Stellungnahme zum 45-seitigen Gutachten der Diplom-Psychologin Brigitte Spangenberg vom 03.03.1999

 

Oberlandesgericht Frankfurt am Main - 6 UG 198/98

 

 

Familiensache: X (Vater) und Y (Mutter)

Kinder: 

A (Sohn) geboren am ... . 1988

B (Tochter) geboren am ... . 1992

 

 

Beweisbeschluss vom 17.12.1998

"... welchem Elternteil die beiden Kinder A und B sorgerechtlich zugeordnet werden sollen."

 

 

 

 

Allgemeines

1. Das Gutachten zeigt keine Verweise auf wissenschaftliche Grundlagen bezüglich der durch die Gutachterin vorgenommenen Vorgehensweise, Schritte, Befragungstechniken, verwendeter Tests und deren Gütekriterien, der Begutachtung zugrunde liegender Literatur und Standards, usw. 

 

Dazu Leitner (S. 58):

 

>>Ein familienpsychologisches Gutachten sollte auch im Hinblick auf literarische Gestaltungsprinzipien elementare wissenschaftliche Standards erfüllen. So besteht eine unabdingbare Forderung u. a. darin, daß im Gutachten umfängliche Literatur- bzw. Quellenangaben auch über die den Interpretationen zugrundeliegenden Theorien und Konzepte gemacht werden. Wörtliche- oder sinngemäß aus Quellen (Akten, Literatur) entnommene Passagen sind als solche im Text kenntlich zu machen. Ein Gutachten, das solche Anforderungen wissenschaftlichen Arbeitens mißachtet, kann nicht den Anspruch erheben "eine wissenschaftliche Leistung" (Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen, 1994, S. 8) zu sein, wie dies in den eingangs zitierten Richtlinien der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen für "ein solches Gutachten" (aaO) ausdrücklich gefordert wird.<<

 

 

und weiter:

 

"Nicht nur in Fällen, bei denen unkonventionelle Verfahren zur Anwendung kamen, die in einschlägigen Testhandbüchern nicht verzeichnet sind, sollte es aber Aufgabe der Sachverständigen sein, über die Erfüllung der Gütekriterien im Gutachten Rechenschaft abzulegen und damit die Aussagegültigkeit der testdiagnostischen Basis auch für das Gericht nachvollziehbar zu erörtern. Dies wäre gleichsam ein ganz wesentlicher Beitrag zur Transparenz der Aussagegültigkeit von Entscheidshilfen für das Gericht und zur Qualitätssicherung bzw. Qualitätsverbesserung, die es nachdrücklich anzustreben gilt."

 

 

 

2. Nicht dargelegt wird, wo die vorgenommen Testungen (G) und der Familientermin mit Sculptern (H) durchgeführt wurden. Auch ist nicht verzeichnet durch wen diese vorgenommen wurden. Wie durch Frau Y mitgeteilt, wurden diese offensichtlich von der Dipl. Psychologin A. Dormann durchgeführt, die die Tochter von Frau Spangenberg sein soll.

 

Dazu Schorsch (S.176):

 

"Übersehen wird, dass es durch die Einschaltung von Hilfspersonen zu versteckten Einflüssen auf Gutachten kommen kann, was unzulässig ist. ... Analysen und Tätigkeiten, die das Gutachtenergebnis unmittelbar beeinflussen, weil sie bewertend sind, sind nicht delegierbar. Demzufolge müssen Sachverständige, z.B. psychologische Untersuchungen ... selbst vornehmen, da sie ansonsten ihre eigentliche gutachterliche Aufgabe Dritten übertragen."

 

 

 

Zu II. 1. Anamnestische Daten ...

