicherweise auch sinnvoll, den Prozess der Rückkehr des Kindes in die Herkunftsfamilie X schrittweise in Abhängigkeit von den auch durch die vorgeschlagene professionelle Intervention erzielten Verbesserungen in der Familie X zu gestalten. So wäre darüber nachzudenken, zu je gegebener Zeit schrittweise die Zeiten des Umgangs die B in ihrer Herkunftsfamilie verbringt, zu erweitern. Dazu muss aber auch die Bereitschaft der Pflegeeltern vorliegen, zu der gegebenen Zeit das ihnen anvertraute Kind "loszulassen" (vgl. Rexilius, Günter; Bergmann, Elmar: "Der fachliche Umgang mit Pflegekindern - systemisch betrachtet", in: Bergmann; Jopt; Rexilius (Hrsg.): "Lösungsorientierte Arbeit im Familienrecht. Der systemische Ansatz in der familienrechtlichen Praxis"; Bundesanzeiger Verlag, Köln, 2002). Der benannte Aufsatz ist dieser Stellungnahme beigefügt.

 

Der SV schreibt dann: "Selbst unter der hypothetischen Annahme, dass sich die KE X in Anbetracht der künstlich von außen erzeugten Motivation (soll Alexandra etwa dabei als Pfand für die Gewährleistung der Therapieteilnahme der KE dienen?) endlich auf eine Therapie einließen, wäre wohl kaum mehr zu erwarten, als eine elterliche `Als-Ob`-Bereitschaft zur Veränderung." (S. 3)

Ob dies tatsächlich so sein muss, wie der SV behauptet sollte man diejenigen fragen, die etwas davon verstehen. Daher wird hiermit angeregt, die Familientherapeutin Frau Dr. Marie-Luise Conen, die Autorin zahlreicher einschlägiger Fachpublikationen ist, so z.B.: Conen, Marie-Luise (Hrsg.): "Wo keine Hoffnung ist, muss man sie erfinden. Aufsuchende Familientherapie"; Carl-Auer-Systeme Verlag 2002, als sachverständige Zeugin zu laden. Ladungsfähige Adresse: Context - Institut für systemische Therapie und Beratung, Frau Dr. Conen, Heinrich Seidel-Str. 3, 12167 Berlin, Tel 030-7954716, www.context-conen.de

 

 

Der SV schreibt weiter: "Den KE wird nunmehr seit Jahren von verschiedenen Seiten nahegelegt, sich bei ihren Schwierigkeiten helfen zu lassen, ohne dass diese Empfehlungen, selbst mit ausführlichen Hinweisen auf die Bedeutung einer solchen Therapie für die weitere Entwicklung der Kinder, insbesondere bei Herrn X Gehör fanden. Selbst wenn jetzt nach Vorlage des Gutachtens `plötzlich und unerwartet` eine solche Bereitschaft bekundet würde, geschähe dies lediglich in Anbetracht des vom U. empfohlenen Sorgerechtsentzuges." (S. 3)

Dass Eltern mitunter erst bei Androhung eines Sorgerechtsentzugs zu einer Mitarbeit zu bewegen sind, würde nichts an der Tatsache ändern, dass sie es schließlich doch tun (vgl. Kohaupt, Georg: "Wirkungen des Rechts auf Hilfebeziehungen im Kinderschutz. Elternverantwortung und Kindeswohl im Dreieck Familie, Beratungsstelle und Jugendamt", In: "Das Jugendamt", 12/2003, S. 567-572)

 

Der Privatsachverständige Herr Thiel ist durchaus der Meinung, dass auch im familiengerichtlichen Zwangskontext sinnvolle Hilfen für Familien geleistet werden können, siehe hierzu www.system-familie.de/zwangskontext.htm. Dies muss allerdings juristisch sauber formuliert werden. Ist eine Kindeswohlgefährdung nur durch entsprechende Mitarbeit der Eltern abzuwenden, so müssen die Eltern sich daran beteiligen, ansonsten riskieren sie zu Recht den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechtes oder anderer Teile der elterlichen Sorge.

 

Der SV verwechselt schließlich möglicherweise das Familienrecht mit dem Strafrecht, wenn er schreibt: "... Die Belastung, bereits im Mutterleib mit den ambivalenten Empfindungen einer psychotisch erkrankten Mutter verbunden zu sein, als Säugling vom Vater Nase und Mund zugehalten zu bekommen, mit wenigen Monaten infolge dekompensierter Elternschaft in eine andere Familie zu kommen ..." (S. 3)

Im vorliegenden familiengerichtlichen Verfahren geht es nicht darum, Geschehenes zu ahnden, auch wenn es verständlich ist, wenn beteiligte Professionelle solche Strafbedürfnisse empfinden sollten, sondern darum, ob eine Kindeswohlgefährdung auch bei Leistung geeigneter öffentlicher Hilfen andauern würde, so dass eine Rückkehr des Kindes in die Familie nicht zu verantworten ist. (§1666a BGB).

 

 

 

 

Peter Thiel, 16.08.2004

... 

 

 

 

 

Literatur:

Bäuerle, Siegfried / Pawlowski, Hans-Martin (Hrsg.): "Rechtsschutz gegen staatliche Erziehungsfehler: Das Vormundschaftsgericht als Erzieher"; 1. Aufl. - Baden-Baden : Nomos Verl-Ges., 1996

Bergmann; Jopt; Rexilius (Hrsg.): "Lösungsorientierte Arbeit im Familienrecht. Der systemische Ansatz in der familienrechtlichen Praxis"; Bundesanzeiger Verlag, Köln, 2002

Conen, Marie-Luise (Hrsg.): "Wo keine Hoffnung ist, muss man sie erfinden. Aufsuchende Familientherapie"; Carl-Auer-Systeme Verlag 2002

Derleder, Peter: "Die Besonderheiten der zivilprozessualen Kommunikation"; In: "Kritische Justiz", 2/2004, S. 170-185

Jessnitzer, Kurt; Frieling, Günther; Ulrich, Jürgen: Der gerichtliche Sachverständige. Carl Heymann Verlag KG, 11. neu bearbeite Auflage 2000

Kohaupt, Georg: "Wirkungen des Rechts auf Hilfebeziehungen im Kinderschutz. Elternverantwortung und Kindeswohl im Dreieck Familie, Beratungsstelle und Jugendamt", In: "Das Jugendamt", 12/2003, S. 567-572

Mäulen, Bernhard: "Narzisstisch gestörte Ärzte. Tyrann und Mimose: Halbgott in Weiß.", In: "Fortschritte der Medizin", 10/2003

Rudi Rhode, Mona Sabine Meis, Ralf Bongartz: "Angriff ist die schlechteste Verteidigung"; In: "Multi Mind NLP aktuell. Zeitschrift für professionelle Kommunikation", 2/2003, Junfermannsche Verlagsbuchhandlung, www.multimind.de

Willi, Jürg: "Die Zweierbeziehung", Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1975

Willi, Jürg: "Therapie der Zweierbeziehung"; Rowohlt 1978, 1991

 

 

 


home