Stellungnahme zum Gutachten der Diplom-Psychologin Ramshorn-Privitera vom 20.06.2003

 

Familiensache X. und Y

am Amtsgericht Frankfurt am Main

Richterin v. Alvensleben

Geschäftsnummer: ...

Kind Z, geb. ... 1999

 

 

Erarbeitung der Stellungnahme durch Peter Thiel

 

 

Gerichtliche Fragestellung laut Beschluss vom 25.03.2003:

 

"Es soll ein Kinderpsychologisches Gutachten eingeholt werden."

 

 

 

Die hier vorliegende Stellungnahme bezieht sich auf das vorliegende 38-seitige schriftliche Gutachten und ein einstündiges Telefonat mit dem Vater.

 

 

 

Einführung

Die gerichtliche Beauftragung "Es soll ein Kinderpsychologisches Gutachten eingeholt werden." lässt nicht erkennen, welchen Auftrag die Sachverständige (SV) eigentlich erfüllen soll. Es kann aber vom Gericht nicht ins Belieben der SV gestellt werden, ihren Auftrag selbst zu bestimmen. Die SV hätte nach Erhalt der fehlerhaften Beauftragung das Gericht um eine Klärung ihres Arbeitsauftrages bitten müssen. Dies hat sie nicht getan, statt dessen hat sich die SV einen eigenen Auftrag gestellt, wobei dieser selbst gestellte Auftrag nur an Hand des Gutachtens erahnt werden kann. Es fragt sich, ob die SV zum ersten Mal für ein Gericht tätig geworden ist, so dass vielleicht angenommen hat, eine fehlende Beauftragung seitens des Gerichtes würde etwas normales sein und der SV wäre dazu da, sich selbst die konkreten Arbeitsaufträge zu geben.

 

Über den nichterteilten Auftrag des Gerichtes kann man nun spekulieren. Dies hat die SV offenbar getan. Denkbar wären verschiedene Varianten. So z.B.

a) das Gericht möchte wissen, ob das Mädchen Z sexuell missbraucht wurde und wenn ja von wem und welcher Schweregrad sexuellen Missbrauchs vorliegt.

b) das Gericht möchte wissen, ob der Vater seine Tochter sexuell missbraucht hat und wenn ja, ob der Umgang des Kindes mit dem Vater dem Kindeswohl schade oder ob der Umgang unter dem Aspekt des Kindeswohls gegebenenfalls unter bestimmten Auflagen stattfinden sollte.

 

Leider hat das Gericht keine Fragen formuliert. Wäre dies geschehen, z.B. so wie unter a) und b) skizziert, könnte man zum vorliegenden Gutachten erhebliche kritische Einwendungen machen, die in ihrer Gesamtheit darauf verweisen, dass die SV mit ihrem Gutachten einen solchen vorher unterstellten Auftrag des Gerichtes nicht erfüllt hat. Die Kritik könnte wie folgt vorgetragen werden:

Der SV ist es nicht gelungen mit ihrer Argumentation zu überzeugen. Statt dessen muss festgestellt werden, dass die SV in erheblicher Weise fehlerhaft gearbeitet hat und in unzulässiger Weise eigene Deutungen und Vermutungen in den Rang der Wahrheit erhebt. Dies ist um so gravierender, weil es im Gutachten nicht um den Verkauf von Äpfeln und Birnen geht, einer Tätigkeit, bei der Ungenauigkeiten normalerweise keine wesentlichen Folgen haben, sondern um den Vorwurf der Mutter gegenüber dem Vater, er hätte seine Tochter sexuell missbraucht.

Im übrigen verstößt die SV damit auch gegen ihre sonstigen Pflichten. Dazu Salzgeber (1992, S. 1252): "Zum andern steht ihm (dem Sachverständigen) eine Bewertung dessen, ob ein sexueller Missbrauch stattgefunden hat oder nicht, nicht zu. Diese obliegt allein dem Richter. Der Sachverständige hat nur zu prüfen, ob hinsichtlich der Anschuldigungen, die den Verdacht auf sexuellen Missbrauch begründen, die Angaben des betroffenen Kindes glaubhaft sind oder nicht. Damit ist noch keine Bewertung, ob dann tatsächlich das inkriminierte Verhalten stattgefunden hat und ob dieses einen Straftatbestand erfüllt, erfolgt."

