Therapie

 

 

Das Ziel systemischer Therapie liegt nicht darin, die intra-psychische Persönlichkeitsstruktur zu verändern, sofern diese überhaupt verändert werden kann. Es werden vielmehr die zwischenmenschlichen Beziehungen, resp. die Kommunikationsprozesse und Interaktionsmuster (d.h. die Art und Weise, wie Menschen miteinander umgehen) sowie die impliziten Regeln, die solche Prozesse und Muster steuern, verändert.

Gottlieb Guntern: "Die kopernikanische Revolution in der Psychotherapie", In: "Familiendynamik", 1980, S. 28

 

 

 

 

 

 

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Sollte sich eine der hier namentlich genannten Fachkräfte ungerecht oder in unzulässiger Weise behandelt fühlen, so kann sich diese zur Klärung ihrer Einwände direkt an mich wenden. Der direkte Weg erspart der betreffenden Fachkraft möglicherweise Anwalts- und Gerichtskosten in erheblicher Höhe, so wie sie etwa der Diplom-Psychologe Klaus Schneider im Rechtsstreit mit Peter Thiel vor dem Landgericht Berlin hinnehmen musste.

Zur Frage der Zitierfähigkeit familiengerichtlich eingeholter Gutachten - Urteil des Landgerichtes Berlin vom 07.11.2006 - 16 O 940/05 - Landgericht Berlin - Rechtsstreit Diplom-Psychologe Klaus Schneider gegen Peter Thiel - Veröffentlicht auch in: "Zeitschrift für das gesamte Familienrecht", 16/2007, 15.08.2007, S. 1324-1325

Auf Grund der an einigen Amts- und Landgerichten, so z.B. beim Landgericht Frankenthal und beim Landgericht Hamburg, möglicherweise in Einzelfällen stattfindenden Zensur und der Beschneidung der Informations- und Meinungsfreiheit zugunsten sich hier kritisiert sehender Fachkräfte, erkläre ich vorsorglich, dass es sich auf meiner Internetseite - wenn nicht eindeutig von mir als Tatsache vorgetragen - immer um meine persönliche, verfassungsrechtlich geschützte Meinung handelt, die als solche naturgemäß weder wahr noch falsch sein kann. Mithin wird von mir auch ausdrücklich erklärt, dass es sich bei meiner Meinung, dass an einigen Amts- und Landgerichten, so z.B. beim Landgericht Frankenthal und beim Landgericht Hamburg, Zensur ausgeübt wird und die Informations- und Meinungsfreiheit zugunsten sich hier kritisiert sehender Fachkräfte beschnitten wird, um meine persönliche Meinung, nicht aber um eine Tatsachenbehauptung handelt.

 

Peter Thiel

Systemischer Berater, Systemischer Therapeut / Familientherapeut (DGSF), Verfahrenspfleger (SPFW Brandenburg) und Umgangspfleger 

22.04.2022

 

 

 

 

Schlüsselwörter

Existenzanalyse, Familientherapie, Gestalttherapie, klientenzentrierte Psychotherapie, Körpertherapie, Logotherapie, Psychoanalyse, Psychosomatik, Schematherapie, Systemische Therapie, Transaktionsanalyse, Verhaltenstherapie, Zirkularität, Zwangskontext

 

 

 



Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in der gedenke ich zu leben.


Albert Einstein


 

 

Was ist Therapie?

Therapie kann als ein Mittel verstanden werden um von A nach B zu kommen. A und B sind dabei keine Orte, dann böte sich das Auto oder die Eisenbahn als geeignetes Fortbewegungsmittel an. 

A ist der aktuelle Zustand in dem ich mich als Mensch befinde und B der in der Folge erreichte Zustand, von dem niemand wissen kann wie er tatsächlich sein wird. Dabei muss Therapie nicht als zielgerichteter Prozess verstanden werden, nach dem Motto in einem Jahr will ich mich nicht nicht mehr einsam fühlen. Ein solcher Ansatz wäre Ausdruck von Zwanghaftigkeit und somit selbst der Therapie wert.

Therapie kann heißen, sich in Bewegung zu setzen und sich bewegen zu lassen, Ängste und Widerstände gegenüber der heraufdämmernden Lösung zu erkennen und loszulassen. Dem was werden oder sich entfalten will, die Tür zu öffnen und Raum zu geben. Therapie kann heißen, Kontrolle verringern, Flexibilität erhöhen, Klugheit statuieren, Dummheit verringern, Schwäche zuzulassen und Stärke entfalten und  die Augen, das Herz und die Lungen zu öffnen, zum Leben und zu Dir selbst.

Der Mensch ist konservativ und progressiv zu gleich. Das einmal gelernte will er weiter anwenden, das ist der Sinn des Lernens. Wenn er einmal gelernt und verinnerlicht hat, dass 1 + 1 = 2 ist oder Männer den Frauen die Tür aufzuhalten haben, dann wird er sich gegen die Idee sträuben, dass 1 + 1 = 3 sein könnte oder Frauen den Männern die Tür aufhalten. Wer einmal gelernt hat, werktags jeden Tag pünktlich um 6 Uhr das Werktor zu passieren, der will dies auch noch tun, wenn das Werk längst geschlossen ist. Er passiert das Werktor, in dem längst kein Pförtner mehr sitzt, läuft die leeren Werkstraßen entlang, zu der leeren Werkhalle in der 30 Jahre lang seine Werkbank stand und verzweifelt an der Welt, die so gar nicht mehr seinem inneren Bild wie die Welt sein sollte entspricht. Will der Mensch daran nicht leiden, muss er sich verändern und die neuen Gegebenheiten annehmen oder umgekehrt die Gegebenheiten gestalten und verändern, so dass sie seinem Bedürfnis entsprechen.

Die Veränderung des Menschen an die veränderten Umstände oder die Veränderung der Umstände an die Bedürfnisse des Menschen ist ein schwieriger Prozess, der mitunter auch misslingt. Der Mensch wird dann krank, suchtmittelabhängig, depressiv oder suizidal.