 

Aus dem Gutachten geht nicht hervor, inwieweit die von der Gutachterin vorgenommene Erhebung anamnestischer Daten (S. 5-7 (Mutter), S. 11-12 (Vater) dazu beigetragen hat, die Gutachterfrage zu beantworten. Auffällig nur der Umfang der Erhebung: Mutter zweieinhalb Seiten, Vater eine Seite. Woher diese ungleiche Gewichtung herrührt, wird nicht dargelegt. In der durch die Gutachterin vorgenommenen Darstellung der Lebensgeschichte der Mutter finden sich reichlich "bedenkliche" Lebensereignisse, die geeignet sind, beim Leser Vorurteile gegenüber der Mutter zu wecken. Ein Gutachten hat aber nicht die Aufgabe Lebensgeschichten der Eltern zu referieren, sondern konkrete Antworten auf Fragen des Gerichtes zu liefern, um dadurch der bestmöglichen Entwicklung des Kindeswohl zu dienen. 

...

 

 

 

 

Zu. 2.3. Die Kinder während des Hausbesuches bei der Mutter

Die Gutachterin beginnt:

 

"Die Mutter lässt mich gemeinsam mit zwei Hunden, wovon einer kläfft und springt in die Wohnung. Sie bringt die Hunde zur Ruhe. Die laute Hündin sei >ein Gast<. "

 

 

Welchen diagnostischen Wert diese Beschreibung hat, bleibt schleierhaft. Sie scheint eher geeignet und beabsichtigt das vielleicht auch, beim Leser negative Assoziationen zur Mutter und zu ihrem Haushalt zu wecken.

Die Feststellung: "A und B nehmen während meines Besuches keinen Kontakt zu den Hunden auf.", trägt in keiner Weise zur Beantwortung der gestellten Beweisfrage bei. Eventuell könnte vermutet werden, dass die Gutachterin hier in projektiver Weise ihre eigene Einstellung zu Hunden und gegebenenfalls zur Mutter (und zum möglicherweise dahinterliegenden Thema "Aggression") vorträgt.

Aufgabe eines Gutachtens kann es nicht sein, die persönliche Einstellung einer Gutachterin zu einer begutachteten Person zu dokumentieren, sondern die möglichst umfassend und exakt gestellte Gutachterfrage unter der Prämisse des Kindeswohls zu beantworten.

 

Seite 25:

Die breite und ins Detail gehende Beschreibung des Hausbesuches bei der Mutter trägt leider nicht zur Beantwortung der Beweisfrage bei. Auf Seite 44 "Gutachterliche Stellungnahme" findet sich daher folgerichtig auch nichts wieder. Von daher stellt sich die Frage, wozu auf Seite 25 und 26 eine derart ausführliche Beschreibung stattfindet. Es kann nicht Aufgabe eines Gutachtens sein, auf nicht gestellte Fragen des Gerichtes, z.B.: wie sieht es in der Wohnung der Mutter aus und was passiert dort alles während eines ca. 30 minütigen Besuches einer Gutachterin. Zumal wir alle wissen, wie tagesabhängig mitunter eine ganz konkrete familiäre Situation sein kann. Auch Gutachterinnen, Familienrichter und Familienberater haben mitunter Tage, an denen die Stimmung und das Familienklima nicht das Beste ist. Deshalb käme aber niemand auf den Gedanken, ihnen das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre Kinder zu entziehen.

 

 

Zu 3. Indirekte Stellungnahmen (Tests) der Kinder zum Thema des Gutachtens

 

Zum Wert testdiagnostischen Vorgehens allgemein dazu Jopt (S. 284/296): "Ausnahmslos alle Gutachter scheinen unerschütterlich davon überzeugt zu sein, dass für eine die Gerichte beeindruckende Dokumentation ihres professionellen Könnens der Einsatz von Testverfahren .. absolut unverzichtbar ist."

