Stellungnahme zum 3-seitigen Schreiben der Verfahrenspflegerin Gisela Trompeter vom 06.02.2008

 

 

Familiensache: X (Vater) und Y (Mutter)

Kind: A (Tochter) geboren: ... .2003

 

 

Amtsgericht Detmold

Richter: Herr Schikowski

Geschäftsnummer: 16 F 248/07

 

 

 

Erarbeitung der Stellungnahme durch Peter Thiel

 

 

 

I. Vorbemerkung

Der Verfahrenspfleger ist Interessensvertreter des Kindes oder Jugendlichen und hat dementsprechend und ohne Weisungsbefugnis des Gerichtes Gesichtspunkte in das Verfahren einzubringen, die der Subjektstellung des Kindes entsprechen und seine Interessen erkenntlich werden lassen. Der Verfahrenspfleger hat keine gutachterlichen Funktionen wahrzunehmen und kann dazu auch nicht vom Gericht herangezogen werden. Das Gericht hat bei Notwendigkeit von Amts wegen die erforderlichen Ermittlungen selbst anzustellen. Es kann sich dabei der Hilfe eines Sachverständigen bedienen.

 

Der Verfahrenspfleger handelt nicht aus der Position des Jugendamtes heraus. Dies wäre eine unzulässige Doppelung, denn das Jugendamt ist regulär Mitwirkender im familiengerichtlichen Verfahren.

An diesen feststehenden Punkten muss sich die Verfahrenspflegerin Gisela Trompeter mit ihrem hier besprochene Bericht messen lassen.

 

 

 

 

II. Allgemeines

Die Verfahrenspflegerin teilt dem Gericht mit, dass am 16. Januar 2008 ein Gespräch „mit A und Frau Y “ stattfand. Dabei meint sie wahrscheinlich, dass sie ein Gespräch mit Maria und Frau Louis gehabt habe.

Der Kontakt (der Verfahrenspflegerin) mit dem Kind A habe dann auch noch „in deren Kinderzimmer in Abwesenheit der Mutter“ stattgefunden. Dies dürfte in so weit nicht korrekt wiedergegeben sein, da die Mutter sich in der fraglichen Zeit sicher in einem benachbarten Raum aufgehalten haben dürfte, es sich hier also um keine echte Abwesenheit der Mutter handelt, wie sie etwa eintritt, wenn das Kind in der Kindertagesstätte ist und die Mutter auf ihrer Arbeitsstelle.

Die Verfahrenspflegerin trägt leider nicht vor, ob und wie sie den Inhalt der Gespräche mit dem Kind dokumentiert hat, mit einer Tonbandaufzeichnung oder einem schriftlichen Gesprächsprotokoll oder mittels eines erst später angefertigtem Gedächtnisprotokolls.

 

Die Verfahrenspflegerin trägt vor:

 

„Es war nicht festzustellen, ob der Wunsch nach mehr Übernachtungen von A kam oder von Herrn X. A hat sich weder für noch gegen zwei Übernachtungen ausgesprochen.“ (S. 1)

 

 

Die Verfahrenspflegerin widerspricht sich hier augenscheinlich. Erst behauptet sie, es gäbe einen Wunsch von A „nach mehr Übernachtungen“ um im folgenden Satz dann behaupten „A hat sich weder für noch gegen zwei Übernachtungen ausgesprochen.“

Wenn sich A für mehr Übernachtungen und gleichzeitig „weder für noch gegen zwei Übernachtungen ausgesprochen“ haben soll, wofür hat sie sich dann ausgesprochen? Logisch gesehen müssten das dann gegenüber dem jetzigen Stand von einer Übernachtung mehr als zwei Übernachtungen sein.

 

In dem Bericht der Verfahrenspflegerin finden sich eine Reihe von Anmerkungen, von denen sich der Unterzeichnende fragt, in wie weit diese etwas mit den Aufgaben einer Verfahrenspflegerin zu tun haben. So etwa, wenn die Verfahrenspflegerin darüber sinniert, warum die Mutter ein „mangelndes Vertrauen“ zum Vater habe.

 

„Frau Y begründet ihr mangelndes Vertrauen mit der Unzuverlässigkeit von Herrn X.“ (S. 2)

 

 

Die Verfahrenspflegerin versteigt sich dann gar noch zugunsten der Mutter zu der parteilich wirkenden Wertung:

 

„Das Verhalten von Herrn X ist nicht geeignet, bei Frau Y das notwendige Vertrauen bezüglich der Versorgung von A durch Herrn X aufzubauen.“ (S. 2)

 

 

Solche Wertungen vorzutragen wäre gegebenenfalls Aufgabe einer parteilichen anwaltlichen Vertretung der Mutter, nicht aber einer Verfahrenspflegerin, die sich hierbei leicht dem Vorwurf aussetzen kann, als Interessenvertreterin der Mutter, nicht aber als Interessenvertreterin des Kindes zu handeln. Dies kann zu der gerichtlichen Feststellung führen, dass die Verfahrenspflegerin die ihr vom Gesetz zugewiesene Aufgabe nicht erfüllt, was eine Entbindung der Verfahrenspflegerin von der ihr gerichtlich zugewiesenen Interessenvertretung des Kindes nach sich ziehen kann.

...

 

 

 

 

III. Fazit

Die knapp fünfjährige A bringt zum Ausdruck, dass Sie „länger beim Vater“ schlafen will.

Dies ergibt sich logisch aus den beiden Aussagen:

 

„Weiter erzählt A, dass sie bald länger beim Vater schlafen werde“

 

und

 

„Papa will das auch.“ (S. 1)

 

 

Denn die Bemerkung „Papa will das auch“, zeigt, dass es neben dem Wunsch der Tochter auch der Wunsch des Vaters ist, also ein zeitgleicher Wunsch von Tochter und Vater gegeben ist. Dabei ist es für die Feststellung des Ist-Zustandes gleichgültig, wer von den beiden diesen Wunsch zuerst gehabt hat.

 

 

Die Behauptung der Verfahrenspflegerin:

 

„Es war nicht festzustellen, ob der Wunsch nach mehr Übernachtungen von A kam oder von Herrn X“

ist daher genau so müßig wie die Frage was zuerst da war, die Henne oder das Ei.

 

 

 

 

 

Peter Thiel, 03.03.2008 (geringfügig überarbeitet am 24.09.2010)

 

 

 

 

Literatur:

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