Damit Veränderung gelingt, braucht der Mensch als Beziehungswesen auch den anderen. Sich selbst wie Baron von Münchhausen am eigenen Schopf  aus dem Sumpf zu ziehen, ist wohl noch nie gelungen. Es braucht den anderen. Du und ich, ich und Du. 

 

 

Ein Mann kam an die Tür der Geliebten

Ein Mann kam an die Tür der Geliebten und klopfte. Eine Stimme fragte: "Wer ist da?" - "Ich bin es", antwortete er. Da sagte die Stimme: "Hier ist nicht genug Platz für mich und dich." Und die Tür blieb geschlossen. 

Nach einem Jahr der Einsamkeit und Entbehrung kam der Mann wieder und klopfte. Von drinnen fragte eine Stimme: "Wer ist da?" - "Du bist es", sagte der Mann. Und die Tür wurde ihm geöffnet.

 

Rumi, islamischer Mystiker

zititiert nach Thorwald Dethlefsen; Rüdiger Dahlke: "Krankheit als Weg. Deutung und Be-Deutung der Krankheitsbilder"; Goldmann Verlag, 1990

 

 

Wenn Sie Interesse dran haben, anstehende Veränderungen zu meistern, neue Wege auszuprobieren, Chaos zu beseitigen, Zwanghaftigkeit oder Langeweile hinter sich zu lassen, Leid zu vermindern oder zu überwinden, Gefühle, Kreativität und Lebendigkeit zu entwickeln, Beziehungen zu klären, Liebe zu suchen und zu finden und anderes, was in Ihrem Leben Raum gewinnen will, dann sind Sie genau richtig hier. 

Im geschützten und experimentellen Raum, in einer Ihnen zur Verfügung stehenden Zeit, können Sie sich, anders als dies im "normalen" Alltag oft möglich ist, auf heikle und heiße Themen einlassen, auf eine Forschungsreise zu sich selbst und zu anderen begeben, auf einen spannenden Konflikt und Dialog mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin einlassen und vieles andere mehr.    

 

 

 

 

Therapie als Entbindung fixierter Lebenskraft

Durch die verschiedensten schwierigen Erfahrungen in der eigenen Lebensgeschichte (rigide Erziehung, Moral, Normen, Doppelbindungen, Traumatas etc. pp.) sind Teile unserer Vitalität blockiert worden. Diese Blockierungen sind sowohl auf der körperlichen (muskulär, Körpergedächtnis) als auch auf der geistigen Ebene (Denken und Fühlen) zu finden und oftmals außerordentlich stabil, so dass sie bei sich ändernden Lebensumständen ihre Nützlichkeit verlieren, die sie in der Vergangenheit einmal für uns hatten. So etwa bei einem Mann, der mit eingezogenen Kopf herumläuft, weil er immer noch in der Phantasie lebt, seine Mutter würde ich gleich wieder schlagen. Die Mutter ist aber inzwischen längst tot oder lebt im Pflegeheim und der Mann ist schon 40 Jahre alt und ein kräftiger Kerl, der keine Schläge einer alten Frau fürchten muss. Gleichwohl handelt der Mann noch immer so, als wäre er fünf Jahre alt, zieht den Kopf ein und traut sich nicht ins Leben zu treten. 

In der Therapie wird nun diese fixierte Lebenskraft schrittweise entbunden, Fritz Perls spricht von der Wiederbelebung des Selbst. Genau genommen ist es jedoch keine Wiederbelebung des Selbst, denn das Selbst des 40-jährigen ist nun ein anderes, als es das Selbst des 5-jährigen war. Das Selbst des Mannes ist auch ein potentielles, denn es entwickelt sich im Prozess des (therapeutischen) Weges.

Entwicklung findet aber zu keiner Zeit im luftleeren unbeschriebenen Raum statt, sondern im Kontext unseres aktuellen Lebens mit seiner spezifischen Kultur, die in Deutschland anders aussieht als in Ghana, in Oberammergau anders als in Marzahn.

 

 

Kultur als Krankheit

"Es ist ziemlich klar, dass Freud, der unter dem dicken Pelz seines Paternalismus oft ein kindliches Herz verriet, diese Art Reifung sehr pessimistisch ansah; er glaubte, dabei würden Glück und Wachstum des einzelnen den Fortschritten der Gesellschaft und der Kultur untergeordnet, oft warnt er, dass dies bereits gefährlich weit gegangen sei. Und kühl betrachtet, so wie Freud es formulierte, ist die Anpassung an die `Realität` ja gerade neurotisch: ein absichtliches Eingreifen in die organische Selbstregulierung und Umwandlung spontaner Befriedigungen in Symptome. So gesehen ist die Kultur eine Krankheit. In dem Maße, wie all dies notwendig ist, besteht die vernünftige Haltung gewiß nicht darin, von der Reife zu schwärmen, sondern Therapeut wie Patient müssen lernen, sich über sie zu empören, so wie Bradley gesagt hat: `Dies ist die beste aller möglichen Welten, und jeder ehrliche Mann hat die Pflicht, zu sagen, dass sie ein Dreck ist.` Dies hätte außerdem den Vorteil, Aggression in eine berechtigte Anklage auszulassen.

Wir denken aber, das Problem war so falsch gestellt. Zuerst einmal war Freud von notorischer Zaghaftigkeit, was den Glauben an die Möglichkeiten radikaler Änderungen in der gesellschaftlichen Realität anging, die diese den Wünschen eines (beibehaltenen) Kinderherzens näherbringen könnte, wie z.B. ein bißchen mehr Unordnung, Unreinlichkeit, Nichtvorhandensein einer Regierung und ähnlichem. Er scheint zwischen der Kühnheit seiner Theorie und der quälenden Schüchternheit seiner Gefühle hin und her geschwankt zu haben. ..."