 

Zu 3.1 Der Familie als Tiere-Test

Zur Qualität diese Testes schreibt Leitner (S. 60/61)

1. Familie in Tieren (BREM-GRÄSER, 1995).

Gütekriterien nach BRICKENKAMP (1997, 964, 968ff):

Objektivität: nein Reliabilität: nein

Validität; nein Normierung: teilweise

Und meint dann klarstellend:

"Das zusammen mit dem im Hinblick auf die Gütekriterien völlig unzureichendem Test "Familie in Tieren" (Brem-Gräser, 1995) ..."

 

Die von der Gutachterin vorgenommene "Besprechung der FAT-Tests" können von daher bestenfalls als Deutungen Beachtung finden. Dies mag für eine psychoanalytische Behandlung eines Patienten angebracht sein, wo es aber in einem Gutachten aufklärende Wirkung entfalten sollte, bleibt fraglich. Gleiches trifft auch für den "Familien-Beziehungs-Test (3.2.) zu. Die von der Gutachterin vorgenommene "Besprechung" bleibt im Spekulativen und ist auch bei angestrengter Bemühung sicher nicht geeignet, einen Zusammenhang zu den dürftigen Schilderungen ("Aussagen") von a) bis i) herzustellen.

 

 

Zu 3.2. Der Familien-Beziehungstest

Auf den Seiten 34 bis 36 finden sich eine Reihe von Beschreibungen des Testablaufes, die in keiner Weise Aufschluss über das eingangs aufgestellte Ziel "Aussagen des Kindes über seine Beziehungen zu den Eltern und Geschwistern" zu gewinnen. Vielmehr stellen sie eine unverbundene Beschreibung von Antworten auf verschiedene Testbilder dar. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn sich die von der Gutachterin in Auswertung des Tests gemachten Behauptungen (Seite 37) auch bei viel guten Willen nicht in Zusammenhang mit dem vorher durchgeführten Test bringen lassen.

 

 

Zu 3.3. Family-Relation Test

Dazu Leitner:

"Anmerkungen zum Family-Relations-Test (FRT)

Das zusammen mit dem im Hinblick auf die Gütekriterien völlig unzureichendem Test "Familie in Tieren" (Brem-Gräser, 1995) insgesamt am häufigsten eingesetzte Verfahren, der Family-Relations-Test von Bene und Anthony (1957). ist im Testhandbuch von Brickenkamp (1997) explizit nicht verzeichnet. Seine Spitzenpostition in der Rangfolge verdankt das Verfahren insbesondere der Tatsache, daß er in Gutachten der Gesellschaft für wissenschaftliche Gerichts- und Rechtspsychologie (GWG) ausgesprochen häufig zum Einsatz kommt. Zwölf der insgesamt 16 Anwendungen dieses Verfahrens betreffen solche Gutachten. Insbesondere bei diesem Testverfahrens läßt sich erkennen, daß ausgeprägte organisationsspezifische Besonderheiten beim Einsatz bestimmter Tests offenbar kaum von der Hand zu weisen sind.

Auf Grund seiner Häufigkeit in den vorliegenden familienpsychologischen Gutachten sollen zu diesem Testverfahren noch einige ergänzende Anmerkungen gemacht werden:

Beim FRT handelt es sich um ein Verfahren, das in einer Übersetzung von Fläming und Wörner (1977) in Fassungen für vier- bis fünfjährige sowie für sechs- bis elfjährige Kinder vorliegt (vgl. Beelmann, 1995, S. 38). Beelmann referierte und diskutierte bei der Tagung der Fachgruppe Entwicklungspsychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie e.V. in Leipzig im Jahre 1995 "neuere Untersuchungen mit dem Family-Relations Test". Hierbei wurde deutlich, daß die Validität dieses Verfahrens zum gegenwärtigen Zeitpunkt keineswegs als gesichert gelten kann. Im Rahmen seines Vortrages und der anschließenden Diskussion bezeichnete Beelmann den Umgang mit diesem Verfahren in der diagnostischen Praxis zudem als "haarsträubend" und verwies in diesem Zusammenhang u. a. darauf, daß aus ökonomischen Gründen bei der praktischen Durchführung häufig instruktionsinadäquate Modifikationen vorgenommen werden." (S. 61)

