Bindungstoleranz

 

 

 

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Sollte sich eine der hier namentlich genannten Fachkräfte ungerecht oder in unzulässiger Weise behandelt fühlen, so kann sich diese zur Klärung ihrer Einwände direkt an mich wenden. Der direkte Weg erspart der betreffenden Fachkraft möglicherweise Anwalts- und Gerichtskosten in erheblicher Höhe, so wie sie etwa der Diplom-Psychologe Klaus Schneider im Rechtsstreit mit Peter Thiel vor dem Landgericht Berlin hinnehmen musste.

Zur Frage der Zitierfähigkeit familiengerichtlich eingeholter Gutachten - Urteil des Landgerichtes Berlin vom 07.11.2006 - 16 O 940/05 - Landgericht Berlin - Rechtsstreit Diplom-Psychologe Klaus Schneider gegen Peter Thiel - Veröffentlicht auch in: "Zeitschrift für das gesamte Familienrecht", 16/2007, 15.08.2007, S. 1324-1325

Auf Grund der an einigen Amts- und Landgerichten, so z.B. beim Landgericht Frankenthal und beim Landgericht Hamburg, möglicherweise in Einzelfällen stattfindenden Zensur und der Beschneidung der Informations- und Meinungsfreiheit zugunsten sich hier kritisiert sehender Fachkräfte, erkläre ich vorsorglich, dass es sich auf meiner Internetseite - wenn nicht eindeutig von mir als Tatsache vorgetragen - immer um meine persönliche, verfassungsrechtlich geschützte Meinung handelt, die als solche naturgemäß weder wahr noch falsch sein kann. Mithin wird von mir auch ausdrücklich erklärt, dass es sich bei meiner Meinung, dass an einigen Amts- und Landgerichten, so z.B. beim Landgericht Frankenthal und beim Landgericht Hamburg, Zensur ausgeübt wird und die Informations- und Meinungsfreiheit zugunsten sich hier kritisiert sehender Fachkräfte beschnitten wird, um meine persönliche Meinung, nicht aber um eine Tatsachenbehauptung handelt.

 

Peter Thiel

Systemischer Berater, Systemischer Therapeut / Familientherapeut (DGSF), Verfahrenspfleger (SPFW Brandenburg) und Umgangspfleger 

09.10.2014

 

 

 

 

Als Bindungstoleranz bezeichnet man im engeren Sinne, die Fähigkeit und Bereitschaft getrenntlebender Eltern, die Beziehung des anderen Elternteils zum gemeinsamen Kind zu respektieren und zu fördern. Diese Fähigkeit und Bereitschaft kann bei Eltern aus verschiedenen Gründen eingeschränkt sein oder völlig fehlen. Psychologisch sind es immer bedeutsame Gründe, die zu einer eingeschränkten Bindungstoleranz führen. Dies heißt jedoch nicht, dass jeder psychologisch bedeutsame Grund auch ein für die Beurteilung durch die beteiligten Fachkräfte oder das Familiengericht  bedeutsamer Grund wäre. 

So fühlt sich etwa ein Ehemann, dessen Frau jahrelang ein geheim gehaltenes außereheliches sexuelle Verhältnis führte, sich später von ihrem Ehemann trennte und zu ihrem Geleibten zog, massiv von seiner Frau betrogen. Das Gefühl betrogen worden zu sein führt - psychologisch und menschlich gesehen - zu heftigen und feindseligen Abgrenzungsreaktionen des Ehemannes, der, da ihm seine Frau als eine verabscheuungswürdige Person erschient, seine Sichtweise zu der allein möglichen erklärt. Die Kinder werden vom Vater mit dessen negativen Bild seiner Frau konfrontiert und  in der prekären emotionalen Situation des Vaters zu dessen Bündnisgenossen gegen die Person der Ex-Ehefrau und Mutter erklärt. Dass der Vater narzisstisch gekränkt ist, ist durchaus anzuerkennen, dass er seine Kinder für die Verarbeitung seiner narzisstischen Kränkung als Koalitionspartner gegen den anderen Eltern missbraucht dagegen nicht.

Das gleiche Phänomen kann man auch bei Frauen beobachten, die sich von ihrem ehemaligen Partner getäuscht und verletzt sehen. So etwa wenn sich der Partner sich von seiner Frau trennt und einer anderen jüngeren Frau zuwendet. Auch entwickelt sich die selbe Dynamik, die narzisstische Kränkung der Frau führt zum emotionalen Missbrauch der Kinder als Waffe gegen den Vater und ehemaligen Partner. Du hast mich zutiefst verletzt, darum verletze ich dich jetzt so gut ich kann.