 

 

 

 

 

Einzelpunkte

Die Familienanamnese ist bedauerlicherweise nur bis zum kennen Lernen der Eltern geführt worden. Zu den Herkunftsfamilien der Eltern erfahren wir von der SV fast nichts. Lediglich auf Seite 10 wird der Großvater mütterlicherseits einmal erwähnt. Wir wissen weder wo die Großeltern wohnen, ob sie noch leben, ob es Geschwister gibt, welche gravierenden Ereignisse, wie z.B. Scheidungen oder Tod es in den Herkunftsfamilien gab.

Die Geburtsdaten der Eltern sind im Gutachten nicht angeführt worden. Das verwundert sehr. Frau Y ist nach den Angaben des Vaters zum jetzigen Zeitpunkt 40 Jahre alt, war also zum Zeitpunkt der Geburt ihrer Tochter 36 Jahre. Sie ist also relativ spät Mutter geworden.

Z wird von ihrer Mutter im 7. Lebensmonat in die Krippe gegeben. Offenbar wollte die Mutter ihre Tochter noch früher in die Krippe geben, dies war aber wohl nicht möglich, weil dort der Platz erst im Januar 2000 frei wurde. (S. 4). Ob dies möglicherweise zwingend notwendig war oder ob die Mutter Probleme bei der persönlichen Betreuung der Tochter hatte, die es rechtfertigen würden, das Kind im Säuglingsalter in die Krippe zu geben, wird von der SV nicht nachgefragt, bzw. problematisiert.

Den Vorwurf der Mutter über einen sexuellen Missbrauch der Tochter gibt die SV auf Seite 5 wieder: "Am Abend dieses Tages habe Z beim Zubettgehen zu ihr gesagt: `Der Papa hat mir Aua gemacht an der Nunu und am Popo`. Als sie (die Mutter) erwidert habe, das dürfe der Papa nicht, und gefragt habe, was er denn gemacht habe, habe Z geantwortet: `Das war der rote Mann, und der rote Mann wird ganz gelb.` Sie habe hinzugefügt: ´Das darf man nicht sagen, das ist unannehmlich.` Z habe in dieser Nacht wieder ganz unruhig geschlafen; sie habe geweint und gesagt, sie habe Angst. Auch in der Folgezeit habe sie nachts oft geweint." (S. 5)

 

Der SV ist vorzuwerfen, dass sie nicht versucht hat, den von der Mutter vorgetragenen Vorwurf über die angeblichen oder tatsächlichen Äußerungen von Z zu überprüfen. Auch eine Befragung der Erzieherinnen in der Kinderkrippe, die gesagt haben sollen, dass "Z auch in der Krippe geäußert habe, dass der Papa ihr an der Nunu und am Popo Aua gemacht habe." (S. 5) ist durch die SV nicht erfolgt. Statt dessen wird von der SV der Vortrag der Mutter über angebliche oder tatsächliche Äußerungen der Tochter als faktisch wahr vorausgesetzt.

Dazu Salzgeber (1992, S. 1255): "... auch wiedergegebene Äußerungen von Kinder durch Drittpersonen, so z.B. durch die Mutter, können aus der Sicht der Aussagepsychologie nicht als objektives Datenmaterial angesehen werden. Es bereitet nämlich im allgemeinen große Schwierigkeiten, Aussagen einzubeziehen, die ein Kind gegenüber Familienmitgliedern gemacht hat. Personen, die nicht für Vernehmungen ausgebildet sind, können nur unzuverlässig wiedergeben, was jemand ihnen erzählt hat. Sie ändern diese Aussage oft unbewusst nach eigenen Vorstellungen, auch modifizieren sie häufig die Formulierung von Fragen und Antworten. Eine Beurteilung aufgrund der angaben von Drittpersonen ist deshalb nicht möglich, weil man nicht mit endgültiger Sicherheit nachvollziehen kann, wie diese Aussage zustande gekommen ist."

