Expertise zum 131-seitigen Gutachten des Diplom-Psychologen Dieter Brosch vom 23.06.2009
Familiensache: X (Vater) und Y (Mutter)
Kinder:
A geboren am ... .
B geboren am ... .
C geboren am ...
Verfahrenpfleger/in: Terry Ann Larsen
Amtsgericht Weinheim - Aktenzeichen 3 F 119/08 SO
Richterin Nollert-Tecl
Erarbeitung der Expertise durch Peter Thiel
...
Beweisfrage von Richterin Nollert-Tecl vom Amtsgericht Weinheim laut Beschluss vom 05.12.2009:
Es soll ein kinderpsychologisches Gutachten eingeholt werden zur Klärung folgender Fragen:
a) Ist die Bindung zwischen der Mutter und den Kindern erkennbar enger als die Bindung zwischen dem Vater und den Kindern?
b) Ist die Erziehungsfähigkeit des Vaters eingeschränkt, weil er mit einem aufbrausenden Temperament die Kinder verängstigt oder verstört?
I. Vorbemerkung
Der Gutachter antwortet auf die zwei Fragen des Gerichtes:
1) Die Bindung zwischen der Mutter und den Kindern ist graduell intensiver.
2) Dass der Vater rumschreit, wird von den Kindern thematisiert, die Erziehungsgeeignetheit des Vaters ist aber grundsätzlich nicht eingeschränkt.
(Gutachten S. 124)
Für die Beantwortung dieser zwei kurzen Fragen des Gerichtes legt der Diplom-Psychologen Dieter Brosch dem Gericht ein 131-seitiges Gutachten vor.
Man kann davon ausgehen, dass ein solcher Umfang nur dadurch zu erklären ist, dass Herr Brosch eigenmächtig weit über den Auftrag des Gerichtes hinausgegangen ist und sich u.a. unaufgefordert auch zu Fragen der elterlichen Sorge und zur zukünftigen Betreuungsregelung für die Kinder durch deren Eltern äußert.
Dies als zutreffend unterstellt, müsste man davon ausgehen, dass Herr Brosch seitens der Justizkasse nur für den Teil seiner Arbeit zu bezahlen ist, für den er vom Gericht auch tatsächlich beauftragt wurde. Für den anderen, vom Gericht nicht legitimierten Teil seiner Ausführungen, wäre ihm hingegen eine Vergütung zu versagen.
Das Gericht wäre zudem sicher gehalten, diejenigen Ausführungen des Gutachters, die nicht auf die Beweisfrage hin erfolgten, sondern dem selbstdefinierten Arbeitsverständnis des Gutachters, als Beweismittel nicht zuzulassen.
Dies kann daraus gefolgert werden, dass die Verfahrensbeteiligten sich auf die Beweisfrage des Gerichtes einstellen konnten, auf die eigenmächtigen Definitionen des Gutachters für seinen Arbeitsauftrag jedoch nicht. Das verfassungsrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht gebietet es jedoch, dass die Beteiligten in einem familien-gerichtlichen Verfahren Sinn und Zweck gerichtlich veranlasster Maßnahmen erkennen und überprüfen und sich auf sie einrichten können, was jedoch nicht möglich ist, wenn solche Maßnahmen - so wie seitens des Gutachters als Hilfskraft des Gerichtes - nicht offen gemacht werden.
II. Beantwortung der Beweisfrage
Der Gutachter antwortet auf die zwei Fragen des Gerichtes:
1) Die Bindung zwischen der Mutter und den Kindern ist graduell intensiver.
2) Dass der Vater rumschreit, wird von den Kindern thematisiert, die Erziehungsgeeignetheit des Vaters ist aber grundsätzlich nicht eingeschränkt.
(Gutachten S. 124)
Dabei hätte Herr Brosch es nun - nebst einer Begründung zu seinen beiden Antworten - belassen müssen, denn nach mehr hat das Gericht nicht gefragt. Herr Brosch trägt jedoch - unaufgefordert vom Gericht - diverse Meinungsäußerungen vor, um die ihn das Gericht nicht gebeten hat und für die er als Hilfskraft des Gerichtes somit auch keine Legitimation besitzt.