 

 

Von daher verbietet es sich wohl, dieses Testverfahren im Rahmen eines familiengerichtlichen Gutachterverfahrens als beweisführend zu benutzen. Weder ein/e Fachmann/Fachfrau, geschweige denn ein Laie dürfte beim Durchlesen des Kapitels 3.3. im Hinblick auf die Gutachterfrage verwertbare Informationen aus dem durchgeführten Test erlangen. Dies ging offensichtlich auch der Gutachterin selber so, die sich lediglich auf die Wiedergabe des Testverlaufes beschränkte und an keiner Stelle aufzeigt, welchen Wert die "Ergebnisse" für die Beantwortung der Gutachterfrage haben.

 

 

Zu V. und VI. Gespräche (Telefonate) mit Frau ...  und Frau ..., Klassenlehrerin

Außer einer kurzen Schilderung des Gespräches? Zwischen Gutachterin und Lehrerin findet sich hier nichts beachtliches. Ob das Gespräch telefonisch oder im direkten Kontakt stattfand wird nicht berichtet. Berichtet wird, dass der Vater vor seiner Tochter "kniee". Was damit gemeint ist, wird nicht erläutert.

Welchem Ziel die Gespräche dienen sollten und welche Schlussfolgerungen die Gutachterin aus dem Gespräch eventuell zieht, wird nicht dargelegt.

 

 

 

Zu IX. Gutachterliche Stellungnahme

 

"Der Erziehungsstil des Vaters ist >>demokratisch<< ... Die Mutter trifft dagegen aus sich heraus schnelle, klare Entscheidungen ... ." 

 

Diese beiden Behauptungen der Gutachterin werden nicht belegt. Dies kann auch gar nicht anders sein, ist doch der persönliche Kontakt der Gutachterin mit der Mutter und dem Vater im Beisein der Kinder auf je lediglich 30 Minuten beim Hausbesuch und beim Stellen einer Familienskulptur (ohne Zeitangabe) beschränkt geblieben. Zum anderen ist die Qualität Erziehung nicht einseitig durch "Demokratie" bestimmbar, die im Extrem bis zum "laiszes fair, laiszez aller" gehen könnten, sondern auch durch Autorität und Entscheidungsfähigkeit des Elternteils.

Um herauszubekommen, zu welcher Empfehlung die Gutachterin hinsichtlich des vom Gerichtes erfragten aufenthaltsrechtlichen Status kommt, muss man das letzte Kapitel schon mehrfach lesen. Ziemlich verklausuliert, plädiert die Gutachterin:

 

"Lebensmittelpunkt der Kinder sollte dabei mehr die Wohnung des Vaters als diejenige der Mutter sein."

 

anstatt klar und deutlich einen Vorschlag zur bestmöglichen Sicherung des Kindeswohls zu machen, der auch dem Gericht zu einer fachlich fundierten Entscheidung verhelfen könnte.

 

 

 

 

 

Literatur:

Uwe-Jörg-Jopt, "Im Namen des Kindes. Plädoyer für die Abschaffung des alleinigen Sorgerechts", Rasch und Röhring 1992

Karle/Klosinski, "Ausschluss des Umgangs - und was dann?", in "Zentralblatt für Jugendrecht", 9/2000, S. 343-347.