Frederick S. Perls; Ralph F. Hefferline; Paul Goodman: Gestalttherapie Grundlagen. dtv, 1979, (amerikanische Originalausgabe 1951), S. 89

 

 

Hier gilt es nun Kultur als Lebenswirklichkeit anzuerkennen und gleichzeitig zu verändern, wenn sie der Vitalisierung im Wege steht. Nachhaltige Veränderungen finden in den seltensten Fällen in gesellschaftliche Revolutionen statt, bei denen ohnehin die Gefahr besteht, dass lediglich die alten Herrscher durch neue ausgetauscht werden.

Revolutionen finden im Alltag statt, an dem Tag, an dem ich aufstehe und Ja zum Leben sage, anstatt mich schon wieder krank schreiben zu lassen, um den öden Büroalltag für einige Tage aus dem Wege zu gehen. 

Das Ja zum Leben ist eine Grundvoraussetzung für ein lebenswertes Leben. Das Ja zum Leben ist nicht alles, Ausdauer, Intelligenz, Mut, ein schwingungsfähiges Herz und Menschen mit denen man sich verbinden kann, gehören auch dazu. 

 

 

 

Therapieschulen

 

"So gilt die Psychoanalyse in einer bekannten, sarkastischen Definition als die Krankheit, für deren Behandlung sie sich hält - ein Aphorismus, der ihr paradoxes, selbstrückbezügliches Wesen sehr gut umreißt, ..." 

(Aphorismus von Karl Kraus, aufgegriffen von Paul Watzlawick; John H. Weakland; Richard Fisch: "Lösungen. Zur Theorie und Praxis menschlichen Wandels", Verlag Hans Huber, Bern; 1974/1992/1997/2001/2003, S. 93)

 

Fritz Perls hat schon 1951 die Psychoanalyse einer kritischen Betrachtung unterzogen. In der Auseinandersetzung mit dieser von Freud entwickelten Technik hat er die Gestalttherapie entwickelt.

 

vergleiche hierzu: 

Frederick S. Perls; Ralph F. Hefferline; Paul Goodman: Gestalttherapie Grundlagen. dtv, 1979, (amerikanische Originalausgabe 1951)

 

Gleichwohl wird die Psychoanalyse bis heute von den den Krankenkassen finanziert, obwohl es sich nachweislich um Verfahren handelt, dem nur wenig therapeutischer Nutzen zukommt. Hinter diesem seltsamen Phänomen, dass ein recht nutzloses Verfahren mit Millionenbeträgen der Beitragszahler subventioniert wird, steckt ein über Jahrzehnte gewachsener Lobbyismus der Psychoanalytiker, die es nach dem Krieg verstanden haben, sich zu Administratoren an den Schaltstellen der Definitionsmacht aufzuschwingen.

 

Vergleiche hierzu: 

Lotte Hartmann-Kottek: "Wissenschaftliche Neutralität ins Psychotherapeutengesetz"; In: Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP), 2/2011

 

 

 

Die Mär vom freien Wettbewerb, den uns die FDP ständig verkaufen will, ist hier zum blanken Hohn verkommen. Von Freiheit kann keine Rede sein, vielmehr kommt es darauf an, den zuständigen Abteilungsleiter im "Gesundheitsministerium" gut zu kennen, so dass die Geldströme auch zukünftig dahin fließen, wo der wenigste Nutzen für die Hilfe suchenden Menschen zu erwarten ist

 

 

 

 

Das Angebot

Ich biete die Möglichkeit systemische Therapie und Beratung zur Klärung und Lösung aktueller Konflikte, Fragen, Probleme und Wünsche zu nutzen. Die Ihnen wichtigen Themen können innerhalb der eigenen Familie, der Beziehung oder Partnerschaft, mit den eigenen Eltern, in der Arbeitswelt  oder anderen privaten oder gesellschaftlichen Bereichen liegen.

Mein Arbeitsansatz ist undogmatisch systemisch, methodenintegrativ, prozess- und lösungsorientiert.

Die von mir angebotene systemische Beratung und Therapie schöpft aus den reichen Erfahrungen und Herangehensweisen verschiedener systemischer Schulen. Körpertherapeutische und gestalttherapeutische Ansätze sowie Analytisches Denken fließen in meine Arbeit ein.

 

 

 

 

Setting

Die Sitzungen finden je nach Wunsch und Bedarf allein mit mir als Einzeltherapeut oder gemeinsam mit einer Co-Therapeutin statt. Zeitdauer je nach Bedarf zwischen 60 und 90 Minuten. Die Anzahl der Sitzungen bestimmen meine Klienten (Auftraggeber). Die Lösung einzelner Problemfragen oder Konflikte gelingt oft schon in einer ersten Stunde. Bei Bedarf können weitere Sitzungen stattfinden. Mehr als drei bis zehn Sitzungen werden bei einer guten Paarberatung in der Regel nicht überschritten.

Die Sitzungen finden nach Bedarf oder wenn gewünscht auch im regelmäßigen Rhythmus statt. Die Klienten bestimmen eigenverantwortlich darüber, wie viele Termine sie in Anspruch nehmen wollen. Eine Verpflichtung zur Inanspruchnahme einer bestimmten Anzahl von Sitzungen besteht nicht.

Auch Kinder und Jugendliche können sich gerne melden. Für diese ist ein  Ersttermin kostenlos. Weitere Termine können nach Antragstellung vom zuständigen Jugendamt finanziert werden.

 

 

 

 

Kosten

Die Stunde kostet in der Regel 120,00 €.

Eine Ermäßigung ist im Einzelfall möglich.

 

Bei Interesse können die Sitzungen auch im Co-Therapeutenteam (Mann - Frau) durchgeführt werden. Die Kosten betragen dann das Doppelte. 

 

 

 

Peter Thiel

Systemischer Berater, Systemischer Therapeut / Familientherapeut (DGSF), Systemischer Kinder- und Jugendlichentherapeut (DGSF), zertifizierte Ausbildung in Lösungsorientierter-systemischer Psycho-Somatik und körperintegrierter Psychotherapie - www.gstb.org

 

 

Kontakt

Telefon: (030) 499 16 880 

Funk: 0177-6587641

 

E-Mail: info@system-familie.de

Internet: www.system-familie.de

 

Kontaktaufnahme über Mail wird empfohlen.