Salzgeber weiter: "Warum treten bei solchen Verfahrensarten Falschbeschuldigungen öfter auf? Zum einen stellt in solchen Fällen die Einbindung und die Funktion, die das Kind im Streit der Erwachsenen übernimmt, einen wichtigen Faktor dar. Mütter mißinterpretieren häufig Äußerungen des Kindes, da sie von ihrer eigenen Einstellung gegenüber dem Mann ausgehen, von ihren Gefühlen, die sie mit dem Mann verbinden, die dann häufig negativ besetzt sind. Hat das Kind z.B. erzählt, es habe mit dem Vater getobt, mit ihm zusammen gebadet oder geschmust, wird ein in der Regel unzutreffender Verdacht weiterverfolgt. Auf diese Weise wird das Kind möglicherweise in eine bestimmte Richtung ausgefragt, was vor allem bei kleineren Kindern, d.h. unter sieben Jahren schädlich sein kann. Denn kleinere Kinder sind erhöht suggestibel, d.h. ihre Erinnerungsfähigkeit ist leicht beeinflussbar, und es gelingt ihnen unzureichend, zwischen Selbsterlebtem einerseits und Gehörten andererseits zu differenzieren. Man muß sich im klaren sein, daß eine solche Befragung als ein Lernprozess gesehen werden kann und auch muß. Kinder lernen nämlich, was Erwachsene hören wollen, und somit auch, dass der einzige Weg, um eine unangenehme Befragung zu vermeiden, der ist, sich auf die Vorgaben der Erwachsenen einzulassen. Lerntheoretisch bedeutsam ist in diesem Zusammenhang die Beziehung zwischen Lernendem und Lehrendem - konkret: die Abhängigkeit des Kindes von der Hauptbezugsperson Mutter -, die für diesen Lernvorgang förderlich ist. Wenn also das Kind merkt, auf dieses oder jenes reagiert die Mutter mit besonderer Aufmerksamkeit, dann wird es eher dazu geneigt sein, entsprechende Aussagen zu wiederholen; oder im Falle von Suggestivfragen auf bestimmte Vorgaben verstärkt mit `ja` zu antworten (Verstärkerfunktion!). In diesem nicht seltenen Fall wird `hineingefragt`; die Information geht demzufolge nicht vom Kind, sondern vom Befrager aus."

 

Wir wissen, dass es sexuellen Missbrauch gibt, das stattgefundener Missbrauch von den Täter/innen abgestritten oder bagatellisiert wird. Wir wissen inzwischen auch, dass es "Missbrauch mit dem Missbrauch" gibt, wie ein aktuelles Schlagwort heißt, sowie Fehleinschätzungen von Fachleuten wie sie sich z.B. bei den Wormser Missbrauchsprozessen (vgl. Lorenz 1999) gezeigt haben (vgl. dazu auch Rösner; Schade 1993). Wir wissen, dass es Phänomene wie Autosuggestionen (vgl. Stoffels 2002) und das sogenannte erweiterte Münchhausen Syndrom, engl. Munchhausen by proxy-syndrome (vgl. A. Eckardt 1994) gibt, die mitunter die Funktion haben, auf Umwegen über die Selbstdarstellung als Opfer oder über das eigene Kind die Bedürftigkeit der erwachsenen Person nach Zuwendung zu befriedigen. Statt auch solche Möglichkeiten kritisch abzuklären, begibt sich die SV auf Grund ihrer einmal vorgefassten Auffassung, ein Missbrauch habe stattgefunden, auf den Weg der "Aufklärung" dieses "stattgefundenen" Missbrauchs. Um dann abschließend zu schreiben: "Diese Phänomene legen in ganz besorgniserregender Weise die Vermutung nahe, dass Z als Kleinkind Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden ist." (S. 36)

Nun sind Vermutungen das eine und die Wahrheit das andere. Manchmal ist beides identisch, häufig aber auch nicht. Der SV ist es nicht gelungen, ihre Vermutung tatsächlich zu verifizieren. Da sie auch keine praktikablen Vorschläge an das Gericht macht, wie im Interesse des Kindes und der Eltern mit dem ungeklärten Missbrauchsvorwurf umgegangen werden kann, hilft das Gutachten auch dem Gericht nicht weiter.