Herr Brosch schreibt:
„Grundsätzlich sei zunächst darauf hingewiesen, dass es sehr zu bedauern ist, dass vor allem aufgrund der Einstellung des Vaters zwischen den Eltern eine einvernehmliche Regelung nicht erreicht werden konnte.
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Damit lagen insgesamt gute Voraussetzungen einer einvernehmlichen Regelung vor, so dass in der Sorgerechtsfrage eigentlich gar keine Entscheidung hätte getroffen werden müssen und kein Elternteil einen Teil des Sorgerechts hätte verlieren und damit `Verlierer` sein müssen.
Da der Vater aber eine gerichtliche Entscheidung möchte, war daher zunächst zu prüfen, ob trotz der Einstellung und Verhaltensweise der Eltern ihnen die gemeinsame Sorge belassen oder einem Elternteil die alleinige Sorge übertragen werden sollte.
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Da nach dem Ergebnis der durchgeführten Untersuchungen beide Eltern grundsätzlich befähigt und in der Lage sind, die elterliche Sorge für A, B und C auszuüben, sollte ihnen daher letztlich die gemeinsame elterliche Sorge zustehen.
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Was nun den zukünftigen Lebensmittelpunkt der Kinder A, B und C angeht, so sollte der bei der Mutter sein. “
(Gutachten S. 124-27)
Wie man sieht, verlässt der Gutachter mit diesen und weiteren, hier nicht zitierten Ausführungen, den ihm vom Gericht gesetzten Auftrag in einem sicher nicht zu tolerierendem Maß.
Reduziert man die Ausführungen des Gutachters auf den vom Gericht tatsächlich in Auftrag gegebenen Rahmen, dann bleiben - wie schon erwähnt – einzig und allein zwei gerichtsverwertbare Vorträge des Gutachters übrig:
1) Die Bindung zwischen der Mutter und den Kindern ist graduell intensiver.
2) Dass der Vater rumschreit, wird von den Kindern thematisiert, die Erziehungsgeeignetheit des Vaters ist aber grundsätzlich nicht eingeschränkt.
(Gutachten S. 124)
Dass allein eine möglicherweise bestehende „graduell intensivere“ Bindung der Kinder zur Mutter zu einer gerichtlich verfügten Herausnahme der Kinder aus ihrem gewohnten Lebensumfeld in ... in das 360 Straßenkilometer entfernte ... und damit zur Verletzung des Kontinuitätsprinzips - noch dazu über Länder- und Kulturgrenzen hinweg führen soll, dürfte mit der gesetzlichen Vorgabe des §1697a BGB sicher unvereinbar sein.
§ 1697a BGB Kindeswohlprinzip
Soweit nicht anderes bestimmt ist, trifft das Gericht in Verfahren über die in diesem Titel (Anm.: §1626 bis 1698b) geregelten Angelegenheiten diejenige Entscheidung, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Aus dieser Perspektive dürfte das Gutachten des Herrn Brosch für eine gerichtliche Entscheidung des gewöhnlichen Aufenthaltes der Kinder bei der Mutter letztlich nicht geeignet sein. Statt dessen dürfte allein schon die Beachtung des Kontinuitätsgrundsatzes zu der Entscheidung führen, die Kinder in ihrem gewohnten Lebensumfeld in ... zu belassen.
Für den Verbleib der Kinder im väterlichen Haushalt in ... spricht zudem auch die Perspektive der Kinder, wie sie die Verfahrenspflegerin Terry Ann Larsen dem Gericht in ihrem Schreiben vom 28.01.2009 aufgezeigt hat:
„Aus den Erzählungen der Kinder geht klar hervor, dass die Kinder das Haus in ... als ihr Zuhause ansehen.“
Peter Thiel, 29.07.2009
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