 

 

 

 

Systemische Therapie und Beratung

 

Das Ziel systemischer Therapie liegt nicht darin, die intra-psychische Persönlichkeitsstruktur zu verändern, sofern diese überhaupt verändert werden kann. Es werden vielmehr die zwischenmenschlichen Beziehungen, resp. die Kommunikationsprozesse und Interaktionsmuster (d.h. die Art und Weise, wie Menschen miteinander umgehen) sowie die impliziten Regeln, die solche Prozesse und Muster steuern, verändert.

Gottlieb Guntern: Die kopernikanische Revolution in der Psychotherapie: der Wandel vom psychoanalytischen zum systemischen Paradigma, In: "Familiendynamik", 5 (1), 1980, S. 28

 

 

Systemische Therapie oder Beratung unterscheidet sich von individualpsychologisch orientierter Beratung und Therapie durch die These, dass jedwede menschliche Aktion und Interaktion nur im Kontext des Systems zu verstehen und veränderbar ist, in das der jeweilige Mensch eingebettet ist. Der Kontext wird durch das System gebildet, in der der betreffende Mensch aktuell lebt. Dazu gehören die Menschen, zu denen er/sie relevante Beziehung unterhalten, z.B. Familienmitglieder, Arbeitskollegen, Nachbarn, Behördenmitarbeiter, Verwandte, Freunde und Bekannte. Hinzu kommt die für den Menschen jeweils relevante "materielle" Lebensumwelt, so z.B. der Wohnort (z.B. Dorf, Kleinstadt, Großstadt, Küste, Bergland), die Wohnverhältnisse, das Einkommen, Kindergarten, Geschäfte, etc. und sogar wenn nötig das Bett des Klienten:

 

 

Das Bett

Andreas Krause Landt

Ein kluger alter Mann lebte in Berlin, er hieß Wladimir Lindenberg und stammte aus Moskau, wo er 1902 geboren worden war. Von adeliger Herkunft, musste er seine Heimat nach der Revolution verlassen. In Bonn studierte er Medizin und Psychologie und wurde Schiffsarzt. 1937 steckte ihn die Gestapo für vier Jahre in ein Straflager. 1944 wurde er ausgebombt und zog von Wilmersdorf nach Berlin-Schulzendorf in ein einfaches Holzhaus, wo er von 1959 bis zu seinem Tode im Jahre 1997 als Neurologe und Psychiater praktizierte. Daneben malte er und schrieb und wurde ein angesehener Mann, seine Liebenswürdigkeit und Bescheidenheit waren legendär. Eine seiner Patientinnen klagte eines Tages, sie könne nicht schlafen. Sie bilde sich ein, ihr verstorbener Mann liege unter ihrem Bett. Man möchte meinen, Lindenberg habe eine Anamnese angefertigt, die Krankenkasse um Kostenübernahme gebeten und eine mehrjährige Therapie eingeleitet. Nichts dergleichen tat er. Vielmehr suchte er mit der Dame ihr Haus auf, nahm eine Säge und sägte dem Bett die Beine ab. Die Dame war geheilt.

Berliner Zeitung, 06.03.2008

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/meinung/730824.html

 

 

 

Ein drittes System bilden die nichtmateriellen individuellen und gesellschaftlichen Anschauungen, Moral, Wertvorstellungen, Verbote und Gebote, Zwänge, etc.

Ein viertes System sind die im Laufe der individuellen Lebensbiografie gemachten und verinnerlichten Erfahrungen, erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten.

 

Individualpsychologisch orientierte Beratung/Therapie ist häufig auf das vierte System fixiert. So wird z.B. bei einer Frau, die unter Depressionen leidet, der therapeutische Ansatz darin liegen, in einer Therapie die   Lebensgeschichte "aufzuarbeiten" um dadurch die Depression der Frau zu heilen.

Systemische Beratung / Therapie berücksichtigt den individuellen Teil des aktuellen Problems in angemessener Weise. Sie geht aber darüber hinaus, in dem auch die anderen drei oben genannten Systeme ins Blickfeld geraten. Dabei stellt sich möglicherweise heraus, die Frau ist depressiv, "weil" sie zugunsten ihres Mannes auf die Entwicklung ihrer beruflichen Perspektive verzichtet und sich die Kindererziehung zur Aufgabe gemacht hat. Die Kinder sind inzwischen volljährig geworden und ausgezogen, der bisherige Lebensinhalt der Mutter, sich um die Kinder zu sorgen, ist ihr nun abhanden gekommen, die Frau leidet an dem Sinnverlust und wird depressiv.

 

Systemische Therapie und Beratung ist selbst kein in sich geschlossenes autarkes Erkenntnis- und Handlungssystem, sondern nutzt selbstverständlich und integrativ  Erkenntnisse, Annahmen und Methoden anderer therapeutischer Richtungen wie Psychoanalyse, Verhaltenstherapie, NLP, Hypnotherapie usw. 

 

 

Innerhalb des systemischen, sich ständig entwickelnden Ansatzes gibt es verschiedene interessante Arbeits- und Verständnisansätze, die für die therapeutische Arbeit nutzbar sind.

So z.B. 