Dr. phil. Werner G. Leitner (Approbierter Psychologischer Psychotherapeut, Markusplatz 14, 96047 Bamberg), "Zur Mängelerkennung in familienpsychologischen Gutachten" in: "Familie und Recht" (FuR), 2/2000, S. 57-63

Gerhard Schorsch, Rechtsanwalt in Riedstadt "Sachverständige und ihre Gutachten. Zu Schwachpunkten und Fehlern in Expertisen", in: "Kriminalistik. Unabhängige Zeitschrift für die kriminalistische Wissenschaft und Praxis", 3/2000, S. 174-179

Günther Zettel, VorsRiOLG, "Sachverständiger und Gericht. Fehlerquellen bei der Zusammenarbeit im Zivilprozess", in: "Neue Justiz 2/2000

 

 

 

 

 

Anmerkung zum Beweisbeschluss des OLG Frankfurt/Main vom 17.12.98

Der Gutachterauftrag des OLG Frankfurt/Main an die Psychologin Brigitte Spangenberg vom 17.11.1998 lautet: 

 

"welchem Elternteil die beiden Kinder A und B sorgerechtlich und/oder aufenthaltsrechtlich zugeordnet werden sollen."

 

 

1. Bedenklich erscheint, wenn das OLG die Gutachterin mit einer Frage 

 

"welchem Elternteil die beiden Kinder A und B sorgerechtlich und/oder aufenthaltsrechtlich zugeordnet werden sollen."

 

 

beauftragt, die in einen Rechtsvorschlag münden soll. Prof. Uwe-Jörg Jopt schreibt dazu: 

 

"Doch zu was kann sich ein Kinderkundler eigentlich äußrn, wenn nicht allein zur Ausgestaltung der psychologischen Wirklichkeit im Interesse des Kindes? Die aber hat im Grunde ausschließlich mit der aus fachlicher Sicht wünschenswerten Gestaltung räumlich-personaler Beziehungsverhältnisse - Wohnsitz bei Mutter oder Vater, Kontaktgestaltung zum anderen Elternteil - zu tun und nichts mit irgendwelchen Rechtsvorschlägen. (Jopt, S. 264-265)

 

 

Günther Zettel, VorsRiOLG, schreibt: 

 

"Probleme bei der Zusammenarbeit zwischen Gericht und Sachverständigen gibt es, wenn beide ihre Aufgabenverteilung missachten ... . Diese Missachtung der Aufgabenverteilung kann sich zum einen so äußern, das der Sachverständige Rechtsfragen beantwortet." ("Sachverständiger und Gericht. Fehlerquellen bei der Zusammenarbeit im Zivilprozess", in: "Neue Justiz 2/2000)

 

 

2. In der an sich schon fehlerhaften Beweisfrage des OLG fehlen bedauerlicherweise die Prämissen, unter denen die Gutachterin über die gestellte Frage berichten soll. Das Kindeswohl ist hierbei sicherlich die herausragende Voraussetzung, unter der die Frage hätte beantwortet werden müssen. Das OLG hätte sich außerdem durch eine geeignete Fragestellung für die Gutachterin die Möglichkeit offen halten können, auch beide Anträge der Eltern auf Zuordnung der alleinigen Sorge, bzw. des Aufenthaltsbestimmungsrechtes zurückzuweisen, wenn dieses dem Kindeswohl am besten dienen würde. Gerade dies ist ja ein Anliegen der am 1.7.1998 in Kraft getretenen Kindschaftsrechtsreform, sowenig Eingriffe in die Elternautonomie wie möglich, bei gleichzeitiger Sicherung des Kindeswohls. Auch die Möglichkeit eines interventionsdiagnostischen Vorgehens, wofür sich in jüngster Zeit verstärkt in der Fachliteratur eingesetzt wird, wurde durch das OLG in seiner Gutachterfrage nicht genutzt.

 

Dazu Karle/Klosinski (S.347):

 

"Versteht man Scheidung und Trennung nicht als singuläre Ereignisse, sondern als Prozesse, dann stellt sich zwangsläufig die Frage, ob es ausreichend ist, sich mit der Feststellung eines Zustands zu begnügen und daraus entsprechende Empfehlungen abzuleiten, oder ob es nicht sinnvoller oder gar erforderlich ist, modifizierend in diesen Prozess einzugreifen. Der Begriff >>Interventionsgutachten<< umschreibt diesen Sachverhalt. Dies ist nur möglich auf ausdrücklichen Wunsch eines Gutachtenauftraggebers, könnte aber in solchen Begutachtungsfällen auch nach den ersten Explorationen von Seiten des Sachverständigen dem Gericht vorgeschlagen werden. Der Gutachter wäre dann in gewissen Sinne ein >>Mediator<< auf Wunsch des Gerichtes."