Dei Ausgrenzungsbemühungen werden in der Regel rationalisiert, also nicht mit den tatsächlichen Motiven der erfahrenen Kränkung begründet. da der ausgrenzende Elternteil sein Verhalten gegenüber der sozialen Umwelt in ein vorteilhaftes Licht setzen will. Der Vater habe sich früher nie um die Kinder gekümmert, er ist erziehungsunfähig, die Kinder wollen nicht zur Mutter, etc. pp. 

 

 

 

 

Eingeschränkte Bindungstoleranz bei Kindesmitnahme

In den Fällen in dem ein Elternteil ohne Zustimmung des anderen Elternteils  bei einen Umzug das Kind in eine neue Lebensumgebung verbringt, kann man in der Regel eine erheblich eingeschränkten Bindungstoleranz des verbringenden Elternteils annehmen. Klenner hat diese illegale von vielen Familienrichter bedauerlicherweise noch immer tolerierte rechtswidrige Praxis in seinem Aufsatz von 1995 als "Kindesmitnahme als gutes Recht" bezeichnet.

 

Vergleiche hierzu:

Wolfgang Klenner: "Rituale der Umgangsvereitelung"; In: "Zeitschrift für das gesamte Familienrecht", 1995, Heft 24, S. 1529-1535

 

 

 

In der Praxis wird man viele Fälle treffen, in denen es eine Mischung aus berechtigter Einschränkung von Bindungstoleranz und kindeswohlschädlicher Einschränkung der Bindungstoleranz gibt.

Familiengerichtlich tätige Gutachter stellen mitunter in ihrem Gutachten fest, dass ein Elternteil keine positive Bindungstoleranz hätte. So schreibt z.B. die als Gutachterin beauftragte Diplom-Psychologin Sigrid Dumke:

 

"Bezüglich des Vaters, Herr X, ist es als problematisch hinsichtlich der weiteren Entwicklung des Kindes anzusehen, daß er es den Begutachtungsergebnissen zufolge nicht ausreichend vermag, ein positives Mutterbild und einen entsprechenden Kontakt zwischen Mutter und Kind zu fördern und zu unterstützen." (Gutachten vom 13.04.2005 an Amtsgericht Kempten, S. 25)

 

Nun mag diese Einschätzung möglicherweise zutreffend sein, doch deswegen muss es noch lange nicht so sein, dass umgekehrt die Mutter über die notwendige Bindungstoleranz verfügt. Der Mutter wurde mit Beschlusses des Amtsgerichtes vom 16.03.2004 das Sorgerecht nach §1666 BGB (Kindeswohlgefährdung) entzogen. Seitdem betreut der Vater die im Jahr 2002 geborene Tochter in seinem Haushalt. Die Mutter hat Kontakte zum Kind in Form eines Begleiteten Umgangs. Die Gutachterin empfiehlt nun, dass das Kind, das seit über einem Jahr vom Vater betreut wird, zukünftig in den Haushalt der Mutter wechseln zu lassen. Die Gutachterin begründet dies u.a. mit der mangelnden Bindungstoleranz des Vaters.

Unabhängig vom sogenannten Kontinuitätsprinzip, welches die Gutachtern hier offenbar als nicht berücksichtigungswürdig ansieht, stellt sie keinerlei überzeugende Überlegungen an, ob die Mutter, wenn denn erst das Kind bei ihr wäre, eine bessere Bindungstoleranz als der Vater hätte. Die Gutachterin schreibt zwar:

 

"Im Falle einer Rückführung des Kindes zur Mutter wäre zu erwarten, daß Frau Y die positive Beziehung des Kindes zum Vater wesentlich besser zu unterstützen in der Lage ist, als umgekehrt." (S. 26)

 

Woher die Gutachterin allerdings diesen Optimismus nimmt, bleibt von ihr unbenannt. Wahrscheinlich wird sie es auch auf Anfrage nicht überzeugend begründen können und sich damit herausreden wollen, sie hätte eben diesen Eindruck gehabt.