 

 

Struktureller Ansatz 

Konflikt als Chance

Salvatore Minuchin

Struktur:  Hierarchie, Grenzen und Autorität

Literatur: Minuchin, S., Fishmann, C. (1983): Praxis der strukturellen Familientherapie

 

 

Mehrgenerationaler Ansatz

Die Balance von Geben und Nehmen

Ivan Boszormenyi-Nagy 

Literatur: Boszormeny-Nagy, I.; Spark, G.M. (1981). Unsichtbare Bindungen. Die Dynamik familiärer Systeme

 

 

Erfahrungs- und wachstumsorientierter Ansatz

Heilung durch Begegnung

Virginia Satir

Selbstwert und Kommunikation

 

Carl Whitaker

Die symbolisch erfahrungsorientierte Perspektive

Whitaker, C. A.; Napier, A.Y. (1998). Die Bergers. Beispiel einer erfolgreichen Familientherapie

 

 

Strategischer Ansatz

Die Lösung ist das Problem

Paul Watzlawick, Jay Haley

 

 

Zirkulärer Ansatz

Symptome als Fähigkeiten

Mailänder Team, Selvini-Pallazzoli, M., Heidelberger Gruppe 

Selvini-Pallazzoli, M. (1981). Paradoxon und Gegenparadoxon

 

 

Narrativer Ansatz

Nichts ist wahr ohne sein Gegenteil

Michael White, Harry Goolishian

 

 

Phänomenologischer Ansatz

Versöhnung durch Würdigung

Bert Hellinger; Gunthardt Weber

 

 

Lösungs- und ressourcenorientierter Ansatz

Vom Problem zur Lösung

Milton H. Erickson, Steve des Shazer

 

 

 

 

 

Die Zweierbeziehung

Gibt es einen Unterschied zwischen Paarberatung und Paartherapie? In der Paarberatung, so der Name geht es um Beratung, in der Paartherapie um Therapie. In beiden Fällen so kann man meinen, kommt ein gegengeschlechtliches oder gleichgeschlechtliches Paar, also zwei Menschen die miteinander eine Beziehung haben, zu einem Berater oder Therapeuten. 

 

"Die Unterscheidung zwischen Beratung und Psychotherapie ist keine objektive Tatsache, sondern Folge einer konstruktivistischen Definitionsleistung, die von den jeweiligen Wirklichkeitskonstruktionen der Beteiligten abhängt" (Klaus Mücke 2001, S. 167)

 

Mücke meint zutreffend: 

 

"Ganz allgemein lässt sich Psychotherapie als kommunikative Inszenierung definieren, die eine wirklichkeitserzeugende Kraft hat, was bei vorurteilsfreier Betrachtung - auch in einem Gespräch mit dem eigenen Friseur stattfinden kann." (S. 168)

 

 

Beratung könnte danach in Negation von Therapie so definiert werden: In der Beratung findet keine kommunikative Inszenierung mit wirklichkeitserzeugender Kraft statt. Beratung so könnte man definieren, dient dem Gedankenaustausch, der Diskussion und der Klärung mit eventueller Meinungs- und Vertragsbildung zwischen den an der Beratung Beteiligten. 

Mit dem Begriff Therapie verbinden sich Gedanken an Heilung. Heilung von einem als leidvoll erlebten Zustand. Dies kann aber auch in "Beratung" passieren, so z.B. wenn das Paar eine gemeinsame Idee gefunden hat, wie es mit der übergriffig empfundenen Mutter der Frau in Zukunft umgehen will. 

In Paarbeziehungen geht es niemals nur um objektive Klärung und Veränderung bestehender Zustände, sondern immer auch um emotional hoch besetzte und brisante Themen. Von daher wird es oft so sein, dass durch "Beratung" im engeren Sinne keine Veränderung befördert wird, da die tatsächlichen Motive der Beteiligten nicht erkannt und kommuniziert werden.

Im folgenden soll ein erweiterter Begriff der Paarberatung verwandt werden, der auch den Begriff der Paartherapie einschließt. Es wird daher im folgenden vom Berater statt vom Therapeuten gesprochen. 

 

 

 

 

Die Auftragsklärung

Das Paar kommt das erste Mal zum Berater. Um einen Übergriff des Beraters auf das Paar auszuschließen muss zu Beginn einer ersten gemeinsamen Sitzung eine Auftragsklärung stattfinden. Der Berater bittet daher die beiden mitzuteilen, was sie von der Beratung erwarten. Der Berater kann die geäußerten Erwartungen aufschreiben und gut sichtbar präsentieren. 

So äußert beispielsweise eine Frau, nachdem ihr Mann fremd gegangen war: 

"Wie kann ich  zu meinem Mann wieder mehr Vertrauen fassen?"

Die Äußerung der Frau ist als Frage formuliert und kann als direkter Auftrag für den Berater verstanden werden, die Beratung zu nutzen, dass sie ihre Vertrauensfähigkeit verbessern kann. Hierbei könne es zum einen darum gehen, das Vertrauensverhältnis zwischen den Partnern direkt zu verbessern, so z.B. durch bessere Absprachen, mehr Verlässlichkeit, Einhaltung von Vereinbarungen, etc. Es kann aber auch darum gehen, dass an sich gestörte Vertrauensvermögen der Frau zu verbessern. Dies wird z.B. bei krankhafter Eifersucht anzunehmen sein. 

Der Mann äußert: "Ich bin an der Beziehung interessiert". 

Die Äußerung des Mannes ist keine direkte Auftragserteilung. Der Berater kann vermuten und dies gegebenenfalls durch Nachfragen abklären, ob der Mann damit meint, dass er in der Beratung wäre, um eine emotionale oder räumliche Trennung zwischen ihm und seiner Frau zu vermeiden. Der Berater kann aber auch vermuten, der Mann wäre an der Vermeidung von Konflikten zugunsten einer gewünschten Harmonie interessiert.

 

Dass die geäußerten Erwartungen nicht immer alle Erwartungen sind, die die Klienten haben oder dass die geäußerten Erwartungen möglicherweise gar nicht die tatsächlichen Erwartungen sind, ist nicht ungewöhnlich. Manche Klienten können auch gar keine Erwartungen formulieren, dies ist meist dann der Fall, wenn sie nur auf Drängen des Partners mitgekommen sind. In diesem Fall haben sie aber möglicherweise die Erwartung heil und ungeschoren aus dem Beratungstermin herauszukommen.

