Stellungnahme zum Gutachten des Diplom-Psychologen Ronald Hofmann vom 17.05.2005

Familiensache: X (Vater) und Y (Mutter)

Kind: A (Tochter), geb. 2002? Geburtsdatum vom Gutachter nicht angegeben

 

Amtsgericht Plauen

Geschäftsnummer: 004 F ... /04

 

 

 

Erarbeitung der Stellungnahme durch Peter Thiel

 

Die hier vorliegende Stellungnahme bezieht sich auf das vorliegende 97-seitige schriftliche Gutachten.

 

 

 

 

Gerichtliche Fragestellung laut Beschluss vom 09.09.2004:

„Der Sachverständige soll sich zur Frage äußern, ob die von der Kindesmutter dargestellten Verhaltensauffälligkeiten ursächlich bedingt sind, aufgrund des dem Kindesvater, Herrn X, bis zum 14.07.2004 gewährten Umgangs mit seiner Tochter A.“

 

 

 

 

 

I. Allgemeines

 

Geburtsdatum des Kindes

Leider erfahren wir im Gutachten nichts über das Geburtsdatum des Kindes und müssen uns so mit der Formulierung des Gutachters „die im Begutachtungszeitraum 2;4 bis 2;9-jährige A“ behelfen und können dann je nachdem wie wir einen Anfangs- oder Endpunkt der Begutachtung setzen verschiedene Geburtstermine errechnen. Es mutet wohl etwas unprofessionell an, wenn das Gutachten zwar auf 97 Seiten im wissenschaftlichen Duktus geschrieben ist, aber nicht einmal das Geburtsdatum des Kindes angeführt ist.

 

 

Beweisbeschluss des Gerichtes

Der Gutachter zitiert bedauerlicherweise den gerichtlichen Beweisbeschluss nicht im Originalwortlaut, so dass nicht erkennbar wird, was denn nun der tatsächliche Auftrag des Gerichtes ist oder was der Gutachter meint, was das Gericht ihn gefragt hätte. Man muss daher erst in den originalen Beweisbeschluss des Gerichtes vom 09.09.2004 schauen, um feststellen zu können, dass der Gutachter diesen Beweisbeschluss auf Seite 5 seines Gutachtens unvollständig wiedergibt. Er schreibt dort:

 

„Um die mit dem Auftrag (welchen Auftrag meint der Gutachter?, Anmerkung Peter Thiel) verbundene richterliche Fragestellung, ob die von der Mutter dargestellten Verhaltensauffälligkeiten des Kindes ursächlich bedingt sind durch den dem Vater gewährten Umgang mit seiner Tochter beantworten zu können, ...“ (S. 5)

 

 

Der exakte Beschluss des Gerichtes lautet aber:

 

„Der Sachverständige soll sich zur Frage äußern, ob die von der Kindesmutter dargestellten Verhaltensauffälligkeiten ursächlich bedingt sind, aufgrund des dem Kindesvater, Herrn X, bis zum 14.07.2004 gewährten Umgangs mit seiner Tochter A.“

 

Dies uns nichts anderes hat der Gutachter zu beantworten. Um diese auf die Vergangenheit abzielende Frage des Gerichtes zu beantworten, hätte der Gutachter allerdings eine retrospektive Betrachtung des vorliegenden Falles vornehmen müssen. Dies hat er jedoch letztlich nicht getan, sondern sich auf aktuell geschaffene Situationen, so z.B. Videoaufnahme eines Zusammentreffens von Vater und Kind (S. 67-73) konzentriert, um die aktuelle Interaktion zwischen Vater und Kind zu beobachten und zu bewerten. Aus dieser 30-minütigen Aufzeichnung lässt sich natürlich nicht, wie vom Gericht gewünscht, aufklären,

 

„ob die von der Kindesmutter dargestellten Verhaltensauffälligkeiten ursächlich bedingt sind, aufgrund des dem Kindesvater, Herrn X, bis zum 14.07.2004 gewährten Umgangs mit seiner Tochter A.“

 

Der Gutachter macht sich offenbar gar nicht die Mühe, darzulegen, welches „die von der Kindesmutter dargestellten Verhaltensauffälligkeiten“ des Kindes gewesen wären, so dass letztlich auch aus diesem Grund die Beweisfrage des Gerichtes nicht beantwortet wird.