 

 

 

Auf Grund eines Mechanismus, den schon 1951 Perls, Goodman und Hefferline in dem Klassiker "Gestalttherapie Grundlagen" beschreiben haben, ist die Hoffnung auf Besserung durch einen Wechsel des Kindes zum anderen Elternteil wahrscheinlich nur von kurzer Dauer:

 

"Der Friede der Unterdrückung dagegen, wenn das Opfer noch existiert und beherrscht werden muß, ist als Friede eine Negation:

Die Leiden des Kampfes sind vorbei, aber die Figur des Gewahr-Seins enthält keine neuen Möglichkeiten, denn nichts ist gelöst worden; Sieger und Besiegter und ihr Verhältnis zueinander beschäftigen weiterhin die Zeitungen. Der Sieger ist auf der Hut, der Besiegte verbittert. In sozialen Kriegen sehen wir, daß ein solcher negativer Friede nicht von Dauer ist; zu vieles ist unerledigt geblieben. Wie kommt es, daß sich bei der Selbstvergewaltigung die Befriedung überhaupt als dauerhaft erweist und das siegreiche Selbst jahrzehntelang den entfremdeten Teil seiner selbst unterdrücken kann? Denn jeder natürliche Trieb ist doch zählebig; er kann entfremdet, aber nicht vernichtet werden. Wir müßten erwarten, daß er zu stark sei, um sich lange von Furcht oder dem Bedürfnis nach Zuneigung im Zaum halten zu lassen. Warum fängt der Konflikt nicht beim ersten günstigen Wechsel in der Situation gleich wieder an?

Der Grund ist, daß das Selbst nun eine mächtige positive Befriedigung aus seiner Identifizierung mit der starken Autorität schöpft. ..."

Perls, Goodman, Hefferline: Gestalttherapie Grundlagen. dtv, 1979, S. 155

 

 

Solange der Kriegszustand zwischen den Eltern nicht aufgelöst ist, ist die Gefahr sehr groß, dass bei einem Wechsle des Kindes sich lediglich die Vorzeichen ändern, an die Stelle einer bisherigen Ausgrenzung des einen Elternteiles, tritt nun die Ausgrenzung des anderen Elternteiles. Sekundiert wird dieser Rollentausch bei anhaltender elterlicher Kindeswohlgefährdung oft durch Fachkräfte, deren "Professionalität" sich in ratloser oder parteiischer Elternselektion erschöpft.

 

Positive Bindungstoleranz erwächst aus einer anderen fachlichen Arbeit, in der ein positiver Friede zwischen den Eltern hergestellt wird: 

 

"Sehen wir uns nun den Frieden an, der hergestellt worden ist. Wir müssen unterscheiden zwischen positivem und negativem Frieden. Wenn sich der Konflikt ausgetobt hat und mit der Verhinderung und Assimilation der kriegführenden Parteien zu einer schöpferischen Lösung gekommen ist, so tritt eine Erleichterung des Leidens ein und die vollständige Erregung des neugeschaffenen Ganzen. Dies ist positiv. Es gibt nichts zu erobern oder zu vergewaltigen, denn die möglichen Opfer sind ja verschwunden, sie sind zerstört und assimiliert. Im positiven Frieden herrscht paradoxerweise die Freude des Sieges, ohne daß sich jemand besiegt fühlt; das stärkste Gefühl ist das des Erwachens neuer Möglichkeiten, denn es gibt jetzt eine neue Gestalt. So wird die Siegesgöttin immer geflügelt dargestellt, auf Zehenspitzen, den Blick nach vorn gerichtet."

Perls, Goodman, Hefferline: Gestalttherapie Grundlagen. dtv, 1979

 

 

Eine solchen Aufgabe des positiven Friedens Schaffens sind tragischerweise eine Reihe von Fachkräften, auch auf Grund mangelnder Ausbildung und mangelhafter Einschätzung der eigenen Kompetenz, überhaupt nicht gewachsen. Dies sind dann die Fälle, die als angeblich unlösbar dargestellt werden, dabei ist es auch die Lösungsunfähigkeit der betreffenden Fachkräfte, die mitgeholfen haben, aus einer zeitweiligen Schwierigkeit ein chronisches Problem zu machen.

Sind Fälle zu Problemen geworden, bei denen die Abneigung und der Haß der Eltern gegeneinander trotz engagierter Arbeit der Fachkräfte unüberwindbar scheint, so braucht dennoch nicht resigniert werden. Nur muss man sich im klaren sein, dass diese Eltern nur einen Fallmanager, Aufpasser, Umgangspfleger, Elternschiedsrichter benötigen, will man nicht riskieren, dass der Krieg ganz schnell wieder ausbricht. Manche Familienrichter tun sich mit der Einsetzung solcher Fachkräfte noch sehr schwer, es scheint fast, als bräuchten die betreffenden Richter zum Schaden der betreffenden  Eltern und ihrer Kinder hocheskalierende Elternkonflikte, um sich immer wieder von der eigenen richterlichen Wichtigkeit und Unabkömmlichkeit überzeugen zu können.