 

 

Erstverschlimmerung:  

Bevor das Paar in die Beratung kommt, haben sie auf ihre Weise versucht miteinander zu kommunizieren. Dies hat in bestimmter Weise nicht zu dem Erfolg geführt, den sich der eine oder die andere erhofft hat. Nun soll die Beratung weiterhelfen. Häufig liegen der als problematisch empfundenen Paarsituation jedoch ungelöste und oft verdrängte Konflikte aus der Vergangenheit des Paares oder der einzelnen Partner zugrunde. Der Berater hat nun die Schwierigkeit, entweder eine unverbindliche Plauderei mit dem Paar zu führen oder darauf zu hoffen, dass die Klienten ihre tatsächlichen Probleme auch thematisieren oder wenn dies nicht geschieht, die von ihm als relevant gehaltenen Themen anzusprechen.

Bei den kostenlosen Beratungen, die in öffentlich geförderten Beratungsstellen angeboten werden, kommt es sicher mit größerer Wahrscheinlichkeit dazu, dass die Paarberatung sehr unverbindlich und oberflächlich abläuft, denn was nichts kostet, muss man auch nicht ernstnehmen. Dass dann auch oft vereinbarte Termine von den Klienten ohne Entschuldigung nicht wahrgenommen werden hat sicher auch mit der durch die kostenlose Beratung beförderteren Konsumentenhaltung der Klienten zu tun.

Will das Paar oder der Einzelne einen ihn selbst betreffenden wichtigen Konflikt vermeiden, so wird er sich Themen widmen wollen, die von den Hauptfragen ablenken, es werden Nebenkriegsschauplätze eröffnet, der eigentliche bedrohlich erscheinende Konflikt wird nach Möglichkeit vermieden. Wenn der Berater sich nicht in Plaudereinen verlieren will oder sich nicht auf Nebenkriegsschauplätze begeben will, muss er dicht an der Grenze des Widerstandes der Klienten arbeiten. Durch die Technik der "freien Assoziation", die die Psychoanalyse dem Klienten anbietet, wird dem Klienten ein relativ breiter Raum der Konfliktvermeidung eingeräumt (vgl. Perls, S. 117-119). Forciert der  Berater den wichtigen Konflikt und konfrontiert das Paar oder den Einzelnen damit, so kann es zu einer Verschlechterung des Zustandes des Paares oder des Einzelnen kommen, denn der bisher sorgfältig gemiedene Bereich ist nun eröffnet und die damit verbundenen abgespaltenen, verdrängten oder zurückgehalten Emotionen  können nun gewahr und erlebbar werden. Diese Emotionen sind aber in der Regel nicht lust- sondern schmerzbesetzt. Dem Berater kommt hier die Verantwortung zu, das Paar oder den Einzelnen nicht zu unterfordern, auf der anderen Seite aber auch nicht zu überfordern. Hier die richtige Balance zu finden ist nicht leicht und kann in dem einen oder anderen Fall auch einmal misslingen. 

 

Hat die Frau z.B. den Auftrag definiert als:  

"Wie kann ich  zu meinem Mann wieder mehr Vertrauen fassen?"

kann dies der Berater dahingehend auffassen, gemeinsam mit der Frau zu schauen, wie ihr dieser Wunsch gelingen kann. Stellt sich dabei heraus, dass das Misslingen dieses Wunsches der Frau weniger mit dem Partner zu tun hat, als mit Beziehungs- und Erlebensmustern der Frau, kann der Berater das Risiko eingehen, die Frau damit zu konfrontieren. Möglicherweise weist die Frau das Konfrontationsangebot des Beraters zurück oder wenn sie sich nur schwer abgrenzen kann, lässt lässt sie sich mit dem Berater in eine von ihr nicht gewollte thematische Konfrontation ein. In einigem zeitlichen Abstand von der Sitzung beschwert sich die Frau möglicherweise empört bei dem Berater, dass sie sich nun viel schlechter fühlt als vorher. 

 

 

 

 

Grenzen

Ein Paar mit einer vierjährigen Tochter hat familiäre Konflikte, der Individualtherapeut konstatiert, das läge daran, dass die Frau zuviel arbeite und dies käme daher, dass sie aus einer Familie kommt, in der die eigene Mutter sehr schwer arbeiten musste und alle Kinder schon frühzeitig sehr viel mithelfen mussten. Der systemische Therapeut hat auch dieses aus der Vergangenheit "mitgebrachte" Erfahrungssystem im Blick und wendet sich diesem nach Notwendigkeit auch angemessen zu. Da er jedoch erfahren hat, dass das Paar seit drei Jahren in einem kleinen Dorf lebt, vermutet darüber hinaus, dass sich das Paar durch die aktuelle Lebenssituation stark unter Druck gesetzt fühlt, in der Dorfgemeinschaft akzeptiert und aufgenommen zu werden. Das Paar engagiert sich tatsächlich in sehr starken Maße für die Belange des Dorfes, was auf Grund des Übermaßes an Engagement der beiden zu Stress führt. Gleichzeitig kommt das Paar durch sein Engagement in Konflikt mit den einzelnen, teils stark verfeindeten Parteien in der Dorfgemeinschaft, denn wenn sich das Paar mit einer der dörflichen Fraktionen gut stellt, fühlt sich eine andere dörfliche Fraktion benachteiligt.  

Der systemische Berater / Therapeut wird daher das Paar unterstützen, seinen Platz im dörflichen System und dessen widerstreitender Interessen deutlicher zu erkennen. Ist dies geschehen, kann das Paar daran arbeiten, seine eigenen Verstrickungen aufzulösen und sinnvolle und angemessene Grenzen zu ziehen.