 

 

Beginnend ab Seite 81 seines Gutachtens versucht der Gutachter die von ihm nicht korrekt wiedergegebene Beweisfrage des Gerichtes zu beantworten. Er räumt dabei ein:

 

„Sicher ist dabei zu beachten, dass eine derartige standardisierte Videoanalyse, insbesondere bei eher gehemmt-impulsiven Menschen, wie dies der Vater zweifelsfrei zu sein scheint ..., nicht einfach zu bewältigen ist, und der antragstellende Vater in dieser Situation nicht zwangsläufig auch so locker sein kann, wie dies in einer unbeobachteten Situation der Fall sein mag.“ (S. 87)

 

Abgesehen vom der eigenartig anmutenden Formulierung „antragstellender Vater“, muss man sich jedoch fragen, inwieweit eine Videoanalyse einer Vater-Kind-Interaktion bei einem Vater, der sich innerhalb einer solchen Form von Beobachtung, wie auch vom Gutachter eingeräumt, eher gehemmt zeigt, überhaupt hilfreich sein kann, Rückschlüsse auf die in einer unbeobachteten Situation tatsächlich ablaufende Interaktion zwischen Vater und Kind zuzulassen.

 

 

 

 

 

Verhaltensauffälligkeiten des Kindes

 

Das Gericht fragte:

 

„Der Sachverständige soll sich zur Frage äußern, ob die von der Kindesmutter dargestellten Verhaltensauffälligkeiten ursächlich bedingt sind, aufgrund des dem Kindesvater, Herrn X, bis zum 14.07.2004 gewährten Umgangs mit seiner Tochter A.“

 

 

Wenn denn schon das Gericht eine solche auf die Vergangenheit bezogene und wahrscheinlich seriös nicht zu beantwortende, weil infolge von Zeitablauf kaum oder überhaupt nicht aufklärbare Frage stellt, dann müsste das Gericht im Beweisbeschluss wenigstens darlegen, um welche "von der Kindesmutter dargestellten Verhaltensauffälligkeiten" es sich überhaupt handeln soll. Geschieht dies, wie in diesem Fall nicht, so bleibt es völlig unklar, wer hier welche Verhaltensauffälligkeiten zu Grunde legt oder legen darf. Es bleibt damit in wohl unzulässiger Weise in das Ermessen des Gutachters gestellt, worauf er sich bei seinen Untersuchungen bezieht, auf die Aktenlage oder auf den möglicherweise davon abweichenden und anders als bisher vor Gericht formulierten Vortrag der Mutter am 11.11.2004 in der Praxis des Gutachters (siehe Gutachten S. 56-58).

 

 

 

Unter der Überschrift

14.3. Zusammenfassende Hypothesen in Bezug auf die richterliche Fragestellung

schreibt der Gutachter:

 

„Nullhypothese 0A

Es liegen bei einem Umgang des Kindes mit dem Vater hochwahrscheinlich Bedingungen vor, durch die bei einem Umgang das Wohl des Kindes gefährdet wird. Insbesondere stehen unter Einbezug aller gutachterlichen Prüfergebnisse die beobachteten Verhaltensauffälligkeiten des Kindes hochwahrscheinlich in einem konkreten Zusammenhang mit der Umgangssituation des Kindes mit dem Vater.“ (S. 93)

 

Der Gutachter schließt an:

„diese zusammenfassende Feststellung bezieht sich auf einen Umgang, der das Kind über eine längere Zeit ...“ (S. 93)

 

Der Gutachter verwendet hier den Begriff der Hypothese synonym mit dem umgangssprachlichen Begriff „Feststellung“, der üblicherweise so interpretiert wird, dass diese die verfestigte Meinung des Feststellenden widerspiegelt, nicht aber den tatsächlich vorliegenden Sachverhalt, so wie er in der Hypothese vermutet, aber nicht verifiziert wird.

Eine Hypothese ist keine Feststellung, sondern:

 

„eine (als wahr angenommene) Aussage, die als Grundlage einer diskursiven Konstruktion dient.