Tatsächlich ist es so, dass durch das Gutachten ein Missbrauch weder nachgewiesen noch ausgeschlossen werden kann. Da der SV weder das eine noch das andere gelungen ist, wirkt auch ihr abschließend formulierter Vorschlag "Sporadisch begleitete Treffen mit dem Vater im Abstand von drei Monaten" (S. 38) eigenartig konturlos und erklärungsbedürftig. Weder gibt die SV eine Begründung wieso gerade im Drei-Monatsabstand, denkbar wäre auch ein monatlicher Abstand oder ein halbjährlicher, noch gibt sie einen Hinweis, wie sie sich solche Treffen vorstellt, wie lange sie jeweils dauern sollen und wer diese durchführen sollte. Sicher, das Gericht hat auch nicht danach gefragt, so wie es nach gar nichts nachgefragt hat. Wenn die SV sich denn aber schon einmal auf eigene Faust einen Auftrag gibt, hätte sie das sinnvoller Weise gleich mit erledigen können.

Die SV zitiert die Mutter mit den Worten "Danach gefragt, wie es Z jetzt gehe, erklärt Frau Y, es gehe ihr gut; sie entwickle sich auch gut. Gerade kürzlich sei ein Gespräch mit den Erzieherinnen des Kindergartens gewesen, die hätten ihr bestätigt, dass Z sowohl im sprachlichen wie im sozialen Bereich gut entwickelt sei; seit März gehe sie auch zum Ballett.

Z habe ihren Vater jetzt ein Jahr lang nicht gesehen, und sie frage auch nicht nach ihm. Seit sie keinen Kontakt mehr zum Vater habe, habe sie auch keine Schlafstörungen mehr. Wenn sie von ihm spreche, sage sie nur, er sei ein Blödmann, sie wolle nicht zu ihm." (S. 7)

Diese Äußerungen der Mutter werden von der SV nicht weiter problematisiert. So wäre zu fragen, wieso nach einem angeblich stattgefundenen Missbrauch dafür zugeordnete Symptome wie Schlafstörungen plötzlich verschwinden. Die Mutter berichtet sogar das Gegenteil "es gehe ihr (der Tochter) gut; sie entwickle sich auch gut."

Bei einem sexuellen Missbrauch, der nicht therapeutisch aufgearbeitet wurde, sondern statt dessen vom Kind verdrängt wurde, müsste doch zu erwarten sein, dass weiterhin psychosomatische Symptome zu beobachtet wären, nicht aber verschwinden, so wie es die Mutter behauptet. Oder falls ein sexuell übergriffiges Verhalten des Vaters stattgefunden haben sollte, kann es offenbar nicht erheblich und schon gar nicht traumatisierend gewesen sein, wie das die SV behauptet: "Auch das aus der Schublade herausragende Bein des Kaspers, das Z als stummes Zeichen nach ihren Besuch im Zimmer zurückließ, muß im Gesamtkontext der Begutachtung als Äußerung dafür interpretiert werden, dass Z in ein traumatisches Geschehen mit einem männlichen Phallus verwickelt worden ist. Denn auch dies ist ein typisches Verarbeitungsmuster nach einem psychisch traumatisierenden Geschehen ... ." (S. 37)

 

Eigenartiger Weise berichtet die Mutter nichts vom Waschzwang, den die SV bei Z festgestellt hat. Eine aufmerksame Mutter, die sich Sorgen um einen eventuellen sexuellen Missbrauch ihrer Tochter durch den Vater Gedanken macht, müsste doch ein solcher Waschzwang, wie ihn die SV in der erstmaligen Verhaltensbeobachtung von Z festgestellt hat (S. 13), doch schon einmal aufgefallen sein. Eigenartiger Weise wird ein solcher Waschzwang von der SV bei der Begegnung von Vater und Tochter (S. 19-23) nicht berichtet, obwohl Z auch hier mit Farbstiften, auch rot, malt.

Die SV hinterfragt auch nicht die Behauptung der Mutter "Wenn sie (die Tochter) von ihm (dem Vater) spreche, sage sie nur, er sei ein Blödmann, sie wolle nicht zu ihm."

In der Arbeit mit dem Szenokoffer hat Z Mühe, eine Papafigur zu finden, obwohl männliche Figuren vorhanden sind. In der tatsächlichen Begegnung mit ihrem Vater ist aber diese Orientierungslosigkeit nicht mehr zu beobachten.