 

 

 

Kontext

Ein Vater und eine Mutter haben einen massiven familiengerichtlich ausgetragenen Sorgerechtskonflikt. Der Vater, so heißt es, wäre gegenüber der Mutter und den beteiligten Sozialarbeiter vom Jugendamt sehr aggressiv. Er wäre auch nicht zu Kompromissen bereit. Dies deute darauf hin, dass er auch gegenüber seinen Kind nicht verantwortungsvoll handeln könne. Individualtherapeutisch würde man möglicherweise versuchen, mit dem Vater daran zu arbeiten, nicht mehr so aggressiv zu sein und kompromissfähiger zu werden. Der Therapeut würde versuchen herauszufinden, wie der Vater im Laufe seiner Kindheit und weiteren Lebensgeschichte zu dem aggressiven und kompromisslosen Menschen geworden ist, als der er heute anderen erscheint. Der systemische Therapeut wird diese Perspektive nicht vernachlässigt werden, er würde aber in weit stärkeren Maße das aktuelle Geschehen, das agierende System (Vater, Mutter, Kind, Großeltern, Jugendamtsmitarbeiter, Familienrichterin, Verfahrenspfleger, etc.) bei seiner therapeutischen Arbeit berücksichtigen.   Dabei würde deutlich werden, wie aus einer Abfolge gegenseitiger Aktionen und Reaktionen, Angriffe und Gegenangriffe (Interpunktion) das Aggressionspotential des Vaters weit über das vorher bei ihm vorgefundene Niveau hinausgegangen ist und wie die auf dem Phänomen von Übertragung und Gegenübertragung beruhende Aversion der Mutter, des Sozialarbeiters, des Familienrichters, etc. gegenüber dem Vater, bei diesem zur Verschärfung und Verhärtung seiner aggressiven Haltung beigetragen hat.

 

 

 

 

Therapeutische Arbeit im Zwangskontext

 

Das Ziel systemischer Therapie liegt nicht darin, die intra-psychische Persönlichkeitsstruktur zu verändern, sofern diese überhaupt verändert werden kann. Es werden vielmehr die zwischenmenschlichen Beziehungen, resp. die Kommunikationsprozesse und Interaktionsmuster (d.h. die Art und Weise, wie Menschen miteinander umgehen) sowie die impliziten Regeln, die solche Prozesse und Muster steuern, verändert.

Gottlieb Guntern: "Die kopernikanische Revolution in der Psychotherapie", In: "Familiendynamik", 1980, S. 28

 

Ein systemisches Verständnis von Therapie als Veränderungsprozess zwischenmenschlicher Beziehungen, resp. die Kommunikationsprozesse und Interaktionsmuster (d.h. die Art und Weise, wie Menschen miteinander umgehen) sowie die impliziten Regeln, die solche Prozesse und Muster steuern, vorausgesetzt, kann therapeutische Arbeit im Zwangskontext selbstredend funktionieren und ethisch sogar geboten sein, will man die Betroffenen mit ihrer teilweise erheblich eingeschränkten Leibensqualität nicht allein lassen.

Von diversen Oberlandesgerichten wurde jahrelang gebetsmühlenartig vorgetragen, Therapie im Zwangskontext würde nicht funktionieren. Den Richtern die dies vortrugen war es auf Grund ihres eingeengten Denkens und der von ihnen stereotyp benutzten Denkschablonen, die ihnen im Studium an den juristischen Fakultäten jahrlang eingetrichtert wurden, nicht möglich, den Unterschied zwischen Zwang und Zwangskontext zu erkennen, geschweige denn zu ergreifen. Therapie durch Zwang, kann - im humanistischen Sinne verstanden - selbstredend nicht funktionieren. Therapie im Zwangskontext dagegen sehr wohl, wenngleich es gilt, den Zwangskontext als Teil des Gesamtkontextes hinreichend zu beachten.

 

 

 

 

 

Mehrgenerationale Perspektive

Das Mehrgenerationenkonzept führt die Perspektive in die systemische Therapie ein, über das aktuelle Geschehen hinaus danach zu suchen, wie Verhalten, Erleben oder auch Symptome Sinn ergeben, wenn man Vermächtnisse aus früheren Generationen berücksichtigt und die Frage stellt, inwieweit diese erfüllt wurden beziehungsweise erfüllbar waren. Es wird davon ausgegangen, dass beobachtbare Störungen und Konflikte oft schon in den Herkunftsfamilien angelegt und vorgeformt sind.

 

Beispiel

Ein vierzigjähriger Mann meidet die Fahrt mit der U-Bahn und benutzt keine Fußgängertunnel, statt dessen läuft er lieber Umwege.

Im Gespräch mit dem systemischen Therapeuten ergibt sich zufällig, dass seine Mutter als kleines Mädchen 1945 bei den Bombenangriffen auf Berlin in den U-Bahntunneln der Stadt zuflucht suchen musste. Dabei musste sie unter der Erde offenbar schreckliche Szenen erleben. 

Fortan, so die Hypothese des Therapeuten, meidet die Mutter alle Situationen, in der diese Szene wiederbelebt werden kann. Der Sohn wächst bei dieser Mutter auf und erlebt ihr vermeidendes Verhalten. Auf dem Weg des Lernens am Modell übernimmt der Sohn die Angst der Mutter, ohne dass er je selbst eine traumatisierende Situation in einem Tunnel erlebt hätte.

 

Ein 36jähiger Mann hat seit einigen Jahren Beschwerden im rechten Knie. Weil ihm die Ärzte nicht helfen können, geht er nun zu verschiedenen Heilpraktikern, in der Hoffnung, dass diese ihm helfen können. Im Gespräch mit dem systemischen Therapeuten erzählt der Klient, dass sein Vater Soldat im zweiten Weltkrieg war und dort durch einen Granatsplitter sein am Bein verletzt wurde. Die Behandlung im Lazarett brachte keine Heilung sondern das Bein wurde schließlich amputiert. Im Gespräch des Klienten mit dem Therapeuten stellt sich nun heraus, dass nicht nur der Vater eine Beinverletzung hatte, sondern auch der Großvater und beide miteinander in Konkurrenz standen.  

Die Hypothese des Therapeuten lautet. Der Sohn somatisiert die Beinthematik seines Vaters und des Großvaters.