 

 

 

 

Bindungstoleranz trotz massiver Streitigkeiten

Es mag verwundern, aber man kann sich massiv streiten und trotzdem bindungstolerant sein:

 

"Die SV möchte positiv anmerken, dass sich beide Elternteile im Zeitrum der Begutachtung als auch in der Vergangenheit trotz massiver Streitigkeiten stets bindungstolerant dem anderen Elternteil gegenüber gezeigt haben."

Diplom-Psychologin Sonja Oehmen, Gutachten S. 31, Amtsgericht Lüneburg 49 F 196/11 SO, Richterin Oltmanns

 

Woher Frau Oehmen aber wissen will, wie sich die Eltern vor der Begutachtung verhalten haben, bleibt rätselhaft. In Lüneburg sind offenbar Zeitreisen in die Vergangenheit möglich. 

 

 

 

 

Mangelnde Bindungstoleranz wird mit gerichtlicher Ausgrenzung des bindungstoleranteren Elternteils belohnt

Ist die Bindungstoleranz eines betreuenden Elternteils nur geringfügig eingeschränkt, was auf Grund ungeklärter Beziehungsproblematiken eher die Regel als die Ausnahme darstellen dürfte, so ist das Kind gegenüber dem umgangswahrnehmenden Elternteil zwar ambivalent, kann aber mit diesem relativ unbefangen zusammensein, wenngleich es sich in der einen oder anderen Weise, des machtvolleren, weil betreuenden Elternteils versichern wird.

Ist die Bindungstoleranz eines betreuenden Elternteils erheblich eingeschränkt oder fehlt sogar völlig, kommt das Kind automatisch in einen massiven Loyalitätskonflikt, denn die Beziehung zum betreuenden Elternteil erscheint dem Kind aus seiner Perspektive überlebensnotwendig, weswegen es sich zugunsten der Versicherung dieser Beziehung gegen den anderen Elternteil stellt, auch wenn es diesen in der Vergangenheit geliebt hat.

So kommen wir denn zu dem irrational anmutenden Phänomen, dass fehlende Bindungstoleranz des betreuenden Elternteils zur Abspaltung des anderen Elternteils aus der Bindungsrepräsentanz des Kindes führt, mit der Folge, dass das Kind den Kontakt zum außerhalb lebenden Elternteil früher oder später massiv ablehnt. Die bisher übliche Antwort vieler Familienrichter auf eine solche massive Verweigerungshaltung des Kindes war die Aussetzung des Umganges, was in der Regel auch einen jahrelangen oder auch lebenslangen Kontaktabbruch des Kindes zum außerhalb lebenden Elternteil bedeutet. Fehlende Bindungstoleranz des betreuenden Elternteils wurde durch die Gerichte somit mit dem belohnt, was der betreuende Elternteil ohnehin sehnlichst wünschte, die absolute Ausgrenzung des anderen Elternteils. Das Familiengericht als Handlanger des auf Ausgrenzung bedachten Elternteils, hier macht sich nicht der Bock zum Gärtner, sondern der Gärtner zum Bock, vertauschte Welt, der betreuende Elternteil bestimmt, das Familiengericht führt aus.

Diese Logik mutet nun eigenartig an, denn Aufgabe der Familiengerichte ist es nicht, Partikularinteressen von Eltern nach Ausgrenzung zu befriedigen, sondern Eltern-Kind-Beziehungen zu schützen und zu fördern, so wie es Artikel 6 des Grundgesetzes über das Pflichtrecht aller Eltern zur Pflege und Erziehung ihrer Kinder definiert.

 

Grundgesetz Artikel 6 Satz 2 

Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuförderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. 

 

 

 

 

Bindungsfürsorge

Temizyürek diskutiert den Begriff der "Bindungsfürsorge". Es geht also nicht mehr nur um Toleranz, sondern um Fürsorge des einen Elternteils, die Bindungen des Kindes zum anderen Elternteil zu erhalten und zu entwickeln.

 

Siehe hierzu:

Kemal Temizyürek: "Das Stufenmodell der Bindungsfürsorge"; ZKJ 06/2014, S. 228-231

 

Freilich muss man mitunter schon froh sein, wenn es den Eltern gelingt, sich hinsichtlich der Bindungen des Kindes zum anderen Elternteil tolerant zu verhalten. In den hochkonflikthaften Trennungsfamilien finden wir nicht einmal das. 

 

 

 

 

Literatur:

Kemal Temizyürek: "Das Stufenmodell der Bindungsfürsorge"; ZKJ 06/2014, S. 228-231

Franz Weisbrodt: "Die Bindungsbeziehung des Kindes als Handlungsmaxime nach der Kindschaftsrechtsreform“, In: „Der Amtsvormund", 08/2000, S. 616-630

 

 

 


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