Die SV macht sich nicht die Mühe, die Diskrepanz dieser angeblichen Äußerungen von Z und der Arbeit mit dem Szenokoffer zu der herzlichen Begegnung zwischen Vater und Tochter, ein Jahr nach Kontaktabbruch zwischen beiden zu problematisieren. Spätestens hier hätte die Vermutung geäußert werden müssen, dass ein Entfremdungsszenario vorliegt, bei der die Mutter eine der Hauptakteure ist und bei der ein sexueller Missbrauchsvorwurf ein Element einer Entfremdungsstrategie sein kann (vgl. Klenner 1995, S. 1533f). Dies kann nicht anders als ...  bezeichnet werden, die massive Zweifel an ihrer Professionalität in dem vorliegenden Fall weckt.

Die in der Folge von der SV vorgetragenen "Indizien" (Waschzwang (S. 13), zusammengeklebtes Gemeinschaftswerk (S.20), Kasperszene (S. 27), Polizist (S. 28)), die in ihrer Gesamtschau von der SV als ein stattgefundener Missbrauch gedeutet werden, vermögen nicht zu überzeugen. Im Gegenteil. Als Psychoanalytikerin ist die SV mit der Methode der Deutung vertraut. Die Deutung hat aber in der Psychotherapie eine andere Aufgabe, als die der Wahrheitsfindung. Sie kann dazu dienen, "um den Patienten sein neues Gefühl von sich selbst zu erklären. ..." (Perls 1995, S. 84). Deutungen werden dem Klienten (Patienten) angeboten, um ihn bei einer Neuorientierung außerhalb seiner gewohnten Wahrnehmungsmuster zu unterstützen. Der Therapeut muss es dem Klienten überlassen, die Deutung anzunehmen oder zu verwerfen. Verwirft der Klient die Deutung, kann der Therapeut nicht darauf bestehen, dass dies einzig und allein darauf beruht, dass der Klient "die Wahrheit" nicht annehmen will, also in den Widerstand geht. Ein Therapeut der seine Deutung dem Klienten oktroyiert handelt übergriffig und grenzverletzend.

Wenn die SV suggeriert, mittels ihrer Deutung einen sexuellen Missbrauch nachweisen zu können, zeigt sie, dass sie zum einen zwischen ihrer Aufgabe als Sachverständige und psychotherapeutischer Tätigkeit nicht unterscheidet und zum anderen, dass sie mit der Wirklichkeit manipulativ verfährt, wo Objektivität von Nöten ist.

Auf Seite 31 wechselt die SV von der bisher gebrauchte Form des Konjunktivs "habe Z beim Zubettgehen zu ihr gesagt" (S. 5) in den Indikativ "... da sie (Z) zuvor der Mutter gegenüber Äußerungen gemacht hatte, die bei dieser die Besorgnis aufkommen ließen ... Z hatte im Alter von zweieinhalb Jahren nach dem Besuch beim Vater abends beim Zubettgehen gesagt ... hat Z nach Angaben der Mutter geantwortet. ... erwiderte sie ... nahm Z den Stift" (S. 31-32). Die SV suggeriert damit sprachlich, dass von der Mutter berichtete Erlebnisse auch tatsächlich stattgefunden hätten, einen Beweis dafür liefert die SV allerdings nicht.

Die SV verdichtet ihre Deutungen und Vermutungen dann abschließend in das unterstellende Verdikt: "Aus allen dargelegten Einzelbeobachtungen und -befunden der Begutachtung unter Berücksichtigung des Berichtes der Mutter über die damals gemachten Äußerungen von Z ergibt sich der Gesamteindruck, dass sie Opfer eines sexuellen Übergriffs durch ihren Vater geworden ist. Nicht eine einzelne dieser Informationen und Beobachtungen für sich genommen kann das Vorliegen von sexuellem Mißbrauch beweisen; die zahlreichen Auffälligkeiten aber, die Z in der Begutachtung zeigte, lassen in Verbindungen mit Äußerungen die sie seinerzeit an ihre Mutter richtete, aus gutachterlicher Sicht mit so hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Traumatisierung in Form von sexuellem Mißbrauch durch den Vater schließen, dass aus Gutachtersicht zum Schutz Z unbegleiteter Umgang mit dem Vater für die Zukunft ausgeschlossen werden muss.