 

Eine Mutter unterbindet seit Jahren den Kontakt des Kindes zum getrenntlebenden Vater. Die Mutter zieht nach der Trennung mit den Kindern ins Ausland. Später kommt sie zurück in den früheren Wohnort, um von dort in einen anderen 500 Kilometer entfernten Ort zu ziehen. Von dort zieht sie mit den Kindern einige Jahre später in einen 1000 Kilometer entfernten Wohnort. Im Gespräch mit dem systemischen Therapeuten wird bekannt, dass die Großeltern ihrer eigenen Mutter sich kurz nach dem Krieg trennten. Der Großvater zog nach Westdeutschland, die Großmutter blieb mit der Tochter in dem kleinen Städtchen Grevesmühlen in Mecklenburg, in der DDR im äußersten Nordwesten gelegen. 1960 als die Tochter 18 ist, trennt diese sich abrupt von der Mutter und zieht von Grevesmühlen in den über 300 Kilometer entfernten Kreis Zeitz, der schon fast in Thüringen liegt. Dort heiratet die junge Frau wenig später. In der Ehe werden zwei Töchter geboren. Die ältere der beiden macht um 1979 ihr Abitur und geht dann zum Studium in das über 300 Kilometer entfernte Rostock, vom Wohnort der Großmutter nur 70 Kilometer entfernt. Rostock liegt im äußersten Norden der DDR. Von dort geht es für den normalen DDR-Bürger nicht mehr weiter nordwärts, weil Dänemark und Schweden zum kapitalistischen Ausland gehören.

Die Hypothese des Therapeuten ist, dass es in der mütterlichen Herkunftsfamilie der Frau eine Fluchttradition gibt. Konflikte werden nicht miteinander gelöst, sondern durch Flucht vermieden.

 

 

 

 

Arbeit mit verdrängten und unbewussten Persönlichkeitsanteilen

 

 

Schatten

Die Tage werden wieder kürzer, die Sonne zieht von Tag zu Tag immer ein Stück niedriger ihre Bahn. Die Schatten werden länger, zur Mittagszeit. Und jeden Tag ein wenig früher, versinkt die Sonne am Horizont und mit ihr verschwindest Du mein Schatten.

Erst im Licht des Mondes tauchst Du wieder auf, merkwürdig blass, kaum wahrzunehmen. Im hellen Schein der Straßenlaterne gewinnst Du an Kontur, meine Schritte aus dem Licht lassen dich wachsen und sogleich verblassen, bis das Licht der nächsten Lampe mich ergreift und meinen Schatten auf den Gehsteig projiziert.

Lieg ich im Bett und der Schlaf kommt über mich, tauchst Du auf, mein lieber böser Schatten. Wie eine Fata Morgana umflatterst Du mich, mal angsteinflößend und mal von angenehmer Wonne. Mal als Wolf und mal als Lamm, mal als Panther kurz vor dem Sprung und dem tödlichen Biss ins Genick des Opfers. Mal als weiser Buddha, allwissend, lächelnd, gütig und verständnisvoll. Lass uns das Fest des Panthers und des Buddhas feiern. Lass Dich vermählen mit dem Licht, mein lieber Schatten.

Verhilf uns zur Zeit der Geisterstunde, dass die Schatten tanzen, aus dem einen Schatten sich lösend ein anderer, ein weiterer und viele folgende. Und wenn der Morgen graut, verschwindet! Doch ich weiß, Ihr seid bei mir, so wie der Schatten der Erde, entstehend durch das Licht der Sonne. Der Schatten nur verschwindend, wenn das Licht der Sonne verdeckt durch den Mond, der sich zwischen Sonne und Erde schiebt. Erst wenn die Sonne erlischt, dann erlischst auch Du, mein Schatten. Bis eine neue Sonne geboren wird und mit ihr neu ein Schatten, mein Schatten.

 

 

Im Laufe des Lebens erlernt jeder Mensch in unterschiedlichem Maße bestimmte, im aktuellen Lebenskontext nicht  erwünschte Bedürfnisse, Interessen und Wünsche zu unterdrücken und wenn die Frustration von Außen sehr stark ist zu verdrängen. Diese Verdrängung ist aber keine absolute, dass heißt die verdrängten Inhalte sind weiterhin latent vorhanden und können aktiviert werden. Häufig geschieht das aber in neurotischer Form, die letztlich nicht zur Erfüllung führen. So z.B. bei Menschen mit Suchtproblemen, die ihre dahinter liegenden Bedürfnisse über das Substitut Droge zu erfüllen trachten. In der Systemischen Arbeit geht es daher wie auch in der Psychoanalyse auch um Aufdeckung von Verdrängungen. In der Systemischen Arbeit wird der Weg aber nicht über eine mehrhundertstündige "unzensierte freie Assoziation" des Analysanden genommen, sondern über einen kürzeren aber angemessenen Weg der Auseinandersetzung des Klienten  mit den Verdrängten Themen. Der Therapeut gibt dem Klienten hierbei eine direkte Unterstützung bei der Bewusstmachung und der Auseinandersetzung mit den bisher gemiedenen Themen.

 

 

 

 

Literatur

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Paul Watzlawick: "Anleitung zum Unglücklichsein", Serie Pieper, München 1983

Paul Watzlawick: "Die erfundene Wirklichkeit. Wie wir wissen, was wir zu wissen glauben. Beiträge zum Konstruktivismus", 1985, Piper Verlag, München

Paul Watzlawick: "Wie wirklich ist die Wirklichkeit?"; Piper; München, 1995

Paul Watzlawick; Giorgio Nardone: "Kurzzeittherapie und Wirklichkeit"; Piper Verlag, München, 1999

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András Wienands: "Einführung in die körperorientierte systemische Therapie, Carl-Auer-Systeme Verlag; Auflage: 1., Aufl. (15. März 2010)

András Wienands: "Methoden der Systemischen Therapie und Beratung“; unveröffentlichtes Arbeitsmaterial (www.gstb.org)

András Wienands: "Perspektiven systemischer Praxis"; Lehrbuch der Gesellschaft für Systemische Therapie und Beratung; Berliner Systeme Verlag, undatiert

Jürg Willi: Die Zweierbeziehung - Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 1997, 69. - 73. Tsd.

Jürg Willi: Die Zweierbeziehung - Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 1995, 57. - 64. Tsd.

Jürg Willi: Therapie der Zweierbeziehung; Rowohlt 1978, 1991

 

 


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