 

 

Das diese Möglichkeit nicht genutzt wurde ist um so unverständlicher, als bei der Gutachterin durchaus die Befähigung dazu unterstellt werden kann (siehe: "Umgangsvermittlung mit Methoden der Mediation und mit modernen Kommunikationsstrategien (NLP)" von Brigitte Spangenberg, veröffentlicht in: "Der Amtsvormund", 1997, S. 557-562).

 

 

 

 

Anmerkungen zum Beschluss des OLG vom 30.8.1999

Mit seinem Beschluss vom 30.8.1999 hebt das Oberlandesgericht erfreulicher Weise den vom Amtsgericht Darmstadt - 55 F 31698 getroffenen vorherigen Sorgerechtsentzug für den Vater auf. Die Elterliche Sorge wird somit beiden Eltern belassen. Allerdings wird nunmehr - gegenteilig zur Ansicht des Amtsgerichtes - der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen. Als Grundlage dafür dient offenbar der vage Vortrag der Diplom-Psychologin Brigitte Spangenberg:

 

"Lebensmittelpunkt der Kinder sollte dabei mehr die Wohnung des Vaters als diejenige der Mutter sein."

 

 

Im Stil einer Petitio Principii (Verwendung eines unbewiesenen, erst noch zu beweisenden Satzes als Beweisgrund für einen anderen Satz) schreibt der Senat des OLG in seiner Beschlussbegründung: 

 

"Dem Senat ist Frau Spangenberg aus zahlreichen Begutachtungen bekannt, er hat daher keinen Zweifel, dass die von ihr ausgesprochene Empfehlung fundiert ist."

 

 

Dazu Schorsch (S. 174), allerdings hier auf den Gutachter bezogen, um so dringender sollte dieses Kriterium auf die Ausführungen eines OLG zutreffen:

 

"Auch darf nicht bloß die Zusammenfassung eines Gutachtens von Interesse sein, sondern dessen Inhalt. Der Inhalt ist einer kritischen, rationalen Würdigung zu unterziehen. Insoweit ist zu prüfen, ob er überhaupt plausibel und frei von Widersprüchen ist. ... Bereits an der Wortwahl kann man erkennen, wie es um Gutachten bestellt ist. Mit Schlagworten wie >>typisch<<, >>offensichtlich<<, >>zweifellos<< oder >>abwegig<< kann keine Argumentation und mangelnde Fach- und Sachkunde ersetzt werden."

 

 

Der Senat legt damit eine bedenkliche Auffassung zum gerichtlichen Ermittlungsauftrag vor. Dass eine Gutachterin dem Gericht gegebenenfalls aus anderen Gutachteraufträgen bekannt ist, sagt überhaupt nichts darüber aus, ob in einem konkret vorliegenden Fall in fachlich angemessener Weise gearbeitet wurde. Das Gericht hat sich vielmehr das Auftrag gegebenen Gutachtens kritisch zu reflektieren. Dazu Zettel (S. 70):

 

 

"Auch in einem Gutachten können fachliche Schwächen enthalten sein, ebenso wie es nicht nur völlig überzeugende Gerichtsentscheidungen gibt. Die Warnzeichen sind u.U. die selben. Eine logisch aufgebaute, lückenlose Herleitung der vertretenen Ergebnisse wird ersetzt durch sog. starke Ausdrücke: >>klar fehlerhaft<<, >>unzweifelhaft<<, >>eindeutig<< u.ä., also die Nachweisführung durch die blosse Behauptung."

 

 

 

 

 


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