Daß Z selbst während der Begutachtung so deutlich den Wunsch nach Intensivierung des Kontaktes zum Vater geäußert hat, kann an dieser Empfehlung nichts ändern. Z`s idealisierende Sehnsucht nach dem Vater macht zum einen den Schaden nicht rückgängig, den sie bereits erlitten hat; für die Zukunft wiederum wäre es tragischerweise gerade die Sehsucht nach einem guten Vater, die Z ihrem Vater besonders schutzlos machen würde. Denn auch in der Begutachtung hat sie gezeigt, dass sie im Kontakt mit ihm das traumatische Geschehen, das zwischen beiden steht, auszublenden versucht, um sich ihre Sehnsucht nach Nähe und Bestätigung durch ihn erfüllen zu können."

 

 

 

 

Fazit

Die Sachverständige vermag mit ihrem Gutachten nicht ... . Sie verwendet Deutungen als Ersatz für notwendige Objektivität. Geeignete Lösungsvorschläge werden von ihr nicht gegeben.

Im Interesse des Kindes, aber auch der Eltern ist vor dem Hintergrund des weiterhin ungeklärten Missbrauchsvorwurf und der mit Sicherheit ungeklärten Konfliktlage der Eltern nun eine fachliche Begleitung der Umgangskontakte angezeigt. Dabei kommt der Elternarbeit ein sehr wichtiger Platz zu. Diese Aufgabe muss von entsprechend qualifizierten professionellen Fachkräften übernommen werden, die auch über eine familientherapeutische Qualifikation verfügen.

 

Dem Gericht wird vom Unterzeichnenden folgende Regelung empfohlen:

Es findet 14-tägig Beleiteter Umgang für eine Dauer von jeweils 2 Stunden statt. Parallel dazu finden 14-tägig gemeinsame je einstündige Elterngespräche mit den Fachkräften statt. Der Begleitete Umgang dient der Beendigung der Vater-Kind-Entfremdung. Durch die parallele Elternarbeit wird die Grundlage geschaffen, dass die Eltern wieder ein Mindestmaß an Kooperation erlernen und sich über elterliche Konflikte und Fragen angemessen verständigen können. Die Umgangsbegleiter unterstützen die Eltern eventuell unangemessene Interaktionen mit ihrer Tochter zu erkennen und zu verändern.

Der Begleitete Umgang ist durch entsprechend qualifizierte Fachkräfte durchzuführen. Der Begleitete Umgang wird für die Dauer von 6 Monaten durchgeführt. Die Eltern geben der durchführenden Stelle eine Schweigepflichtentbindung. Die durchführende Stelle erstattet dem Gericht nach 5 Monaten einen ausführlichen Bericht über den Begleiten Umgang und gibt dem Gericht eine Empfehlung über die Form der Weiterführung des Umgangs.

 

Der Unterzeichnende weist abschließend auf folgendes hin.

Qualitätssicherung und Schadensersatz

Ist vom Gericht ein Sachverständiger bestellt worden, haben die von der Bestellung betroffenen Personen ein Recht darauf, dass der Sachverständige seine Arbeit in der gebotenen Qualität durchführt. Dies schließt ein, dass der Sachverständige die wichtigsten Ergebnisse seiner Arbeit dem Gericht und den Beteiligten in einem, qualitativ wenigstens ausreichenden, schriftlichen oder mündlichen Vortrag mitteilt, so dass der Richter, darauf aufbauend den Fortgang des Verfahrens betreiben kann.

Der Sachverständige hat das Gutachten unparteiisch und nach besten Wissen und Gewissen zu erstatten (§410 ZPO), d.h. er hat während seiner Arbeit die gebotene Unparteilichkeit zu wahren und sich auf dem aktuellen Stand der fachwissenschaftlichen Debatte zu bewegen.

Weist die Arbeit des Sachverständigen erhebliche Mängel auf, kann von den davon Betroffenen Schadensersatz verlangt werden.

 

§ 839a BGB

(1) Erstattet ein vom Gericht ernannter Sachverständiger vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten, so ist er zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht.

(2) § 839 Abs. 3 ist entsprechend anzuwenden.

 

 

Falsche uneidliche Aussage

§153 StGB Falsche uneidliche Aussage.

Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich aussagt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

 

 

 

 

 

 

 

Peter Thiel, 31.07.2003

 

 

 

 

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