 

 

Spezifisch wird Hypothese in folgenden drei Bedeutungen verwendet:

 

1. Die Hypothese ist ein Mittel zum logischen Gliedern einer Situation: bestimmte Aussagen dienen als Ausgangsprinzipien einer deduktiven Theorie (hypothetisch-deduktive Theorien)

2. Die Hypothese ist eine plausible Erklärung vor der strengen (experimentellen) Verifikation eines Sachverhalts.

3. Die Hypothese bezeichnet schließlich ein heuristisches Mittel zur Entdeckung und Erfindung von wahren Sachverhalten. In formalen Systemen sind die Begriffe Hypothese, Axiom und Postulat gleichbedeutend.“

Arnold, Eysenck, Meili (Hrsg.): "Lexikon der Psychologie", Freiburg 1991

 

 

 

Der vom Gutachter nachfolgend verwendeten Begriff Feststellung, soll möglicherwe-se dazu dienen, beim Leser den Eindruck auszulösen, der in der Hypothese angeführten Behauptung einer Kindeswohlgefährdung:

 

„Es liegen bei einem Umgang des Kindes mit dem Vater hochwahrscheinlich Bedingungen vor, durch die bei einem Umgang das Wohl des Kindes gefährdet wird..“

 

Glaubhaftigkeit zu verleihen. Sollte dies so zutreffend sein, würde dies nicht sonderlich seriös erscheinen. Im übrigen dürfte zu beachten sein, dass der Vater bei dem unter „Videobeobachtung“ stattgefundenen Zusammentreffen mit seinem Kind, bereits sieben Monate keinen Kontakt mit seinem Kind hatte und dies natürlich für eine unbeschwerte Zusammenkunft äußerst hinderlich sein dürfte.

Nach Angaben des Vaters (04.07.05) haben zwischenzeitlich auch vier Kontakte mit seinem Kind in der Familienberatungsstelle stattgefunden, während dessen der Kontakt zum Kind wesentlich besser als bei des vom Gutachter Herrn Hoffmann „überwachten“ Kontaktes waren. Bei Bedarf kann das Gericht die dortigen Fachkräfte als Zeugen laden.

Im übrigen dürfe es aber so sein, dass der Kontakt zwischen Vater und Kind dringend einer Verbesserung bedürfen. Danach hat das Gericht zwar nicht gefragt, was den Gutachter jedoch nicht daran hindert, sich hier zu äußern. Allerdings dürfte der vom Gutachter gemachte Vorschlag zwischen Vater und Kind „einmal im Monat ein- bis zweistündige Spielsituationen in den Räumen einer Beratungsstelle“ durchzuführen (S. 94), dafür völlig ungeeignet sein.

Hinzu kommt noch die aberwitzig anmutende Idee des Gutachters „daraus jedoch nach derzeitigen Kenntnisstand keine Erweiterung des Umgangs“ zu antizipieren (S. 94). Selbstverständlich muss es in der Regel fachliche Aufgabe sein, eine unbefriedigende Kontaktmöglichkeit zwischen einem Elternteil und seinem Kind so zu entwickeln, dass sich daraus ein unbegleiteter Umgang entwickeln kann. Das ist letztlich auch die allgemein anerkannte fachliche Position, nicht jedoch ein jahrelanger begleiteter Umgang, der nur in bestimmten Ausnahmefällen angezeigt ist.

Bei dem offensichtlich vorhandenen massiven Ressentiment der Mutter gegen den Vater (vergleiche Gutachten S. 52-59) wird sich die Situation sicher nur dann grundlegend verbessern, wenn beide Eltern unter fachkundiger Leitung lernen, zum Wohle ihrer gemeinsamen Tochter zu kooperieren. Eine solche Aufgabe könnten sicher die Fachkräfte der örtlichen Familienberatungsstelle unterstützen. Es dürfte sich dann auch herausstellen, ob es der Mutter wirklich um das Kind geht oder ob sie das Kind möglicherweise nur als Waffe im Krieg gegen den ehemaligen Partner benutzt,

vergleiche hierzu:

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was die Frage aufwerfen würde, ob die Mutter über die notwendige Bindungstoleranz als Teil der elterlichen Erziehungsfähigkeit verfügt. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre möglicherweise zu überlegen, ob seitens des Gerichtes nicht sicherstellende Maßnahmen ergriffen werden müssten, die eine Gefährdung des Kindeswohls seitens der Mutter verringern. Dies könnte im Einzelfall bis zu einem Entzug des mütterlichen Sorgerechtes und einer Herausnahme des Kindes aus dem Haushalt der Mutter gehen.

 

Vergleiche dazu:

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Fortsetzung von OLG Frankfurt 3.9.02 und AG Frankfurt 18.2.03 und OLG Frankfurt - Zwischenentscheidung (Herausnahme der Kinder) - 19.3.04

1 UF 94/03 vom 11.5.05

402 F 2373/01 - AG Frankfurt/Main

Zur Veröffentlichung eingereicht bei der FamRZ.

 

 

 

 

 

 

 

Peter Thiel, 04.07.2005

 

 

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